Der verschollene Traum

Eine kurze Sequenz aus GOLF GAGA, meiner satirischen “Rosamunde Pilcher-Love Story“ über meinen Aufenthalt in einer Klinik für Golfsüchtige…und eine Erinnerung an das Glauber-Wasser von Bad Bertrich.

Nach dem Mittagessen saß ich im Zimmer und fand in meinem Nachttisch eine Bibel. Ich las in der Offenbarung des Johannes bis mir die Augen zufielen. Ich döste weg und sah Bilder aus einem früheren Leben im alten Germanien:
Mein Name war Garzich, mein Kumpel hieß Berzich. Wir waren zwei alemannische Sklaven. Kohortenführer Darius befahl uns, an der Seite des Talkessels, in dem die Legion lagerte, eine Latrinengrube auszuheben. Wir waren seit Jahren in Gefangenschaft. Ich hatte die Nase voll, aber Berzich war nicht unzufrieden mit seinem Los. Er sagte immer: “Es hätte uns schlimmer treffen können“, womit er die Löwen in Rom meinte.

Wir standen im Schlamm und befanden uns zu diesem Zeitpunkt in einer interessanten Diskussion über das Dasein und das Recht auf Selbstbestimmung im Rahmen unserer Tätigkeit. Fremdbestimmte Sklavenarbeit bringt unweigerlich die Frage nach dem Sinn auf.
Ich schufte, also bin ich, aber reicht das?

Ich fühlte mich in einer Sinnkrise gefangen. Mein Sklavendasein erschien mir sinnlos und leer. Ich suchte die Quelle meiner Kraft, die Quelle des Seins, die alle Dinge mit Wärme füllt.

Berzich, der Ältere von uns beiden, versuchte meine Gedanken in eine positive Richtung zu lenken. Tenor: Sorge dich nicht – grabe!

Berzich: „Versuche, dieses existenzielle Sein – was immer du tust – mit Leben zu füllen. Sei aufmerksam! Erlebe das JETZT. Dieser Moment des bewussten Seins in Verbindung mit einer kleinen Belohnung, wie sie die griechische Psychologen empfehlen, schafft Freude und Zufriedenheit. Es wird für Dich gesorgt, Garzich. Du hast Dein Essen. Niemand schlägt Dich, die Löwen sind in Rom. Die Arbeit kann doch auch Spaß machen! Wir müssen uns alle arrangieren. Also grab weiter.“

Ich zucke mit den Schultern und wir gruben nach dem Sinn. Wir gruben und gruben. Wir hörten gar nicht mehr auf. Unser Graben wurde zur transpersonalen Erfahrung, während sich die Grube mit warmem Wasser füllte. Es war ein exzessives Graben, ein tiefes Graben bis hinab in die Keller unseres Seins. Irgendwann sah ich meine nassen Füße und ein Glückgefühl überkam mich. Warme Füße, der Körper gut durchblutet, den Geist zum Stillstand gebracht. Wenn das keine Erleuchtung war, was dann?

„Berzich“, sagte ich, „ich denke, ich habe die Quelle meiner Kraft gefunden, und siehe, sie ist warm. Ich danke Dir, mein Freund!“

Als die Römer sahen, dass wir auf eine Quelle gestoßen waren, durften wir aus der Grube raus und bekamen einen Extraschlag Hirsebrei. So ein Römer ist durchaus erfahren im Fassen von Quellen. Alle krabbelten begeistert in das Warmwasserloch um die Grube auszumauern. Bereits nach wenigen Tagen plätscherte die Brühe in den Wannen und die Römer vergnügen sich mit den Eingeborenenweibchen aus der Region. Aber dann fing das Problem an: Immer, wenn die Römer Wasser schluckten, mussten sie dringend aufs Klo rennen, während die Eingeborenen das Wasser gut vertrugen. Sie hatten ein Enzym im Blut, dass den Römern fehlte, ein Geschmacklos-Enzym. Die Römer suchten deshalb einen Schuldigen, um ihn zu kreuzigen. Sie entscheiden sich für Berzich, den Weisen. „Glück gehabt“, dachte ich.

