Alte Golfclubs, wie ich sie noch in den 1980er Jahren kennenlernen durfte, gibt es heute eigentlich nicht mehr. Es war die Zeit, als Golfclubs noch Wartelisten hatten und ein Vierer-Flight 18 Loch in 4 Stunden absolvieren konnte. Das nachfolgende Kapitel stammt aus meinem Buch Der Weg der weißen Kugel ….
Alte Golfclubs sind mangels Beschilderung kaum zu finden. Meist nur zu Pferde oder per Unimog erreichbar, stehen die villenartigen Clubhäuser hinter uraltem Baumbestand dort verborgen, wo man sie am wenigsten vermutet.
Im Eingangsbereich knarzen Ledergarnituren im Sperrmülldesign. Das Restaurant hat den Charme eines kleinen Cafés an der Ostsee vor der Wende. Kein ordinärer neuer Protzpalast, wo die Tasse Kaffee vier Euro kostet. Nein! Das Restaurant ist fast leer und etwas schmuddelig. Was soll es auch zu kaufen geben, für Leute, die bereits alles haben. Und wenn , dann bitte billig. Man kann noch in DM bezahlen, da keiner der Mitglieder diesem neumodischen Euro-Spielgeld traut
Kaffee gibt es auf der Veranda nur in Kännchen, dazu frisch aufgetauten Käsekuchen und als Dessert Fürst-Pückler Eis. Im Glasschrank hinter der Bar steht eine Afri-Cola Flasche im Flower-Power-Pop Design von Charles Wilp, die dort seit vierzig Jahren sinnlos ihren trüben Gedanken nachhängt.
Auf dem Weg zur Toilette sind Hinweise für die Offiziere der Besatzungsmächte in drei Sprachen angebracht. Das Pissoir hat noch Abtrennungen zwischen den Becken, die Reizblasen vor dem ersten Abschlag besonders zu schätzen wissen.
In den Garderoben mit dem Geruch englischer Internatsturnhallen stehen Holzspinde. Verkrustete, ungeputzte Schuhe stehen herum. Die Schlammschlacht der Senioren-Clubmeisterschaft (und eine andere wird gar nicht gespielt), hängt ihnen noch an den Hacken.
Ich liebe es, wenn diese alten Schmuddelburgen eines dekadenten Industrieadels in der Abendsonne lange Schatten werfen.
Im Clubrestaurant, so Ihnen der Zutritt gestattet wird, sind Sie meistens alleine. Nehmen Sie Platz auf einem der alten Stühle, auf denen schon Henry Cotton vor dem Krieg saß. Ein einsames Krüstchen beäugt Sie misstrauisch und während Sie am Gebäck nagen, versucht sie, ihre Perlenkette mit der Serviette zu bedecken. Durch das Fenster sehen Sie den Stuart, den Pro, der gerade auf einer Streuobstwiese eine Golfstunde an eine der wenigen Damen unter siebzig gibt, die nach einer Hüftgelenksoperation ihre originelle Methode auffrischen möchte, den Ball in irgendeine Richtung zu befördern.
Skizze: Peter Ruge
Es ist vielleicht seine erste bezahlte Stunde in diesem Monat und der Pro ist gut gelaunt. Ihm ist vertraglich zugestanden, dass er neben einer warmen Suppe und etwas Zwieback am Tag (gegen eine geringe Gebühr) im Schuppen hausen darf, wo er für fünfzig Cent pro Ball Federn in aufgerissene Lederkugeln zurückstopft. Während die rekonvaleszente Dame Fetzen aus der zerschlissenen Abschlagsmatte hackt, schaut er zufrieden zum Clubhaus. Dort haben sich gerade mehrere alte Knaben ein Glas Mineralwasser geteilt und steuern dem ersten Abschlag entgegen.
Dr. Fahrenbach donnert mit seinem Walter Hagen Persimmon Brassie einen gemopsten Rangeball in die Büsche. Da sich der farbige Einsatz im Schlägerkopf im Vorjahr gelockert hat, hegt der Pro die berechtigte Hoffnung auf Umsatz. Kein neues Holz, nein – aber für einen Heiermann bar auf die Kralle wird er dem Fahrenbach heute Abend den Schläger reparieren und in diesem alten Clubs kann man für fünf Euro noch ordentlich essen.
Altes Geld wird nur älter, wenn man es nicht ausgibt. Altes Geld sieht auch bei uns sehr englisch aus, sprich: ist entsetzlich gekleidet und spielt noch aus Leinentaschen mit Schlägern, die selbst langsam wieder an Wert gewinnen. Richtig altes Geld spielt neuere Schläger, etwa zwanzig Jahre alte Blades in hässlichen Kunstledertaschen. Sie tarnen sich damit, denn sie wissen, welche Art Blut die jungen Frettchen suchen, die sich auf ihre heiligen Rasen schleichen, um einem armen Milliardär mit einem Schwächeanfall in einem Bunker hinter dem 13. Grün eine Anlagebeteiligung aufzuschwatzen, bevor der Notarztwagen kommt.
Statussüchtige Alpha-Männchen aus den Vorstandsetagen, gepaart mit ihren habgierigen Weibchen, sind nur von einem Wunsch getrieben: eine Mitgliedschaft in einem dieser alten Clubs. Aber die haben eine Warteliste, die seit Jahren verschollen ist. Deshalb werden die Weibchen der Alpha-Männchen schier wahnsinnig, wegen des gesellschaftlichen Druckes sozusagen, der dadurch entsteht.
Die Geschäfte, sofern es welche gibt, führt bisweilen eine ehrenamtliche Xanthippe, die die Frauenmeisterschaften im Gau Baden gewann, bevor der Führer dem Spuk ein Ende bereitete. Sie wird Sie kaum eines Blickes würdigen und Ihnen nur zublaffen, dass kein Reinigungsdienst benötigt wird, solange der alte Caddymeister die Waschräume putzt (in denen er schließlich auch schläft).
Der Gastronom ist freundlicher. Schließlich bedeutet ein Gast, der vermutlich nicht auf den Platz darf, Umsatz. Für wenige Euro können Sie sich mal so richtig die Naht geben, essen und voll laufen lassen, bis Sie irgendwann glauben, Sie halluzinieren: Während Sie in die wunderschöne, alte Parkanlage starren, entdecken Sie gekrümmte, schemenhafte Gestalten, die im Laub nach ihren Bällen scharren.
Da kann Fahrenbach, der Jungspund und Emporkömmling, dreimal laut »durchspielen« fordern, hinten auf dem Tee! Hier hört man nur das Geraschel gieriger Hände im Laub, die verzweifelt den Familienball, einen Dunlop 65, suchen, wie ihn schon Henry Cotton anlässlich eines Besuches in Bad Ems vor dem Krieg auf der 4. Bahn seitlich rechts ins Aus schlug.
Devote Geister schieben langsam einen Ständer mit Infusionslösung hinterher und achten darauf, dass sich der Herr Magnat bei seinem kurzen, wuchtigen Schwung aus dem Laub nicht in dem Schlauch verfängt, der zum Katheterbeutel führt.
Diese Anblicke sind unbezahlbar, seltener als Gorillas im Nebel der Seiser Alm und höchstens am Wochenende möglich. Während der Woche sieht man niemanden auf dem Platz. Draußen stehen tausend junge Golfer und scharren mit den Spikes. Aber nein. Hier wird ihnen nicht aufgetan. Es sind die letzten Refugien, die ein ordinärer Schweinehälften-Broker nicht mit seinem dummen Geschwätz von geilen Grüns in Florida verschandeln darf. Solche Orte muss es auch geben und die Allgemeinheit, die zur Finanzierung nichts beizutragen hat, sollte diese Jurassic Parks tolerieren. Vergessen wir also die alten Clubs vorerst und beschäftigen uns damit erst wieder ab Handicap 18 auf einer schönen Englandreise…
Obwohl angeblich d i e Boom-Sportart, verabschieden sich immer mehr Mitglieder vom exklusiven Ambiente ihrer Golfclubs, um fürderhin das Vagabundenleben eines vogelfreien Graugolfers zu führen.
Diese Entwicklung lässt sich nicht nur mit den Entlassungswellen bei den deutschen Großbanken und Automobilkonzernen erklären, auch die Harz IV-Liga des Golfsports meldet rückläufige Zahlen. Hektische Versuche, den Luxusartikel Golfplatz in einer Allianz mit Massenartiklern zu verramschen, scheiterten im Ansatz.
Langfristiges, strategisches Marketing ist gefragt, weshalb sich mancher Stratege aus dem Clubvorstand auf das stets bewährte Hausmittel besinnt: den Clubprominenten! Problem dabei: Prominente wachsen nicht auf Bäumen und sind nicht in beliebiger Menge verfügbar. „Echte Prominente“ sind rar, weshalb Aufzucht und Pflege eines oder einer „Promi“, wie sie liebevoll genannt werden, nicht dem Zufall und schon gar nicht dem Greenkeeper überlassen werden sollte.
Welcher Junggolfer es mit einer bissigen Mischung von Alpha-Genen und schlechter Erziehung zu einer extrovertierten Karriere bringen wird, erkennt zuerst der Jugendwart, der sich sein Schienbein reibt. Bisher galt aggressives und hypermotorisches Verhalten in der Jugendgruppe noch als ADS-Syndrom. Jetzt lässt es den Promi-Scout im Club aufhorchen. Jugendliche, die bisher als wohlstandsverwahrlost oder Lehrerkind abgehakt wurden, erhalten ein spezielles Coaching (eigener PR-Berater, Stylist, Analytiker), denn kleine Ekel können schnell große Ekel werden, womit eine internationale Karriere als Künstler, Sportler oder Banker sehr wahrscheinlich wird.
Die Jugendarbeit ist also der Grundstein der Prominentengewinnung, denn solche Leute braucht ein Golfclub, wenn er sich den Nimbus von Grandezza schaffen möchte, der die sogenannte „Promi-Corona“ anzieht: Winkeladvokaten, kreative Steuerberater, Zahnärzte und Finanzdienstleister, die dafür sorgen, dass der Club nicht auf jene Erdnüsse angewiesen ist, die sich prominentenarme Vereine mühselig via Greenfee zusammenkratzen müssen.
Zweiter Effekt: Promis und ihre Corona ziehen wiederum jede Menge hübsches Weibsvolk an, das sich alle Mühe gibt, langfristige Absicherungsstrategien umzusetzen, bevor die Sommerfarben des Lebens zu blättern beginnen. Es kann aber auch bisweilen vorkommen, dass sich ein alternder Prominenter, sozusagen ein kapitaler Keiler, in den Club verläuft und darauf muss man vorbereitet sein. Golfnarrische Megastars wie Michael Douglas, Michael Jordan oder Kevin Costner werden eher weniger als Mitglieder für unsere gerade auf 18 Loch ausgebaute Weide mit Biotop in Frage kommen.
Deutsche „Stars“, die wir laut SPIEGEL gar nicht haben, sind meist im Raum Kitzbühl versorgt oder golfen in Bad Griesbach zu Konditionen, von denen ein Graugolfer nur träumen kann. Aber ein Zweitligist auf der Prominentenskala, so berühmt er mal war, dürfte froh sein, wenn er die Trunksucht wieder in den Griff bekommt, indem er sich die Zeit bis zum nächsten Engagement mit sinnlosem Tun in Ihrem Club vertreibt. Diese Leute kann man buchen!
Was braucht so ein „Prominenter“, wenn man ihn denn angelockt hat? Die Fütterung geschieht durch einen Mehrstufenplan, den seine Agentur ausgearbeitet hat. Ihr Küchenchef sollte sich Mühe geben, denn ein Promi wird bei falscher Fütterung schnell bissig. Soviel zur Küche. Sonst braucht der Promi nicht viel. Die Suite haben Sie mit dem Clubkameraden geregelt, der das einzige bewohnbare Hotel vor Ort besitzt.
