Full Swing

Den Statistiken dieser Website nach zu urteilen gelangen immer noch etliche Leser über die alte Adresse Cybergolf.de auf meine neue Website und wundern sich, dass ich nichts mehr über Golf schreibe. Na ja, heute doch…ein bisschen…

Mit Profi-Golfsport habe ich mich gefühlte fünf Jahre nicht mehr beschäftigt. Ich habe keine Ahnung, wer die letzten Major-Turniere gewonnen hat und das allerletzte was ich mir ansehen würde, wäre eine Golf-Übertragung auf Sky. (Gibt es die noch?)

Aber auf Netflix habe ich nun zufällig die Serie FULL SWING entdeckt, die von den kleinen Sorgen der Golf-Millionäre berichtet, die in ihren Privatjets um die Welt düsen. Eine Folge zeigt zum Beispiel den Profigolfer Brooks Koepka, der nach einer Folge von Verletzungen und Auszeiten die gleichen nagenden Selbstzweifel hat, wie jeder X-beliebige Amateur. Da liegt er nun am Pool seiner Millionenvilla und grämt sich, weil er die Zeit, in der er unschlagbar war, nicht zurückdrehen kann.
In einer anderen Folge fragt sich Ian Poulter, wie er es in seinem Alter (nach nur ca. 30 Millionen Preisgeld) schaffen soll, seine Familie zu ernähren? Er ist ein Familienmensch und schleppt Frau und vier Kindern immer zu den Turnieren mit, wo sie dann während des Flugs in der Gangway des Jets fröhlich putten. Aber dann schafft Papa den Cut nicht, fliegt aus dem Turnier und entscheidet sich angesichts der düsteren Zukunft seiner vier Kinder, die geschätzten 40 Millionen Antrittsgeld von LIVGOLF zu akzeptieren.

LIVGOLF ist eine Konkurrenz der US Profi Golf-Tour, eine ‚Charme-Offensive‘ des Todesprinzen Mohammed bin Salman (dem Khashoggi-Metzger und Folterer von Frauen, Schwulen und Andersdenkenden), der sich dadurch eine Image-Verbesserung erhofft.
Koepka, Poulter sowie PGA Tour-Flaggschiffe wie Dustin Johnson und Phil Mickelson ließen sich (wie andere ehemalige Top-Golfer, die den Rachen nicht voll genug bekommen können) für zweistellige Millionenbeträge von LIVGOLF abwerben. Prompt sperrte die USPGA, der Golfverband der Profigolfer in den USA, alle Spieler der LIVGOLF-Tour – sozusagen aus moralischen Gründen. Dieser Konflikt zeigt die ganze schizoide Welt des Golfsports, denn die US-Regierung ist nicht so zimperlich (vermutlich wegen der Waffengeschäfte) und empfiehlt, den saudischen Kronprinzen vor Strafverfolgung zu schützen.

In FULL SWING wird der Ryder Cup häufig erwähnt. Für Nichtgolfer: Der Ryder Cup ist das größte Golfereignis der Welt, in dem die besten Spieler der USA und Europa seit fast einem Jahrhundert alle zwei Jahre gegeneinander antreten. Jahrelang haben die USA haushoch gewonnen, aber ab 1985 drehte sich das Blatt und Europa gewann seitdem zwölfmal.
In 2023 wird der Ryder Cup in Italien ausgetragen. Böse Stimme behaupten, dass sich die Mafia den Ryder Cup gekauft hat, um Geld zu waschen. Aber darum geht es heute nicht. Meine Frage ist, ob es so bleibt, wie die letzten hundert Jahre: Werden diese Wettkämpfe nach wie vor Mann gegen Mann nach den Regeln des Golfsports ausgetragen? Oder dürfen die US-Spieler als Repräsentanten der Weltmacht Nummer 1 beliebig foulen, ohne dass das sanktioniert wird?
Dürfen sie den europäischen Spielern zum Beispiel vor dem Schlag FULL SWING in die Eier treten, weil diese nur Repräsentanten der „Fuck the EU“ (Zitat: Vicci Nuland) sind, weshalb sie alle Fouls in ‚dienendem Gehorsam‘ über sich ergehen lassen müssen – so, wie unsere Bundesregierung anlässlich der Sprengung der Nordstream-Pipelines?