Dann schwebte ich in meinem Traum über dem Tal und sah, wie aus dem Schlammloch mit dem warmen Wasser ein Ort wurde, an dem es bald kein Römer mehr aushalten konnte, denn die Wohnhöhlen der Eingeborenen hatten Fensterdekorationen von derart schlechten Geschmack, dass die Römer fluchtartig das Land verließen. Damit sie aber weiterhin Tribut erhielten, eröffneten sie ein italienisches Eiscafe, eine Quelle, die bis zum heutigen Tage sprudelt.

(c) By Eugen Pletsch

In GOLF GAGA thematisiere ich besonders die „Mentalen Aspekte des Golfspiels“ sowie die Golfsucht allgemein. Das Buch ist mittlerweile vergriffen, aber wer Interesse an hat, kann von mir ein Exemplar mit Signatur und kleiner Zeichnung für EUR 20.- (Paypal) inkl. Versandkosten per email-Bestellung erwerben. Mehr Infos zum Buch…

Die 23

Auszug aus „Golf- Gaga – der Fluch der weißen Kugel„. Der Kellner Etbin und Dagobert Seicht sind zwei Figuren, die in meinen Büchern mehrfach auftauchen…

Es war viel zu heiß, um zu spielen. Wer an diesen Tagen spielte, hatte einen Schatten. Auch auf der Clubterrasse, wo sonst eine sanfte Brise wehte, war die Luft wie gebacken. Die Sonne prallte von den weißen Wänden des Clubhauses, weshalb ich es an solchen Tagen vorzog, mir im Restaurant ein kühleres Plätzchen zu suchen.

Etbin, der Kellner, trug wie immer ein weißes Hemd zur Weste und schwarze Hosen. Ihm schien die Hitze nichts auszumachen. Er ruhte regungslos im Schatten, aber in dem Moment, in dem ich Platz genommen hatte, stand er bereits mit einer großen Flasche Mineralwasser im Cooler neben mir. Er wusste, was ich bei diesen Temperaturen zu trinken pflegte. Etbin hatte etwas Katzenhaftes, er schlich. Man hört ihn nicht, er bewegte sich wie ein Samurai.

Ich trank mein Wasser und war in Gedanken, als sich Dagobert Seicht näherte. Wir grüßten uns, seitdem ich wieder häufiger in Bauernburg verkehrte, aber der gütige Herr hatte mir das gemeinsame Spiel bisher erspart. Vermutlich hatte die Sekretärin teuflische Angst vor dem, was passieren könnte, wenn zwei besserwisserische Korinthenkacker aufeinandertrafen.

Als wenn nicht genug andere Plätze frei wären, trat Herr Seicht an meinen Tisch und fragte: »Gestatten?« Ich schaute beiläufig auf und nickte, was weder herzlich noch höflich war, aber Seicht nicht abzuhalten schien, sich zu setzen. Er schwieg. Etbin brachte Seicht seine Zitronenlimonade. Ich schwieg auch. Wir schwiegen beide.

Wenn zwei Personen, die den leeren Raum des Universums in wenigen Stunden mit Sprechblasen ausfüllen könnten, einander anschweigen, dann entsteht eine gewisse Spannung. Etwa so, wie wenn ein von Sprechblasen ausgefülltes Universum kurz davor ist, den Urknall zu zelebrieren.

Ich schwieg, Seicht schwieg. Ich spürte, wie auch die wenigen Gäste an den anderen Tischen still wurden. Tiefe Stille. Nur der Koch klapperte in der Küche.

Ein großer Sumsemann, eine Hummel oder Hornisse, flog durch die offene Verandatür in den Raum. In der Stille klang das Brummen wie ein Moped in einer spanischen Nacht.

HnnnnnnmmmmmmmHnnnnHnnnnjääännnnnnggggggzzzzzzzzm ….

Das Geräusch kam näher. Offensichtlich hatte der Sumsemann Seichts Zitronenlimonade auf dem Radar. Wir saßen beide da und schwiegen. Die Gäste im Raum schauten fasziniert zu.

