Der golferische Offenbarungseid

Nach Corona hat auch die Inflation die Golfclubs erreicht. In den Hungerküchen der Clubrestaurants stehen die Spieler nach dem Turnier Schlange. Jugendliche im Titleist-Styling spielen statt einem ProV1x immer öfter gebrauchte ALDI-Bälle; der Greenkeeper wurde durch ein Schaf namens „Emma“ ersetzt.

Auf dem Bild sehen wir Ex-Banker Dr. Ernst Rombacher, der sich im brutalen Wettbewerb der Vermögensvernichtungsorganisationen verschlissen hatte und Opfer einer „Umstrukturierung“ wurde.

Cartoon: Peter Ruge

Als freier Finanzberater lag er mit seinen Empfehlungen so daneben, wie mit dem Lesen seiner Puttlinien, weshalb er sich entschloss, am Morgen der Clubmeisterschaft öffentlich den golferischen Offenbarungseid zu leisten.

Sein Scotty-Cameron-Putter, sein Cobra-Driver, seine Ping-Eisen und sogar seine Brille stehen zum Verkauf: „Ich kann auch ohne Brille sehen, wo das alles enden wird“, meinte er lakonisch zu seinem Freund Joachim (ehemaliger Ex-Deutsche Bank, Ex-Dresdner Bank, Ex-Commerzbank-Vorstand), als der ihm „um der alten Zeiten willen“ für einen Euro und fünfzig Cent ein paar Tees und einen fast neuen Ball abkaufte.

Frau Luise Rombacher, der schon vor Jahren die Villa, die Limousine, der Porsche, die Wohnung in Marbella und nicht unbeträchtliche Vermögenswerte überschrieben wurde, sieht die Weltlage positiver. Sie hat sich just in dem Moment dem Golfsport zugewandt, als ihr Mann die Waffen streckte.

Zugang zu den Freuden dieser Randgruppensportart verschaffte ihr der südafrikanische Golflehrer Joost Van Deen, der jahrelang alles gevögelt hatte, was nicht schnell genug auf den Bäumen war und der es jetzt etwas ruhiger angehen möchte.

„Luise isse coole Schnecke. Se hat Kohle, große Hütte un ihr Kerl war so ne Golfspinner wo jez Pleite is und abtaucht. Is wie ne große Loos für ne Pro in Deutschland“, wird Joost VanDeen von seinen Freunden zitiert.

Na dann, Luise und Joost, viel Glück, ihr beiden!

© by Eugen Pletsch
 

Lustreise in einen Proshop

Nachdem Finanzoberinspektor Arno Buchmacher dank der stadtbekannten Domina Elke Machnitzke die süßen Qualen eines Masochisten kennen und schätzen lernte, führte sie ihn als Höhepunkt einer gemeinsamen Lustreise in einen Proshop, um die Utensilien ultimativer Demütigung zu erwerben.

Cartoon: Peter Ruge


Arno Buchmacher kannte das Golfspiel bisher nur vom Hörensagen. Rechnungen von als „Charity-Events“ getarnten Golfer-Orgien hatte er bisher stets als nicht absetzbar zurückgewiesen. Die Unverfrorenheit, mit der sich gehobene Einkommensgruppen bei ihren Sauf- und Fressgelagen als Wohltäter feiern ließen, erschütterte den Menschen und Staatsbeamten in ihm zutiefst, zumal er anhand der Abrechnungen sehen konnte, wie wenig tatsächlich für den guten Zweck übrigblieb.
Seine humanistische Weltsicht wurde ihm jedoch von Elke Machnitzke mit wenigen Hieben auf den Allerwertesten ausgetrieben.
„Arno, du wirst jetzt Golf lernen“, befahl ihm Elke. „Irgendwann lassen wir die feinen Pinkel wissen, dass du bei der Steuerfahndung bist. Dann haben wir sie bei den Eiern und wir lassen es uns richtig gut gehen, ja?“
Das rhetorische „Ja?“, das Frau Machnitzke an das Ende ihres Satzes gestellt hatte, konnte Arno Buchmacher nur durch ein kurzes Nicken beantworten, da er zum Zeitpunkt des Gespräches gefesselt und geknebelt war.

© by Eugen Pletsch, 2011

Der Choleriker

Der städtische Verwaltungsbeamte Lothar Uhl war allgemein als gutmütiger Zeitgenosse bekannt. Er war kein Mann der großen Worte. Seine Fähigkeit, während eines Telefonats tief und fest einzuschlafen, betrachteten seine Vorgesetzten als Zeichen besonderer Ausgeglichenheit.

Unruhige Kollegen, zum Beispiel der Kämmerer, der in Anbetracht der Haushaltslage kaum noch Schlaf fand, schauten gerne mal bei Lothar vorbei, „um sich eine Mütze Schlaf abzuschauen“, wie es allgemein hieß.

Bei aller Gemütsruhe galt Lothar Uhl jedoch als Innovator. Seine auf scharfsinnigen Beobachtungen basierende Empfehlung an die Busfahrer der Stadtwerke, erst loszufahren, wenn alle Fahrgäste eingestiegen sind, reduzierte die Unfälle unter Rentnern und sorgte für zusätzliche Einnahmen durch Fahrgäste, was der Nachtruhe des Kämmerers gut tat.

Lothar Uhl hatte ein Hobby, nämlich die Stallhasenzucht. „Der geile Erwin“, wie sein Rammler unter Mitzüchtern respektvoll genannt wurde, war sein ganzer Stolz. Mit dem auf vielen Zuchtleistungsschauen prämierten Erwin verbrachte er einen Großteil seiner Tage und Nächte. Dann, eines Tages – es geschah in Rheda-Wiedenbrück auf einem Rammler-Symposium – brach Erwin aus seinem Reisekäfig aus und sprang in ein Streichelgatter, wo er unter den entsetzen Blicken junger Familien eine Häsin namens Helga bestieg. Helga, die große Hoffnung des Verbandsvorsitzenden Jupp Grösewitz, war die schönste Häsin von Niedersachsen. Man hatte große Zuchtpläne mit ihr, die der geile Erwin gründlich verdarb. Er rammelte das Weibchen derart durch das Streichelgatter, dass die Tauben aufflogen und sich die Meerschweinchen vor Angst im Stroh verkrochen. Und so kam es zum Eklat!
Erwin wurde von künftigen Leistungsschauen gesperrt und Lothar Uhl, der von Erwin menschlich sehr enttäuscht war, setzte den Rammler im Wald aus, woraufhin Erwin bald im Kochtopf einer Familie landete, die sehr hungrig war, weil weder das ARGE-Callcenter noch der für ihren Antrag auf Sozialleistungen zuständige Sachbearbeiter erreichbar waren.

Wie viele andere vereinsamte Gestalten wandte sich Lothar Uhl dem Golfsport zu. Er wähnte darin eine Individualsportart, die er ungestört von Fremdeinflüssen ganz für sich ausüben könnte.

Cartoon: Peter Ruge


Lothar, der schon als kleiner Junge darauf bestanden hatte, im städtischen Sandkasten entweder ganz allein oder gar nicht zu spielen, musste jedoch feststellen, dass ein Golfplatz auch von anderen Spielern genutzt wird. Seiner Gemütsruhe beraubt und durch die Trennung von Erwin verbittert, trat schließlich der dunkle Schatten des Cholerikers aus ihm hervor, der sich all die Jahre hinter seinem bräsigen Wesen verborgen hatte.
Bald war Lothar Uhl bei allen Clubmitgliedern wegen seiner Wutausbrüche gefürchtet. Auch auf der Arbeit wurde seine innere Wandlung besorgt registriert.
Als Lothar Uhl nicht mehr zu halten war, bot man ihm eine Weiterbildung zum Busfahrer an, die er gerne annahm. Jetzt fährt er die Linie vom Stadtzentrum raus, die am Golfplatz vorbeiführt.
Lothar Uhl wurde wie viele andere Golfer depressiv. Seine einzige Freude besteht darin loszufahren, wenn gerade jemand einsteigen will. Die Bustür zu schließen, wenn junge Mütter den Kinderwagen gerade mal halb in den Bus heben konnten, ist seine Spezialität. Dann gluckst er leise, was sein Therapeut gerne als „emotionalen Durchbruch“ bezeichnet.
 

© by Eugen Pletsch, 2011

Der oberhessische Dummbabbler

Seit Aristoteles mit seinem Wanderstab auf dem Weg nach Athen das Gewölle einer Eule ins Meer schlug, die als Begleiterin der Göttin Athena bereits in den Fabeln des Äsop für ihre Klugheit gelobt wurde, gilt die Welt der Golfer als letzte Bastion humanistischer Bildung, was wir bereits in mehreren Folgen unserer kleinen Reihe der „Golfethnologischen Betrachtungen“ ausgeführt haben.

Heute werden wir uns dem „Oberhessischen Dummbabbler“ zuwenden, der sich häufig in kleinen Rudeln von bis zu vier Männchen oder Weibchen aus den Regenwäldern des oberhessischen Berglandes hervorwagt, um – meist friedlich – in den Auen nach Bällen zu suchen, oder um in umliegenden Clubhäusern Atzung zu finden. Sofern sie unter sich sind, babbeln die Männchen dieser interessanten Spezies gerne über ihre Paarungswünsche mit besonders gut entwickelten Weibchen.  Sind jedoch eigene Weibchen im Rudel, meiden die Männchen Gespräche über Paarungsrituale, um die Weibchen nicht auf dumme Gedanken zu bringen.
Sind oberhessische Dummbabbler-Weibchen allein in einem Rudel unterwegs, babbeln sie gerne über gut entwickelte Männchen und andere Weibchen, die nicht dabei sind.
Beim Lauschen der Lockrufe und Balzpfiffe können wir feststellen, dass der „Oberhessische Dummbabbler“ gerne kommuniziert. Dabei scheut er sich nicht, seine Werbung über das Nachbar-Fairway zu schicken, denn schließlich ein gepflegtes Zusammenseins Grundlage jeder Golf-Gemeinschaft.
Das nachfolgende Gespräch wurde von einem Golf-Ethnologen aufgezeichnet, der zwei Dummbabbler sowie einen Bass-Brummler belauschte, den wir bereit in einer früheren Folge vorgestellt haben.
Wie unter Golfern üblich, beginnt das Gespräch am 1. Abschlag mit allgemeinen Befindlichkeiten, um sich dann im Spielverlauf dem mangelhaften Platzzustand zuzuwenden. Spätestens an der 3. Bahn ist geklärt, wer am heutigen schlechten Spiel schuld ist (Greenkeeper, Pro, DGV, Job oder Ehepartner). Ab der 6. Bahn sind die Spieler bereits von Verzweiflung ergriffen und auf der 8. Bahn von vollkommener Resignation erfüllt, weshalb sie auf der 9. Bahn nur noch dem 1. Schoppen am Halfway-House entgegenfiebern können.
Ab der 11. Bahn, nachdem die 3. Flasche geleert wurde, werden die Dialoge enthemmter. Die Dummbabbler-Männchen phantasieren dann häufig vom „Einlochen“ und besonders gut entwickelten Weibchen – wie gesagt – sofern keine eigenen Weibchen im Rudel sind. Leider konnten wir das Gespräch dieser Feldstudie nicht über die ganze Runde verfolgen, da unser Golf-Ethnologe die Arbeit leider nach der 1. Bahn aus gesundheitlichen Gründen abbrechen musste.

Es folgt die Aufzeichnung des Gespräches:
„Moin, die Herrn.“
„Ei Schorsch, lang ned gesehn!“
„Isch konnt wesche meine Hämmoridde lang nät spiele.“
„Ei nee, Hämmoridde soll mer ned uff die leischte Schulder nehme. Und? Iss besser?“
„Des war kein Spass. Isch musst auch bein Neurologe…“
„Wesche Hämoridde bein Neurologe? Ei mach‘ Sache…“
„Der sollt gucke, ob mein Juckreiz nervlich bedingt iss.“
„Hämmoridde nervlich bedingt, was all gibt. Mein Slice is auch nervlich bedingt. Und dann?“
„Jetz hamse wo was abgeschnibbelt. Es juckt halt noch e bissi.“
„Na, dann lasse ma jucke… um was spiele mer heut?“
„Um en Schoppe?“
„Also Männer: wer schläächt ab?“
„Immer der der frääscht“
„Na gut. Jetz klatsch ich die Murmel dorsch de Schallmauer!“

Kalli geht aufs Tee. In einem umständlichen  Bewegungsablauf, der an einen antiken Schlangentanz erinnert, versucht Kalli, die Fragmente eines Rituals zu zelebrieren, das ihm einst von seinem Golflehrer als Pre-Shot Routine eingebläut wurde. Plötzlich, auch für den Ball vollkommen überraschend, schlägt er zu. Selbst Kalli ist überrascht, besonders als er den Himmel erfolglos nach seinem Ball absucht.

Cartoon: Peter Ruge


„Ui, ne? Was warn dess? Wo issnderhin?“
„Ei Kalli, der iss im Wasser.“
„Meinste ned, dass der nochema reingekomme iss?“
„Von wo rein? Ausm Wasser nomma raus, oder wie?

Jetzt schlägt Schorsch. Es folgt ein langer gerader Drive Mitte Fairway, dem er ungläubig hinterherstarrt:

„Wass wa‘n dess? Was hab‘ben ich ebbe falsch gemacht? Hab dir den gesehn? Kerzegrad!“
„Ei wo gibt’s dann sowas? Hast vielleicht schepp gestande? Ist eigentlich gar net dein Schlasch, so gradaus uffs Fairway.“
„Unn, was iss, Heinz? Wird das heut noch was?“

Behäbig erklimmt der Brummler den 1. Abschlag. Sein Blick sucht am Horizont nach einem angemessenen Ziel. Es folgt ein wuchtiger Hieb, der den Ball scharf nach rechts ins Gekräckel treibt. Dorthin zieht es auch die Prostata des Bass-Brummlers und nachdem Kalli seinen 3. Ball gespielt hat geht jeder seiner Wege, was von Lautmalereien in allen Lagen begleitet wird.

