Der verschollene Traum

Eine kurze Sequenz aus GOLF GAGA, meiner satirischen “Rosamunde Pilcher-Love Story“ über meinen Aufenthalt in einer Klinik für Golfsüchtige…und eine Erinnerung an das Glauber-Wasser von Bad Bertrich.

Nach dem Mittagessen saß ich im Zimmer und fand in meinem Nachttisch eine Bibel. Ich las in der Offenbarung des Johannes bis mir die Augen zufielen. Ich döste weg und sah Bilder aus einem früheren Leben im alten Germanien:
Mein Name war Garzich, mein Kumpel hieß Berzich. Wir waren zwei alemannische Sklaven. Kohortenführer Darius befahl uns, an der Seite des Talkessels, in dem die Legion lagerte, eine Latrinengrube auszuheben. Wir waren seit Jahren in Gefangenschaft. Ich hatte die Nase voll, aber Berzich war nicht unzufrieden mit seinem Los. Er sagte immer: “Es hätte uns schlimmer treffen können“, womit er die Löwen in Rom meinte.

Wir standen im Schlamm und befanden uns zu diesem Zeitpunkt in einer interessanten Diskussion über das Dasein und das Recht auf Selbstbestimmung im Rahmen unserer Tätigkeit. Fremdbestimmte Sklavenarbeit bringt unweigerlich die Frage nach dem Sinn auf.
Ich schufte, also bin ich, aber reicht das?

Ich fühlte mich in einer Sinnkrise gefangen. Mein Sklavendasein erschien mir sinnlos und leer. Ich suchte die Quelle meiner Kraft, die Quelle des Seins, die alle Dinge mit Wärme füllt.

Berzich, der Ältere von uns beiden, versuchte meine Gedanken in eine positive Richtung zu lenken. Tenor: Sorge dich nicht – grabe!

Berzich: „Versuche, dieses existenzielle Sein – was immer du tust – mit Leben zu füllen. Sei aufmerksam! Erlebe das JETZT. Dieser Moment des bewussten Seins in Verbindung mit einer kleinen Belohnung, wie sie die griechische Psychologen empfehlen, schafft Freude und Zufriedenheit. Es wird für Dich gesorgt, Garzich. Du hast Dein Essen. Niemand schlägt Dich, die Löwen sind in Rom. Die Arbeit kann doch auch Spaß machen! Wir müssen uns alle arrangieren. Also grab weiter.“

Ich zucke mit den Schultern und wir gruben nach dem Sinn. Wir gruben und gruben. Wir hörten gar nicht mehr auf. Unser Graben wurde zur transpersonalen Erfahrung, während sich die Grube mit warmem Wasser füllte. Es war ein exzessives Graben, ein tiefes Graben bis hinab in die Keller unseres Seins. Irgendwann sah ich meine nassen Füße und ein Glückgefühl überkam mich. Warme Füße, der Körper gut durchblutet, den Geist zum Stillstand gebracht. Wenn das keine Erleuchtung war, was dann?

„Berzich“, sagte ich, „ich denke, ich habe die Quelle meiner Kraft gefunden, und siehe, sie ist warm. Ich danke Dir, mein Freund!“

Als die Römer sahen, dass wir auf eine Quelle gestoßen waren, durften wir aus der Grube raus und bekamen einen Extraschlag Hirsebrei. So ein Römer ist durchaus erfahren im Fassen von Quellen. Alle krabbelten begeistert in das Warmwasserloch um die Grube auszumauern. Bereits nach wenigen Tagen plätscherte die Brühe in den Wannen und die Römer vergnügen sich mit den Eingeborenenweibchen aus der Region. Aber dann fing das Problem an: Immer, wenn die Römer Wasser schluckten, mussten sie dringend aufs Klo rennen, während die Eingeborenen das Wasser gut vertrugen. Sie hatten ein Enzym im Blut, dass den Römern fehlte, ein Geschmacklos-Enzym. Die Römer suchten deshalb einen Schuldigen, um ihn zu kreuzigen. Sie entscheiden sich für Berzich, den Weisen. „Glück gehabt“, dachte ich.

Dann schwebte ich in meinem Traum über dem Tal und sah, wie aus dem Schlammloch mit dem warmen Wasser ein Ort wurde, an dem es bald kein Römer mehr aushalten konnte, denn die Wohnhöhlen der Eingeborenen hatten Fensterdekorationen von derart schlechten Geschmack, dass die Römer fluchtartig das Land verließen. Damit sie aber weiterhin Tribut erhielten, eröffneten sie ein italienisches Eiscafe, eine Quelle, die bis zum heutigen Tage sprudelt.

(c) By Eugen Pletsch

In GOLF GAGA thematisiere ich besonders die „Mentalen Aspekte des Golfspiels“ sowie die Golfsucht allgemein. Das Buch ist mittlerweile vergriffen, aber wer Interesse an hat, kann von mir ein Exemplar mit Signatur und kleiner Zeichnung für EUR 20.- (Paypal) inkl. Versandkosten per email-Bestellung erwerben. Mehr Infos zum Buch…