Golfausrüstung bringen die Prominenten mit. Das ist ihr tägliches Arbeitsbesteck und Prominente spielen oft gutes Golf. Golfartikel-Hersteller berichten fasziniert, mit welcher Chuzpe bisweilen angerufen wird, um neuste Golf-Utensilien anzufordern. Ob der Herr Ex-Weltmeister nächste Woche in Berlin abschlägt oder ein Tingel-Tangel-Kasper aus dem bunten Blätterwald ein Turnier-Bag mit goldenen Beschlägen sucht – da wird eher gefordert denn bestellt und nur zu selten bezahlt. Warum auch, denn ist es nicht eine tolle Werbung für den Hersteller, wenn sich ein Prominenter mit blondiertem Frischefaktor im Arm vor die Fotolinse unserer Heißluftgazetten schiebt, um lächelnd für den guten Zweck zu werben?
Eine Ehrenmitgliedschaft im Club wäre dann das Mindeste, was der Lebenskünstler nach einem erfolgreichen Gastspiel in der Provinz erwartet. Erweiterte PR-trächtige Bindungsstrategien erzielt man, wenn die ledige Clubschönheit, sofern unter 60 und Industriellen-Erbin, die Flexibilität besitzt, einem „Promi“ das dauerhafte Gefühl von Geborgenheit und unerschöpflichem Reichtum zu vermitteln. Dafür gibt er dann auch gerne den „Präsidenten“ und der Club wäre gerettet.
Es gibt Golfgerätschaften, die sind tabu. Saugnäpfe am Putter-Griff sind eine Stilfrage über die sich wirklich nur die Clubältesten hinwegsetzen dürfen. Und eine Ball-Angel? Kommt darauf an, wo. Man schämt sich für Mitspieler, aus deren Bag eine Ball-Angel hervorragt – aber nur bis zu dem Moment, in dem man sie selber braucht. Hauben für die Eisen, da besteht allgemeiner Konsens, sind einfach nur peinlich. Das waren – zumindest einst – die ungeschriebene Gesetze des Golfsports. Doch mit der Vergolfballisierung unserer Gesellschaft hat sich viel verändert. Ein erwachsener Mann in Amt und Würden wäre noch wenigen Jahren niemals auf die Idee gekommen, in der peinlichsten, würdelosesten Form golferischer Nichtmode anzutreten, indem er in dreiviertellangen Cargo-Hosen am Abschlag erscheint.
Cartoon: Peter Ruge
Bei jungen Burschen mit kräftigen Waden, die im Hochsommer etwas Luft an die überhitzen Eier lassen wollen, mag das noch angehen. Einem jungen Tölpel wird manche Entgleisung verziehen, aber einem Gentleman? Muss ein ausgewachsener Landarzt oder ehemaliger Bankräuber aus dem Vorstand seiner neuen Armut mit angeknabberten Huckleberry-Finn-Hosen Ausdruck verleihen? Vermutlich mag ich Wintergolf deshalb so sehr, weil dann niemand auf die Idee kommt, in Dreiviertel-Kargohosen zu spielen um sich dabei auch noch stylish zu fühlen.
Aber wie gesagt, die Welt ändert sich. Innovationen überschwemmen uns und bisweilen erlag auch ich der einen oder anderen Versuchung, der ich mich nicht entziehen konnte. Natürlich hatte ich niemals einen Saugnapf am Putter-Griff, aber einen kleinen spinnenförmigen Greifer, der den gleichen Zweck erfüllte, bevor er wieder brav im Griff verschwand. Der machte an rückenlahmen Tagen durchaus Sinn. Als mir eines Tages geschmiedete Blade-Eisen (natürlich ohne Hauben) geliefert wurden, ließ ich die Luftpolsterverpackungen einfach mal drauf, damit sie nicht so schnell verkratzen. Für mein neues Wedge hatte ich damals eine alte Socke farblich passend umhäkelt…
Doch dann, als mir ein moderner ‚Niblick‘ als Demoschläger zur Verfügung gestellt wurde, brachen die Dämme und ich bin über alle Schatten der Vergangenheit gesprungen. Schnell erkannte ich: Das ist kein Chipper, auch wenn er so aussieht, sondern ein geballtes Stück Innovation, mit dem man eigentlich fast jeden Schlag innerhalb von hundert Metern machen kann und zwar absolut zielgenau! Niemals zuvor habe ich so häufig von außen ins Winterloch reinchippen können. Ich war begeistert: 43 Grad Loft, so kurz wie ein Putter, aber wie gesagt: Kein Chipper, sondern geballte Innovation!
Für einen Golfer ist Flexibilität und Innovationsbereitschaft so wichtig, wie für einen Politiker, der seine Meinung gemäß aktuellen Umfragen wechseln kann. Das geht bei mir mittlerweile soweit, dass ich bereit bin mit der Mode zu gehen. Vielleicht versuche es im Frühjahr mit einer Dreiviertel-Kargohose, denn schließlich sind Vorurteile schlimmer als jede Geschmacklosigkeit. Tausende Pensionäre können doch nicht irren, oder?
Seit Maria Stuart von Schottland selbst zum Schläger griff, zeugen viele Beispiele von den besonderen Fähigkeiten der Damen im Golfsport.
Golf ist für viele Frauen eine wunderbare Gelegenheit, dem männlichen Geschlecht zu zeigen, dass es nicht um Kraft geht, sondern um Geschicklichkeit, Köpfchen und mentale Stärke. Frauen spielen meist sehr elegant, und mit einem Minimum an Krafteinsatz erzielen sie ein Maximum an Schlägen. Dabei entdecken sie auch die kommunikativen und modischen Freuden dieses Spiels. Golf kann so schön sein, wenn sich frau auf der Runde sechs Stunden lang ungestört unterhalten darf. Ich hatte einige Male den Vorzug, hinter einem Ladies-Day-Turnier spielen zu dürfen, und war fasziniert, wie die Damen selbst schwierigste Lagen immer wieder gemeistert haben. Wenn nicht beim ersten, dann beim nächsten oder übernächsten Schlag. Alles kann, nichts muss, lautet das Credo dieser weiblichen Swinger-Nachmittage. In dem Zusammenhang stelle ich mir oft die Frage, warum sich Frauen immer noch den absurden Golfregeln einer Männergesellschaft unterwerfen? Regeln braucht man vielleicht beim Fußball, beim Golf sind sie vollkommen unsinnig. Warum, zum Beispiel, wird ein Schlag gezählt, wenn der Ball gar nicht getroffen wurde? Viele Frauen machen gerne mal einen Luftschlag. In dieser Bewegung liegt viel Anmut und Ästhetik. Und warum gelten Bälle als verloren, nur weil sie nicht da sind, wo sie sein müssten? Nach Jahrhunderten patriarchalischer Unterdrückung sollte sich eine moderne Frau keinen Strafschlag anrechnen lassen, nur weil ein Ball nicht zu finden ist. Da gilt es, sich vom herrschaftlichen Diktat zu lösen. Ganze Völkergruppen, besonders aus dem asiatischen und romanischen Kulturraum, haben diesen emanzipatorischen Schritt längst vollzogen, lassen kleinkrämerische Erbsenzählerei hinter sich und notieren nur noch die gelungenen Schläge.
Ich plädiere auch für die Abschaffung des Damen-Abschlags, diesem traurigen Relikt einer diskriminierenden Männergesellschaft. Frauen brauchen keinen Damenabschlag, zumal sie beim Golfen erhebliche Vorteile haben: Weniger ausgeprägte Muskeln sorgen dafür, dass eine Frau mehr schwingt und weniger Kraft einsetzt. Da Frauen meist kleiner als Männer sind, können sie besser unter hängenden Ästen herausspielen. Zwar fehlt ihnen etwas Beschleunigungsweg, folglich haben sie auch eine geringere Schlägerkopfgeschwindigkeit, aber dafür fliegt der Ball auch nicht so weit ins Aus. Weniger Kraft in den Unterarmen sorgt dafür, dass frau in schwierigen Lagen den Kopf benutzt, bevor sie zuschlägt.
Cartoon: Peter Ruge
Eine Golflehrerin meinte, dass große Brüste beim richtigen Schwingen behindern, was ein Nachteil wäre: »Die Drehbewegung und der Hub der Arme können hierdurch beeinträchtigt werden und zu Problemen führen, den Golfschwung technisch korrekt auszuführen.« Dazu muss ich sagen: Für uns Männer ist das noch schwieriger! Meine Umfrage unter Golfern ergab, dass 90 % aller Männer nicht mehr in der Lage sind, den Golfschwung technisch korrekt auszuführen, wenn sie Frauen mit großen Brüsten sehen. Deshalb: Weg mit dem Damenabschlag! Logisch, oder?
Übrigens, meine Herren, auf ein Wort: Manche Machos und Alpha-Tierchen unter uns meinen immer noch, hinter einem Damen-Vierer drängeln zu müssen. Ich kann Sie nur bitten, Gentlemen zu bleiben oder endlich zu werden! Es gehört zur Etikette, oder ist zumindest internationale Gepflogenheit, dass sich ein Damen-Flight nicht dann weiterbewegt, wenn alle geschlagen haben, sondern erst dann, wenn der Satz beendet wurde, den eine Spielerin eigentlich noch sagen wollte, bevor sie durch den Schlag ihrer Mitspielerin unterbrochen wurde. Sonst kann frau sich ja überhaupt nicht mehr unterhalten!
Manche Männer bezeichnen eine Damenrunde als »Krötenwanderung« und sind der Ansicht, dass »die Weiber auf dem Platz überhaupt nichts zu suchen haben«.
Aber, aber, meine Herren! Ist das der Ton, den Gentlemen anschlagen? Ich würde eine Dame niemals als vollkommen desorientierte, trainingsfaule und arrogante Ziege bezeichnen, nur weil sie – aus männlicher Sicht – nie trainiert, traumatisch langsam spielt und sich weigert, durchspielen zu lassen. Warum auch?
Zeit ist etwas sehr Relatives – und wir wissen alle, welche der Damen um den Sport bemüht sind und welche Spielpartnerinnen vom Engel der Finsternis gesalbt wurden, um das Fairway, samten glänzend im goldenen Licht der Abendsonne, zu einem verdammten Jammertal werden zu lassen.
Als Kavalier alter Schule darf ich Ihnen, meine Damen, doch einen Rat geben: Wenn Ihr Mann mitspielt und Sie dessen ewige Besserwisserei nicht mehr ertragen können, dann nehmen Sie das Sandeisen, denn es hat die meiste Masse … und dann heißt es: durchschwingen!
Golfanfänger, die meine Epigenese des Golfballs studiert haben, lernen heute, wie man die Bälle findet, die man für die hohe Kunst des Golfspiels braucht….
Wenn Sie eine vernünftige Runde spielen möchten, ist es Ihr Ziel, den Ball auf der Bahn zu halten, anstatt ihn rechts oder links in Wald und Wasser zu verlieren. Der sparsame Einsatz von Bällen ist bei dieser schottischen Sportart wünschenswert, aber weil wir anfangs einige Bälle verlieren werden, spielen wir nur mit gefundenen Bällen. Die kann man von Jungs aus dem Dorf kaufen, die ihr Taschengeld mit abendlichen Touren durchs Rough aufbessern, oder von einem Waldschrat, der ständig in den Brombeeren nach Bällen stochert.
Wir gehen natürlich selbst auf die Ballsuche, denn das Suchen und Sammeln von Golfbällen ist eine ehrenvolle Tätigkeit, die der sparsame Barfußgolfer, neben dem Spiel selbst, am liebsten pflegt. Es ist empfehlenswert, wenigstens im Turnier einen Zweitball zu führen, und der muss ja irgendwo herkommen.
Als engagierte Ballsucher werden Sie Ihren Heimatplatz bald wie Ihre Westentasche kennen. Die Stressabschläge, an denen der Ball links in die Büsche springt, die Doglegs, wo der Ball die Kurve nicht bekommt und die Grüns, auf denen die Bälle nicht halten und ins Rough rollen. Sie wissen, an welchem Par 5 die Longhitter Gas geben und haben die Damenabschläge im Griff, von denen es sich herrlich in die Uferböschung kullern lässt.
Durch aufmerksame Beobachtung ist Ihre Ballsuche gezielt, professionell und Sie sind in kürzester Zeit in der Lage, eine Ballmarke in gewünschter Qualität zu finden. Sie kennen die Schlaglängen der Durchschnittsspieler und wissen, wo die billigen Bälle liegen und wo der Pro seine Kugel ins Gemüse hookt. Kurz hinter dem Abschlag im hohen Gras, nach etwa dreißig Metern, ist auch eine Goldgrube mit guten Bällen, die Möchtegerncracks mit zu viel Kraft unterschlagen und in den Himmel geschickt haben.