„Was suchst‘n?“
„Ei, mein Ball.“
„Isch glab, so lang war der net.“
„Der muss hier doch lije.“
„Lieschter abber net. Gugge ma da hinne“.
„Ei, so kurz.“
„Haste mein gesehen.“
„Vielleicht im Bunker.“
„Schau dir dess ema an: Hamm de Bunger net gerecht und dafür zahl ich das viele Geld.“
„Na, die Grüns sin doch noch schlimmer. „
„Da sind die Greenkeeper dran schuld, die aale Faulenzer. Da resch ich mich schon gar net mehr auf.“ „Gugge mal, wie die da am Schubbe hocke und grinse. Die sinn doch all besoffe.“
„Ne, des is doch de Achmed und de Hammed. Die derfe doch net saufe, die Mullahs.“
„Das sinn doch alles Schläfer von de alKaida. Seit die unser abendländisch Grün mähe, geht bei mir kein Ball mehr rein.“
„Da kann ebbes dran sein.“
„Wo issn de Heinz?“
Laut: “Wo steckste dann, Heinz!“
Es dröhnt ein basstiefes Fluchen aus dem Wald.
Zum Schorsch: „Alles klar, de Heinz brummt – de Heinz lebt“.

Endlich erreichen sie das Grün, wo sich der Bass-Brummler bei seinem Putt schließlich so verliest, dass sein Ball aus acht Metern ins Loch fällt. Die Begeisterung ist groß:

„Ei guggde ma, jetzt zieht uns de Heinz des Tangahös‘sche stramm…!“

Bei dem Gedanken, dass einer der Herren einen String-Tanga tragen könnte, kollabierte der Golf-Ethnologe und musste seine Aufzeichnungen beenden. Durch das Club-Sekretariat konnte jedoch rekonstruiert werden, dass Heinz, Schorsch und Kalli nicht viel länger als fünfeinhalb Stunden unterwegs waren, weshalb sie in ihrem Club als „Der flotte Dreier“ bezeichnet werden.


 
© by Eugen Pletsch, 2011
 

Der Fall Ewald Lurch

Wie entstehen Konflikte? Meist durch Missverständnisse, die nicht aufgeklärt werden. So war es auch im Fall Ewald Lurch und seinen Kontaktlinsen ,denn ich wurde zufällig Zeuge von Ewalds abendlicher Runde.

An jenem Abend saß ich auf einem Hochsitz am Waldrand seitlich der 4. Bahn und betrachtete das abendliche Geschehen auf dem Platz. Zuvor hatte ich mich geärgert, dass mir ein Rennbuggy-Fahrer in den Rückschwung gebrettert war. Er kannte mich und wusste, dass ich ein schneller Spieler bin, sofern es möglich ist. Trotzdem maulte er mich auch noch an, warum es so langsam voranginge. Um noch einen draufzusetzen, empfahl er mir, mal etwas „mit Humor“ zu schreiben. Das ärgerte mich. Bin ich etwa ein Witzeerzähler? Nicht dass ich keinen Humor hätte – über Eds Geschichte vom Esel und den Brennnesseln vermochte ich sogar zu lachen, ohne sie wirklich verstanden zu haben, aber manchmal frage ich mich, was gewisse Leute unter „Humor“ verstehen? Vielleicht sollte ich auch schon mittags mit dem Saufen anfangen, um diese Leute zu begreifen. Doch würde das helfen, Konflikte zu vermeiden? Der Philosoph Eckhart Tolle sagt sinngemäß, dass ein Konflikt nicht auf der Ebene des Bewusstseins gelöst werden kann, auf der er entstanden ist.
Über solche Dinge dachte ich auf dem Hochsitz nach, während ein bunter Reigen von Golfern an mir vorbeizog. Schließlich versank ich in meditativer Stille, bis mich die abendliche Kühle weckte. Es war dunkel geworden, nur ein überirdisches Leuchten strahlte über das Fairway, vermutlich Elektrosmog. Ich wollte gerade vom Hochsitz steigen, als ich die schemenhafte Gestalt von Ewald Lurch erblickte, der, vom Schwung her unverwechselbar, auf dem 4. Abschlag stand und mit seinem Eisen wie ein Seeräuber um sich schlug.
Als Kind war der kleine Ewald ein schmächtiges Bürschlein gewesen, das beim Sprechen auf eine seltsam glibbrige Weise echsenhaft züngelte, weshalb er schon im Kindergarten Lurchi gerufen wurde. Sowie der kleine Ewald lesen konnte, wurde ihm bewusst, woher der Spott kam, denn er war keineswegs wie der Held aus dem Salamander-Schuh-Heftchen und hasste es deshalb umso mehr, wenn seine Mutti darauf bestand, ihm ein grünes Hütchen aufzusetzen, bevor sie ihn in die Schule schickte.
Der kleine Ewald wuchs heran und mit der Zeit entwickelte er eine schmierige Form von Eloquenz, die ihm als Vertreter für schleimige Produkte aller Art ein gutes Einkommen sicherte: Handseifen, Cremes, Putzmittel – das alles ging ihm an der Haustür flott von der Hand, wobei Damen beiderlei Geschlechts mit Genuss feststellten, dass der kleine Ewald einen großen Lurch hatte.
Über die Jahre, so hat es die Natur eingerichtet und es ließ sich nicht ändern, wurde Ewald immer kurzsichtiger, fast so sehr wie der Autor dieser Zeilen, dem das Tageslicht nur dämmrig durch die colaflaschenbodendicken Brillengläser dringt.
Diese Fehlsichtigkeit ist etwas, das uns verbindet. Seit ich wieder in Bauernburg spielte, gingen wir manche gemeinsame Runde, weshalb man uns den „Blindschleichen-Flight“ nannte. Dabei spielten wir schneller, als eine Kreuzotter zubeißen kann!
Tja, der Lurchi. Da hackte er sich also nächtens über die Bahn und ich wunderte mich, was er da trieb. Wie eine Wildsau durchpflügte er die Wiese, hin und her, auf und ab. Grasbutzen flogen umher, als er immer hektischer und wütender um sich schlug. Schließlich, als wollte er an aller Welt, an allem erlebten Spott, an aller Bosheit, die ihm je widerfahren war, Rache nehmen, prügelte er wütend wie ein Berserker auf das Fairway ein.


Es ist mir natürlich bekannt, dass man Prozesse der Selbstfindung und Befreiung nicht unterbrechen darf. Erst als er sich in gefährliche Nähe zum Grün voranhackte, rief ich, um das Schlimmste zu verhindern, ganz sanft seinen Namen:
„Eeeewald!“
Er hackte weiter.
„Eeeeeewald!“
Er konnte mich nicht hören. Als er fast am Grün angekommen war, zog ich die Notbremse: „EEEEEEWALD LURCH!“
Jetzt hielt er inne und schaute auf. Schweißüberströmt, soweit man das im Halbdunkel sehen konnte, und ohne Brille!
„Mein Gott, Ewald! Was ist los? Was treibst du hier?“

Ewald schien mehr als nur desorientiert zu sein. Er war außer sich. Er war in jenem gottlosen Zustand, in dem brave Bürger morden, Soldaten Massaker begehen und das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinalprodukte (BfArM) Amalgam als Zahnfüllung und Thiomersal in Impfstoffen für unbedenklich erklärt. Langsam schien er zu erwachen, schließlich erkannte er mich:
„Was machst du denn hier?“
„Das möchte ich dich fragen! Warum zerhackst du das ganze Fairway?“
„Was mache ich?“
„Da, schau, was du angerichtet hast! Die ganze Bahn ist kaputt!“
„Das kann ich nicht sehen.“
„Wie – kannst du nicht sehen? Wo ist deine Brille?“
„Ich trage heute erstmals Kontaktlinsen.“
„Du? Kontaktlinsen?“
Warum hatte Ewald unsere sportliche Zweisamkeit als Blindschleichen verraten?
„Kontaktlinsen?“ Ich war entsetzt.
„Die Löcher sehen dadurch angeblich größer aus, der Ball ist größer, alles ist irgendwie größer.“
„Ach Ewald, ich bin enttäuscht. Durch unsere dicken Brillengläser mag die Welt zwar winzig wirken, aber ist es nicht gerade das Ameisenhafte, dieses verzwergte Gewusel, was uns beiden das Leben erträglich macht?“
Ewald wand sich.
„Ich wollte nur mal wissen, wie andere die Welt sehen.“
„Und dafür zerhackst du die Bahn?“
„Ich hab nur versucht, meinen Ball zu treffen und als das nicht gelang, kam ich irgendwie in Rage.“
„In Rage. Das kann man wohl so nennen. Komm jetzt, Ewald, ich begleite dich zum Parkplatz.“
Der verschlammte und verschwitzte Ewald trottete neben mir her und maulte leise vor sich hin. Als wir am Parkplatz ankamen, schaute er mich besorgt an.
„Und? Wirst du mich verraten?“
„Nein, natürlich nicht, alter Freund“, besänftigte ich ihn.

Ewald schien erleichtert, doch leider hatte die Sache ein Nachspiel. Der Schaden wurde entdeckt und eine Rotte Jäger zu einer Treibjagd zusammengetrommelt, worauf alsbald drei unschuldige Wutzen ihr Leben lassen mussten. Dann zogen die Jäger in die nächste Gemarkung weiter, um auch dort noch einige Wildschweine zu erlegen.

Tja, so entstehen Konflikte, dachte ich. Meist durch Missverständnisse, die nicht aufgeklärt werden.
Ewald Lurch ist jetzt mein Knecht. Schmierseife bekomme ich umsonst und im nächsten Jahr auch noch mein Wunschhandicap. Etwas schmierig, die ganze Sache, aber schließlich muss jeder Freizeitgolfer sehen, wo er bleibt, oder?

Auszug aus: „Achtung Golfer!“ © by Eugen Pletsch 2010

Weg mit dem Damenabschlag!

Ein Plädoyer für die Gleichstellung der Frau.

Golf ist für viele Frauen eine wunderbare Gelegenheit, dem männlichen Geschlecht zu zeigen, dass es nicht um Kraft geht, sondern um Geschicklichkeit, Köpfchen und mentale Stärke. Viele Frauen spielen sehr elegant, und mit einem Minimum an Krafteinsatz erzielen sie ein Maximum an Schlägen. Dabei entdecken sie auch die kommunikativen und modischen Freuden dieses Spiels. Golf kann so schön sein, wenn sich frau auf der Runde sechs Stunden lang ungestört unterhalten darf.

Ich hatte einige Male den Vorzug, hinter einem Ladies Day-Turnier herspielen zu dürfen und war fasziniert, wie die Damen selbst schwierigste Lagen immer wieder gemeistert haben. Wenn nicht beim ersten, dann beim nächsten oder übernächsten Schlag. Alles kann, nichts muss, lautet das Credo dieser weiblichen Swinger-Nachmittage.

In dem Zusammenhang stelle ich mir oft die Frage, warum sich Frauen immer noch den absurden Golfregeln einer Männergesellschaft unterwerfen? Regeln braucht man vielleicht beim Fußball, beim Golf sind sie vollkommen unsinnig. Warum, zum Beispiel, wird ein Schlag gezählt, wenn der Ball gar nicht getroffen wurde? Viele Frauen machen gerne mal einen Luftschlag. In dieser Bewegung liegt viel Anmut und Ästhetik.

Und warum gelten Bälle als verloren, nur weil sie nicht da sind, wo sie sein müssten? Nach Jahrhunderten patriarchalischer Unterdrückung sollte sich eine moderne Frau keinen Strafschlag anrechnen lassen, nur weil ein Ball nicht zu finden ist. Da gilt es, sich vom herrschaftlichen Diktat zu lösen. Ganze Völkergruppen, besonders aus dem asiatischen Kulturraum, haben diesen emanzipatorischen Schritt längst vollzogen, lassen kleinkrämerische Erbsenzählerei hinter sich und notieren nur noch die gelungenen Schläge.

Ich plädiere auch für die Abschaffung des Damen-Abschlags, diesem traurigen Relikt einer diskriminierenden Männergesellschaft. Frauen brauchen keinen Damenabschlag, zumal sie beim Golfen erhebliche Vorteile haben: Weniger ausgeprägte Muskeln sorgen dafür, dass eine Frau mehr schwingt und weniger Kraft einsetzt. Da Frauen meist kleiner als Männer sind, können sie besser unter hängenden Ästen herausspielen.
Zwar fehlt ihnen etwas Beschleunigungsweg, folglich haben sie auch eine geringere Schlägerkopfgeschwindigkeit, aber dafür fliegt der Ball auch nicht so weit ins Aus. Weniger Kraft in den Unterarmen sorgt dafür, dass frau in schwierigen Lagen den Kopf benutzt, bevor sie zuschlägt.

Cartoon: Peter Ruge


Eine Golflehrerin meinte, dass große Brüste beim richtigen Schwingen behindern, was ein Nachteil wäre: »Die Drehbewegung und der Hub der Arme können hierdurch beeinträchtigt werden und zu Problemen führen, den Golfschwung technisch korrekt auszuführen«.
Fairerweise muss man sagen: Für Männer ist das doch noch schwieriger!Meine Umfrage unter Golfern ergab, dass 90 % aller Männer nicht mehr in der Lage sind, den Golfschwung technisch korrekt auszuführen, wenn sie Frauen mit großen Brüsten sehen. Deshalb: Weg mit dem Damenabschlag!

Übrigens, meine Herren, auf ein Wort: Manche Machos und Alpha-Tierchen unter uns meinen immer noch, hinter einem Damenvierer drängeln zu müssen.
Ich kann Sie nur bitten, Gentlemen zu bleiben oder endlich zu werden!
Es ist golferische Etikette, zumindest internationale Gepflogenheit, dass sich ein Damenflight nicht dann weiterbewegt, wenn alle geschlagen haben, sondern erst dann, wenn der Satz beendet wurde, den eine Spielerin eigentlich noch sagen wollte, bevor sie durch den Schlag ihrer Mitspielerin unterbrochen wurde.
Sonst kann man sich ja überhaupt nicht mehr unterhalten! Schließlich soll das Golfspiel der Entspannung dienen und da können viele Männer von unseren Damen nur lernen.