Wer sich jenseits der Mainstream-Medien informiert, hat vielleicht mitbekommen, dass der amerikanische Investigativ-Journalist Seymour Hersh in seinem Artikel Der Mist an der Wand (Übersetzung: Danke an Nachdenkseiten) behauptet, dass die Bombardierung der Nord Stream-Pipelines in der Ostsee eine verdeckte Operation war, die vom Weißen Haus angeordnet wurde. Ihm zufolge gab Präsident Biden den Befehl für eine „Black Op“ zur Zerstörung der Nord-Stream-Pipelines: Taucher der US-Marine hatten im Juni 2022 unter dem Deckmantel einer weithin bekannten NATO-Sommerübung namens BALTOPS 22 die ferngesteuerten Sprengsätze angebracht, die drei Monate später drei der vier Nord Stream-Pipelines zerstörten.
„Der Angriff wurde von der CIA in Zusammenarbeit mit Norwegen durchgeführt, um Deutschland einzufrieren, sagte Hersh in einem Interview mit der Berliner Zeitung. Washington habe die Sabotage vorgenommen, weil der Ukraine-Konflikt für den Westen nicht gut lief. (…) Der Punkt ist, dass Biden beschlossen hat, die Deutschen in diesem Winter frieren zu lassen. Der Präsident der Vereinigten Staaten würde lieber sehen, dass Deutschland friert, als dass Deutschland möglicherweise aufhört, die Ukraine zu unterstützen.“
Die Story eines angekündigten Sabotageanschlags auf lebenswichtige Infrastruktur eines Alliierten der USA habe nach entsprechenden Drohungen des US-Präsidenten Joseph Bidens und der Vizeaußenministerin Victoria Nuland von Anfang 2022 auf der Straße gelegen.
Ich habe doch nur das Offensichtliche dekonstruiert„, sagte Hersh gegenüber War Nerd.
Militäranalyst SCOTT RITTER: „Seymour Hershs Artikel hat die schreckliche Realität einer missbräuchlichen Beziehung zwischen den Vereinigten Staaten und Deutschland aufgedeckt.“
In seinem YT-Video DEUTSCHLAND, EMANZIPIERE DICH! (Deutsche Untertitel) geht Ritter auf den Stern-Titel mit dem Großen Bruder ein und er äußert sich eigentlich sehr liebevoll zu Deutschland, wenngleich weniger liebevoll zur Idiotie der deutschen Regierung.

Wie krank ist es, dass die Ampel-Vasallen eine Handlung gegen Deutschland und Europa, den Scott Ritter als „einen Angriff auf Deutschland, einen Kriegsakt und als ein Pearl Harbor auf für die deutsche Wirtschaft“ bezeichnet, unkommentiert geschehen lassen oder sogar noch feiern?

Zur Erinnerung: Beim Bundesparteitag der Grünen, Mitte Oktober 2022, hielt die EU-Abgeordnete Viola von Cramon eine Rede, in der sie die Sprengung  von Nord Stream2 lobte (und damit Deutschlands Ende als Wirtschaftsmacht).

Seymour Hersh gilt als einer der berühmtesten Investigativ-Journalisten der Welt. Dennoch stieß Hershs Enthüllung zuerst auf eine Mauer des Schweigens. Viele einflussreiche Medien, darunter die New York Times und die Washington Post in den USA sowie die Financial Times und der Guardian in Großbritannien ignorierten die Enthüllungsgeschichte des weltbekannten Pulitzer-Preisträgers. Mittlerweile berichten viele US Medien über den Anschlag, während sich die meinungsbildenden „Qualitätsmedien“ in Deutschland tot stellen oder Hersh im Rahmen ihres Informationskrieges diskreditieren.  
Laut Berliner Zeitung äußerte sich Philipp Amthor (CDU) bei einer Bundestagsdebatte besonders abfällig und diffamierend über Seymour Hersh. Er sprach vom Blogbeitrag eines 85-Jährigen, der vor 50 Jahren einen Journalistenpreis erhalten hat. Sagt Amthor!! Dieser Kindskopf-Greis! Wie topfit Hersh ist seht Ihr im aktuellen Interview mit Russell Brand…).