Die Szene vom Showdown zweier Verbal-Pistoleros.

Sumsemann umflog mich, wechselte zu Seicht, konnte sich nicht entscheiden und landete auf meinem Haar, was mir ausgesprochen unangenehm war. Ich verharrte regungslos. Jetzt Angst zeigen, wäre unmöglich gewesen. Ich hatte mir bei manchem Turnier schier in die Hosen gemacht, mit angstvoll zitternden Händen Zehn-Zentimeter-Putts vorbeigeschoben, jetzt blieb ich standhaft.

Sumsemann krabbelte auf meinem Haar. Mein Kopf war der Mond, auf dem das Raumschiff landete, um den Planeten auszuspähen. Der Planet war unser Tisch, auf dem die Zitronenlimonade stand. »Sumsemann«, dachte ich, »es gibt noch ein zweiten Mond, der näher am Planeten steht, mach die Flatter!«

Sumsemann hatte sich in meinem Haar verhakelt. Ich kannte das aus dem Kino. Der Trabant wird angebohrt, um eine Beobachtungsstation zu errichten. Seicht hob sein Glas, um einen Schluck aus seiner Limonade zu nehmen. Ich versuchte unmerklich, mit dem Kopf zu schütteln. Sumsemann schien festzusitzen, aber plötzlich hob er ab. Vielleicht sah er in seinem Insektenradar, dass sich sein Beuteobjekt vom Planeten zum anderen Trabanten verschoben hatte.

Sumsemann ging im Steilflug zum Angriff über und nahm das Glas ins Visier, aus dem Seicht gerade trank. Dessen Reaktion war abrupt. Das Glas mit der rechten Hand am Mund, hob er den Kopf und versuchte mit der linken Hand nach Sumsemann zu wedeln, wobei er den Kopf zurückkippte und ihm sein Gesöff über die Backen schoss.

»Ahhhhgggggrrr …«

Aber Sumsemann konterte mit: »HnnnnnnmmmmmmmHnnnnHnnnnjääännnnnnggggggzzzzzmmm ….

»Ahhhhgggggrrrgggggnnnnn …« Seicht wedelte mit den Armen, das Glas zerschellte am Boden, als ich merkte, dass er offensichtlich ein Eisstück in die Luftröhre bekommen hatte. Sein Kopf war immer rot, seine Augen standen immer vor, aber an seinem Röcheln erkannte ich, dass etwas nicht stimmte.

Ich saß etwas ungünstig, aber ich holte mit dem rechten Arm weit aus und schlug dem armen Seicht mit Wucht auf den Rücken, wobei ihm ein Eisbröckchen aus dem Mund sprang. Im selben Moment hatte der flinke Etbin den Sumsemann mit einem Schlag erlegt. Mit beiden Händen gleichzeitig frei in der Luft erwischt. Es war eine Hornisse. Keine Zeit zum Stechen. Sofort tot. Ich betrachtete das bisschen Insektenmatsch auf den harten, schwieligen Händen des Kellners. Seicht rang um Atem und Fassung. Wir dankten Etbin für seinen Einsatz. Der nickte und verschwand.

»Vielen Dank, das war knapp«, sagte Seicht.

»Kein Thema«, erwiderte ich kurz.

Er blickte auf seine Uhr. »17 Uhr 23. Na klar! Typisch.«

»Was ist typisch?«

»Der Versuch mich umzubringen, 17 Uhr 23, verstehen Sie?«

»Äähhh – nein? Sollte ich?«

»Na, die 23. Müssten Sie doch kennen«.

Seine Stimme wurde leiser.