© by Eugen Pletsch 2010

Das PRO/AM Dinner

Der Höhepunkt eines Pro/Ams ist die Abendveranstaltung!

Veranstalter, Sponsoren, Funktionäre und Funktionierende im großen Reigen kulinarischer Genüsse. Gewöhnlich werden die Flights zusammengesetzt. Manchmal sind sogar die Pros dabei, die sich nach der Siegerehrung verabschieden dürfen, weil sie am nächsten Tag früh raus müssen.

Meist erkennt man weder den Pro noch die Mitspieler vom Tage, wenn sie da frisch gewaschen und gebügelt im feinen Zwirn zum Willkommenstrunk zusammenstehen und Visitenkarten austauschen. Der dröge Schnarchsack, der die Runde zum Golf-Trauma werden ließ, verwandelt sich in einen eloquenten Banker und die Hackerin, die im Bunker auf der 17. Bahn den Tränen nah waren, ist plötzlich, nach einer Komplettrestauration von Maske und Mode, jene Dame aus dem Fernsehen, von der man nicht genau weiß was sie macht, außer das sie „prominent“ ist.

O-beinige Ex-Fußballer und alle Olympiasieger seit Berlin 36 werden herangekarrt, um sich in den Dienst eines guten Zweckes zu stellen, denn verlost wird immer irgendetwas, was den Bruchteil der Summe einbringt, die der Abend kosten wird.
Dann kommen die Ansprachen. Wohlgemerkt vor dem Essen. Spieler und Professionals, die seit der letzten Verpflegung im Halfway-House vor einigen Stunden nur ein schnelles Glas Prosecco beim Empfang in sich reinschütten konnten, stürzen sich auf die Weißbrotscheiben, die auf den Tischen stehen. Jeder hat Hunger, aber keiner sagt es. Alle sind nett und höflich.

Über die falsch eingestellte Lautsprecheranlage wabert die Stimme des Hausherrn durch den Saal: „Ja, es war ein herrlicher Tag, es wurde gut gespielt, es wird nachher große Überraschungen geben, denn mit 12 unter Par als Gruppenergebnis gewinnt man heute keinen Blumentopf, um ein paar voreilige Hoffnungen zu dämpfen, aber mehr dazu später, nach dem Dinner. Zuerst sei den Sponsoren gedankt, die das Ganze möglich gemacht haben, natürlich auch den Greenkeepern, die seit Monaten Tag und Nacht daran gearbeitet haben, dass auf einer nassen Dorfwiese irgendwo im Nirgendwo endlich Golf gespielt werden konnte, (was er so natürlich nicht sagt). Nach dem Wettergott wird den vielen freiwilligen Helfern gedankt, die durch ihren unermüdlichen Einsatz dazu beigetragen haben … alle klatschen artig.

So, und jetzt, bevor es losgeht, mit dem wunderbaren Essen aus der berühmten Hotelküche (deren Koch seine Kompetenz für Großveranstaltungen aus seiner früheren Tätigkeit in der Kantine eines Altenheims bezog), möchten wir Ihnen noch unseren Hauptsponsoren, den Herrn Häberle, vorstellen, den Vorstandsvorsitzenden von Küchen Häberle. Ein rotbackiger, kleiner Mops erhebt sich vom „Prominententisch“, wo die Tour-Granden mit den Größen aus Politik und Wirtschaft intime Gespräche führen, was zu neidischen Blicken von den anderen Tischen führt, wo sich der Mittelstand mit einer eher halbseidenen Prominenz begnügen muss.

Ja, der Herr Häberle. Er hat das Mikrofon fast im Mund. Die Anlage jault auf, die Boxen fiepen. Sein Vater, erzählt er, habe damals, in den 60ger Jahren, die Vision gehabt, ein Küchensystem zu bauen, das auch Atombomben Stand halten würde: „Die Welt vergeht, aber Häberle steht!“ Ein Brüller?  Nicht bei uns. Es wird schmallippig geschmunzelt. Mein ausländischer Pro, der kein Wort versteht, schaut glasig in sein Wässerchen. Häberle kommt in Fahrt und beschreibt nicht nur die Modellbaureihe Hiroshima, sondern auch die Vorzüge der neuen „Klapp und Weg“- Konstruktion, die weltweit patentiert wurde.
„Seit es Klapp und Weggibt, hat kein Kind mehr Finger in der Brotmaschine lassen müssen! Nicht bei Häberle!“, ruft er drohend und lässt ahnen, was sich in anderen Küchen abspielen könnte. Jetzt schlägt Häberle eine Resopalbrücke zum Golfsport, der ihm in den wenigen Monaten, die er bereits spielt, schon so manchen Strich durch den eng gefüllten Terminplan gemacht hat, denn so richtig Zack und Wegwill sein Ball noch nicht fliegen. Ob er mal einen Golferwitz erzählen soll? Nacktes Entsetzen breitet sich aus, aber das scheint Häberle nicht zu merken und er, der Golf-Frischling, gibt eine Klamotte zum Besten, die alle Golfer seit Jahrhunderten kennen, nur die Olympiasieger nicht, worauf sie die Pointe noch mal ins Hörgerät gebrüllt bekommen.

Ein guter Moment für den Veranstalter, dem Herrn Häberle noch mal großzügig für sein Sponsoring und den 1. Preis der Tombola, eine echte Klapp und Weg Brotmaschineaus dem Küchenhaus Häberle zu danken. Häberle tritt ab, Klapp und Weg, alle atmen auf, haben Hunger und die Kellner scharren mit den Hufen, denn draußen wartet eine Kreation von kleinen Wachtelärschen und Taubenmus auf Cannabis-Creme.

Cartoon: Peter Ruge


Tja, man könnte jetzt essen, aber – wumms – geht die Tür auf und der Herr Landrat schiebt sich gewichtig zum Prominententisch. Oh, die Termine! Man habe sich verspätet und drei Veranstaltungen hat er noch, heut Abend, mal ohne die Bordelleröffnung gerechnet, von der er aber nichts erzählt. Der Veranstalter nimmt das Mikro und stellt den Herrn Landrat vor, der es sich nicht nehmen lassen möchte, ein paar Worte an die vielen, und wie er hörte auch außerordentlich prominenten Gäste zu richten, die den Weg nicht gescheut haben, diesen herrlichen Flecken Heimat zu besuchen, den er als Landrat seit mehreren Jahren regieren darf.

„Golfer haben bekanntermaßen viel Zeit, im Gegensatz zur arbeitenden Bevölkerung“, beginnt er. Dazu lacht er: „Ha Ha Ha“. Offensichtlich glaubt er, wir hätten schon gegessen und würden auf ihn und den Nachtisch warten. Er erzählt natürlich nicht, wie er Landrat geworden ist: Er wirkte seinerzeit federführend in jener Behörde, die für den Golfplatzbau zuständig war. Leider gab es gewisse Probleme, denn der Platz sollte einerseits an einer Stelle erbaut werden, die manchem eingeweihten Spekulanten ordentliche Gewinnen bringen würde, andererseits jedoch den kleinen Haken hatte, dass weite Flächen unter Naturschutz standen. Aber dank seines Einsatzes in der Bündelung gewisser kreativer Synergien konnte diese wunderbare Sportstätte letztendlich doch geschaffen werden und als der alte Landrat, ein Hubertus-Jünger, unglücklicherweise der Selbstschussanlage seiner illegal erbauten Jagdhütte zum Opfer fiel, trat er die Erbfolge an.

Oh ja, er fühle sich dem Golfsport sehr verbunden, erzählt er fröhlich, auch wenn er selbst nicht spielte, den einer müsse ja noch was arbeiten … Ha Ha Ha. Er gluckst. Es folgt verhaltener Beifall vom Prominententisch. Mein Pro kippt nach vorne, fängt sich aber wieder. Das Weißbrot ist zermalmt, das Tischwasser verdunstet. Vielleicht hört er jetzt auf … aber nein. Jetzt beginnt er seine schöne Heimat mit den Sehenswürdigkeiten zu beschreiben. Es möchte uns alle herzlich einladen, hier mal Ferien zu machen. Mal ordentlich auszuspannen! Die gute Küche habe man ja bereits gekostet, womit er vermutlich das Weißbrot meint, dass wir mit dem rosafarbenen Designerfett bestreichen durften.

Hunger kriecht durch den Saal. Und Wut? Würde es einen Aufstand der Wohlstandsgemäßteten geben, die mittlerweile unterzuckert an ihren Servietten knabberten? Wie lange sollten wir diesem Schwafler noch zuhören. Aber plötzlich, mit einem Blick auf die Uhr, verabschiedete er sich. Ich weiß nicht, wer noch die Kraft zu diesem höflichen Klatschen fand, das ihn auf dem Weg zum nächsten Termin begleitete. Warum gibt es keine Etikette für Abendveranstaltungen? Oder gibt es die?

Dann kam das Essen. Es sah gut aus, war aber nicht besonders. Zu viel fürs Auge, zu wenig für den Geschmack. Das kann ich beurteilen, da kenne ich mich aus.

© by Eugen Pletsch 2010

Die Rindswurst

Trotz veränderter Lebensbedingungen unterscheiden wir uns genetisch nicht von unseren Vorfahren, die vor 100000 Jahren Jäger und Sammler waren.
Heute ist körperliche Bewegung in westlichen Ländern die Ausnahme. Nur die Heere der Kolonialmächte sowie die Golfer bewegen sich noch physisch, um ihren genetischen Beute-Auftrag zu erfüllen.

Die Abbildung zeigt Schorsch Lawitzky (der auf seiner Jagd-Runde mehrere Bälle aufsammeln konnte, bevor er dann das 1. Netto der Klasse C erbeutete), beim Verspeisen einer Rindswurst.
 

Cartoon: Peter Ruge

Die Rindswurst, die der Clubgastronom von einem Gammelfleisch-Händler erstanden hatte, besteht aus gemahlenen Schlachtabfällen, Schweinegekröse, Kotresten, Rinderzahnfleisch, Lippen, Schlund und Depotfett, die mit Nitritpökelsalz E50, sowie Natriumnitrit, E252, E302,E301,,E575, E620, E450a und Milchsäure (als Kutterhilfsmittel zur Verbesserung des Wasserbindevermögens) angereichert wurde.

Da es sich um die letzte Wurst auf dem Grill handelte, musste der frühere Bauarbeiter und heutige Inhaber einer Agentur für Leiharbeit Schorsch Lawitzky gegenüber den Handchirurgen Dr. Fenzel-Fädrich handgreiflich werden, indem er androhte, ihm alle Finger zu brechen, sollte er erwägen, sich dieser letzten Rindswurst zu bemächtigen, wobei sich Schorsch Lawitzky nicht so gewählt ausdrückte, sondern nur knurrte: „Fass meine Wurscht an und ich brech‘ dir deine dürren Flossen, du Schwuchtel!“

Dieser deftige unter Golfern mittlerweile etablierte Umgangston veranlasste Dr. Fenzel-Fädrich den Schwanz einzuziehen. Er entfernte sich sofort vom Grill und wandte sich einem wässrigen Salatblatt ohne jedwede Nährstoffe zu.

Schorsch Lawitzky’s Kommentar zur Wurst war „Gar nicht so schlecht!“, was den Gastronomen in seiner Überzeugung bestärkte, dass der billigste Dreck für diesen Sauhaufen gerade gut genug ist.


© by Eugen Pletsch, 2011

Champions hole everywhere!

Alwin Schopenhauer, in väterlicher Linie um ein paar Ecken verwandt mit großen Philosophen, hielt sich an seinem Putter fest und plätscherte mit den Füßen im Teich am Grün der 15. Bahn (PAR 3, 147 Meter).


Er dachte nach. Dabei konnte er sich an viele Geschehnisse in seinem Leben erinnern. Zum Beispiel an seine Firmung, seine Ängste vor einem frühen Tod nach dem (fiktiven) Biss einer Blindschleiche, seine Einschulung, bei der ihn seine dicke Tante Herta begleitete (seine Mutter war indisponiert) und seine erste erotische Erfahrung, die er mit 12 Jahren auf einem Bauernhof im Fränkischen machte, als er mit Sonja Lippschild im Heu balgte und sie dabei mit den Armen so fest umschloss, dass er ihr Herz pochen hörte.
Er erinnerte sich in allen Einzelheiten an seinen beruflichen Werdegang als Bauzeichner und seine Heirat mit Elvira Stütz-Mauser, die darauf bestand, fürderhin Frau Stütz-Mauser-Schopenhauer genannt zu werden. Nur die Gründe, die nach kurzer Zeit zur Scheidung führten, waren ihm im Moment nicht ganz präsent.

Dafür umso lebhafter die Erinnerungen an seine ersten Versuche auf dem Golfplatz unter Anleitung des schottischen Golfprofessionals Alan Jets, der ihn auf traditionelle Weise in die Geheimnisse jenes königlichen Spiels einweihte, dem er sich alsbald mit einer solchen Inbrunst hingab, dass seine Frau die Scheidung einreichte (ach ja, da haben wir es: Das war der Scheidungsgrund!).