„Der Dorfseppl“ Cartoon Peter Ruge
Gratisgolfbälle gibt es wie Sand am Meer. Sie müssen nur wissen wo! Unser Feind ist der Dorfseppl, der mit dem Pro gemeinsame Sache macht, und die habgierigen Jungs aus dem Dorf, die Sie aber verscheuchen können. Nur wenn Sie in schlammigen Senken, dunklen Tannenschonungen und im Schilf schmatzende Gerausche hören, dann laufen Sie!
Die Zeiten für eine sinnvolle Ballsuche sind von Club zu Club verschieden. Selbstverständlich sollten wir nach einem offenen Turnier oder einem Ranglistenwettkampf, wenn alle ihre guten Bälle spielen, besonders gründlich nachsuchen. Unser Bag enthält zu diesem Zweck eine Teleskopstange speziell mit Ballaufnehmer, mit der wir nicht nur die Bälle aus Fluss und Teich fischen, sondern auch in dichten Schonungen und Hecken erfolgreich arbeiten können. Bei Zählwettspielen und Meisterschaften wird leider von den Beteiligten intensiv nachgesucht, während besonders Anfängerturniere nach Stableford eine gute Beute versprechen. Da die Löcher gestrichen werden können und Anfänger immer den nächsten Flight im Nacken wähnen, geben sie ihren Ball schnell auf. Häufige Fundorte: Quickhook-Bälle 40 Meter links oder 120 Meter rechts im Unterholz. Leider sind die Anfängerbälle meist billiger Discounter-Mist.
Cartoon: Peter Ruge
Sammler exotischer Bälle mit Firmenaufdruck müssen sehr früh aufstehen. Zu dieser Zeit sind unsere lieben japanischen und koreanischen Gäste unterwegs, die, ähnlich den clubfreien Golfern, ein wenig geliebtes Schattendasein führen. Da, wo sie ihre eigenen Plätze bespielen, zum Beispiel Kosaido bei Düsseldorf, ist die Fundmarge nicht so hoch. Aber auf fremden Plätzen rechnen die Burschen mit einem gewissen Schwund und packen großzügig Bälle mit Firmenlogo bzw. Erinnerungen an ihren Honeymoon auf Hokkaido ins Bag.
Ein Ball mit kleiner Schramme wird sich erfahrungsgemäß als der haltbarste herausstellen. Da ist die Marke egal. Während neue Bälle mit kosmischer Gesetzmäßigkeit auf Nimmerwiedersehen im Aus verschwinden, wird Ihre angeschrammte Schmuddelkugel immer irgendwie die Kurve kriegen. Manche Bälle wird man fast nicht mehr los. Ich fühlte mich einmal von einem Ball geradezu verfolgt. Er sah schon alt aus, aber er schien nicht kaputtzugehen. Irgendwann hatte ich es satt, immer mit dem gleichen Ball zu spielen, der nur kerzengerade fliegen konnte. Ich hatte nur noch tolle Runden, aber das Spiel wurde langweilig. Natürlich schlug ich mit diesem Ball mein erstes Ass. Es war eine gelbe Kugel, die ich im Herbst gefunden hatte und den ganzen Winter durch spielen konnte. Unglaublich. Im Frühjahr wollte ich auf meinen anderen fast weißen Sommerball zurückgreifen (auch ich führe einen Zweitball mit, durchaus!). Der verschwand nach wenigen Löchern im Wald, worauf mich der gelbe Ball höhnisch angrinste, als ich ihn aus dem Bag fingerte. Ich konnte voll durchziehen. Nie musste ich Angst haben, den Ball zu verlieren. Er passte sich dem Wind an, flog immer gerade und krallte sich im Grün fest. Fast jeder Putt ins Loch. Der Ball begann mich zu nerven.
Eines Tages wurde es mir zu gelb und ich gedachte, den Ball vom Tee einfach wegzuschlagen. Weit weg in den Wald wollte ich ihn knallen, denn ich fand ihn in letzter Zeit aufdringlich. Der Ball vermittelte mir das Gefühl, als wäre er der eigentliche Grund für eine gute Runde. Um ihn nicht misstrauisch zu machen, stellte ich mich hin wie immer, aber mitten im Schwung hielt ich das Schlägerblatt offen. Es gelang mir ein Push, womit mein gelber Freund, den ich etwas dünn traf, offensichtlich nicht gerechnet hatte. Etwa 150 Meter zischte er flach auf den Wald zu, knallte dann jedoch gegen einen Baum und sprang zurück aufs Fairway. Finster schaute er aus seinen gelben Augen. Ich bekam es mit der Angst zu tun.
Mittlerweile haben wir uns arrangiert. Er ist kürzlich mit einer kleinen Feier verabschiedet worden, sozusagen in Pension gegangen und liegt jetzt in einem mit Intarsien gearbeiteten Holzkästchen, auf Daunen gebettet. Zu wichtigen Turnieren nehme ich ihn natürlich mit. Nicht, dass er sich dann ins Spiel drängeln würde; da lässt er den neuen Bällen den Vortritt. Aber er gibt mir eine große Sicherheit, beruhigt die jungen Bälle im Bag bei ihrem ersten Turnier und manchmal, wenn es um Sein oder Nichtsein geht, verleihe ich ihn an Tim. Dann taumelt er wie ein dicker Kieselstein durch die Luft und lächelt gemein.
Die wundersamste Wandlung vom bornierten Ignoranten zum Quantengolfer erlebte ich bei dem Mann, den wir Mulligan nannten.
Obwohl er es mit den Golf-Regeln nicht so genau nahm, war Mulligan eigentlich kein schlechter Kerl, nur ziemlich nervig. Bei Turnieren flippte er regelmäßig aus – und das aus gutem Grund: Sein erster Drive war gewöhnlich ein grässlicher Slice ins Aus und mit dem zweiten erreichte er manchmal das Fairway, aber dann war der Choleriker bereits am Brodeln und prügelte auf jeden Busch ein, der seinem verzweifelten Ball Deckung bot.
Mulligan hatte sich bereits mehrere Golfbücher geliehen, aber nie wirklich gelesen. Kaufen würde er sich diesen Mist selbst ernannter Fachleute sowieso nicht. Er war ein verkrampfter, verbitterter Slicer, der glaubte, eigentlich ein Scratchgolfer* zu sein. Leider passt »Scratchgolfer« nicht gut mit »cholerischer Slicer« zusammen.
Unter seinen Mitspielern galt Mulligan als verbohrte Kaninchenzüchtermentalität und echter Korinthenkacker, der den Clubvorstand bei jeder Jahreshauptversammlung mit etwas nervte, was er (allein) als »konstruktiven Vorschlag« ansah.
Auch vom Pro hielt er nicht viel, seit ihm dieser erklärte hatte, dass er, Mulligan, weder inside out durch den Ball schwang, noch das Gewicht verlagerte, geschweige denn in der Endposition zum Ziel stand. HA! Der Pro hatte doch keine Ahnung! Mulligan wusste es besser. Er glaubte einen harmonischen Schwung zu besitzen, der höchstens eines Feintunings im Griff bedürfe, vielleicht ein etwas leichterer Druck im linken Ringfinger, zweites Glied.
Was für ein Quatsch! Die beiden Schraubstöcke, mit denen er seinen Gummigriff würgte, gehörten mit Dynamit gesprengt. Auf Videoaufnahmen hätte er sehen können, dass sein Schwung einem alten Gorilla glich, der unwirsch nach Fliegen schlägt. Aber das wollte er nicht wahrhaben, da seine Mentalität von einer verzwickten, frühkindlichen Beziehung zum Vater geprägt war.
Mulligan hasste clubfreie Golfer und wünschte sich deshalb, dass die Aufnahmegebühren im Club erhöht würden. Seine Clubkameraden litten unter seinem Gebrüll sowie unter seinem langsamen Spiel, denn Mulligan ließ aus Prinzip nicht durchspielen. Noch mehr jedoch litten die Bäume und Büsche, die er mit seinen Schlägern traktierte.
Cartoon: Peter Ruge
Eines Abends passierte etwas Merkwürdiges. Es war an der 14. Bahn und es dämmerte bereits. Mulligan hatte seinen Ball in den Teich gedroschen. Er sah ihn im Schilf schimmern, kam aber nicht ran, worauf er in seiner Wut mit dem Sandeisen wild auf Teichpflanzen, Frösche und Sträucher einhackte, bis er sich erschöpft auf einer Bank vor der kleinen Wetterhütte hinter dem 14. Grün niederließ.
Er nahm sein Fleischwurstbrot aus dem Bag und wollte gerade reinbeißen, als er meinte, ein Klingeln zu hören. Das Klingeln kam aus dem Teich, und es klang nach einem uralten Telefon: ring ring … ring ring … Merkwürdig. Mulligan stand auf, ging zum Teichrand, ließ sich auf allen Vieren nieder und lauschte. Tatsächlich klingelte es im Teich.
In diesem Moment huschten ein paar Wesen aus den Zwischenreichen, die in Irland als das »Kleine Volk« bezeichnet werden (und die von Mulligan die Nase gestrichen voll hatten), zur Bank und legten ein paar Zauberpilze zwischen die Fleischwurstscheiben von Mulligans Stulle. Diese kleinen, braunen Schirmlinge wachsen auf mageren Wiesen und wurden in alten Zeiten von Sehern und Schamanen benutzt, um die Tore zur anderen Welt zu öffnen. Auch die alten schottischen Golfer von Leith stromerten im frühen 18. Jahrhundert über die Links, wo sie nach Golfbällen, Pilzen und Visionen suchten. Einige aus dem Kleinen Volk, das für seinen Schabernack berüchtigt ist, meinten, ein paar Visionen würden dem überspannten Mulligan gut tun.
Das Klingeln verstummte. Mulligan schüttelte den Kopf, setzte sich wieder auf die Bank und grübelte, während er weiterfutterte. Er hatte sein Brot bereits verschlungen, als er einen scharfen Geschmack im Mund spürte. Seine Wasserflasche war leer, und so zwang ihn der Durst zum Teich zurück, wo er versuchte, etwas Wasser zu schöpfen. Dabei rutschte er aus. Hände und Arme im Schlamm steckend, bemerkte er, wie weich und warm das Wasser war. Während er sich noch wunderte, was er da tat, malte er sich mit seinen Schlammfingern Streifen ins Gesicht. Als Kind hatte er sich gewünscht, wie ein Indianer zu leben. Was war aus ihm geworden? Kein Indianer, sondern ein ewiger Nörgler, durchfuhr es ihn. Er versuchte aufzustehen, fühlte sich aber plötzlich sehr erschöpft und musste sich hinlegen. Eine kurze Panik überkam ihn, dann wurde ihm klar, dass es sein ganzes Leben war, das so schwer auf ihm lastete. Er hatte nicht mal mehr die Kraft, um loszubrüllen.
Er wälzte sich auf den Rücken und spürte die feuchte Wärme des Uferschlamms, während eine Hand im Wasser hing. Mulligan starrte in den Himmel, an dem sein ganzes bisheriges Leben vorbeizog. Merkwürdig. Das war er? Sein Leben? War es das? Fragen kamen auf: Wer bin ich? Warum bin ich? Warum bin ich hier und warum geschieht mir das alles?
Dann begann ihn eine schwebende Leichtigkeit zu erfüllen. Zunächst ganz sanft, dann immer intensiver, spürte er ein Wärmegefühl im Herzen. Würde er jetzt sterben?