»Sie wissen doch was ich meine, die D r e i u n d z w a n z i g!«, -wisperte er. »Sie haben das doch alles in Ihrem Buch drin!«

»Wie bitte?«

»Na, hören Sie mal, ich weiß doch wer Sie sind. Sie haben doch dieses Buch geschrieben. Sie sind doch der Autor von ›Der Fluch der weißen Kugel‹?« Ich schaute ihn wohl ziemlich fassungslos an und er fuhr fort. »Das ganze Buch ist doch codiert. Ich habe im Internet Geschichten darüber gelesen und dann recherchiert. Ich bin auch ein Eingeweihter, wissen Sie. Wir können offen sprechen. Ich habe alles herausgefunden.«

»Was herausgefunden?«

»Na zum Beispiel die Geschichte vom ›Golf auf anderen Planeten‹, die deutet doch an, dass sich die Erde bald über außerirdischen Besuch freuen darf, was im letzten Kapitel noch einmal bestätigt wird. «

Seicht öffnete seine Kladde, die auch einige ausgedruckte Texte enthielt.

»Ich darf mal aus einem Newsboard zitieren:

›Also dann, am 23.5. um 11 Uhr‹, ruft mir Mulligan zu. So steht es in der aktuellen Ausgabe, aber in der ersten, mittlerweile verschollenen Originalschrift wurde das exakte Datum der Landung Außerirdischer mit dem 23. 5. 2001 angegeben!

Der Magnat im Kapitel ›Alte Golfclubs‹ wird als jener Adam Weishaupt identifiziert, der am 1. Mai 1776 den Geheimbund der Illuminaten und 1906 den Deutschen Golfverband gründete.

Auf S. 230 (23 und 0!) schreibt er: ›(…) und Sie beginnen, sich für das Geheimnis zu interessieren.‹ Welches Geheimnis meint er, fragen sich manche Leser. Die ›18 Bahnen des Golfsports‹ (S. 226) erklärt der Autor in einem buddhistischen Kontext, was von Verschwörungstheoretikern eindeutig als falsche Fährte angesehen wird, die der Autor legen musste, weil er ahnte, dass er als Medium bereits zu viel verraten hatte. Das Kapitel ›Ein letztes Geheimnis‹, das Golf als Geschicklichkeitsspiel beschreibt, wirkt trivial, gibt aber den Hinweis, dass es ein letztes Geheimnis gibt!«

Seicht schaute mich erwartungsvoll an. Ich schaute zurück.

»Und? Was hat das mit der 23 zu tun?«

Seicht holte tief Luft. Verschwörerisch beugte er sich zu mir.

»Ich weiß doch, in welchem Club ich bin. Ich weiß doch, was der Manni Mulligan treibt. Was meinen Sie, warum ich hier bin? Das Mysterium des Golf enthüllt sich durch die 23. Und wenn es Eingeweihte gibt, dann hier. Ich verstehe nicht, warum Sie so tun, als würden Sie das alles das erste Mal hören?«

»Weil ich es das erste Mal höre. Aber was hat das Mysterium der 23 mit dem Golfsport zu tun?«

»Bobby Jones hat 1923 sein erstes Major, die US Open, gewonnen. Der Golfclub Magdeburg wurde 1923 gegründet. Die erste Swiss Open fand 1923 statt. Miriam Burns gewann 1923 die Women‘s Western Golf Championship im Alter von 23 Jahren! Die Bonzo Dog Zigarettenkarte von 1923 wurde gerade bei ebay für 23,95 versteigert.«

Er schaute mich triumphierend an.

»Ein Birdie und ein Par an einem Par 3 ergibt kabbalistisch eine 23! Unser Platz hat ein Par 72. Drei unter Par, eine 69, ist dreimal 23, klar? Ein reguläres Par 5, aus dem Blickwinkel der Tarotkarte des »Gehenkten« (Bahn vom Grün zum Abschlag betrachtet) besteht aus zwei Putts und drei Fairwayschlägen, das gibt: 23. HA! Die Quersumme aller Golfbälle der Welt ist 23, was auch dem traditionellen Loft eines Eisen 3 entspricht.«

Dagobert Seicht blickte mich mit seinen vorstehenden Augen an. Seine dünnen Künstlersträhnen waren am Schädel angeklebt. Er schnupperte mit der Nase wie eine Ratte. In dem Moment dachte ich, er sei irregeworden.