Befreit von häuslichem Unfrieden konnte Alwin sein Handicap in jenem sagenhaften Sommer 97 (in dem aber auch wirklich alles klappte) auf seine persönliche Bestmarke von 16,4 senken, was er, der er im Club als der „knauserige Alwin“ bezeichnet wurde – ausgiebig und unvergessen – zu feiern wusste, in dem er seine Spielpartner zu der Flasche Apfelschorle einlud, die sich noch halbvoll und leider etwas angewärmt in seinem Bag befand.
Schließlich – er wusste es noch wie heute – gewann er 2004 die Seniorenclubmeisterschaft, wozu ihm sein früherer, mittlerweile verrenteter Pro Alan Jets mittels einer Humor-Postkarte gratulierte, die in Glasgow abgeschickt wurde. Die Postkarte zeigte das entblößte Hinterteil einer jungen Dame sowie die Aufschrift „Champions hole everywhere!“, was ihm im Moment der Zustellung durch eine junge Postbedienstete sehr peinlich war.
An all diese Dinge konnte er sich also sehr gut erinnern, nur an eines nicht: Warum er am Grün der 15. Bahn (PAR 3, 147 Meter) saß und mit den Füßen im Teich plätscherte. Wie er dahin gekommen war, daran konnte er sich beim besten Willen nicht mehr erinnern.

PS: Schopenhauers Hausarzt Dr. Meuselwitz, der, vom Marshall benachrichtigt, mal rasch mit dem Cart von der 11 rüberfuhr um nach dem Rechten zu sehen, fand Schopenhauers Zustand nicht besorgniserregend. „Erinnerungslücken sind in diesem Club wie ein Virus“ sagte er lachend, womit er auf die Zählgewohnheiten seines Clubkameraden Hubert Kleinschmidt anspielte.

Der Krake

Achten Sie – bei normalen Temperaturen – auf Männer mit roten Köpfen. Die haben ein Laufpensum hinter sich, das der dreifachen Platzlänge entspricht. Achten Sie auf Kratzspuren von Fichtenzweigen oder Himbeerbüschen an den Armen, Blut- und Schlammspritzer an den Beinen, Froschlaich im Haar!

Diese Burschen kommen aus der Hölle und warten darauf, Ihnen genau zu erzählen, wie es dort aussieht. Sie sitzen wie Kraken mit ihren roten Köpfen beim Pils an der leeren Bar. Ihre schleimigen Fußangeln liegen unsichtbar auf die nächsten drei Barhocker rechts und links drapiert. Wenn Sie sich leichtfertigerweise auf einem dieser giftigen Saugnäpfe niederlassen, kommen Sie nicht mehr los. Das fängt dann so an: Der Mann mit der roten Birne wendet sich Ihnen in dem Moment zu, wo Sie Ihr Bier an die Lippen setzen.

»Schon geschpielt?«, fragt er, und seine trüben Tiefseeaugen verengen sich zu Schlitzen.

Mit dem Glas am Mund können Sie nur reflexartig verneinen, wobei Ihnen die Brühe rechts und links über die Backen rinnt.

Mit einem Satz wird der männliche Krake mit einem Lappen, den er zu diesem Zweck hinter dem Tresen bereithält, auf dem Hocker neben Ihnen sein.

Während Sie der nasse Tölpel sind, wischt er schon eifrig an Ihnen rum und meint unschuldig: »Kannema vorkomme.« Und dann: »De Platz is ebbes voll drauße, abber isch muss saache, es schpielt sisch schön!«

Was Ihnen jetzt noch als plumpe Form oberflächlicher Kommunikation erscheint, wie man sie in den USA findet, werden Sie Stunden später, nachdem die Krake Sie mit seinen Geschichten durch alle Wälder, Sandgruben und Gewässer des Platzes geschleift hat, in grauenhafter Erinnerung behalten. Nachdem Sie ihm für seine Hilfsbereitschaft höflich und dumm ein Bier bestellt haben, ist er zwei Schluck später so weit zu sagen: »Tringe mir noch eins? Das geht dann abber uff mich!«

Selbstverständlich protestieren Sie pflichtschuldigst und so wird er bei allen Bierchen, die dann folgen, immer Ihren Deckel hinschieben. Das einzig Gute an der Sache ist, dass Sie ziemlich bald betrunken sind.

Cartoon: Peter Ruge

Von Ferne hören Sie ihn lallen: »… Ball gepuscht … Rischdung Deisch … isch also nachgelade, aber widder rechts raus. Desgibtsjagaanet! Abber es ging ja um nix! Isch also vor und will dann da drobbe. Abber isch seh mein Ball, wie der uff dere Endeinsel liescht. Du kennst doch die klei Insel da, an der 14, bei dem Deisch, da an der 14, na, wo da des Ökodinges iss, weißt schon! Isch also, Schuh aus und rübber. Da liescht de Ball in dem Scheißdrecksendenest. Habb mir beim Schlaach die ganz Hos mit dene Endeeier versaut. Fett getroffe, abber de Ball e’rübber. Isch liesch gut uffm Färwäi. Da hör ich des Geplärr, also isch hab wohl den Ärbel voll im Rückschwung erwischt und des kreischt, des Vieh, des kreischt …!«

Sie sehen noch seine Hände fuchteln beim Versuch, Ihnen zu zeigen, wie er den Erpel erlöst. Dann, schon nach wenigen Schlägen, erreicht er das Grün des Par 3, aber den Putt verrutscht er, weil ihm das ganze Blut von dem Viech an den Fingern klebt. Endlich hat Ihr Kreislauf Erbarmen und Sie sinken vom Hocker, in ein erlösendes Koma. Der Krake löst die Saugnäpfe, um sie nach einem neuen Opfer auszuwerfen.

Also, meiden Sie die Bar!

Alte Golfclubs

Alte Golfclubs, wie ich sie noch in den 1980er Jahren kennenlernen durfte, gibt es heute eigentlich nicht mehr. Es war die Zeit, als Golfclubs noch Wartelisten hatten und ein Vierer-Flight 18 Loch in 4 Stunden absolvieren konnte. Das nachfolgende Kapitel stammt aus meinem Buch Der Weg der weißen Kugel ….

Alte Golfclubs sind mangels Beschilderung kaum zu finden. Meist nur zu Pferde oder per Unimog erreichbar, stehen die villenartigen Clubhäuser hinter uraltem Baumbestand dort verborgen, wo man sie am wenigsten vermutet.

Im Eingangsbereich knarzen Ledergarnituren im Sperrmülldesign. Das Restaurant hat den Charme eines kleinen Cafés an der Ostsee vor der Wende. Kein ordinärer neuer Protzpalast, wo die Tasse Kaffee vier Euro kostet. Nein! Das Restaurant ist fast leer und etwas schmuddelig. Was soll es auch zu kaufen geben, für Leute, die bereits alles haben. Und wenn , dann bitte billig. Man kann noch in DM bezahlen, da keiner der Mitglieder diesem neumodischen Euro-Spielgeld traut

Kaffee gibt es auf der Veranda nur in Kännchen, dazu frisch aufgetauten Käsekuchen und als Dessert Fürst-Pückler Eis. Im Glasschrank hinter der Bar steht eine Afri-Cola Flasche im Flower-Power-Pop Design von Charles Wilp, die dort seit vierzig Jahren sinnlos ihren trüben Gedanken nachhängt.

Auf dem Weg zur Toilette sind Hinweise für die Offiziere der Besatzungsmächte in drei Sprachen angebracht. Das Pissoir hat noch Abtrennungen zwischen den Becken, die Reizblasen vor dem ersten Abschlag besonders zu schätzen wissen.

In den Garderoben mit dem Geruch englischer Internatsturnhallen stehen Holzspinde. Verkrustete, ungeputzte Schuhe stehen herum. Die Schlammschlacht der Senioren-Clubmeisterschaft (und eine andere wird gar nicht gespielt), hängt ihnen noch an den Hacken.

Ich liebe es, wenn diese alten Schmuddelburgen eines dekadenten Industrieadels in der Abendsonne lange Schatten werfen.

Im Clubrestaurant, so Ihnen der Zutritt gestattet wird, sind Sie meistens alleine. Nehmen Sie Platz auf einem der alten Stühle, auf denen schon Henry Cotton vor dem Krieg saß. Ein einsames Krüstchen beäugt Sie misstrauisch und während Sie am Gebäck nagen, versucht sie, ihre Perlenkette mit der Serviette zu bedecken. Durch das Fenster sehen Sie den Stuart, den Pro, der gerade auf einer Streuobstwiese eine Golfstunde an eine der wenigen Damen unter siebzig gibt, die nach einer Hüftgelenksoperation ihre originelle Methode auffrischen möchte, den Ball in irgendeine Richtung zu befördern.

Skizze: Peter Ruge

Es ist vielleicht seine erste bezahlte Stunde in diesem Monat und der Pro ist gut gelaunt. Ihm ist vertraglich zugestanden, dass er neben einer warmen Suppe und etwas Zwieback am Tag (gegen eine geringe Gebühr) im Schuppen hausen darf, wo er für fünfzig Cent pro Ball Federn in aufgerissene Lederkugeln zurückstopft. Während die rekonvaleszente Dame Fetzen aus der zerschlissenen Abschlagsmatte hackt, schaut er zufrieden zum Clubhaus. Dort haben sich gerade mehrere alte Knaben ein Glas Mineralwasser geteilt und steuern dem ersten Abschlag entgegen.

Dr. Fahrenbach donnert mit seinem Walter Hagen Persimmon Brassie einen gemopsten Rangeball in die Büsche. Da sich der farbige Einsatz im Schlägerkopf im Vorjahr gelockert hat, hegt der Pro die berechtigte Hoffnung auf Umsatz. Kein neues Holz, nein – aber für einen Heiermann bar auf die Kralle wird er dem Fahrenbach heute Abend den Schläger reparieren und in diesem alten Clubs kann man für fünf Euro noch ordentlich essen.

Altes Geld wird nur älter, wenn man es nicht ausgibt. Altes Geld sieht auch bei uns sehr englisch aus, sprich: ist entsetzlich gekleidet und spielt noch aus Leinentaschen mit Schlägern, die selbst langsam wieder an Wert gewinnen. Richtig altes Geld spielt neuere Schläger, etwa zwanzig Jahre alte Blades in hässlichen Kunstledertaschen. Sie tarnen sich damit, denn sie wissen, welche Art Blut die jungen Frettchen suchen, die sich auf ihre heiligen Rasen schleichen, um einem armen Milliardär mit einem Schwächeanfall in einem Bunker hinter dem 13. Grün eine Anlagebeteiligung aufzuschwatzen, bevor der Notarztwagen kommt.

Statussüchtige Alpha-Männchen aus den Vorstandsetagen, gepaart mit ihren habgierigen Weibchen, sind nur von einem Wunsch getrieben: eine Mitgliedschaft in einem dieser alten Clubs. Aber die haben eine Warteliste, die seit Jahren verschollen ist. Deshalb werden die Weibchen der Alpha-Männchen schier wahnsinnig, wegen des gesellschaftlichen Druckes sozusagen, der dadurch entsteht.

Die Geschäfte, sofern es welche gibt, führt bisweilen eine ehrenamtliche Xanthippe, die die Frauenmeisterschaften im Gau Baden gewann, bevor der Führer dem Spuk ein Ende bereitete. Sie wird Sie kaum eines Blickes würdigen und Ihnen nur zublaffen, dass kein Reinigungsdienst benötigt wird, solange der alte Caddymeister die Waschräume putzt (in denen er schließlich auch schläft).

Der Gastronom ist freundlicher. Schließlich bedeutet ein Gast, der vermutlich nicht auf den Platz darf, Umsatz. Für wenige Euro können Sie sich mal so richtig die Naht geben, essen und voll laufen lassen, bis Sie irgendwann glauben, Sie halluzinieren: Während Sie in die wunderschöne, alte Parkanlage starren, entdecken Sie gekrümmte, schemenhafte Gestalten, die im Laub nach ihren Bällen scharren.

Da kann Fahrenbach, der Jungspund und Emporkömmling, dreimal laut »durchspielen« fordern, hinten auf dem Tee! Hier hört man nur das Geraschel gieriger Hände im Laub, die verzweifelt den Familienball, einen Dunlop 65, suchen, wie ihn schon Henry Cotton anlässlich eines Besuches in Bad Ems vor dem Krieg auf der 4. Bahn seitlich rechts ins Aus schlug.

Devote Geister schieben langsam einen Ständer mit Infusionslösung hinterher und achten darauf, dass sich der Herr Magnat bei seinem kurzen, wuchtigen Schwung aus dem Laub nicht in dem Schlauch verfängt, der zum Katheterbeutel führt.

Diese Anblicke sind unbezahlbar, seltener als Gorillas im Nebel der Seiser Alm und höchstens am Wochenende möglich. Während der Woche sieht man niemanden auf dem Platz. Draußen stehen tausend junge Golfer und scharren mit den Spikes. Aber nein. Hier wird ihnen nicht aufgetan. Es sind die letzten Refugien, die ein ordinärer Schweinehälften-Broker nicht mit seinem dummen Geschwätz von geilen Grüns in Florida verschandeln darf. Solche Orte muss es auch geben und die Allgemeinheit, die zur Finanzierung nichts beizutragen hat, sollte diese Jurassic Parks tolerieren. Vergessen wir also die alten Clubs vorerst und beschäftigen uns damit erst wieder ab Handicap 18 auf einer schönen Englandreise…

(c) by Eugen Pletsch

Vom Spirit of Golf

Ein Gespräch unter Freunden…

Was verstehst Du eigentlich unter dem Begriff Spirit of Golf, fragte mich mein Freund, der Maler Klaus Holitzka nach einer ausgesprochen angenehmen Runde im Golfpark Winnerod.

Wir saßen auf der großen Terrasse des Park-Restaurants. Der Himmel leuchtete an diesem herrlichen Septembertag und wir ließen die Gedanken baumeln. Ich hatte Holly erzählt, dass man mich anlässlich der 125-Jahr Feier des Golfclubs Bad Homburg um einen humoristischen Betrag gebeten hatte. Ob ich dabei auch den Spirit of Golf thematisieren sollte? Wenn nicht da, wo dann?

Ich dachte einen Moment über seine Frage nach. Noch war mir das Gefühl gegenwärtig, eine besondere Runde mit einem Gleichgesinnten gespielt zu haben. Kein Score-Denken oder Wettbewerb hatte unsere Zielstrebigkeit, das Grün mit möglichst wenigen Schlägen zu erreichen, beeinträchtigt. Wir waren zwei ältere Herren, die sich den Luxus eines Carts erlaubten, um sich dem freien Fluss der Dinge zu widmen, jeder nach seiner Fähigkeit und Gebrechlichkeit.