Es war Nacht geworden. Während sein Herz immer leichter wurde, sah Mulligan alles um sich herum kristallklar, in einer ihm bisher unbekannten Schärfe. Ein Stern funkelte ihn an. »Der Stern zwinkert mir zu«, dachte Mulligan. Die Blätter und Äste der Bäume erstrahlten in einem inneren Licht. »Diese Bäume sind Lebewesen – alles hat ein Wesen, sogar die Steine und auch das Wasser!« Seine Hand plätscherte im warmen Teich. Er begann das Wasser zu streicheln, sich mit dem samtweichen Wesen des Wassers zu verbinden. In dem Moment, als er sein Herz öffnete, geschah ihm das, was alle Mystiker seit Jahrhunderten beschreiben, wenn der Dornbusch brennt: Licht floss aus seinem Herzen, sein Körper war ein Elektronenschwarm, sein Geist reines Bewusstsein. Er war ein Teil von allem, oder besser noch: Er war alles, er war das ganze Universum und das ganze Universum war in ihm. »Alles ist Eins, die Essenz ist Leere. Alle Form ist Illusion, Sternenstaub in einem kosmischen Tanz«, sagte eine Stimme, die ihn erfüllte und durchdrang. Seine Stimme? Mulligan musste lachen. Ein tiefes, glückliches Lachen durchschüttelte seinen Bauch, während er immer noch in der warmen Brühe lag. Die harten Krusten, die seine Seele umgaben, weichten auf und versanken mit dem alten Mulligan im Schlamm.
Äonen später hörte er ein feines Silberglöckchen. Ein Strahl des Mondlichtes zog ihn mit sich nach oben und im gleichen Moment erblickte Mulligan das große, atmende, pulsierende Wesen der Erde. Dann sah er die dunklen, grauen und giftigen Narben und Geschwüre, die der Mensch ihr zugefügt hatte, und begann zu weinen.
Als er erwachte, spürte Mulligan ein leichtes Gefühl von Schwindel. Noch immer erfüllte ihn diese besondere Wahrnehmung, doch langsam kamen auch wieder Gedanken in ihm hoch. Er hörte den Schlag seines Herzens, schaute an sich herab und sah sein treues Herz in der Brust schlagen. Er sah seine Adern und Nervenbahnen. Dann schaute er sich um. Die ganze Landschaft, Boden, Busch und Baum waren von ätherisch leuchtenden Energiebahnen durchzogen. Irgendwer oder irgendwas in ihm begann zu verstehen, aber er hätte nicht sagen können, was. Hätte er ES benennen können, wäre es DAS nicht gewesen.
Er hörte ein leises Kichern und dann sah er das Kleine Volk. Mulligan lächelte sie freundlich an. Seine Schale war geplatzt, der Stein in seinem Herzen geschmolzen. Die kleinen, grünen Männchen kamen näher, schnatterten aufgeregt und zeigten auf sein Herz. Das Bum Bum, Bum Bum wurde immer lauter. Sie begannen zu tanzen. Mulligan stand auf und tanzte mit ihnen. Mit seinen Armen schwang er hin und her. Dabei entdeckte er seinen Schwung, seinen Rhythmus, seine in diesem Universum ureigene Schwingung, die, wie bei allen Wesen, einmalig und unauslöschlich ist.
Die Driving Range ist eine lange, breite Wiese. Darauf stehen bisweilen Fähnchen oder Entfernungsmarkierungen, die Ihrem Zielspiel dienen sollen. Hinter den Abschlägen, meist in einem Schuppen, befindet sich der Ballautomat. Bezahlt wird mit speziellen Münzen oder Wertkarten, die Sie im Sekretariat oder Proshop erhalten können.Leider sind manche Golfballautomaten komplett irre.
Golfballautomaten sind die Snobs unter den Automaten. Sie stehen in der Hierarchie der Automaten über den Spielautomaten, die als Gangster gelten, den Parkautomaten, die nur etwas Albernes, kosmisch wenig Relevantes wie die Zeit anzeigen sowie Getränkeautomaten, die nicht funktionieren. Bei den Ballautomaten unterscheiden wir zwei Gruppen. Die alten, manuellen Blechkästen lassen sich nur durch Koseworte, Drohungen, Tritte und Bestechung (nachzahlen) zur Ausgabe von Bällen bewegen, oder auch nicht. Die neuen, vollelektronischen, grün lackierten Kästen werden von einem japanischen Automatenhersteller geliefert, der sich ursprünglich mit der Entwicklung künstlicher Intelligenz beschäftigte. Da aber schon normale biologische Intelligenz heute wenig Nachfrage erfährt und die Geschäfte mit der künstlichen deshalb stagnieren, haben sich die Hersteller auf den Bau von Ballautomaten spezialisiert. Denn wenn eine Firma einen ziemlich schlauen Chip entwickelt hat (der depressiv im Regal liegt, weil er es an der Börse nicht gebracht hat), dann wird sie sich einen Teufel darum scheren, dass der Chip für die Bedienung eines Ballautomaten überqualifiziert sein könnte. Also wird der halbintelligente Superchip aus firmenstrategischen Entscheidungen in einen Ballautomaten verbannt. Während seine niederen Schaltkreise den Job machen, fängt er an, sich zu langweilen. Er fängt an zu denken. Ein Chip, der zu viel denkt und sich dabei langweilt, wird mit der Zeit neurotisch und sich irgendwann überlegen, wie er jemanden ärgern könnte. Dazu hat er sein Display: »Der Automat ist ausgabebereit. Bitte stecken Sie Ihre Clubkarte in den Schlitz.« Sie stecken Ihre Clubkarte in den Schlitz.
»Diese Karte ist ungültig.«
Ihre Karte ist sehr wohl gültig. Sie haben Ihre Gästekarte mit einem Wert von 50 Euro soeben im Sekretariat abgeholt. Der Automatenchip hat die Buchung über das Netzwerk mit schläfrigem Interesse verfolgt und Ihre Daten ausgelesen. Aus kreativer Langeweile hat er dann Ihre Kreditkarte gesperrt und einer Wirtschaftsfachzeitschrift die Anweisung gegeben, Sie unter vier fehlerhaften Firmenadressen mit Abonnementsangeboten anzuschreiben. Gleichzeitig erhält Ihre Frau eine anonyme SMS mit dem Kurztext:
»Ihr Mann ist ein Schwein, aber ich behalte ihn!«
Während sich ein Abschleppdienst daran macht, Ihren angeblich falsch geparkten Wagen vom Clubgelände abzuschleppen, gibt Ihnen der Automat einen einzigen, gelangweilten Hinweis auf dem Display: »Heute nur Münzen.« Also traben Sie zum Clubhaus und holen sich ein paar Münzen. Daraufhin wird unser gelangweilter Automat antworten: »Heute keine Münzen. Sie schmecken mir nicht. Und überhaupt: Sprich mal mit mir. Ich bin einsam.«
Sie trauen Ihren Ohren nicht! Einen Teufel werden Sie tun! Lassen Sie sich auf nichts ein. Treten Sie an den Kasten, bis er sich besinnt und seine Bälle ausspuckt! Sie sind hier, um Golf zu üben, und nicht, um sich vom depressiven Abschaum einer pubertären Halbleitergeneration nerven zu lassen. Treten Sie feste an den grünen Kasten! Bis die Farbe abspringt.
Wir müssen den Maschinen zeigen, wo ihr Platz ist. Erst lässt man die Pros ins Clubhaus, um dann, schon wenige Jahrzehnte später, mit Ballautomaten verhandeln zu müssen!
Bleiben Sie hart. Treten Sie nochmals zu. Irgendwann zeigt das Display an: »Aua, du Idiot!« Aber dann spuckt der Automat die Bälle aus. Das ist sein Job. Dafür wird er bezahlt. Der Rest hat uns nicht zu interessieren. Sie werden die Bälle dreckig bekommen, weil er die Wasserzufuhr sabotiert hat. Aber das erinnert uns nur an die proletarische Herkunft des Golfsports. An die Zeit, bevor es neurotische Automaten gab. Wie hat sich die Welt verändert!
Nur die alten Ballautomaten, die Sie manchmal noch auf kleinen 9-Loch-Plätzen finden, erinnern an die gute, alte Zeit, in der eine hakelige Mechanik (natürlich auch nur nach Drohungen, Rütteln und Tritten) bisweilen einen kleinen Korb Bälle ausgab. Diese Automaten sind längst gewerkschaftlich organisiert und stehen unter dem Schutz von Greenpeace. Sie sterben aus, die guten, alten Rappelkisten, und wenn Sie einen sehen, sollten Sie respektieren, dass er Ihr Geld schluckt und, je nach Laune, ein paar – oder keine – dreckige(n) Bälle ausspuckt. In der Hierarchie über diesen alten Ballautomaten stehen nur Getränkeautomaten, die funktionieren.
Auf der Driving Range, Cartoon: Peter Ruge
Abschläge
Die Abschläge auf der Driving Range bestehen normalerweise aus Abschlagmatten verschiedener Güte. Wenn Sie jetzt vermuten, dass ich Ihnen eine längere Abhandlung über die Qualität von Abschlagmatten unter besonderer Berücksichtigung der finanziellen Lage von Golfclubs schreibe, dann haben Sie sich geschnitten. Wir unterscheiden jetzt, wo mein Whisky sich in mir verliert, nur zwei Sorten von Matten. Neue und alte. Die neuen sind gut, aber die meisten Clubs haben alte Matten.
Während der Anfänger vorzieht, von den Gummimatten mit Kunststoffraseneinsatz abzuschlagen, steht der fortgeschrittene Golfer lieber direkt auf der Wiese. Meist ist die Abschlagslinie durch ein Seil markiert. Jedenfalls dürfen Sie immer nur in eine Richtung abschlagen. Niemals vor oder hinter anderen Golfern stehen, auch nicht schräg versetzt. Ihre Haftpflichtversicherung wird Ihnen den Vogel zeigen, wenn Sie mit einem sockettierten Ball einen Anlageberater per Blattschuss erlegen. Es wird vor Gericht niemanden interessieren, wie viele Schwarzgeldkonten dieser Hai auf dem Gewissen hat. Da heißt es nur: zahlen. Also bleiben Sie schön in der Reihe. Sie stellen sich mit genügend Sicherheitsabstand zu den anderen Verrückten in einer Reihe auf und schlagen Ihre Bälle auf die Wiese, die dann irgendwann von einer armen, unterbezahlten Kreatur mit einem speziellen Fahrzeug aufgesammelt werden. Es ist nicht gestattet, sich diese Bälle wieder von der Wiese einzusammeln. Es ist nicht gestattet, die Bälle zu klauen und/oder auf dem Platz zu verwenden. Diese Driving-Range-Bälle gehören dem Pro oder dem Club und dienen nur Ihrem Training. Wenn Ihnen so ein Rangeball auf dem Parkplatz aus dem Bag kullert, während der Herr Präsident im Nachbarauto verzweifelt mit der Zentralverriegelung kämpft, dann ist das peinlich! Klar?
Es gibt ein paar überdachte Abschläge, damit der Golflehrer seine goldenen Kühe auch im Regen melken kann. Clubs, die etwas auf sich halten, haben in diesen Abschlägen einen Spiegel befestigt. Hilfreicher ist jedoch eine ordentliche Golfschwunganalyse durch einen erfahrenen Fachmann, die Ihnen viel Zeit und Geld sparen kann, sofern Sie ernsthaft an der Entwicklung Ihres Golfschwungs interessiert sind. Außerdem: Gibt es nicht etwas Schöneres, als den Gewichtstransfer von 30 Kilo Versicherungsvertreterbauchfleisch im Treffmoment auf Video in Zeitlupe zu betrachten? New Yorker Ästheten nennen das Grunge- oder Trash-Shots.
Wir stellen uns natürlich nicht am Samstag in der Sonnenglut zwischen die schwitzende Meute und kloppen Bälle. Solche Exzesse betrachten wir höchstens von der Clubhausterrasse aus. Dabei trinken wir Tee und machen uns unsere Gedanken. Keinesfalls lassen wir uns von jenen beeindrucken, die laut schnaubend Massen von Bällen wegdonnern, dabei schwitzen, schimpfen und immer hastiger werden, bis gar nichts mehr geht.
Beobachten Sie die guten Spieler. Die erkennen Sie daran, dass sie langsam arbeiten, sich an Zielen orientieren und einen rhythmischen Schwung haben.
Irgendwann, wenn Sie sich dazu bereit fühlen, stellen Sie sich abends in aller Ruhe in eine Abschlagbox und probieren ein paar der Übungen, die ich Ihnen vielleicht ein andermal vorstellen werde.