Die beste Beschreibung der Geheim-Operation (die ich im Netz fand) liefert übrigens Buddhi auf Youtube: Seymour Hersh Reveals How USA Destroyed Nord Stream Gas Pipelines.
Wer immer noch nicht versteht, wer hier ständig zündelt und warum manche Leute für Frieden und gegen Waffenlieferungen an die Ukraine demonstrieren, dem sei ein Interview mit dem Historiker Daniele Ganser empfohlen. Darin wird erklärt, wie es zum Ukraine-Krieg kam und was zu tun wäre, wenn die Regierungen der EU (insbesondere Deutschland) nicht in US-Kadavergehorsam erstarrt wären, sondern die Interessen Europas vertreten würden. Ähnlich äußert sich auch Oskar Lafontaine in dem Interview: Wir müssen einen Atomkrieg verhindern

Die Frage, ob die Mannschaft der USA beim Ryder Cup 2023 im Sommer in Italien fair spielen wird, bleibt also ebenso offen, wie die Frage, ob wir diesen Sommer noch erleben werden.

Lebt lang und in Frieden

Eugen Pletsch

Seymour Hersh First Nord Stream Interview mit Russell Brand 19.2.2023


Worum es beim Golfspiel geht

Im Herbst, wenn nur noch die wetterfesten Spieler im letzten Büchsenlicht unterwegs sind um ihre Bälle aus dem Schlamm zu pulen, kommt bisweilen der eine oder andere Clubmanager auf die Idee, die Schnuppergolfer der letzten Saison zu einem Informationsabend einzuladen.
Wer bisher noch nicht angebissen hat, lässt sich bei einer solchen Geselligkeit vielleicht an den Haken nehmen und auch der Clubgastronom freut sich, besonders nach einem nassen Sommer wie diesem.
Manchmal werde ich gebeten, diese Informationsabende zu begleiten, wie kürzlich im Golfclub Bauernburg. Nach einem Prosecco zum Empfang begrüßte Präsident Fahrenbach die Gäste und übergab das Wort dann an Vize Prof. Klausthaler. Der bekam rote Backen vor Freude, bei seiner Schilderung wie schön das Golfer-Leben ist, insbesondere im Golfclub Bauernburg! Gemeinschaft, Freunde, frische Luft, herrliche Aussicht…!

Dann wurde ich vorgestellt und schaute in die Runde. Da saßen sie nun, die Golfer von morgen mit ihren fragenden Gesichtern. Unschuldig wie Lämmer, nicht wissend, was auf sie zukommt, wie dieser Sport ihr Leben umkrempeln würde.
„Wer von Ihnen hat Kinder“, fragte ich.
Die meisten hoben die Hand.
„Und wissen Sie noch, wie das erste Kind Ihr Leben vollkommen auf den Kopf gestellt hat? Wie alles anders wurde?“
Viele nickten.
„So wird es auch werden, wenn Sie Ihr Leben dem ‚Spirit of Golf‘ weihen. Das Spiel verändert Ihr Leben. Komplett!“

Meine Stimme hatte gerade eine gewisse Dramatik angenommen, was einen älteren Herren in der ersten Reihe nicht davon abhielt, mein ausgefeiltes rhetorisches Konzept durch eine Frage aus dem Rhythmus zu bringen: „Bevor Sie uns hier Angst vor einem Golfgeist machen – wollen Sie uns nicht erstmal erzählen, worum es beim Golfspiel eigentlich geht?“

„Äh, ja natürlich…“, stotterte ich. „Also …äh… Golf ist ein Zielspiel über 9 oder 18 Spielbahnen verschiedener Länge. Sie und Ihre Mitspieler (Mitbewerber genannt und mit Ihnen maximal vier Personen) versuchen dabei einen kleinen Ball mit maximal 14 Schlägern von einer Abschlagsfläche (Tee genannt) über einen Rasen (Fairway genannt) zu einer kurz gemähten Fläche (Grün genannt) zu treiben, um den Ball dort in ein ca. zehn Zentimeter breites Loch einzulochen, das durch eine Fahne gekennzeichnet ist? Alles klar?“