„Holly“ zu Ehren war ich mit meinem alten Ben Hogan-Set angetreten. Die alten Apex II Eisen schimmerten vor Glück. Dazu spielte ich Hogan Metal-Hölzer und Hybrids, sowie meinen Hogan „Baby Ben“ Putter von Bettinardi. Ich hätte durchaus noch tiefer in die Kiste greifen und die Persimmon Hölzer auspacken können, aber man muss es ja nicht übertreiben.

Holly hatte die Runde mit einem obskuren Mix aus uralten Wilson-Eisen absolviert, die er in einem Rot-Kreuz-Lager gefunden hatte. Dazu hatte er ein paar bewährte Callaway-Kloben in sein Mini-Bag gesteckt, mit denen er auf seiner privaten Driving Range im Odenwald bereits tausend Bälle in den Wald gedonnert hat. Sein ganzer Stolz ist derzeit ein verchromter Schürhaken aus den 60er Jahren, ein Blade-Putter von Wilson Staff, der bereits Sam Snead in die Verzweiflung getrieben haben muss. Aber Holly ist glücklich damit und ebenso mit dem kleinen RAM-Baffler aus den 80gern mit einem schweren Kopf, der ebenfalls in dem Rot-Kreuz-Bag gesteckt hatte.

Wir beide haben diese gelegentlichen Anfälle von High Tech-Abstinenz — aber was bringt Golfer dazu, mit diesem alten Gelump zu spielen? Ist es der Hang zur Tradition? Eine obskure Hoffnung, dass die alten Zauberstöcke Wunder vollbringen könnten? Oder ist es allein die Schönheit des Golf-Bestecks?
Richtig guten Spielern könnte man noch unterstellen, dass sie in solchen Schlägern eine Herausforderung sehen, da moderne Schläger kaum noch eine andere Option zulassen, als einen Ball lang und gerade zu schlagen. Aber wir sind keine guten Spieler. Also bleibt Romantik und Sentimentalität, vielleicht auch der Hang zum Design vergangener Tage.

„Was ich unter Spirit of Golf verstehe?“, wiederholte ich langsam. Es fielen mir dazu viele Dinge ein. Was wäre die kürzeste und passendste Antwort?

Bunkerrechen,

Pitchmarken ausbessern,

Divots zurücklegen,

flüssiges Spiel

– das ist der Weg der weißen Kugel“

Ich zitierte damit eine ZEN-Adaption aus meinem Traktat vom „Weg der weißen Kugel“. Holly schaute mich an. Er schien auf eine Erklärung zu warten. Also holte ich nochmal Luft: „Der Spirit of Golf ist der Codex, der zu Abwendung kommen muss, wenn man in einem Vergleichskampf um Ehre oder Geld oder beides spielt. Der Golfsport basiert auf den offiziellen Regeln der R&A. Deine „Mulligan Society“ spielt nach anderen Regeln, aber egal nach welchen Regeln gespielt wird: Der Wettbewerb basiert auf Ehrlichkeit im Spiel und auf der Aufmerksamkeit gegenüber den Mitspielern und dem Platz. Das ist aus meiner Sicht die Grundlage, der Spirit des Golfspiels, egal in welcher Spielform es ausgeübt wird.“

„Dann bist Du der Ansicht, dass die Regeln der R&A keinen Absolutheitsanspruch haben?“

„Nein, denn diese Regeln und ihre Interpretationen haben sich im Laufe der Jahre ebenfalls verändert. Die ersten Statuten der „Gentlemen Golfer“ könnten heutzutage höchstens noch bei Cross-Golfer Anwendung finden, aber selbst die müssen sich vom Reglement her an der aktuellen Situation bzw. Umgebung orientieren. Industrieanlagen müssen anders bespielt werden, wie Büros oder Brachland oder Stadtgebiete. Trotzdem: Innerhalb der getroffenen Vereinbarung gilt der Codex.“

„Und meinst Du, dass dieser Spirit nicht mehr vermittelt wird?“

„Beschissen wurde schon immer. Aber heute ist das Problem, dass immer mehr schlecht ausgebildete „Golfer“ unterwegs sind. Spielen lernt man nicht an einem Wochenende, die Regeln schon gar nicht, von Etikette kennt man nur das Etikett und woher soll dann jemand wissen, dass es neben der Bälle-Klopperei und dem Handicap als Statussymbol noch etwas anderes gibt, etwas, dass das Spiel so besonders macht.“

„Ist das denn so wichtig?“

„Zumindest im Vergleichswettkampf. Die Golf-Regeln sind entstanden, als die ersten Pros (die Schlägerbauer im alten Schottland) ein Agreement brauchten, um miteinander zu zocken. Es ging dabei immer um Geld und Ehre.“

„Aber auf einer Kaffeerunde? Da kann doch jeder spielen, wie er will und zählen wie er will?“

„Natürlich. Oder man lässt auch das Zählen der Schläge bleiben, wie wir das auch oft machen.  Dann will ich nur spüren, wie ich den Ball treffe und sehen, ob er dahin fliegt, wohin ich gezielt habe. Das ist für mich Genuss-Golf….“.

Holly nickte. So spielt er auch gerne, mal mit mehr, mal mit weniger Genuss. Aber je älter die Stöcke sind, mit denen wir nach dem Ball schlagen, umso größer ist der Genuss, wenn der Ball fliegt. Ein Blade-Treffer im Sweetspot ist ein außerordentlich befriedigendes Gefühl und wenn man den Sweetspot nicht trifft, dann war eben das Blade daran schuld. Ganz einfach.

Die Pasta wurde serviert und wir stürzten uns auf die Teller.

Wenn ich in meinen Lesungen sage: Der Golfgeist hat sich vielerorts in einen Poltergeist verwandelt, dann nicken die meisten älteren Spieler. Sie wissen noch, wovon ich rede. Manchmal hängt dann für einen Moment so etwas wie stille Reue im Raum. Weil wir es zugelassen haben, dass der Ungeist einer fragwürdigen Moderne aus der Flasche gelockt wurde, um diesem einzigartigen Spiel seine Einzigartigkeit zu rauben. Ob ich das in Bad Homburg ansprechen soll? Lachen würde dann niemand, aber wichtig wäre es schon.

Eugen Pletsch

Der Weg der weißen Kugel (Tao Yin)

Zur Erinnerung, warum wir auf dem Golf-Weg tun, was wir tun…

Golf ist eine Wanderung, alleine oder mit Freunden, ein Weg zur Wahrnehmung dessen, was hinter den 1000 Dingen liegt. 

Golf ist nichts Besonderes.
Aber wir können etwas Besonderes daraus machen, bis wir merken,
dass wir nichts Besonderes brauchen.
Golf ist ein Geschicklichkeitsspiel an der frischen Luft.
Gut für die Gesundheit.

Zielspiel
Der Golfball wird mit einem Schläger zu einem Ziel geschlagen.
Dabei fliegt der Ball nicht immer so, wie er sollte.
Doch selbst Anfänger können höchste Freuden erfahren,
wenn ihnen das Glück einen Treffer gewährt.

Anfangen
Es ist nicht die Kraft, die den Ball fliegen lässt.
Das Geheimnis liegt im Rhythmus und der Leichtigkeit.
Um das zu verinnerlichen können Monate vergehen. Oder Jahre.
In dieser Zeit fliegt der Ball selten und häufig nicht an die gewünschten Stelle.
Aber bereits ein Zufallstreffer genügt und die Seele jubelt in stolzer Herrlichkeit.

Lernen
Wen das Spiel will, den holt es sich.
Wer das Spiel achtet, den ehrt es.
Golfspieler darf sich nennen,
wer die Wiederholbarkeit eines Schlages in die gewünschte Richtung
mehrfach unter Beweis gestellt hat.
Den Golfschwung vermittelt ein Golflehrer.
Wenn der gut ist, vermittelt er auch das Golfspiel.
Es gibt auch sehr gute Golflehrerinnen!

Demut
Der Ritt auf dem schäumenden Wellenkamm des Glücks
ist meist nur von kurzer Dauer.
Bereits der nächste Schlag kann den Ball in den Abgrund
und den Spieler zur Verzweiflung treiben.
Deshalb meinen nicht nur Philosophen, Golf erziehe zur Demut.

Rhythmus
Ein gelungener Golfschlag ist eine fließende Bewegung.
Sie nährt den Spieler erfüllt sie/ihn mit Energie.
Doch eine Golfrunde kann nicht immer fließen.
Gehen, stehen, schlagen, bewegen, warten.
Manchmal lange warten.
Es ist, wie es ist. Entspannung hilft, wenn der nächste Schlag gelingen soll.
Alles hat seinen Rhythmus, auch wenn es nicht so scheint.

Die Etikette
Es gibt eine Golf-Etikette.
Sie regelt das Verhalten der Spieler auf dem Platz.
Die Etikette gilt für alle.
Sie erfordert Disziplin und Aufmerksamkeit.
Eine gute Konzentrationsübung.

Regeln
Es gibt Regeln, die definieren, wie man das Spiel spielen kann.
Kann, nicht muss.
Faustregel: Wer im Alltag alles geregelt hat,
sollte es aus „Privatrunden“ mal ohne Regeln probieren.
Wer nichts geregelt bekommt, dem bieten Golfregeln eine Struktur.

Die Ausrüstung
Jeder tut, was er tun muss:
Der Jäger ölt seine Büchse,
der Fischer ordnet die Schnüre,
der Reiter bürstet sein Pferd.
Der Golfer putzt seine Schuhe
und reinigt seine Schläger.

Nerven
Gelingt es schließlich, den Ball häufiger zu treffen,
melden sich prompt die wirren Stimmen des Geistes.
Das Spiel wird dann zu einer Frage der Nervenkraft.
Es reift die Erkenntnis, dass Golf „zwischen den Ohren“ gespielt wird.
Wer diese Hürde nimmt, begreift, dass Golf ein Strategiespiel ist.

Rasenschach
Die Bahnen auf dem großen Freilandschachbrett
sind mit möglichst wenigen Zügen zu meistern.
Den Finten und Fallen der Golfplatzarchitekten auszuweichen
erfordert Mut, Glück und spielerisches Geschick.
Wer Schach nicht mag, treibt seinen Ball einfach nur vor sich her
und freut sich, wenn er ihn wieder findet.
Wer sucht, lässt andere durchspielen.

Annehmen
Das Spiel macht, was es will. Es lässt sich nicht besiegen.
Manchmal gelingen Golfschläge, meist gelingen sie nicht.
Die Natur sorgt für zusätzliche Dramen.
Die Annahme dessen was passiert,
ist der Schlüssel zur Freude am Spiel.
Wer sich lieber ärgert,
darf den Tag trotzdem genießen.
Golf hat für alle eine Überraschung parat.

Drei Chancen
Die Chance zu scheitern ist groß, sich zu ärgern noch größer.
Wer dennoch bereit ist, „den Ball zu spielen, wie er liegt“,
bekommt eine Ahnungvon dem,
was die alten Schotten den „Spirit of the Game“ nannten.
Das ist die dritte Chance!

Aufmerksamkeit!
Eine von Respekt geprägte Wahrnehmung des Spiels
und der Mitspieler (Etikette),
sowie das „Schnuppern der Blumen am Wegesrand“
sind essenzielle Bestandteile des Golfspiels.

Die Kunst des Scheiterns
Wem die Golfgöttin einen perfekten Treffer gewährt,
der erfährt höchste Wonnen.
Doch nur selten ist uns mehr als ein solcher Schlag pro Runde vergönnt.
Auch tausendfach geübte Schläge werden immer wieder misslingen.
Dann ist das Ergebnis zu akzeptieren.
Mit dem Scheitern zu wachsen,
daran geht kein Weg vorbei,
wenn er weiter gehen soll.

Klarheit
Golf braucht klare Gedanken und Entscheidungen.
Die innere Unruhe des Spielers besänftigt sich im Ritual des „Ballansprechens“.
Rechts der Wald, links das Wasser, vor uns die Bahn.
Wie liegt der Ball?
Von welcher Stelle lässt sich das Grün optimal anspielen?
Mit welchem Schlag, mit welchem Schläger und wohin genau?
Für Fortgeschrittene wird das Spiel zum stillen Präzisionshandwerk.

Loslassen
Der Spieler nimmt den Stand ein,
greift den Schläger und richtet sich auf das Ziel aus.
Alle äußeren Einflüsse werden ausgeschaltet,
„wenn und aber“ sind vergessen.
Aus der Ruhe fließt der Schwung, fliegt der Ball.
In einer flüssigen Bewegung „geschieht“ der Schlag
und manchmal ist es der richtige.

Selbstvertrauen
Golf „passiert“, wenn unser Wünschen und Wollen verebbt.
Wer sich zurücknimmt und seinem Schwung vertraut, kann zulassen.
Echtes Selbstvertrauen erwächst, indem wir unserem Selbst vertrauen.
Dadurch entstehen Fragen:
Wer bin ich, warum stehe ich hier
und was ist mein Ziel?

Jetzt
Das Fairway ist der Weg, das Grün Ziel,
das Golfspiel eine Erfahrung des Seins.
Doch sein wahres Wesen ist kein Mythos.
Es ist und bleibt ein Geschicklichkeitsspiel an der frischen Luft,
gut für die Gesundheit.

Nachwort
Nicht jede/r sieht im Golf einen Erkenntnisweg.
Wer nur Spaß will, oder sich ärgern will
oder beides will, kann auch ALLES haben!

Unser Mantra:

Bunker rechen,

Pitchmarken ausbessern,

Divots zurücklegen,

flüssiges Spiel

– das ist der Weg der weißen Kugel

Grafik: Klaus Holitzka

(c) By Eugen Pletsch

PletschBlog?