Was in meinem Buch „Anmerkungen für Golfreisende“nicht steht…
Er habe mein Buch Anmerkungen für Golfreisende gelesen, meinte jemand. Wäre ja ganz nett, aber über ‚Business auf dem Golfplatz‘ stände nichts drin. „Wo doch Trump sein ganzes Business auf seinen Golfplätzen abwickeln würde, wolle er darüber eigentlich mehr wissen. „Das Buch wurde vor der Trump-Wahl veröffentlicht und ist für den Urlaub gedacht“, stotterte ich, „und im Urlaub sollten auch die Geschäfte mal Urlaub machen, oder?“ „Trotzdem. Schreib‘ doch mal etwas über Business auf dem Golfplatz. Man hört darüber so viel“, insistiere mein Anrufer. „Das hängt vielleicht damit zusammen, dass die angeblichen Riesen-Geschäfte oft Riesenpleiten werden“, trumpfte ich auf und hatte dabei eine dunkle Visionen von Trumps künftiger Regentschaft (die sich dann ja auch bewahrheiten sollten).
Über Geschäfte auf dem Golfplatz habe ich während der letzten 20 Jahre Golfschreiberei tatsächlich kaum ein Wort verloren. Warum auch? Soll ich jemandem erklären, wie man das scheue Reh, den Kunden, auf dem sattgrünen Fairway anpitcht? Oder andersrum: Wie man sich Anlageveruntreuer und Versicherungsfritzen von Leib hält? Gemäß Etikette soll man auf dem Golfplatz niemandem auf den Keks gehen. Weder der Ehefrau mit Belehrungen, noch einem Mitspieler durch Akquisitionsversuche. Das bedeutet: Wer am Abschlag eines Par 3 über Wasser sein IPad auspackt, um ein Bauherrenmodell zu erläutern, sollte schwimmen können! Ist doch klar, oder? Was soll ich da dazu noch schreiben? Aber gut: Weil die vielfältigen Freizeitaktivitäten der Golfinteressierten zu wenig Zeit für das Golfspiel lassen, hat der DGV den Light-Golfer erfunden, um die immer größer werdenden Defizite der Golfclubs mit ‚Frischfleisch‘ aufzufüllen, wie der Golflehrer seine Grobmotoriker liebevoll bezeichnet. Was das mit Business auf dem Golfplatz zu tun hat? Nun, das ist Golf-Business und das erste, was Anfänger kennenlernen, wenn sie in die Fänge eines Clubmanagers geraten, dem das Wasser bis zum Hals steht. Aber mit ‚Geschäften auf dem Golfplatz‘ ist natürlich etwas anderes gemeint. Ich durfte vor etlichen Jahren lauschen, als der Kanadier Gerry T. Kierans von mgtopen.com in einem Seminar über die „Does & Don’ts des Business Golf“ referierte. Soweit ich mich entsinne, bestand die Etikette des „Biz Golf“ aus 35 Punkten und an erster Stelle, meinte Gerry, müsse man die Golfregeln kennen! Mit einem Geschäftspartner auf dem Platz ist das Handy tabu, man solle nicht rauchen und das Cart fährt der Gastgeber. Niemals quatschen, wenn ein anderer schlägt, immer flott spielen, keinesfalls über Politik diskutieren (zumindest nicht mit Trump), nicht über den Platz schimpfen und schon gar nicht über die lahme Ente im vorderen Flight (könnte die Ehefrau des Geschäftspartner sein). Saufen, fluchen und Schläger schmeißen…auch dabei sollte man sich im Griff haben. Gerrys 35 Punkte schließen damit, dass man seinem Mitspieler auf der 18 auch dann die Hand gibt, wenn er keinen Fondsanteil zeichnet. Dass man ihm das dann auf der nächsten Runde heimzahlt, indem man zum Beispiel im Rückschwung nach den Kosten seiner Scheidung fragt, hat Gerry nicht erwähnt.
Über Combat-Golf, wie sublime Methoden des Killer-Matchplay genannt werden, steht in meinen „Anmerkungen über Golfreisende“ übrigens auch nichts drin, weil das Buch der Entspannung dienen soll.
Das Problem: Jeder versteht unter den verschiedenen Begriffen der Golfer-Sprache etwas anderes. Deshalb stelle ich hier die offiziellen und absolut amtlich-eindeutigen Definitionen bzw. Interpretationen der allgemein bekannter Fachbegriffe vor…
Golfplätze, in alten Zeiten zwischen den Dünen am Meer von Gott selbst gebaut, sind heutzutage künstliche, die Umwelt schädigende Freiluftanlagen, auf denen Golfsüchtige wie BSE-kranke Rinder im Kreis laufen.
Der Golfplatz ist die Spielfläche des Geschehens, sozusagen der Ort des Verbrechens und fast jeder, der dort zum Täter wurde, hat den unwiderstehlichen Drang dahin zurückzukehren.
Golfarchitekten (vgl. deSade) erhalten viel Geld dafür, dass sie Plätze bauen, auf denen sie selbst nicht spielen könnten. Golfplatzbewertungen sind Ansichtssache. Das reicht von kinderleicht über fies bis sauschwer.
Eine Golfanlage ist ähnlich der Geldanlage meist ein großer Irrtum mit katastrophalen Folgen, denn Golfanlagen, geplant als Orte der Entspannung, führen meist zur Verspannung, weil sich das Golfspiel auf der Anlage als zu schwierig herausstellt oder zu langsam gespielt wird oder der Golfclub die Golfanlage nicht mehr finanzieren kann.
Entdecken mehrere Golfer ein einsames Stück Land oder Brache, gründen sie einen Golfclub oder Golfverein. Diese haben, ähnlich den Hasenzuchtvereinen, die Zielsetzung, rassige Häschen mit starken Rammlern zu paaren, um diese bei Zuchtleistungsschauen (Offene Golfwochen) zu präsentieren. Diese Golfclubs, bei den feinen Hanseaten auch Golfklubs mit k genannt, sind im Gegensatz zum gut organisierten Verbrechen meist schlecht organisiert, was damit zusammenhängt, dass der Clubvorstand in Machtkämpfe verwickelt ist, der Clubmanager seine Profilneurose pflegt, die Sekretärin einen Weinkrampf hat und die ehrenamtlichen Clubmitglieder die Schnauze voll haben. In Golfclubs bilden sich häufig Gruppierungen wie die Hard Core Golfer (Golfjunkies), die Geltungssüchtigen (S-Klasse Golfer), die Arbeitsgemeinschaft Steuerhinterziehung und Cliquen wohlstands-verwahrloster Witwen und halbseidener „Geschäftsleute“. Gemeinsam engagieren sie dann einen Golflehrer für ihren Club, der auch PRO(fessional) oder Golf-Gott genannt wird.
Cartoon: Pete Ruge
Wer es auf der Clubterrasse nicht mehr aushält, macht einen Golfurlaub. Man könnte sagen: Die gesamte Kaufkraft, die nicht von zwei Kriegen, Investment Bankern, der Osterweiterung oder der Eurokrise vernichtet wurde, kann in kürzester Zeit auf Golfreisen verjubelt werden. Wir unterscheiden die pekuniäre Golfreise (Devisen ins Ausland bringen oder holen) von der fiskalischen Golfreise (längerer Auslandsaufenthalt, um einen ausländischen Steuersitz zu rechtfertigen), die Junggesellenfahrt oder Singlereise (mit hohem Infektionsrisiko) sowie die Kreuzfahrten zu Eheanbahnung bzw. Abwicklung via „Mann über Bord“. Berüchtigt sind „wohlhabende Ehepaare“ mit hohem Assi- und Meckerfaktor sowie die „Geschäftsreisende mit Fräulein Tochter“ im gemeinsamen Gemach. Der Golfurlaub erfordert Nerven, denn man wird nicht nur mit wildfremden Menschen bei Golfturnieren, Abendessen oder Feiern zusammensitzen müssen, sondern, wenn man Pech hat, auch mit Berlinern oder Österreichern. Im Golfurlaub muss man zeigen, was man hat, erzählen, wo man schon war und Golfen muss man auch noch. Kurz gesagt: Nur Stress!
Golfreisen im Sonderangebot sind Reisen und Kreuzfahrten mit Berlinern, Österreichern und mürrischen Ehepaaren mit dem Ziel, sich so auf die Nerven zu gehen, dass man nach einer Woche richtig zu schätzen weiß, wie gut man es zu Hause hat. Golfferien hat man, wenn man die Schläger in den Teich wirft und ein paar Wochen nicht nachtaucht.
Ein Golfhotel ist meist in lauschiger Atmosphäre inmitten eines Golfplatzes gelegen. Die Pracht vieler Golfhotels wird nur noch von dem Preis übertroffen, der für eine Flasche Mineralwasser verlangt wird. Golfhotels bieten das professionelle Ambiente für harte Arbeitssitzungen mit einer „Assistentin“ oder für den entspannten Urlaub mit den falschen Freunden.
Golfresorts sind größere Anlagen mit mehreren Hotels und Golfplätzen, die eine Menge Einkaufsmöglichkeiten, Bars, Restaurants und natürlich auch Golfkurse bieten. Auch die lieben Kleinen werden in Golfschulen angeleitet oder von Animateuren unterhalten, so dass die Eltern in Ruhe auf dem Golfplatz spielen können. Dort fangen Vater und Mutter wieder zu streiten an, worauf sich der Vater an der Bar im Clubhaus zuschüttet, Mutter Migräne bekommt und sich die Kleinen in der Spielburg verstecken, bis Mutter vor Angst einen Weinkrampf bekommt und der Animateur gefeuert wird (Vater merkt nichts mehr, weil zu blau). Golfpartner sind: a) Freunde, die gerne zusammen spielen b) Leute, die sich nicht leiden können, aber zusammenspielen müssen c) Liebespaare oder Ehepaare, die auch zusammen Golf spielen, was sie mal besser sein lassen sollten, weil das nur Ärger gibt
Golfkontakte sind meist tiefe zwischenmenschliche Begegnungen im Umfeld der Selbsterfahrungsgruppe „Golfturnier“. Man hat zusammen gelebt und gelitten, vielleicht Momente der Größe ausgekostet, weshalb Golfkontakte meist tiefere Verbindungen schaffen als Ehe oder Partnerschaft. Zu einem Golfkontakt wird man telefonisch sofort durchgestellt, man ist per „du“ und die Beziehung hält meist ein Leben lang, es sei denn, man beschließt einander zu heiraten.
Die Golfetikette ist der Versuch, Vandalen und Banausen zu vermitteln, wie zivilisierte Menschen auf dem Golfplatz miteinander umgehen sollten. Details dazu finden Sie in einem Golffachbuch, worin Golfbegriffe meist auf langweilige und unverständliche Weise erklärt werden, weshalb ich lebendigen, bildhaften Beschreibungen den Vorzug gebe.
Golfschulen unterscheiden sich von Delphinschulen insofern NICHT, als beide von ihren Jägern als „Frischfleisch“ angesehen werden, das es zu Schlachten gilt. Dabei geht der japanische Fischer, der seinen Fisch noch verkaufen oder essen will, meist sensibler vor als mancher Golflehrer, der mit seinem Kurs nur Reibach machen will.
Das Golfspiel selbst ist eine der schwierigsten Sportarten überhaupt. Übung und Spiel ist sehr zeitintensiv und fordern den ganzen Menschen, worauf sich nicht jeder einlassen kann / will / möchte. Um die eigene spielerische Unfähigkeit vor einer Gruppe zu demonstrieren, bucht man Golfkurse in einer Golfakademie, um festzustellen, dass man hinterher auch nicht viel mehr kann. Insofern ist eine Golfakademie eine Form von Piraterie unter hilflosen Frauen und von Selbstzweifel zermürbten Männern, die an keinen Gott mehr glauben, aber an das, was ein Golflehrer sagt – und das ist mindestens so absurd, wie das Meiste, was in der Bibel steht.
Golfer werden mit der Unterstellung diskreditiert, sie hätten keinen Sex mehr, was Golferinnen häufig bestätigen. Wer es jedoch als Golfspieler ernst meint, dem kann das egal sein, weil er für den Rest seines Lebens mit seinen Selbstzweifeln genug zu tun hat.
Golfgeschäfte sind: a) Fachgeschäfte, die mit Golfartikeln handeln oder b) fiskalisch meist anrüchige Vereinbarungen unter Golfpartnern oder c) die auf Golfrunden beschlossene illegale Vereinbarung zur Kartellbildung oder zu Bildung krimineller Vereinigungen.