Manche Zuhörer nickten bereits, während andere noch versuchten, den Satz zu verdauen. Eine Dame hob die Hand.
„Und warum maximal 14 Schläger?“ „Das hat man in Schottland irgendwann so festgelegt. 14 Schläger, weil der Caddie sonst zu schnell müde wird. Und 18 Bahnen, denn dann ist die Whisky-Flasche leer.“
„Und was unterscheidet diese Schläger?“
„Von einer Whisky-Flasche?“
„Nein, untereinander!“
„Die Schlagflächen haben verschiedene Winkel, auch Loft genannt, um – theoretisch mit dem gleichen, um Ihre Körperachse verlaufenden Schwung – den Ball auf verschieden hohe Flugbahnen schicken, um damit unterschiedliche Entfernungen zu erzielen.“
„Aha. Und wer vom Abschlag auf der ersten Bahn bis zum letzten Einlochen auf der 18. Bahn die wenigsten Schläge braucht, hat gewonnen?“ hakte die Dame nach.
„Genauso ist es! Es handelt sich beim Golfen also um ein Geschicklichkeitsspiel mit Schläger und Ball, bei dem der Ball oft – meist unfreiwillig – angeschnitten wird….“, versuchte ich auszuführen.
„Also ähnlich wie Tischtennis?“ fiel mir der ältere Herr ins Wort. „Nun ja, ein Golfball ist viel schwerer als ein Tischtennisball, fliegt also über längere Distanzen. Angeschnitten landet er deshalb oft jenseits der gemähten Fläche im hohen Gras (Rough).“
„Und die Abenteuer, die man auf dem Weg durch die Wildnis bis zum 18. Loch erlebt, darf man dann jedem, der sich nicht schnell genug aus dem Staub macht, an Bar der Clubhauses erzählen! Ha, Ha!“
Der Senior lachte. Er schien meine Bücher zu kennen. Die Zuhörer schmunzelten.
„Ja, so ähnlich“, bestätigte ich. „So ähnlich“.
Eine Dame meldet sich: 
„Das klingt alles recht einfach, ist es aber nicht. Ich habe es nämlich probiert.“
Stille. Ich gab dem Wirt ein Zeichen noch mal nachzuschenken.
„Der Haken ist nämlich“, fuhr der ältere Herr in meinem Vortrag fort, „Erstens kommt beim Golf alles anders und zweitens als man denkt!“
Er holte Luft – ich grätsche ihm in den Satz:
Golf ist der unlösbare Konflikt zwischen Wollen und Können!
Aber gerade das macht das Spiel so spannend. Ein guter Golfer kann den Ball nicht nur fast punktgenau in exakten Distanzen schlagen, sondern auch angeschnitten mit Rechts- oder Linksdrall um eine hundert Meter entfernte Baumgruppe lenken. Dabei trifft das Schlägerblatt mit über hundert Stundenkilometern Schlägerkopfgeschwindigkeit auf eine runde Balloberfläche von ein paar Quadratmillimetern! Gute Golfer spielen den Ball mit wenigen Schlägen an die Fahne, damit der Ball möglichst mit einem Schlag eingelocht werden kann. Auf diesem spielerischen Niveau ist Golf ein Strategiespiel, das dem Schach ähnlich ist. Man überlegt sich, welche Landezone den Ball in eine gute Lage für den übernächsten Schlag bringt…“.
„Und weniger gute Golfer?“ fragte ein Herr aus der 2. Reihe, der aufmerksam zugehört hatte. „Was gute Golfer machen, dürfte uns in den nächsten Jahren erstmal egal sein, oder?“
„Na, so lange wird’s je nach Talent nicht dauern“, beschwichtigte ich.
„Nach meinen Erfahrungen“, sagte der Herr aus der 2. Reihe, „erreichen wir Amateure – egal mit welchem Schläger – nur zwei verschiedene Ballfluglängen: zu lang oder zu kurz. Der Ball bleibt selten in der Nähe der Fahne liegen, und wenn doch, dann rollt er immer noch nicht mit einem Putt ins Loch.“
Er blickte resigniert in die Runde. „Und je mehr man sich bemüht, umso weniger klappt es.“

Ich sah, wie der Clubmanager zuckte. Der Abend lief in die falsche Richtung. Wir wollten doch Begeisterung erzeugen und keine Depression!
„Das kann nur am falschen Material liegen!“ warf ich ein. „Dann wird Golf zum Glücksspiel. Oder Sie nahmen keine Golfstunden mehr, nachdem Sie die Platzreife erlangt haben. Auch das rächt sich.“
Der Herr schwieg, worauf ich fortfuhr, Golf als ein interessantes Hobby mit Frischluftcharakter und gesellschaftlicher Komponente zu beschreiben. Ich erzählte ein paar Schnurren, die Leute lachten, die Stimmung lockerte sich. Noch Fragen? Die Zuhörer unterhielten sich angeregt. Allgemeine Aufregung bei dem Gedanken, es doch mal zu versuchen. Im nächsten Frühjahr! „Jetzt ernsthaft, machst du mit?“ fragte eine Dame ihre Freundin.