Ich weiß auch nicht, was ich mir dabei gedacht habe. Vielleicht entstand diese Website in einer Mischung aus Corona-Langeweile, meinem Müßggang als Rentner oder dem Wahn des Menschen, sich verewigen zu müssen. Denn eigentlich wollte ich ja nichts mehr schreiben.

Wie auch immer: Mein Golfportal CyberGolf.de (das ich immerhin 23 Jahre betrieben habe) ist seit Ende September offline. Deshalb überleben an dieser Stelle einige meiner Golf-Satiren, Kolumnen und Gedanken zu diesem seltsamen Sport. (Nichtgolfer mögen mir verzeihen oder mal reinlesen.)
Außerdem stelle ich zwei Projekte vor, die ich 2020 und 2021 für die Hessische Kulturstiftung zusammenbasteln durfte: Mein FALK-Projekt sowie „Back on the Road mit autobiografischen Erinnerungen, Zeichnungen und Liedern sowie Beiträgen anderer Folk-Musiker/innen.
Meinen aktuellen Kampf für die wunderschöne Fichte an der Nordseite unseres Hauses habe ich hier beschrieben.
Erinnerungen an meinen verstorbenen Freund, den Gitarristen Anselm „Ringo“ Benner sind hier zu finden
Ansonsten spiele ich bei OPEN STAGES Songs amerikanischer Songwriter wie Townes van Zandt, Guy Clark, Blaze Foley und John Prine. Schlimmer kann ich es den USA die Sprengung der Nordstream-Pipelines nicht heimzahlen.

Lebt lang und in Frieden!
Eugen

Cartoon: Eugen Pletsch (ca. 1973, noch ohne Bauch).

Die Aufzucht und Pflege von Club-Prominenten

Obwohl angeblich d i e Boom-Sportart, verabschieden sich immer mehr Mitglieder vom exklusiven Ambiente ihrer Golfclubs, um fürderhin das Vagabundenleben eines vogelfreien Graugolfers zu führen.

Diese Entwicklung lässt sich nicht nur mit den Entlassungswellen bei den deutschen Großbanken und Automobilkonzernen erklären, auch die Harz IV-Liga des Golfsports meldet rückläufige Zahlen. Hektische Versuche, den Luxusartikel Golfplatz in einer Allianz mit Massenartiklern zu verramschen, scheiterten im Ansatz.

Langfristiges, strategisches Marketing ist gefragt, weshalb sich mancher Stratege aus dem Clubvorstand auf das stets bewährte Hausmittel besinnt: den Clubprominenten! Problem dabei: Prominente wachsen nicht auf Bäumen und sind nicht in beliebiger Menge verfügbar. „Echte Prominente“ sind rar, weshalb Aufzucht und Pflege eines oder einer „Promi“, wie sie liebevoll genannt werden, nicht dem Zufall und schon gar nicht dem Greenkeeper überlassen werden sollte. 

Welcher Junggolfer es mit einer bissigen Mischung von Alpha-Genen und schlechter Erziehung zu einer extrovertierten Karriere bringen wird, erkennt zuerst der Jugendwart, der sich sein Schienbein reibt. Bisher galt aggressives und hypermotorisches Verhalten in der Jugendgruppe noch als ADS-Syndrom. Jetzt lässt es den Promi-Scout im Club aufhorchen. Jugendliche, die bisher als wohlstandsverwahrlost oder Lehrerkind abgehakt wurden, erhalten ein spezielles Coaching (eigener PR-Berater, Stylist, Analytiker), denn kleine Ekel können schnell große Ekel werden, womit eine internationale Karriere als Künstler, Sportler oder Banker sehr wahrscheinlich wird. 

Die Jugendarbeit ist also der Grundstein der Prominentengewinnung, denn solche Leute braucht ein Golfclub, wenn er sich den Nimbus von Grandezza schaffen möchte, der die sogenannte „Promi-Corona“ anzieht: Winkeladvokaten, kreative Steuerberater, Zahnärzte und Finanzdienstleister, die dafür sorgen, dass der Club nicht auf jene Erdnüsse angewiesen ist, die sich prominentenarme Vereine mühselig via Greenfee zusammenkratzen müssen.

Zweiter Effekt: Promis und ihre Corona ziehen wiederum jede Menge hübsches Weibsvolk an, das sich alle Mühe gibt, langfristige Absicherungsstrategien umzusetzen, bevor die Sommerfarben des Lebens zu blättern beginnen. Es kann aber auch bisweilen vorkommen, dass sich ein alternder Prominenter, sozusagen ein kapitaler Keiler, in den Club verläuft und darauf muss man vorbereitet sein. Golfnarrische Megastars wie Michael Douglas, Michael Jordan oder Kevin Costner werden eher weniger als Mitglieder für unsere gerade auf 18 Loch ausgebaute Weide mit Biotop in Frage kommen.

Deutsche „Stars“, die wir laut SPIEGEL gar nicht haben, sind meist im Raum Kitzbühl versorgt oder golfen in Bad Griesbach zu Konditionen, von denen ein Graugolfer nur träumen kann. Aber ein Zweitligist auf der Prominentenskala, so berühmt er mal war, dürfte froh sein, wenn er die Trunksucht wieder in den Griff bekommt, indem er sich die Zeit bis zum nächsten Engagement mit sinnlosem Tun in Ihrem Club vertreibt. Diese Leute kann man buchen!

Was braucht so ein „Prominenter“, wenn man ihn denn angelockt hat? Die Fütterung geschieht durch einen Mehrstufenplan, den seine Agentur ausgearbeitet hat. Ihr Küchenchef sollte sich Mühe geben, denn ein Promi wird bei falscher Fütterung schnell bissig. Soviel zur Küche. Sonst braucht der Promi nicht viel. Die Suite haben Sie mit dem Clubkameraden geregelt, der das einzige bewohnbare Hotel vor Ort besitzt.

Golfausrüstung bringen die Prominenten mit. Das ist ihr tägliches Arbeitsbesteck und Prominente spielen oft gutes Golf. Golfartikel-Hersteller berichten fasziniert, mit welcher Chuzpe bisweilen angerufen wird, um neuste Golf-Utensilien anzufordern. 
Ob der Herr Ex-Weltmeister nächste Woche in Berlin abschlägt oder ein Tingel-Tangel-Kasper aus dem bunten Blätterwald ein Turnier-Bag mit goldenen Beschlägen sucht – da wird eher gefordert denn bestellt und nur zu selten bezahlt. Warum auch, denn ist es nicht eine tolle Werbung für den Hersteller, wenn sich ein Prominenter mit blondiertem Frischefaktor im Arm vor die Fotolinse unserer Heißluftgazetten schiebt, um lächelnd für den guten Zweck zu werben?

Eine Ehrenmitgliedschaft im Club wäre dann das Mindeste, was der Lebenskünstler nach einem erfolgreichen Gastspiel in der Provinz erwartet. Erweiterte PR-trächtige Bindungsstrategien erzielt man, wenn die ledige Clubschönheit, sofern unter 60 und Industriellen-Erbin, die Flexibilität besitzt, einem „Promi“ das dauerhafte Gefühl von Geborgenheit und unerschöpflichem Reichtum zu vermitteln. Dafür gibt er dann auch gerne den „Präsidenten“ und der Club wäre gerettet.

(c) by Eugen Pletsch 2010

Innovationsbereitschaft

Es gibt Golfgerätschaften, die sind tabu. Saugnäpfe am Putter-Griff sind eine Stilfrage über die sich wirklich nur die Clubältesten hinwegsetzen dürfen.
Und eine Ball-Angel? Kommt darauf an, wo. Man schämt sich für Mitspieler, aus deren Bag eine Ball-Angel hervorragt – aber nur bis zu dem Moment, in dem man sie selber braucht. Hauben für die Eisen, da besteht allgemeiner Konsens, sind einfach nur peinlich. Das waren – zumindest einst – die ungeschriebene Gesetze des Golfsports. Doch mit der Vergolfballisierung unserer Gesellschaft hat sich viel verändert. Ein erwachsener Mann in Amt und Würden wäre noch wenigen Jahren niemals auf die Idee gekommen, in der peinlichsten, würdelosesten Form golferischer Nichtmode anzutreten, indem er in dreiviertellangen Cargo-Hosen am Abschlag erscheint.

Cartoon: Peter Ruge

Bei jungen Burschen mit kräftigen Waden, die im Hochsommer etwas Luft an die überhitzen Eier lassen wollen, mag das noch angehen. Einem jungen Tölpel wird manche Entgleisung verziehen, aber einem Gentleman?
Muss ein ausgewachsener Landarzt oder ehemaliger Bankräuber aus dem Vorstand seiner neuen Armut mit angeknabberten Huckleberry-Finn-Hosen Ausdruck verleihen? Vermutlich mag ich Wintergolf deshalb so sehr, weil dann niemand auf die Idee kommt, in Dreiviertel-Kargohosen zu spielen um sich dabei auch noch stylish zu fühlen.

Aber wie gesagt, die Welt ändert sich. Innovationen überschwemmen uns und bisweilen erlag auch ich der einen oder anderen Versuchung, der ich mich nicht entziehen konnte.
Natürlich hatte ich niemals einen Saugnapf am Putter-Griff, aber einen kleinen spinnenförmigen Greifer, der den gleichen Zweck erfüllte, bevor er wieder brav im Griff verschwand. Der machte an rückenlahmen Tagen durchaus Sinn. Als mir eines Tages geschmiedete Blade-Eisen (natürlich ohne Hauben) geliefert wurden, ließ ich die Luftpolsterverpackungen einfach mal drauf, damit sie nicht so schnell verkratzen. Für mein neues Wedge hatte ich damals eine alte Socke farblich passend umhäkelt…

Doch dann, als mir ein moderner ‚Niblick‘ als Demoschläger zur Verfügung gestellt wurde, brachen die Dämme und ich bin über alle Schatten der Vergangenheit gesprungen. Schnell erkannte ich: Das ist kein Chipper, auch wenn er so aussieht, sondern ein geballtes Stück Innovation, mit dem man eigentlich fast jeden Schlag innerhalb von hundert Metern machen kann und zwar absolut zielgenau! Niemals zuvor habe ich so häufig von außen ins Winterloch reinchippen können. Ich war begeistert: 43 Grad Loft, so kurz wie ein Putter, aber wie gesagt: Kein Chipper, sondern geballte Innovation!

Für einen Golfer ist Flexibilität und Innovationsbereitschaft so wichtig, wie für einen Politiker, der seine Meinung gemäß aktuellen Umfragen wechseln kann. Das geht bei mir mittlerweile soweit, dass ich bereit bin mit der Mode zu gehen. Vielleicht versuche es im Frühjahr mit einer Dreiviertel-Kargohose, denn schließlich sind Vorurteile schlimmer als jede Geschmacklosigkeit. Tausende Pensionäre können doch nicht irren, oder?

 © by Eugen Pletsch 2006

Ladies Day!

Seit Maria Stuart von Schottland selbst zum Schläger griff, zeugen viele Beispiele von den besonderen Fähigkeiten der Damen im Golfsport.

Golf ist für viele Frauen eine wunderbare Gelegenheit, dem männlichen Geschlecht zu zeigen, dass es nicht um Kraft geht, sondern um Geschicklichkeit, Köpfchen und mentale Stärke. Frauen spielen meist sehr elegant, und mit einem Minimum an Krafteinsatz erzielen sie ein Maximum an Schlägen. Dabei entdecken sie auch die kommunikativen und modischen Freuden dieses Spiels. Golf kann so schön sein, wenn sich frau auf der Runde sechs Stunden lang ungestört unterhalten darf. Ich hatte einige Male den Vorzug, hinter einem Ladies-Day-Turnier spielen zu dürfen, und war fasziniert, wie die Damen selbst schwierigste Lagen immer wieder gemeistert haben. Wenn nicht beim ersten, dann beim nächsten oder übernächsten Schlag. Alles kann, nichts muss, lautet das Credo dieser weiblichen Swinger-Nachmittage. In dem Zusammenhang stelle ich mir oft die Frage, warum sich Frauen immer noch den absurden Golfregeln einer Männergesellschaft unterwerfen? Regeln braucht man vielleicht beim Fußball, beim Golf sind sie vollkommen unsinnig. Warum, zum Beispiel, wird ein Schlag gezählt, wenn der Ball gar nicht getroffen wurde? Viele Frauen machen gerne mal einen Luftschlag. In dieser Bewegung liegt viel Anmut und Ästhetik. Und warum gelten Bälle als verloren, nur weil sie nicht da sind, wo sie sein müssten? Nach Jahrhunderten patriarchalischer Unterdrückung sollte sich eine moderne Frau keinen Strafschlag anrechnen lassen, nur weil ein Ball nicht zu finden ist. Da gilt es, sich vom herrschaftlichen Diktat zu lösen. Ganze Völkergruppen, besonders aus dem asiatischen und romanischen Kulturraum, haben diesen emanzipatorischen Schritt längst vollzogen, lassen kleinkrämerische Erbsenzählerei hinter sich und notieren nur noch die gelungenen Schläge.

Ich plädiere auch für die Abschaffung des Damen-Abschlags, diesem traurigen Relikt einer diskriminierenden Männergesellschaft. Frauen brauchen keinen Damenabschlag, zumal sie beim Golfen erhebliche Vorteile haben: Weniger ausgeprägte Muskeln sorgen dafür, dass eine Frau mehr schwingt und weniger Kraft einsetzt. Da Frauen meist kleiner als Männer sind, können sie besser unter hängenden Ästen herausspielen. Zwar fehlt ihnen etwas Beschleunigungsweg, folglich haben sie auch eine geringere Schlägerkopfgeschwindigkeit, aber dafür fliegt der Ball auch nicht so weit ins Aus. Weniger Kraft in den Unterarmen sorgt dafür, dass frau in schwierigen Lagen den Kopf benutzt, bevor sie zuschlägt.