»Sie schauen mich an, als würden sie denken, ich sei irregeworden. Na gut, was halten Sie hiervon: Der große Förderer dieser Golfanlage, unser Magnat Senator Grösius, behauptet, er würde am 23.10.2006 sterben. 18 gespielte Bahnen und danach fünf Hefeweizen ergibt?«

»Schon klar: 23!«, kam ich ihm zuvor.

»Na, sehen Sie.« Jetzt schaute er mich gütig an, als hätte ich irgendetwas verstanden.

»Gut«, sagte ich, »und was bedeutet das alles für Sie?«

»Ich kann Ihnen das zusammenfassend vortragen.«

Er schlug seine Kladde auf, blätterte einen Moment und fand dann die gesuchte Seite. Seicht begann:

»Golf ist ein Virus, der zu schweren Suchterscheinungen führt und dabei ist, das Wirtschafts- und Kulturleben auf diesem Planeten nachhaltig zu zerstören.

Die Außerirdischen sind bereits gelandet, haben Präsident Kennedy ermordet und übernahmen die Regierung der USA. Natürlich auch die Wallstreet. Diese außerirdischen Plünderheuschrecken, die von einem kleinen Planeten in der Nähe des Sirius stammen, überfallen seitdem ein Land nach dem anderen mit dem Ziel, das Wirtschafts- und Kulturleben auf diesem Planeten zu zerstören.

Die einzige Schwäche, die Plünderheuschrecken haben: Sie spielen gerne Golf (amerikanische Präsidenten!) und sie sind nicht immun gegen den Golfvirus, was eine Chance birgt, den Planeten zu retten, denn Golf macht süchtig, dann blöde und dann depressiv. Damit könnte man sie schlagen. Wir sind nicht alleine. Von irgendwoher kommt Hilfe.«

»Sehr interessant«, sagte ich.

»Nun, was halten Sie davon, Sie haben doch das Buch geschrieben!«

Plötzlich kam mir eine Idee.

»Dagobert, ich darf Sie doch Dagobert nennen?«

Er nickte erwartungsvoll.

»Ein Schlüsselroman ist verschlüsselt, sonst wäre es kein Schlüsselroman.« Ich schaute ihn freundlich an. »Es gibt Mysterien und Geheimnisse, die sich um das Golfspiel ranken. Kennedy und die Monroe sind die beiden bipolaren Koordinaten. Die YabYum-Energie der beiden bekanntesten Amerikaner ihrer Zeit verbannte schreckliche Kräfte in den unterirdischen Gewölben des Pentagon. Beide wurden ermordet. Das Biest wurde entfesselt. Seitdem regiert das große Tier und überzieht die Welt mit Krieg. 666 … Sie wissen schon.«

Ich spürte, wie es Seicht schauderte. Er war dem Geheimnis auf der Spur.

»Ein Schlüsselroman hat einen Schlüssel«.

Er nickte.

»Der ist verborgen«.

»Wo?«

Etbin näherte sich unserem Tisch.

»Etbin, zahlen!«, rief ich, worauf er zur Kasse zurückging.

»Dagobert, ich habe schon zu viel gesagt. Sie wissen schon zu viel.«

Er schob sich dicht an mich heran.

»Sie müssen schweigen«, flüsterte ich, »es ist gefährlich! Schweigen Sie! Das Mysterium ist nah. Warum glauben Sie, haben sich so viele Kräfte in Bauernburg versammelt?«

Er zuckte die Schultern. Etbin war auf dem Weg zu uns.

»Der Teich an der 14 wird von Mulligan bewacht! Tief unten wohnen Geheimnisse, die nicht gehoben sein wollen. Die 14!«, wisperte ich heiser. »Kabbalistische Quersumme fünf! Zweimal 14 ist 28 minus fünf ist?«

»23«, hauchte Seicht fassungslos.

»Genau!«

Etbin stand am Tisch, mit dem Kassenzettel in der Hand.

»Des warren denn de Pasta, wo se gestern nicht bezahlt haben und zwei vonne große Flasche Wasser, macht 18 Euro.«

»Ich übernehme noch die Drinks von Herrn Seicht«, sagte ich.