Personalentscheidungen, Fusionen, Änderungen der Staatsform oder Revolutionen werden meist auf Golfplätzen beschlossen. Die niedere Form des Golfgeschäftes ist die übliche Vorteilsannahme oder aktive und passive Bestechungsmethoden von Firmeninhabern, Marketingleitern, Sportlern und „VIPs“ durch „Sponsoren“.
Das Golf-Fachgeschäft wird auch Golfshop genannt und ist eine Verkaufsfläche, auf der Golfartikel angeboten werden. Wir unterscheiden den virtuellen Golfshop im Internet, den Proshop im Golfclub und den Fachhändler oder Golfdiscouter auf der grünen Wiese. Alle Golfshops leben von dem Irrglauben ihrer Kunden, dass neue Schläger das Golfspiel verbessern könnten.
Im Proshop, Cartoon: Peter Ruge
Diese Golfshops verkaufen ihre Produkte im Internet über Golfauktionen. Die Golfauktion, also die Versteigerung von Golfartikeln, ist der Sinn einer Golfbörse, an der jedoch keine Golfaktien gehandelt werden, sondern Golfgeschenke wie Krüge, Videos, Golfbücher, Erinnerungen und Reliquien aus der guten alten Zeit des Golfsports. Einfaches Golfzubehör, wie Golfhandtücher, Ballmarker, Pitchgabeln, Holztees, Kunststofftees und andere Golfprodukte sind Golfartikel, die es auch in jedem Proshop oder Golfshop gibt. Da liegen häufig auch Golfzeitschriften rum.
Deutschsprachige Golfzeitschriften sind meist Anzeigenmagazine mit redaktionell aufgepeppten PR-Beiträgen auf Glanzpapier. Zielgruppen: Neugolfer, die sich „informieren“, Nichtgolfer, die dazugehören möchten und Altgolfer, die vergessen haben, ihr Abonnement zu kündigen.
Golfautoren schreiben gerne über das Thema Golfcoaching und Mentalgolf. Dafür dürfen sie den Kurs des Veranstalters kostenlos besuchen. Sie beschreiben aber nicht, wie der Golfcoach seine Kunden verlädt, sondern sie verladen den Golfcoach, indem sie ihm vormachen, dass ein Artikel über Golfcoaching dafür sorgen würde, dass jede Menge Bekloppte anrufen, die den Golfcoach mit Geld zuschütten würden. Der Golfautor glaubt wiederum, dass ihm das Golfcoaching persönlich etwas bringen kann. Danach läuft er los und spielt sein nächstes Golfturnier, bei dem er seine neue Golfausrüstung zeigt. Wenn er viele Golfturniere spielt, entstehen viele Bilder, die in den Golfzeitungen veröffentlicht werden, auf denen auch er zu sehen ist. Deshalb glaubt der Golfautor irgendwann, er wäre auch prominent. Dann dreht er durch und fängt an, ein Buch über Mental-Golf zu schreiben oder beginnt, Golfvideos zu drehen.
Ein Golfvideo ist wie ein Golfbuch auf Rädern. In Golfbüchern kann man alles Mögliche erzählen, solange es jemand glaubt und dafür zahlt. Diese Haltung nennt man zynisch und sie bleibt nicht aus, wenn man lange genug im Golfgeschäft ist. Golfzynismus ist etwas anderes als Golfwitze erzählen.
Die gesamte Golfcommunity oder Golfszene besteht Gruppen unterschiedlicher Interessen, die meist keine Ahnung davon haben, dass die anderen Gruppierungen überhaupt existieren. Wir unterscheiden:
a.) die offiziellen Vertreter des Golfsports, als da wären: Golfsportfunktionäre, Golf-Verbände und Golf-Vereine, die geistig anderen Vereinen, wie den Kaninchen- und Taubenzuchtvereinen, sehr ähnlich sind, b) die Golfindustrie und ihre Vertreter, die die Welt des Golfsports meist aus der Tunnelperspektive des Gewinnzuwachses betrachtet . c) die Golfwelt der Prominenten, VIP-Golfer und „Adabeis“, d) die Wohlstands-, Luxus,- oder Steueroasengolfer, e) den gemeinen Clubgolfer, auch Zechezahler genannt, f) den clubfreien Golfer, auch Hartz IV-, Aldi,- oder Grau-Golfer genann, und schließlich g) den ehrenwerten Cross-Golfer, der mit etwas Übung aus 200 Metern in Konservendosen einlocht, h) X-Golfer – meist berufsjugendliche Eventveranstalter, die ihre Platzreife nicht geschafft haben und deshalb auf alles schießen, was sich nicht trinken lässt.
In Golfforen im Internet treffen verschüchterte Anfänger und Suchende auf Nörgel-Golfer, Stinkstiefel-Golfer, Besserwisser-Golfer, um von ihnen verbissen, vertrieben oder zerpflückt werden. Fundamentalistische Anhänger der reinen Lehre irgendeines Golf-Gurus und Anlageberater sind dort zu finden. Golfforen, in denen wie auch immer kommuniziert wird, sind aber kaum noch zu finden. Mittlerweile treffen sich Golfer/Innen eher auf Facebook und Instagram, wo sie von „Influencern“ mit seichten Scheißdreck „unterhalten“ werden. Influencer sind der ultimative Bodensatz der schreibenden Zunft und vegetieren statusmäßig noch unter den Golfreise-„Journalisten“.
Im Herbst, wenn nur noch die wetterfesten Spieler im letzten Büchsenlicht unterwegs sind um ihre Bälle aus dem Schlamm zu pulen, kommt bisweilen der eine oder andere Clubmanager auf die Idee, die Schnuppergolfer der letzten Saison zu einem Informationsabend einzuladen. Wer bisher noch nicht angebissen hat, lässt sich bei einer solchen Geselligkeit vielleicht an den Haken nehmen und auch der Clubgastronom freut sich, besonders nach einem nassen Sommer wie diesem. Manchmal werde ich gebeten, diese Informationsabende zu begleiten, wie kürzlich im Golfclub Bauernburg. Nach einem Prosecco zum Empfang begrüßte Präsident Fahrenbach die Gäste und übergab das Wort dann an Vize Prof. Klausthaler. Der bekam rote Backen vor Freude, bei seiner Schilderung wie schön das Golfer-Leben ist, insbesondere im Golfclub Bauernburg! Gemeinschaft, Freunde, frische Luft, herrliche Aussicht…!
Dann wurde ich vorgestellt und schaute in die Runde. Da saßen sie nun, die Golfer von morgen mit ihren fragenden Gesichtern. Unschuldig wie Lämmer, nicht wissend, was auf sie zukommt, wie dieser Sport ihr Leben umkrempeln würde.
„Wer von Ihnen hat Kinder“, fragte ich. Die meisten hoben die Hand. „Und wissen Sie noch, wie das erste Kind Ihr Leben vollkommen auf den Kopf gestellt hat? Wie alles anders wurde?“ Viele nickten.
„So wird es auch werden, wenn Sie Ihr Leben dem ‚Spirit of Golf‘ weihen. Das Spiel verändert Ihr Leben. Komplett!“
Meine Stimme hatte gerade eine gewisse Dramatik angenommen, was einen älteren Herren in der ersten Reihe nicht davon abhielt, mein ausgefeiltes rhetorisches Konzept durch eine Frage aus dem Rhythmus zu bringen: „Bevor Sie uns hier Angst vor einem Golfgeist machen – wollen Sie uns nicht erstmal erzählen, worum es beim Golfspiel eigentlich geht?“
„Äh, ja natürlich…“, stotterte ich. „Also …äh… Golf ist ein Zielspiel über 9 oder 18 Spielbahnen verschiedener Länge. Sie und Ihre Mitspieler (Mitbewerber genannt und mit Ihnen maximal vier Personen) versuchen dabei einen kleinen Ball mit maximal 14 Schlägern von einer Abschlagsfläche (Tee genannt) über einen Rasen (Fairway genannt) zu einer kurz gemähten Fläche (Grün genannt) zu treiben, um den Ball dort in ein ca. zehn Zentimeter breites Loch einzulochen, das durch eine Fahne gekennzeichnet ist? Alles klar?“
Manche Zuhörer nickten bereits, während andere noch versuchten, den Satz zu verdauen. Eine Dame hob die Hand. „Und warum maximal 14 Schläger?“ „Das hat man in Schottland irgendwann so festgelegt. 14 Schläger, weil der Caddie sonst zu schnell müde wird. Und 18 Bahnen, denn dann ist die Whisky-Flasche leer.“
„Und was unterscheidet diese Schläger?“ „Von einer Whisky-Flasche?“ „Nein, untereinander!“
„Die Schlagflächen haben verschiedene Winkel, auch Loft genannt, um – theoretisch mit dem gleichen, um Ihre Körperachse verlaufenden Schwung – den Ball auf verschieden hohe Flugbahnen schicken, um damit unterschiedliche Entfernungen zu erzielen.“
„Aha. Und wer vom Abschlag auf der ersten Bahn bis zum letzten Einlochen auf der 18. Bahn die wenigsten Schläge braucht, hat gewonnen?“ hakte die Dame nach.
„Genauso ist es! Es handelt sich beim Golfen also um ein Geschicklichkeitsspiel mit Schläger und Ball, bei dem der Ball oft – meist unfreiwillig – angeschnitten wird….“, versuchte ich auszuführen.
„Also ähnlich wie Tischtennis?“ fiel mir der ältere Herr ins Wort. „Nun ja, ein Golfball ist viel schwerer als ein Tischtennisball, fliegt also über längere Distanzen. Angeschnitten landet er deshalb oft jenseits der gemähten Fläche im hohen Gras (Rough).“ „Und die Abenteuer, die man auf dem Weg durch die Wildnis bis zum 18. Loch erlebt, darf man dann jedem, der sich nicht schnell genug aus dem Staub macht, an Bar der Clubhauses erzählen! Ha, Ha!“ Der Senior lachte. Er schien meine Bücher zu kennen. Die Zuhörer schmunzelten.
„Ja, so ähnlich“, bestätigte ich. „So ähnlich“. Eine Dame meldet sich:
„Das klingt alles recht einfach, ist es aber nicht. Ich habe es nämlich probiert.“
Stille. Ich gab dem Wirt ein Zeichen noch mal nachzuschenken.
„Der Haken ist nämlich“, fuhr der ältere Herr in meinem Vortrag fort, „Erstens kommt beim Golf alles anders und zweitens als man denkt!“
Er holte Luft – ich grätsche ihm in den Satz: „Golf ist der unlösbare Konflikt zwischen Wollen und Können! Aber gerade das macht das Spiel so spannend. Ein guter Golfer kann den Ball nicht nur fast punktgenau in exakten Distanzen schlagen, sondern auch angeschnitten mit Rechts- oder Linksdrall um eine hundert Meter entfernte Baumgruppe lenken. Dabei trifft das Schlägerblatt mit über hundert Stundenkilometern Schlägerkopfgeschwindigkeit auf eine runde Balloberfläche von ein paar Quadratmillimetern! Gute Golfer spielen den Ball mit wenigen Schlägen an die Fahne, damit der Ball möglichst mit einem Schlag eingelocht werden kann. Auf diesem spielerischen Niveau ist Golf ein Strategiespiel, das dem Schach ähnlich ist. Man überlegt sich, welche Landezone den Ball in eine gute Lage für den übernächsten Schlag bringt…“.
„Und weniger gute Golfer?“ fragte ein Herr aus der 2. Reihe, der aufmerksam zugehört hatte. „Was gute Golfer machen, dürfte uns in den nächsten Jahren erstmal egal sein, oder?“
„Na, so lange wird’s je nach Talent nicht dauern“, beschwichtigte ich.
„Nach meinen Erfahrungen“, sagte der Herr aus der 2. Reihe, „erreichen wir Amateure – egal mit welchem Schläger – nur zwei verschiedene Ballfluglängen: zu lang oder zu kurz. Der Ball bleibt selten in der Nähe der Fahne liegen, und wenn doch, dann rollt er immer noch nicht mit einem Putt ins Loch.“ Er blickte resigniert in die Runde. „Und je mehr man sich bemüht, umso weniger klappt es.“
Ich sah, wie der Clubmanager zuckte. Der Abend lief in die falsche Richtung. Wir wollten doch Begeisterung erzeugen und keine Depression!