Zeit für Prof. Klausthaler, noch einmal das Wort zu ergreifen: „Unser Club bietet Ihnen zum Einstig eine Jahresmitgliedschaft zu sehr interessanten Konditionen an. Auf diese Weise können Sie feststellen, ob das Spiel zu Ihnen passt und ob die Chemie im Club für Sie stimmt. Ich stelle Ihnen das mal kurz im Detail vor.“
‚Klausi‘ öffnete seinen Laptop und warf einige Grafiken mit Angeboten an die Wand. Die Zuhörer lauschten aufmerksam. Manche machten sich Notizen.

Ich hatte mich gesetzt. Das Summen der Stimmen machte mich schläfrig. Vage erinnerte ich mich daran, wie es bei mir damals war, als mir mein schottischer Schwiegervater erstmals einen Schläger in die Hand drückte und ich meine ersten Versuche unternahm, einen Ball in die gewünschte Richtung zu schlagen. 30 Jahre später versuche ich das immer noch. Manchmal klappt es, manchmal nicht. Golf ist ein Geschicklichkeitsspiel, mit Schläger und Ball. Ein Spiel, das wir heute lieben und morgen verfluchen, von dem wir aber nicht mehr lassen werden. Aber darum geht es ja, beim Golfspiel. Oder?

(c) by Eugen Pletsch 2015

Grötschmanns Katze

An einem windigen, regennassen Tag trug Grötschmann seine Katze zu Grabe.
Grötschmann – Ihr erinnert Euch? In den ersten Jahren waren wir keine engen Freunde gewesen, höchstens Fairway-Gefährten. Heinz Grötschmann hatte damals eine besondere Stellung inne. Er war der einzige offiziell bestallte Zuhörer in einem deutschen Golfclub. Lange bevor wir mit ihm im GC Bauernburg den „Golftherapeutischen Pflegedienst“ gründeten, sammelte er bereits Erfahrungen in der Kunst des Zuhörens.

Golfer-Geschwätz ertragen ist die höchste Form der Vipassana-Meditation. Kaum einer weiß, was Heinz Grötschmann in seiner Zeit als aktiver Zuhörer für seinen Club – und die Menschheit – geleistet hat.

Jesus mag für unsere Sünden gestorben sein, aber Heinz Grötschmann hat alle unsere Sünden mit uns erlitten, egal ob verschlagene Drives oder 15 cm-Putts, die unaufmerksam und leichtfertig am Loch vorbeigeschoben der Mannschaft den Klassenerhalt kosteten. Selbst die lautstarken Siegertypen und Brüllochsen mit Bierschaum vor dem Mund ertrug er gelassen.

Üblicherweise ist es doch so:  Kommt jemand nach einem Turnier und fragt, wie man gespielt hat, will der das doch gar nicht wissen. Sie wollen doch nur selbst erzählen, wie toll oder grauslig sie gespielt haben. Hören kaum einen Moment zu, nicken kurz und fallen dir dann ins Wort. Hat jemand grottenschlecht gespielt, hebt das vielleicht noch die eigene Stimmung, aber sonst – wozu dieses endlose Gesülze? – nein danke. Könnte man sagen.

Aber Grötschmann hat sich alles angehört, hat die Leidenden aufgerichtet und mit einem Wort der Aufmunterung gestreichelt, hat die wirre Verzweiflung der Schwung-Gläubigen zum Weg der Erkenntnis geführt und war stets bereit, auch Gästen zuzuhören, die im Club niemanden kannten, der bereit gewesen wäre, ihren Tragödien und Triumphen zu lauschen.
Zum Ausgleich für diese unsägliche Geduld erhielt Heinz, der es nach seiner Scheidung nicht mehr so Dicke hatte, die Möglichkeit, seinem geliebten Golfsport in diesem Club kostenfrei nachzugehen, so wie dann später bei uns in Bauernburg. Wie ich bereits in ‚Golf Gaga‘ schrieb:

„Für den herzensguten Grötschmann war Golf eine kultische Handlung und er selbst sah sich als Diener einer launischen Göttin, die ohne Unterschied auf Rang und Ansehen belohnte und strafte, was seinem Verständnis von Gerechtigkeit entsprach.“

Ein Geheimnis, das kaum jemand kennt (und das ich auch in den Geschichten vom Golfclub Bauernburg in Achtung Golfer! geflissentlich zu erzählen vermied, betrifft die Existenz von Grötschmanns Katze. Die Katze hieß ‚Semikolon‘, er rief sie Sem. (Nicht Sam!)

Wer länger Golf spielt weiß, dass unser Spiel ein Paradoxon ist.