»Das wärren dann zwei Zitronelimonad, zusamme fünf Euro, macht 23 Euro.«

Ich schaute Seicht tief in die Augen, während ich Etbin 23 Euro in die Hand drückte. »Stimmt so, der Rest ist für Sie!«

Seicht saß stumm da. Sein Mund stand offen. Etbin verbeugte sich. Er hatte meine Art von Humor schon öfter genossen.

Nachdem ich wieder zu Hause war, war ich nervlich bereits etwas angefressen. Aber dann passierte mir die nächste Schote, die mich in jene dramatischen Zustände katapultierte, von denen in diesem Buch die Rede ist.

Liebevoll streichelte ich meine Persimmon-Schläger, dachte nicht lange nach, telefonierte mit dem Club und meldete mich für das Turnier am nächsten Tag an, das trotz großer Hitze stattfinden sollte. Es folgte eine unruhige Nacht.

(c) by Eugen Pletsch 2006

Rayma – eine Tantra-Golfgeschichte

Golfer sind Mystiker und somit anfällig für die wundersamen Offenbarungen, die sie hinter jedem brennenden Dornbusch vermuten, in den sie ihren Ball geschlagen haben.

In kindlicher Naivität wird jeder Firlefanz ausprobiert, der angeblich dem Schwung dient oder verspricht, das Psychodrama, das sich bei den meisten Golfern zwischen den Ohren abspielt, zu lindern.

Golfgurus mühen sich mit Büchern und Videokassetten, den Untergang des Abendlandes heraus zu zögern und immer wieder dringt die messianische Botschaft von dem einen, neuen ultimativen Driver, der unser Leben verändern wird, in die Umkleidekabinen und erfüllt die Herzen verzweifelter Slicer und dröger Hacker mit neuer Hoffnung.

Geradezu mittelalterlich ist der Aberglaube unter uns Golfern bezüglich Zaubertränken, magischen Ritualen und geheimnisvollen Amuletten und Armbändern. Eine geradezu schmerzhafte Dummheit in der heutigen Zeit der Aufklärung, könnte man meinen. Aber jetzt kommt meine kleine Geschichte vom Rayma-Armband:

Ich begegnete Paul Lawrie bei der 1999 SAP / Deutsche Bank Open und er half mir bei einer kleinen Tombola-Aktion für meinen Heimatclub in den schottischen Highlands, der sich fast alle schottischen Spieler, sogar Monti, und etliche andere Tour Spieler anschlossen.

Als Paul Lawrie 1999 die Open gewann, dachte ich natürlich, es wäre gutes Karma, aber bald begriff ich, daß es etwas mit dem Armband mit zwei goldenen Kügelchen zu tun haben musste, das er am rechten Arm trägt.

Eine weitere interessante Begegnung war Matt. Matt ist Vertreter für Golfartikel. Als ich ihn kennen lernte, war er ein müder, grauer Mann, der auf der verzweifelten Suche nach seinem Golfschwung mürrisch über die Fairways stolperte und dabei eine Menge Eisen seiner Herstellerfirma in Teiche und Wälder warf. Ein Mann, dessen Divots weiter als seine Bälle flogen, kurz: ein Mann, wie du und ich.
Letzten Sommer traf ich Matt wieder: Ein braungebrannter, lebenslustiger Kerl, der mittlerweile in der Clubmannschaft spielte. Auf dem Grün lochte er alles, er schlug seine Bälle lange und gerade, aber noch bemerkenswerter war die etwa 23 Jahre jüngere Dame, die er mir als seine Lebensgefährtin vorstellte. Charmant und lebensfroh stand sie mit Matt auf dem Grün und ich und andere alte Zausel vergingen vor Neid, wenn sie ihren knusprigen, braunen Arm um Matt legte, um ihn vergnügt zu küssen. Am Arm trugen beide dieses Armband mit den Kugeln und ich fing an, mir darüber meine Gedanken zu machen.