Cartoon: Peter Ruge

Eine Golflehrerin meinte, dass große Brüste beim richtigen Schwingen behindern, was ein Nachteil wäre: »Die Drehbewegung und der Hub der Arme können hierdurch beeinträchtigt werden und zu Problemen führen, den Golfschwung technisch korrekt auszuführen.« Dazu muss ich sagen: Für uns Männer ist das noch schwieriger! Meine Umfrage unter Golfern ergab, dass 90 % aller Männer nicht mehr in der Lage sind, den Golfschwung technisch korrekt auszuführen, wenn sie Frauen mit großen Brüsten sehen. Deshalb: Weg mit dem Damenabschlag! Logisch, oder?

Übrigens, meine Herren, auf ein Wort: Manche Machos und Alpha-Tierchen unter uns meinen immer noch, hinter einem Damen-Vierer drängeln zu müssen. Ich kann Sie nur bitten, Gentlemen zu bleiben oder endlich zu werden! Es gehört zur Etikette, oder ist zumindest internationale Gepflogenheit, dass sich ein Damen-Flight nicht dann weiterbewegt, wenn alle geschlagen haben, sondern erst dann, wenn der Satz beendet wurde, den eine Spielerin eigentlich noch sagen wollte, bevor sie durch den Schlag ihrer Mitspielerin unterbrochen wurde. Sonst kann frau sich ja überhaupt nicht mehr unterhalten!

Manche Männer bezeichnen eine Damenrunde als »Krötenwanderung« und sind der Ansicht, dass »die Weiber auf dem Platz überhaupt nichts zu suchen haben«.

Aber, aber, meine Herren! Ist das der Ton, den Gentlemen anschlagen? Ich würde eine Dame niemals als vollkommen desorientierte, trainingsfaule und arrogante Ziege bezeichnen, nur weil sie – aus männlicher Sicht – nie trainiert, traumatisch langsam spielt und sich weigert, durchspielen zu lassen. Warum auch?

Zeit ist etwas sehr Relatives – und wir wissen alle, welche der Damen um den Sport bemüht sind und welche Spielpartnerinnen vom Engel der Finsternis gesalbt wurden, um das Fairway, samten glänzend im goldenen Licht der Abendsonne, zu einem verdammten Jammertal werden zu lassen.

Als Kavalier alter Schule darf ich Ihnen, meine Damen, doch einen Rat geben: Wenn Ihr Mann mitspielt und Sie dessen ewige Besserwisserei nicht mehr ertragen können, dann nehmen Sie das Sandeisen, denn es hat die meiste Masse … und dann heißt es: durchschwingen!

Auszug aus: Der Weg der weißen Kugel

Zen und die Kunst, seinen Ball zu finden

Golfanfänger, die meine Epigenese des Golfballs studiert haben, lernen heute, wie man die Bälle findet, die man für die hohe Kunst des Golfspiels braucht….

Wenn Sie eine vernünftige Runde spielen möchten, ist es Ihr Ziel, den Ball auf der Bahn zu halten, anstatt ihn rechts oder links in Wald und Wasser zu verlieren. Der sparsame Einsatz von Bällen ist bei dieser schottischen Sportart wünschenswert, aber weil wir anfangs einige Bälle verlieren werden, spielen wir nur mit gefundenen Bällen. Die kann man von Jungs aus dem Dorf kaufen, die ihr Taschengeld mit abendlichen Touren durchs Rough aufbessern, oder von einem Waldschrat, der ständig in den Brombeeren nach Bällen stochert.

Wir gehen natürlich selbst auf die Ballsuche, denn das Suchen und Sammeln von Golfbällen ist eine ehrenvolle Tätigkeit, die der sparsame Barfußgolfer, neben dem Spiel selbst, am liebsten pflegt. Es ist empfehlenswert, wenigstens im Turnier einen Zweitball zu führen, und der muss ja irgendwo herkommen.

Als engagierte Ballsucher werden Sie Ihren Heimatplatz bald wie Ihre Westentasche kennen. Die Stressabschläge, an denen der Ball links in die Büsche springt, die Doglegs, wo der Ball die Kurve nicht bekommt und die Grüns, auf denen die Bälle nicht halten und ins Rough rollen. Sie wissen, an welchem Par 5 die Longhitter Gas geben und haben die Damenabschläge im Griff, von denen es sich herrlich in die Uferböschung kullern lässt.

Durch aufmerksame Beobachtung ist Ihre Ballsuche gezielt, professionell und Sie sind in kürzester Zeit in der Lage, eine Ballmarke in gewünschter Qualität zu finden. Sie kennen die Schlaglängen der Durchschnittsspieler und wissen, wo die billigen Bälle liegen und wo der Pro seine Kugel ins Gemüse hookt. Kurz hinter dem Abschlag im hohen Gras, nach etwa dreißig Metern, ist auch eine Goldgrube mit guten Bällen, die Möchtegerncracks mit zu viel Kraft unterschlagen und in den Himmel geschickt haben.

„Der Dorfseppl“
Cartoon Peter Ruge

Gratisgolfbälle gibt es wie Sand am Meer. Sie müssen nur wissen wo! Unser Feind ist der Dorfseppl, der mit dem Pro gemeinsame Sache macht, und die habgierigen Jungs aus dem Dorf, die Sie aber verscheuchen können. Nur wenn Sie in schlammigen Senken, dunklen Tannenschonungen und im Schilf schmatzende Gerausche hören, dann laufen Sie!

Die Zeiten für eine sinnvolle Ballsuche sind von Club zu Club verschieden. Selbstverständlich sollten wir nach einem offenen Turnier oder einem Ranglistenwettkampf, wenn alle ihre guten Bälle spielen, besonders gründlich nachsuchen. Unser Bag enthält zu diesem Zweck eine Teleskopstange speziell mit Ballaufnehmer, mit der wir nicht nur die Bälle aus Fluss und Teich fischen, sondern auch in dichten Schonungen und Hecken erfolgreich arbeiten können. Bei Zählwettspielen und Meisterschaften wird leider von den Beteiligten intensiv nachgesucht, während besonders Anfängerturniere nach Stableford eine gute Beute versprechen. Da die Löcher gestrichen werden können und Anfänger immer den nächsten Flight im Nacken wähnen, geben sie ihren Ball schnell auf. Häufige Fundorte: Quickhook-Bälle 40 Meter links oder 120 Meter rechts im Unterholz. Leider sind die Anfängerbälle meist billiger Discounter-Mist.

Cartoon: Peter Ruge

Sammler exotischer Bälle mit Firmenaufdruck müssen sehr früh aufstehen. Zu dieser Zeit sind unsere lieben japanischen und koreanischen Gäste unterwegs, die, ähnlich den clubfreien Golfern, ein wenig geliebtes Schattendasein führen. Da, wo sie ihre eigenen Plätze bespielen, zum Beispiel Kosaido bei Düsseldorf, ist die Fundmarge nicht so hoch. Aber auf fremden Plätzen rechnen die Burschen mit einem gewissen Schwund und packen großzügig Bälle mit Firmenlogo bzw. Erinnerungen an ihren Honeymoon auf Hokkaido ins Bag.

Ein Ball mit kleiner Schramme wird sich erfahrungsgemäß als der haltbarste herausstellen. Da ist die Marke egal. Während neue Bälle mit kosmischer Gesetzmäßigkeit auf Nimmerwiedersehen im Aus verschwinden, wird Ihre angeschrammte Schmuddelkugel immer irgendwie die Kurve kriegen. Manche Bälle wird man fast nicht mehr los. Ich fühlte mich einmal von einem Ball geradezu verfolgt. Er sah schon alt aus, aber er schien nicht kaputtzugehen. Irgendwann hatte ich es satt, immer mit dem gleichen Ball zu spielen, der nur kerzengerade fliegen konnte. Ich hatte nur noch tolle Runden, aber das Spiel wurde langweilig. Natürlich schlug ich mit diesem Ball mein erstes Ass. Es war eine gelbe Kugel, die ich im Herbst gefunden hatte und den ganzen Winter durch spielen konnte. Unglaublich. Im Frühjahr wollte ich auf meinen anderen fast weißen Sommerball zurückgreifen (auch ich führe einen Zweitball mit, durchaus!). Der verschwand nach wenigen Löchern im Wald, worauf mich der gelbe Ball höhnisch angrinste, als ich ihn aus dem Bag fingerte. Ich konnte voll durchziehen. Nie musste ich Angst haben, den Ball zu verlieren. Er passte sich dem Wind an, flog immer gerade und krallte sich im Grün fest. Fast jeder Putt ins Loch. Der Ball begann mich zu nerven.

Eines Tages wurde es mir zu gelb und ich gedachte, den Ball vom Tee einfach wegzuschlagen. Weit weg in den Wald wollte ich ihn knallen, denn ich fand ihn in letzter Zeit aufdringlich. Der Ball vermittelte mir das Gefühl, als wäre er der eigentliche Grund für eine gute Runde. Um ihn nicht misstrauisch zu machen, stellte ich mich hin wie immer, aber mitten im Schwung hielt ich das Schlägerblatt offen. Es gelang mir ein Push, womit mein gelber Freund, den ich etwas dünn traf, offensichtlich nicht gerechnet hatte. Etwa 150 Meter zischte er flach auf den Wald zu, knallte dann jedoch gegen einen Baum und sprang zurück aufs Fairway. Finster schaute er aus seinen gelben Augen. Ich bekam es mit der Angst zu tun.

Mittlerweile haben wir uns arrangiert. Er ist kürzlich mit einer kleinen Feier verabschiedet worden, sozusagen in Pension gegangen und liegt jetzt in einem mit Intarsien gearbeiteten Holzkästchen, auf Daunen gebettet. Zu wichtigen Turnieren nehme ich ihn natürlich mit. Nicht, dass er sich dann ins Spiel drängeln würde; da lässt er den neuen Bällen den Vortritt. Aber er gibt mir eine große Sicherheit, beruhigt die jungen Bälle im Bag bei ihrem ersten Turnier und manchmal, wenn es um Sein oder Nichtsein geht, verleihe ich ihn an Tim. Dann taumelt er wie ein dicker Kieselstein durch die Luft und lächelt gemein.

Auszug aus: Der Weg der weißen Kugel,
(c) by Eugen Pletsch, 2005

Der Traumwanderer

Zur späten Abendstunde surfte ich in die Mongolei. Ich besichtigte das Kloster Gandan und den Palast Bogd Khan sowie den Schildkrötenfelsen im Nationalpark Gorkhi-Terelj, um dann im Orkhon-Tal das Kloster Erdene Zuu zu besuchen. Im Shankh Kloster erfuhr ich etwas von der lebendigen buddhistischen Tradition, um dann via Satellit in der Wüste Gobi nach einer Fata Morgana Ausschau zu halten. Leider sind große Teile der Mongolei, wie auch Teile von Russland und China, für Touristen aus dem Weltraum gesperrt.

Dann versuchte ich, mehr über Ed herauszubekommen. Nachdem ich einiges über die berühmten mongolischen Przewalski-Pferde gelesen hatte, die als Vorfahren unserer heutigen Pferde gelten, recherchierte ich das Lieblingstier der Mongolen, ohne das Dschingis Khan niemals die halbe Welt erobert hätte. Noch heute gibt es mit drei Millionen Tieren mehr Pferde als menschliche Einwohner in diesem Land. Die Nomaden sind sehr stolz auf ihre kleinen Pferde und mögen es nicht, wenn man sie als »Ponys« bezeichnet, las ich.

Aha! Damit war ich mir sicher, dass Ed mir keine Pferdegeschichten erzählt hatte, sondern tatsächlich aus der Mongolei stammte. Die Pferde leben das ganze Jahr stets im Freien, was zwischen 30 Grad Celsius im Sommer und -40 Grad im Winter schwanken kann. Mongolische Pferde sind genügsam, ausdauernd, trittsicher im Gelände und dienen den Nomaden bei der alltäglichen Arbeit. Wenn sich ein Tier an den Reiter gewöhnt hat, lässt es ihn nie im Stich. Meist werden die Pferde frei laufend gehalten, nur die Reittiere werden eingefangen und angebunden. Ihr Futter suchen sie sich selbst. Ich las auch, dass Stutenmilch (Airag) das mongolische Nationalgetränk ist und Pferderennen sehr beliebt sind. Auf einer Internetseite war ein Pferd abgebildet, das Ed tatsächlich sehr ähnlich war. Stockmaß nur 130 bis 145 cm – und trotzdem kein Pony!

Tusche: Klaus Holitzka

In der Nacht hatte ich einen merkwürdigen Traum. Ich trug eine bunte Kappe und wanderte ohne Ziel durch eine weite Steppe. Mein Herz war von heiterer Stimmung erfüllt. Ich sang ein mongolisches Hirtenlied und begleitete mich dabei auf einer quietschenden, quäkenden Mondlaute, indem ich mit einem Fiedelbogen über die Seiten strich.

Eine Herde wilder Pferde galoppierte auf mich zu. Der Hengst, der die Gruppe anführte, sagte: »Traumwanderer, wohin gehst du?«

»Ich bin, wo ich bin«, sagte ich. »Ich suche keine Antwort und habe kein Ziel.«

Der Hengst erwiderte: »Wann immer du willst, reite ich mit dir in die Dunkel­heit, um das Licht zu finden.«

Ich dankte ihm und versprach, ihn in der Traumzeit aufzusu­chen, wenn ich ihn brauchen würde. Dann ging ich weiter und quietschte fröhlich auf meiner Mondlaute, bis ich einen Mann sah, der mir schon aus der Ferne bekannt vorkam.

Nein, nicht schon wieder! Es war Ho Lin Wan, mein Gefährte aus meinem früheren Leben in Tibet[1]. Er war in die wilde, wirre, bunte, schmuddelige Pracht eines mongolischen Schamanen gekleidet. In einer Hand trug er eine Gebetsmühle, in der anderen ein Seil. Ho Lin Wan! Nirgendwo war man vor ihm sicher. Seltsamerweise schien er mich nicht zu sehen. Er wollte gerade an mir vorübergehen, als ich ihn ansprach. Da blieb er stehen und schaute mich lange an, als würde er mich nicht erkennen.