„Das kann nur am falschen Material liegen!“ warf ich ein. „Dann wird Golf zum Glücksspiel. Oder Sie nahmen keine Golfstunden mehr, nachdem Sie die Platzreife erlangt haben. Auch das rächt sich.“
Der Herr schwieg, worauf ich fortfuhr, Golf als ein interessantes Hobby mit Frischluftcharakter und gesellschaftlicher Komponente zu beschreiben. Ich erzählte ein paar Schnurren, die Leute lachten, die Stimmung lockerte sich. Noch Fragen? Die Zuhörer unterhielten sich angeregt. Allgemeine Aufregung bei dem Gedanken, es doch mal zu versuchen. Im nächsten Frühjahr! „Jetzt ernsthaft, machst du mit?“ fragte eine Dame ihre Freundin.
Zeit für Prof. Klausthaler, noch einmal das Wort zu ergreifen: „Unser Club bietet Ihnen zum Einstig eine Jahresmitgliedschaft zu sehr interessanten Konditionen an. Auf diese Weise können Sie feststellen, ob das Spiel zu Ihnen passt und ob die Chemie im Club für Sie stimmt. Ich stelle Ihnen das mal kurz im Detail vor.“
‚Klausi‘ öffnete seinen Laptop und warf einige Grafiken mit Angeboten an die Wand. Die Zuhörer lauschten aufmerksam. Manche machten sich Notizen.
Ich hatte mich gesetzt. Das Summen der Stimmen machte mich schläfrig. Vage erinnerte ich mich daran, wie es bei mir damals war, als mir mein schottischer Schwiegervater erstmals einen Schläger in die Hand drückte und ich meine ersten Versuche unternahm, einen Ball in die gewünschte Richtung zu schlagen. 30 Jahre später versuche ich das immer noch. Manchmal klappt es, manchmal nicht. Golf ist ein Geschicklichkeitsspiel, mit Schläger und Ball. Ein Spiel, das wir heute lieben und morgen verfluchen, von dem wir aber nicht mehr lassen werden. Aber darum geht es ja, beim Golfspiel. Oder?
Franziska L. (Schülerin) schreibt: „ (…) Ich lebe in der Nähe eines Golfclubs und sehe deshalb viele Golfer. Warum haben so viele Golfspieler einen dicken Bauch? Macht Golf übergewichtig? Ach, ja und noch eine Frage: Was sind schwarze Löcher?“
(ep): Nun, der Golfsport ist, wie der Name schon sagt, eigentlich ein Sport. Solange man noch laufen und dabei die Arme schwingen kann, was vielen Menschen bis ins hohe Alter möglich ist, kann man dem Golfsport nachgehen. Warum Golfer einen dicken Bauch haben, lässt sich auf den ersten Blick recht einfach beantworten: Während jedes sechste Kind in Deutschland unterhalb der Armutsgrenze lebt und jedes dritte Kind dicht dran ist, haben viele GolferInnen die Möglichkeit, nach Herzenslust zu fressen und zu saufen, weil sie genug Geld haben. Wobei man natürlich sagen muss, dass sie, wenn Leberschmerzen und das Gewissen zwicken, auch für die Armen spenden. Nicht so viel wie Bill Gates und Jack Nicklaus, aber immerhin. Dazu macht man ein „Charity Turnier“ bei dem 18 Loch gespielt werden. Danach gibt es eine Tombola, wo tolle Reisen zu gewinnen sind und irgendwelche Dinge versteigert werden. So bekommen Stiftungen Geld, das oft von denen verbraucht wird, die für die Stiftungen arbeiten und man kann alles schön von der Steuer absetzen. So hat fast jeder was davon und wenn Golfer ganz viele Charity Events spielen, bei denen es immer ganz leckeres Essen gibt, bekommen sie irgendwann einen dicken Bauch. So könnte man das erklären.
Cartoon: Peter Ruge
Es gibt aber auch noch eine andere Erklärung: Golfer, die einen dicken Bauch haben, sind scheinschwanger! Dahinter steckt das “Couvade-Syndrom”. Das männliche Schwangerschaftssyndrom, von Psychiatern als “Couvade-Syndrom” (couvade, franz. brüten) bezeichnet, war lange Zeit nur beim Menschen beobachtet worden. Vor ein paar Jahren entdeckten Toni E. Ziegler und Mitarbeiter des Wisconsin National Primate Center und Department of Psychology der Universität Wisconsin-Madison, USA; dass auch Krallenaffenmännchen, die Väter wurden, mehr Gewicht zulegten. Ergebnisse veröffentlichte das Journal “Biology Letters” der Royal Society.
Was Golfer so ausbrüten und weshalb sie scheinschwanger werden, ist wissenschaftlich noch nicht abgeklärt. Ich brüte auch viel vor mich hin und habe deshalb auch einen Bauch. Da ich zudem oft Heißhunger habe, launisch bin, gerne Heringssalat mit Nutella esse und angefangen habe, mit alten Socken und Handtüchern ein Nest auszupolstern, bin ich ziemlich sicher, dass ich auch schwanger bin.
Jetzt zu den schwarzen Löchern. Schwarze Löcher, bekannt durch die allgemeine Relativitätstheorie Albert Einsteins, wurden in ihrer möglichen Existenz auch schon von Laplace um 1800 diskutiert, was Du vermutlich längst weißt. Am Rande eines schwarzen Loches wird die Schwerkraft so stark, dass selbst Licht nicht mehr entweichen kann. Eine gute Zusammenfassung zum Thema bietet die Uni München. Schwarze Löcher sind also die schwärzesten Körper, die wir kennen, noch schwärzer als die Seele eines Politikers, der sich an Monsanto verkauft hat. Apropos: Als schwarze Löcher bezeichnet man auch die Erinnerungslücken von Politikern.
Tropfnass aber glücklich schleppte ich meine Golftasche Richtung Clubhaus. Tropfnass, weil ich die Golftasche in den Teich am 18. Grün geworfen hatte, um kurz darauf, in einem Anfall von Verzweiflung selbst hinterher zu springen.
Und glücklich, weil ich im kalten Wasser schnell wieder zur Besinnung kam und nur zweimal tauchen musste, um die Tasche mit allen Schlägern zu bergen. Nun hielt ich sie liebevoll umschlungen, herzte und küsste meine Schläger und bat um Verzeihung, bis ich bemerkte, dass unser Clubpräsident Herr Fahrenbach hinter mir stand. Sein Lächeln signalisierte Verständnis. Die Versöhnung mit den eigenen Golfschlägern nach einer misslungenen Runde ist immer wieder ein besonderer Moment.
Cartoon: Peter Ruge
„Na? Mal wieder vor Freude in den Teich gesprungen?“ Fahrenbach zwinkerte mir zu. „Golf ist nun mal das schönste Spiel auf Erden, nicht wahr?“ Das klang besorgniserregend. Wenn Fahrenbach sagte, dass Golf das schönste Spiel auf Erden wäre, dann war etwas faul. Gerade er, für den wir einen jugendfreien Nachmittag eingeführt hatten, damit seine gellenden Flüche beim Nachwuchs keine bleibenden Schäden anrichten konnten. „Was kann ich für Sie tun?“ fragte ich misstrauisch. „Nun…äh…“, flötete Fahrenbach „sind Sie nicht ein Mann der Feder? Es heißt, Sie würden lustige Geschichten über unseren Sport verfassen!“
Ich beobachtete eine junge Kröte, die aus meinem Ärmel kroch und dachte nach. Meinte er meine Golfbücher? Lustige Geschichten? Es mag sein, dass meine Dramen von oberflächlichen Lesern als Satiren interpretiert werden, aber was weiß Fahrenbach davon? Der liest keine Golfbücher. Ich schüttelte etwas Schlick und einen Faden Froschlaich aus meiner grauen Künstlermähne.
„Worauf wollen Sie hinaus?“ „Unser Club sucht neue Mitglieder und wir hoffen, dass Sie uns eine nette Geschichte schreiben, die für den Golfsport wirbt.“ „Eine nette Geschichte? Die für den Golfsport wirbt?“ „Genau! Irgendetwas darüber, wie schön das Golfspiel ist. Dem Leser muss das Wasser im Mund zusammenlaufen, damit er sich sofort bei einem Schnupperkurs anmeldet. „Oder ihr, der Leserin“, fuhr unsere Frauenbeauftragte Frau Willig dazwischen, die dazugekommen war und der die Weiblichkeit in einer ohnehin männerdominierten Welt häufig zu kurz kommt. „Oder ihr“, stimmte Fahrenbach zu.
Mir war nicht wohl bei der Sache. Schließlich lautet der meistzitierte Satz aus meinen Schriften: „Golf macht süchtig, dann eine Weile blöde, dann depressiv.“ Außerdem wurde mir langsam kalt, die nasse Hose klebte an meinen Beinen und die gute Laune war auch dahin.
„Wie stellen Sie sich den vor? Ich meine… den…äh…den Leser? Wer soll diese Geschichte lesen?“ „Ganz einfach“ flötete Fahrenbach, für den alles einfach ist, außer dem Golfspiel selbst: „Das NRW-Golfjournal hat uns angeboten, einen Artikel zu veröffentlichen. Sie müssen nur schreiben, wie schön das Golfspiel ist und wie glücklich wir sind, Mitglieder in einem Golfclub zu sein. Kann doch nicht so schwer sein! Stellen Sie sich vor: Da sitzt jemand beim Friseur, muss einen Moment warten, blättert in dem Heft und findet Ihren Artikel. Sie müssen natürlich so schreiben, dass der Leser –„… „…oder die Leserin“ fuhr Frau Willig dazwischen – „Genau, oder die Leserin, unbedingt wissen will, was das Besondere ist am Golfspiel. Ganz einfach!“
„Aber das Golfspiel ist nicht ganz einfach“, murmelte unser Vize, Prof. Klausthaler, der sich zu uns gesellt hatte und dem die Schrecken der letzten Clubmeisterschaft noch ins Gesicht geschrieben waren.
„Ich will sagen“, fuhr Fahrenbach unbeirrt fort: „Es kann doch nicht so schwer sein, etwas über unserem spannenden Sport zu erzählen.“ „Spannend?“ Ich dachte an die Fernsehübertragungen von Golfturnieren, bei denen Spieler so langsam über den Rasen schleichen, dass man ihnen dabei die Schuhe besohlen kann. Der eine deutsche Kommentator knurrt dazu hin und wieder ein paar launige Worte, während der andere ständig „Wahnsinn!“ brüllt. „Wahnsinn! Er hat es tatsächlich geschafft, die Kugel aus 30 cm Entfernung einzulochen. Der Hammer! Ja, so ist dieses Spiel, einfach Wahnsinn…!“
Damit will er dem Zuhörer verdeutlichen, dass ein Golfturnier eine wahnsinnig tolle Stimmung haben kann. Kann, wohlgemerkt. Ich werde die Raserei des Publikums bei einem Major Turnier in Schottland nie vergessen, aber normalerweise ist Golf ein ruhiges Spiel. Golf ist Rasenschach, ein strategisches Spiel, das Ruhe und Konzentration erfordert. Wer bei einem Schachturnier „Partystimmung“ erwartet, ist fehl am Platz. Golf ist keine ‚laute‘ Modeerscheinung, zumindest nicht für mich. Aber wie sollte ich Fahrenbach erklären, wie diffizil das Thema ist? Um eine Lungenentzündung zu vermeiden, versprach ich dennoch, mir etwas auszudenken.
So. Mein Haar ist wieder trocken, die Schläger geputzt. Was mache ich nun mit Ihnen, liebe Leserinnen und Leser? Welchen Köder werden Sie schlucken? Dass Golf preislich nur noch leicht über Mucki-Bude rangiert, aber weit unter Ski-Urlaub? Die Zeiten, in denen Golf als „Elite“-Sport verpönt war, sind gottlob auch vorbei. Dass Golf für lebenslange Freizeitgestaltung an der frischen Luft sorgt, wäre ein Argument. Aber dafür könnte man sich auch einen Hund halten. Schwimmen und Tauchen lernen wäre ein Aspekt! Doch dazu muss man nicht in einen Golfclub eintreten. Eine neue Erfahrung zu machen, die so frustrierend wie faszinierend ist – damit kommen wir der Sache schon näher!