Dann war da noch ein Bursche, den ich im Club beim Sommerfest beobachtete. Ein lauter fröhlicher Zecher, der sich noch in komatösen Zuständen das erste Brutto einheimst und seine Drives selten unter 300 Meter lässt. Die junge Dame an seiner Seite war mit Sicherheit nicht seine Tochter. Kein Vater würde seiner Tochter gestatten, derart üppige Formen so provokant zur Schau zu stellen. Er trug dieses Rayma-Armband und irgendwie wollte ich jetzt auch eins haben.

Dieses Rayma-Armband hat etwas mit Magnet-Therapie zu tun. Auf der Internetseite von Rayma erfahre ich, dass niemand genau weiß, wie Magnettherapie funktioniert, darüber aber viel geforscht wird. Es scheint jedenfalls eine magnetische Anziehungskraft auf junge Dinger zu haben. Rayma-Tantra? Es gibt mittlerweile etliche Beispiele dafür, dass Rayma-Träger ihr – nennen wir es – latentes Potential von Biomagnetismus dynamisch entwickeln.

Douglas Bell vom englischen Institut für Magnettherapie erklärt den Boom, den die Magnettherapie derzeit in den USA erlebt: „Jede Zelle des menschlichen Körpers ist ein elektrisches Feld mit magnetischem Potential“. Wie es scheint, erlebt gerade der Golfer, der in die Jahre kommt, sein eigenes Potential in vollkommen neuer Weise, sinniere ich, während ich eine blonde Beauty anstarre, die gerade im Pro Shop mit einem Burschen, der ihr Opa sein könnte, ein hübsches, goldenes Rayma-Band aussucht.

Es war die Firma Rayma, die das Original biomagnetische Armband entwickelte, das Paul Lawrie, Lee Westwood und Matt tragen. Majorsieger Tom Kite hat es übrigens auch und braucht seit dem diese dicke Brille nicht mehr, mit der er immer wie seine Mutti aussah.

Die Hersteller des Rayma-Armbands empfehlen, das Armband entweder auf dem rechten Handgelenk mit den Polen nach oben, oder am linken Handgelenk mit den Polen nach unten zu tragen. Wenn nach einiger Zeit keine positive Wirkung verspürt wird, sollte das Handgelenk gewechselt werden. Zwischen dem Rayma-Armband und seinem Träger besteht eine Interaktion. Daher ist es nicht empfehlenswert, dasselbe Armband abwechselnd mit jemand anderen zu tragen oder ein bereits getragenes zu verschenken. Die elektrische Ladung, die die Wirkung des Armbands ausmacht, verringert sich mit der Zeit, was mich etwas an den Magnetismus mancher Beziehungen erinnert. Von diesen Armbändern, die in Palma de Mallorca in Raymas eigener Fabrik hergestellt werden, wurden bereits weltweit über 12 Millionen Stück verkauft. Die Rayma-Armbänder findet man in Deutschland in ausgewählten Golfläden, Sportgeschäften und Sexshops.

Leute, ich bin Ende vierzig, Single und will nicht wahrhaben, dass es das schon war. Also, um es kurz zu machen: natürlich habe ich jetzt auch so ein Armband.

Zuerst stellte ich fest, dass es auf Microsoft-Produkte allergisch reagiert, aber wer tut das nicht. Dafür bekomme ich, seit ich das Armband habe, keine Kettenbriefe mehr, meine Bücher laufen saugut und ich habe fünf Kilo abgenommen. Ich kann nicht besser Putten, ärgere mich aber nicht mehr so. Den Ball schlage ich nicht länger als früher, aber ich finde ihn schneller im Wald.

Na, und was Sie jetzt am meisten interessiert: Ja, Sie ist 25 Jahre alt, klug, stilvoll und absolut süß. Sie spielt Golf und sie liebt es, mit mir Golf im Fernsehen anzuschauen. „Jede Zelle in unserem Körper ist ein elektrisches Feld mit magnetischem Potential“, könnte man sagen. Am Arm trägt sie ein kleines goldenes Rayma-Armband.

© by Eugen Pletsch, 2001