So wie Schrödingers Katze. Das Paradoxon von Schrödingers Katze besteht darin, „dass dem Gedankenexperiment nach eine Katze mit den Regeln der Quantenmechanik in einen Zustand gebracht werden könnte, in dem sie gleichzeitig „lebendig“ und „tot“ ist, und in diesem Zustand verbleibt, bis die Experimentieranordnung untersucht wird. Die gleichzeitig tote und lebendige Katze würde erst dann eindeutig auf „lebendig“ oder „tot“ festgelegt, wenn man sie beobachtete, also eine Messung durchführte. Das widerspricht der Anschauung und Alltagserfahrung mit makroskopischen Systemen.“ (Wiki)

Meines Wissens wurde das Paradoxon von ‚Schrödingers Katze‘ wissenschaftlich nie geklärt, aber Grötschmanns Katze hat dieses Paradoxon auf wundersame Weise gelebt. ‚Semikolon‘ war da und war nicht da, weshalb sie in „Achtung Golfer!“ auch nicht erwähnt wird – obwohl sie da war. ‚Semikolon‘ hatte eine rotbraune Farbe. Im Film „Inside Llewyn Davis“ spielt sie in einer Nebenrolle die zweite (falsche) Katze, die der Protagonist des Films, gespielt durch Oscar Isaac, irrtümlich eingefangen hatte, um sie den Besitzern zurückzugeben.

(Die erste Katze im Film war eine Katze, die zweite ein Kater, den ‚Semikolon‘ so überzeugend darstellte, dass alle am Set klatschten. ‚Semikolon‘ wurde übrigens zum Casting zusammen mit Marcus Mumford über London eingeflogen, was gewisse Komplikationen mit sich brachte, weil Mumford eine Katzenallergie hat.

Gitarren-Freaks sollten den Film allein schon wegen der 1925er Gibson L1, einer ‚Robert Johnson-Gitarre‘ unbedingt anschauen, die die Coen-Brüder (Produzenten) in ‚Norman’s Rare Guitar‘ gekauft hatten. Für Golfer ist der Film weniger interessant, es sei denn, sie sehen im Golfsport einen Weg der Bewusstseinserweiterung an. Dann könnten sie (Stichwort Ballverluste vermeiden durch ‚Vipassana‘) lernen, wie man Fenster und Türen bewusst im Auge behält, um Katzen am Davonlaufen zu hindern.

Grötschmann hielt es jedoch anders mit ‚Semikolon‘. Sie war eine freie Katze. Sie kam und ging. Man wusste nie, ob sie da war oder nicht. Golfplatzbetreiber erlauben Hunde auf ihrem Platz, aber einen Hinweis, dass Katzen willkommen wären, habe ich noch nie gesehen. Habe ich überhaupt jemals eine Katze auf einem Golfplatz gesehen? Ich kann mich nicht erinnern. Vielleicht sah ich einst eine Katze auf Mäusejagd, da wo sich das Fairway an einem Dorfrand entlang schlängelt, zum Beispiel auf der 12. Bahn des Golfclubs Attighof. Da könnte ich einer Katze begegnet sein, aber der Fuchs, der auf einem Nordhessischen Platz wohnt oder die Waschbären in Lich sind mit präsenter.

Von ‚Semikolon‘ wusste ich, dass sie oft mit Grötschmann auf dem Platz unterwegs war. Oder auch nicht, denn ‚Semikolon‘ war da und nicht da. Kaum eine Sekunde zu sehen, höchstens ein sandbraunes Huschen im Augenwinkel, wenn man sich sicher war, dass sie diesmal NICHT mitgegangen war. Aber habe ich ‚Semikolon‘ jemals gesehen?

„Da oder nicht da, wer soll das wissen?“ antwortete Grötschmann irgendwann auf meine Frage nach der Katze.

„Ist nicht alles, was wir wahrnehmen ohnehin nur ein Gedankenexperiment?“

Und nun ist sie tot. Grötschmann weigerte sich, Semikolon‘ dem Abdecker zu überlassen. Er grub ein Loch, dort auf dem Platz, wo ihr Grab keinen Golfer stören würde. ‚Schrödingers Katze‘ mochte tot oder nicht tot sein, Grötschmanns Katze verstarb an einem windigen, regennassen Tag. Eindeutig, sie war mausetot.

Am Abend saß Heinz Grötschmann im Clubhaus am Kaminfeuer und trauerte. Dann stand er auf um sein Leben zu verändern. Ich ging mit ihm, keine Ahnung wohin.

 (c) by Eugen Pletsch