»Ho Lin Wan«, sagte ich, »wohin gehst du?«

»Ich suche mein Pferd. Hast du es gesehen?«

Ich nickte. »Eben traf ich eine Herde wilder Pferde.«

Ho Lin Wan sagte: »Nein, die kenne ich. Da ist mein Pferd nicht bei. Hast du sonst etwas zu meiner Erleuchtung beizutragen?«

Ich quietschte ein paar Bogenstriche auf meiner Laute und sang mein Mantra: »Ich lebe, ich glaube, ich vertraue, ich bin dankbar, ich bin mutig …«

Ho Lin Wan grummelte. »Grässliches Geräusch. Wann wirst du endlich deinen Ton finden?«

»Wozu muss ich meinen Ton finden?«

»Damit du deine Zuhörer zur Aufmerksamkeit führst und auch sie ihren Ton finden.«

»Und was bewirkt dieser Ton, den ich suchen soll?«

»Er schafft dir eine Verbindung zur Quelle deiner Kraft.«

»Wie finde ich diesen Ton?«

»Indem du still bist! Denk über die Stille nach, wenn du schon denken musst!«

Ho Lin Wan schien ziemlich schlecht gelaunt zu sein. Früher hätte ich mich mies gefühlt. Wenn man zu einer mongolischen Laute schräge Lieder singt, klingt es nun mal ziemlich schaurig, aber für mich hörte es sich gut an. Es machte mir Spaß. Also würde ich mir die Laune nicht vermiesen lassen. Trotzdem dankte ich dem alten Schlauberger für seine weisen Worte und versprach ihm, an meinem Ton zu arbeiten.

»Sehr gut«, sagte Ho Lin Wan, »dieser Ort ist die totale Leere, ein guter Platz, um seinen Ton zu finden. Du bist nichts geworden, hast nichts erreicht und das ist gut so. Was immer auftaucht, sind ohnehin nur Formen deines Ich-Bewusstseins.«

»Bin ich hier, weil ich träume, ich wäre in der Mongolei? Oder lebe ich hier und träume, ich würde Golf spielen und merkwürdige Bücher schreiben?«, fragte ich ihn.

»Frage dich: Wer ist es, der nichts versteht?«

»Ho Lin Wan, ich bin froh, dich getroffen zu haben. Ich frage mich nur, warum ich nichts verstehe.«

»Erinnere dich des Bardo Thödol[2]«, sagte er ernst. »Befreiung durch Hören im Zwischenzustand. Finde deinen Ton, dann wirst du hören können.«

Bei früheren Begegnungen hätte ich mich mit solchen Sprüchen abspeisen lassen, aber diesmal war es anders. Ich fühlte mich wohl mit meinen quietschenden Geräuschen und falschen Tönen. War diese Steppe nicht groß genug für uns beide? Trotzdem fragte ich, als er weitergehen wollte: »Und was ist mit dem Pferd?«

»Das Pferd ist weg. Hat sich davongemacht, schon vor seiner Geburt, vermutlich weil es die totale Leere leid war.«

»Vor seiner Geburt?«

»Ja, ich kenne mein Pferd aus früheren Leben. Tibet, China, wo immer es zu trocken, zu heiß, zu kalt oder zu nass war, sind wir zusammen gewandert. Zuletzt hatte es die Steinwüsten und steilen, engen Bergpfade satt. Das Pferd träumte von satten, grünen Weiden und einem geruhsamen Leben ohne Kletterei.«

»Dann ahne ich, wo dein Pferd steht.«

»Wo?«

»Ach, es ist nur eine Vermutung meines verblendeten, falsch tönenden Ich-Bewusstseins.«

»Sag! Wo?«

Mit einem dämonischen Grinsen schaute ich ihn an und stöhnte:

»Schuhu, Schuhu,

sieh selber zu,

dein Pferd steht

in der Waldesruh!«

Lachend rannte ich davon. Ho Lin Wan lief hinter mir her und versuchte, einen Stein nach mir zu werfen, aber ich ritt bereits auf dem monotonen Summen meiner magischen Laute durch die Lüfte davon. Ich flog über gelbe Täler, dann durch graue Wolken, bis sich das Summen zu einem durchdringenden Brummen verstärkte, von dem ich schließlich erwachte. Frau Pfeiffers Staubsauger dröhnte durch die Waldesruh – ich sah auf die Uhr: Halb zehn! Komplett verpennt.


[1] › Vgl. Eugen Pletsch: Der Weg der weißen Kugel

[2] › Vgl. Evan Wentz: Das tibetanische Totenbuch

Auszug aus: Achtung Golfer- Schlägertypen in Wald und Flur

Mulligan

Die wundersamste Wandlung vom bornierten Ignoranten zum Quantengolfer erlebte ich bei dem Mann, den wir Mulligan nannten.

Obwohl er es mit den Golf-Regeln nicht so genau nahm, war Mulligan eigentlich kein schlechter Kerl, nur ziemlich nervig. Bei Turnieren flippte er regelmäßig aus – und das aus gutem Grund: Sein erster Drive war gewöhnlich ein grässlicher Slice ins Aus und mit dem zweiten erreichte er manchmal das Fairway, aber dann war der Choleriker bereits am Brodeln und prügelte auf jeden Busch ein, der seinem verzweifelten Ball Deckung bot.

Mulligan hatte sich bereits mehrere Golfbücher geliehen, aber nie wirklich gelesen. Kaufen würde er sich diesen Mist selbst ernannter Fachleute sowieso nicht. Er war ein verkrampfter, verbitterter Slicer, der glaubte, eigentlich ein Scratchgolfer* zu sein. Leider passt »Scratchgolfer« nicht gut mit »cholerischer Slicer« zusammen.

Unter seinen Mitspielern galt Mulligan als verbohrte Kaninchenzüchtermentalität und echter Korinthenkacker, der den Clubvorstand bei jeder Jahreshauptversammlung mit etwas nervte, was er (allein) als »konstruktiven Vorschlag« ansah.

Auch vom Pro hielt er nicht viel, seit ihm dieser erklärte hatte, dass er, Mulligan, weder inside out durch den Ball schwang, noch das Gewicht verlagerte, geschweige denn in der Endposition zum Ziel stand. HA! Der Pro hatte doch keine Ahnung! Mulligan wusste es besser. Er glaubte einen harmonischen Schwung zu besitzen, der höchstens eines Feintunings im Griff bedürfe, vielleicht ein etwas leichterer Druck im linken Ringfinger, zweites Glied.

Was für ein Quatsch! Die beiden Schraubstöcke, mit denen er seinen Gummigriff würgte, gehörten mit Dynamit gesprengt. Auf Videoaufnahmen hätte er sehen können, dass sein Schwung einem alten Gorilla glich, der unwirsch nach Fliegen schlägt. Aber das wollte er nicht wahrhaben, da seine Mentalität von einer verzwickten, frühkindlichen Beziehung zum Vater geprägt war.

Mulligan hasste clubfreie Golfer und wünschte sich deshalb, dass die Aufnahmegebühren im Club erhöht würden. Seine Clubkameraden litten unter seinem Gebrüll sowie unter seinem langsamen Spiel, denn Mulligan ließ aus Prinzip nicht durchspielen. Noch mehr jedoch litten die Bäume und Büsche, die er mit seinen Schlägern traktierte.

Cartoon: Peter Ruge

Eines Abends passierte etwas Merkwürdiges. Es war an der 14. Bahn und es dämmerte bereits. Mulligan hatte seinen Ball in den Teich gedroschen. Er sah ihn im Schilf schimmern, kam aber nicht ran, worauf er in seiner Wut mit dem Sandeisen wild auf Teichpflanzen, Frösche und Sträucher einhackte, bis er sich erschöpft auf einer Bank vor der kleinen Wetterhütte hinter dem 14. Grün niederließ.

Er nahm sein Fleischwurstbrot aus dem Bag und wollte gerade reinbeißen, als er meinte, ein Klingeln zu hören. Das Klingeln kam aus dem Teich, und es klang nach einem uralten Telefon: ring ring … ring ring … Merkwürdig. Mulligan stand auf, ging zum Teichrand, ließ sich auf allen Vieren nieder und lauschte. Tatsächlich klingelte es im Teich.

In diesem Moment huschten ein paar Wesen aus den Zwischenreichen, die in Irland als das »Kleine Volk« bezeichnet werden (und die von Mulligan die Nase gestrichen voll hatten), zur Bank und legten ein paar Zauberpilze zwischen die Fleischwurstscheiben von Mulligans Stulle. Diese kleinen, braunen Schirmlinge wachsen auf mageren Wiesen und wurden in alten Zeiten von Sehern und Schamanen benutzt, um die Tore zur anderen Welt zu öffnen. Auch die alten schottischen Golfer von Leith stromerten im frühen 18. Jahrhundert über die Links, wo sie nach Golfbällen, Pilzen und Visionen suchten. Einige aus dem Kleinen Volk, das für seinen Schabernack berüchtigt ist, meinten, ein paar Visionen würden dem überspannten Mulligan gut tun.

Das Klingeln verstummte. Mulligan schüttelte den Kopf, setzte sich wieder auf die Bank und grübelte, während er weiterfutterte. Er hatte sein Brot bereits verschlungen, als er einen scharfen Geschmack im Mund spürte. Seine Wasserflasche war leer, und so zwang ihn der Durst zum Teich zurück, wo er versuchte, etwas Wasser zu schöpfen. Dabei rutschte er aus. Hände und Arme im Schlamm steckend, bemerkte er, wie weich und warm das Wasser war. Während er sich noch wunderte, was er da tat, malte er sich mit seinen Schlammfingern Streifen ins Gesicht. Als Kind hatte er sich gewünscht, wie ein Indianer zu leben. Was war aus ihm geworden? Kein Indianer, sondern ein ewiger Nörgler, durchfuhr es ihn. Er versuchte aufzustehen, fühlte sich aber plötzlich sehr erschöpft und musste sich hinlegen. Eine kurze Panik überkam ihn, dann wurde ihm klar, dass es sein ganzes Leben war, das so schwer auf ihm lastete. Er hatte nicht mal mehr die Kraft, um loszubrüllen.

Er wälzte sich auf den Rücken und spürte die feuchte Wärme des Uferschlamms, während eine Hand im Wasser hing. Mulligan starrte in den Himmel, an dem sein ganzes bisheriges Leben vorbeizog. Merkwürdig. Das war er? Sein Leben? War es das? Fragen kamen auf: Wer bin ich? Warum bin ich? Warum bin ich hier und warum geschieht mir das alles?

Dann begann ihn eine schwebende Leichtigkeit zu erfüllen. Zunächst ganz sanft, dann immer intensiver, spürte er ein Wärmegefühl im Herzen. Würde er jetzt sterben?

Es war Nacht geworden. Während sein Herz immer leichter wurde, sah Mulligan alles um sich herum kristallklar, in einer ihm bisher unbekannten Schärfe. Ein Stern funkelte ihn an. »Der Stern zwinkert mir zu«, dachte Mulligan. Die Blätter und Äste der Bäume erstrahlten in einem inneren Licht. »Diese Bäume sind Lebewesen – alles hat ein Wesen, sogar die Steine und auch das Wasser!« Seine Hand plätscherte im warmen Teich. Er begann das Wasser zu streicheln, sich mit dem samtweichen Wesen des Wassers zu verbinden. In dem Moment, als er sein Herz öffnete, geschah ihm das, was alle Mystiker seit Jahrhunderten beschreiben, wenn der Dornbusch brennt: Licht floss aus seinem Herzen, sein Körper war ein Elektronenschwarm, sein Geist reines Bewusstsein. Er war ein Teil von allem, oder besser noch: Er war alles, er war das ganze Universum und das ganze Universum war in ihm. »Alles ist Eins, die Essenz ist Leere. Alle Form ist Illusion, Sternenstaub in einem kosmischen Tanz«, sagte eine Stimme, die ihn erfüllte und durchdrang. Seine Stimme? Mulligan musste lachen. Ein tiefes, glückliches Lachen durchschüttelte seinen Bauch, während er immer noch in der warmen Brühe lag. Die harten Krusten, die seine Seele umgaben, weichten auf und versanken mit dem alten Mulligan im Schlamm.

Äonen später hörte er ein feines Silberglöckchen. Ein Strahl des Mondlichtes zog ihn mit sich nach oben und im gleichen Moment erblickte Mulligan das große, atmende, pulsierende Wesen der Erde. Dann sah er die dunklen, grauen und giftigen Narben und Geschwüre, die der Mensch ihr zugefügt hatte, und begann zu weinen.

Als er erwachte, spürte Mulligan ein leichtes Gefühl von Schwindel. Noch immer erfüllte ihn diese besondere Wahrnehmung, doch langsam kamen auch wieder Gedanken in ihm hoch. Er hörte den Schlag seines Herzens, schaute an sich herab und sah sein treues Herz in der Brust schlagen. Er sah seine Adern und Nervenbahnen. Dann schaute er sich um. Die ganze Landschaft, Boden, Busch und Baum waren von ätherisch leuchtenden Energiebahnen durchzogen. Irgendwer oder irgendwas in ihm begann zu verstehen, aber er hätte nicht sagen können, was. Hätte er ES benennen können, wäre es DAS nicht gewesen.

Er hörte ein leises Kichern und dann sah er das Kleine Volk. Mulligan lächelte sie freundlich an. Seine Schale war geplatzt, der Stein in seinem Herzen geschmolzen. Die kleinen, grünen Männchen kamen näher, schnatterten aufgeregt und zeigten auf sein Herz. Das Bum Bum, Bum Bum wurde immer lauter. Sie begannen zu tanzen. Mulligan stand auf und tanzte mit ihnen. Mit seinen Armen schwang er hin und her. Dabei entdeckte er seinen Schwung, seinen Rhythmus, seine in diesem Universum ureigene Schwingung, die, wie bei allen Wesen, einmalig und unauslöschlich ist.

Cartoon: Peter Ruge

Auszug aus: Der Weg der weißen Kugel