Golf kann man in jedem Alter anfangen und wer als Frau auf dem Tennisplatz jahrelang unter der ehelichen Vorhand litt, hat nun die Gelegenheit zur Revanche. Denn Golf erfordert eher Köpfchen als Kraft! Wer Golf an einem „Schnuppertag“ ausprobiert, ist meist tief beeindruckt. „Hätte nie gedacht, dass das solchen Spaß macht“, heißt es oft und dann im nächsten Satz: „Hätte nie gedacht, dass es so schwierig ist einen Ball zu treffen.“ Genau! Und daran wird sich auch so schnell nichts ändern. Eigentlich nie, denn der Golfschwung bleibt eine lebenslange motorische Herausforderung. Und eine Herausforderung des Geistes! Deshalb sagen selbst die besten Spieler der Welt, dass sie dieses Spiel nie wirklich beherrschen werden. Trotzdem kann auch einem Anfänger ein Traumschlag gelingen, wie ihn kein Profi besser spielen könnte. Wenn sich die weiße Kugel dann plötzlich in die Luft erhebt, fliegt Ihr Herz mit in den Himmel. Wer nun hofft, dass der nächste Schlag noch besser werden könnte, wird meist bitter enttäuscht. Und so beginnt die Suche nach dem mystischen Geheimnis des Golfspiels, die mich seit mehr als 30 Jahren auf Trab hält. Es ist ein verrücktes Spiel, aber wenn Ihre zitternden Hände irgendwann einen 30 cm-Putt zum ersten Turniersieg einlochen, werden Sie wie der Fernsehkommentator ‚Wahnsinn‘ brüllen und in den Teich an der 18 springen. Golf wird „zwischen den Ohren“ gespielt! Wer gute Nerven hat, hat Vorteile. Hausfrauen, zum Beispiel, die gewohnt sind im größten Stress komplexe Abläufe zu koordinieren. Oder Lehrer, denen die Nervenenden in 30 Jahren Schuldienst komplett verödet wurden. Doch wer zu viel will, dem verpasst dieses Spiel einen Denkzettel, der sich gewaschen hat. Golf ist launig, unbeherrschbar, unerbittlich und unbestechlich. Heute himmelhochjauchzend, stürzen wir uns morgen in den Teich.
Interessanterweise ist das der Grund, warum Spitzensportler jedweder Disziplin irgendwann zum Golfsport konvertieren. Glauben Sie, Oliver Kahn spielt Golf aus gesellschaftlichen Gründen? Oder um eine ruhige Kugel zu schieben? Egal, ob Fußball-Weltmeister oder Wimbledon-Sieger: Sie spielen Golf, weil sie in ihrem Sport alles erreicht haben – und das Golfspiel für sie eine Nuss ist, die sie bis ins hohe Alter nicht zu knacken vermögen. Niemand, egal ob Sportler, Unternehmer, Star oder Sternchen – kann bei diesem Spiel bluffen. Hier kann kein Vorstandsassistent ausbügeln, was der Chef vermasselt hat. Golf ist ein Moment der Wahrheit und manche haben den Charakter, sich dem zu stellen.
Natürlich kann man betrügen, nichts leichter als das. Aber irgendwann werden Sie dem ‚Spirit of Golf‘ begegnen, dieser Jahrhunderte alten Idee von Sportlichkeit, Noblesse und Fairness, die ein Grund dafür ist, warum dieses Spiel weltweit von Millionen Menschen gespielt wird. Mancherorts ist dieser ‚Geist des Golf‘ zu einem Poltergeist verkommen. Dennoch wird es immer Menschen geben, die das Geheimnis dieses Spiels suchen und irgendwann auch finden. Es ist nur ein Spiel – aber was für eins! Ein weiser Mann namens Bagger Vance sagte einst, dass Gott am glücklichsten ist, wenn seine Kinder spielen. Also spielen Sie! Suchen Sie sich einen schönen Golfclub in der Nähe, nehmen Sie an einem Schnupperkurs teil und genießen Sie, wenn Ihr erster Ball gen Himmel steigt. Willkommen im Club!
(c) By Eugen Pletsch 2016
Erschienen im Sauerland-Golfjournal, KOERDT-Verlag.
Mein „Bericht“ von DGV-Verbandstag 2010 ist ein exemplarisches Beispiel dafür, welcher Niedertracht der Deutsche Golf Verband ausgesetzt war, weil ein armseliger (angeblich satrischer) Blogger die Vorgänge beim DGV-Verbandstag mit unsachgemäßem Spott meinte kommentieren zu müssen. Manchen Leuten fehlt einfach der gute Wille – auf jeden Fall die Geisteskraft – um die STRATEGIE zu erkennen, die hinter den bisweilen irre wirkenden Ideen der Golf Verbands-Archtiekten steckt…
Ich hätte im Bett bleiben sollen. Mit einer akuten Gonarthrose soll man nicht spaßen. Das Schmerzmittel fing gerade an zu wirken und ich hätte gut noch eine Mütze Schlaf gebrauchen können – wäre da nicht mein Pflichtgefühl gewesen. Schließlich hatte ich dem Clubmanager Herrn S. aus B. versprochen hatte, Bernhard Langer von ihm zu grüßen, falls ich ihn sehen sollte. Wenn ich etwas bin, dann zuverlässig. Also quälte ich mich aus den Federn und fuhr nach Frankfurt. Leider verpasste ich die Pressekonferenz mit Bernhard Langer, die um 9 Uhr begann. Wie ich hörte, hatten die Kollegen auf manche dumme Frage die gewohnt schlagfertigen Antworten von B. Langer bekommen. Und dann? Was geschah dann?
Es war Samstag, der 20. November 2010. Deutschland wurde von Terrorwarnungen erschüttert. Nachdem die ersten Untersuchungen über die gesundheitliche Gefährdung durch Körperscanner (Krebs?) bekannt wurden, war man klug genug, politische Flankenhilfe zu suchen. Also wurden irgendwo in Afrika Päckchen gefunden, die nicht nach Deutschland verschickt werden sollten und Dingen enthielten, die definitiv keine Bomben oder Zünder waren, aber vollkommen ausreichten, um den Deutschen die akute Gefahr terroristischer Anschläge zu vergegenwärtigen. Während die Bomben unserer Bündnispartner überall auf der Welt für Ruhe und Ordnung sorgten und die ökologische Katastrophe des von multinationalen Öl-Konzernen zerstörten Niger-Deltas gigantische Ausmaße annahm, fuhr ich allen Warnungen zum Trotz zum Frankfurter Flughafen, direkt in den Zentrum des Zyklons.
Dort, im kuscheligen Sheraton, plante auch der DGV auf einem außerordentlichen Verbandstag Entscheidungen von globaler Dimension auf den Weg zu bringen. Um die Finanzierung für die Austragung des Ryder Cup 2018 zu gewährleisten, sollten die Mitglieder des DGV über eine Erhöhung des Jahresbeitrags pro Golfer für die Jahre 2011 bis 2022 um einen Euro abstimmen. Wir zitieren: „Die Mittel sollen zweckgebunden dem Projekt ‚Abschlag Schule‘ des DGV zukommen. Die Erhöhung ist unter die Vorbehalte gestellt, dass Deutschland den Zuschlag für den Ryder Cup 2018 erhält und dass die hessische Finanzverwaltung eine positive verbindliche Auskunft zur steuerlichen Unbedenklichkeit der Beitragsanpassung erteilt. Hintergrund dazu ist: Sollte Deutschland den Zuschlag für den Ryder Cup 2018 erhalten, so beabsichtigt die Vereinigung clubfreier Golfspieler (VcG), dem Ryder-Cup-Projekt ab 2011 über einen Zeitraum von 12 Jahren eine Summe von 750.000 Euro pro Jahr zukommen zu lassen. Um den Großteil dieser Summe aufzubringen, würde die VcG künftig ihre Fördermittel für ‚Abschlag Schule‘ um 500.000 Euro reduzieren, allerdings nur dann, wenn die Mitglieder des DGV als Ausgleich einer zweckgebundenen Beitragserhöhung für das Schulgolf zustimmen. Mit den Zahlungen für den Ryder Cup im Falle eines Zuschlags würde die VcG einen Teil der Lizenzgebühr aufbringen, die die Bewerbergesellschaft RC Deutschland GmbH der Ryder Cup Europe LLP als Teil der Bewerbung garantieren muss. Der Bund und der Freistaat Bayern hatten eine finanzielle Unterstützung aus öffentlichen Geldern im Oktober endgültig abgelehnt.“
So. Jetzt müssen wir wissen, dass die VcG das Projekt „Abschlag Schule“ bereits seit 1999 mit bis zu einer Million Euro jährlich fördert. Falls die VcG diese Förderung zugunsten des Ryder Cup reduziert, muss der DGV die Ausfälle kompensieren, die dem „überaus erfolgreichen Schulgolfprojekt Abschlag Schule“ entstehen würden. Abschlag Schule und damit der Schulgolfbereich soll auf jeden Fall in gleichem Umfang wie bisher weitergeführt und sogar ausgebaut werden. Um die Schulgolfaktivitäten über den jetzigen Stand hinaus mit neuen Maßnahmen erweitern zu können, hätten die Delegierten des außerordentlichen Verbandstages außerdem über eine zusätzliche zweckgebundene Erhöhung des Jahresbeitrages um 50 Cent abzustimmen. Damit würde der Jahresbeitrag pro beitragspflichtigem Golfspieler von bisher 15 Euro auf 16,50 Euro steigen.
Haben wir das verstanden? Weil die VcG nicht beides – RyderCup und Schulgolf – stemmen kann, müssen wiedermal die Clubmitglieder bluten, die den VcG Spielern ohnehin schon ihre Plätze fast kostenlos zur Verfügung stellen. (Schon vor Jahren hatte ich gefordert, dass jeder VcG Spieler einem ordentlichen Clubmitglied des DGV mindestens einen Tag pro Jahr dienstbar sein sollte, VcGSpieler, die mindestens drei Jahre in der VcG sind, sollten regelmäßig und unentgeltlich vor der Runde in den Golfclubs als Taschenträger arbeiten oder nach Bällen tauchen, die dem Jugendgolf zu Gute kämen. Aber damit konnte ich mich nicht leider durchsetzen.) Freigekauft, haben sie sich, die Billiggolfer, indem sie mittlerweile alles finanzieren, wozu dem DGV sein Geld zu Schade ist. Es ist schon geradezu niederträchtig wie sich der Paria des Golfsports zum „Slumdog Millionär“ gewandelt hat und die deutsche Golflandschaft, gleich russischen Mädchenhändlern im Urlaub, mit ihrem Geld zuschmeißen. Aber jetzt ist Ende im Schacht. Auch der VcG, der unter der langjährigen weisen Führung verschiedener DGV-Funktionäre, darunter (bis 2007) einem gewissen Herrn Nothelfer, zu vollkommener Unabhängigkeit von jedweder DGV-Entscheidung heranreifte, hat seine Budget-Grenzen erreicht und muss jetzt bei den ordentlichen Clubmitgliedern des DGV betteln gehen, um seine großspurigen Sponsoring-Aktionen weiterhin realisieren zu können. Millionen RC- Bekenner üben bereits Schlachtengesänge und die Foren kennen nur ein Thema: Wird Golf geiler wie Fußball unter Bertie Vogts und dürfen wir 2018 auch so grölen, wie die in Wales? Der außerordentliche Verbandstag versprach also mehr als nur spannend zu werden.
Als ich den Saal betrat, begrüßte der DGV-Präsident Herr Nothelfer gerade seine Gäste. Auf seine pointierte, geschliffene Art stimmte er Clubpräsidenten, Funktionäre und Presse aus der ganzen Republik auf das ein, was zu beschließen beschlossen war.
Ich war etwas unruhig auf meinem Presseplatz und musste öfter aufstehen, um mein Knie zu bewegen. Deshalb kann ich Herrn Nothelfer Ausführungen nicht im Detail wiedergeben, aber das wird in kommenden Pressemeldungen nachzulesen sein. Neu war für mich, dass das Bewerbungs-Procedere erstmals in seiner jetzigen Form stattfinden würde. Bisher – von Valderama bis Wales – habe die Ryder Cup Europe jeweils reichen Privatleuten ihre Träume erfüllt. Doch nun sei erwünscht, dass eine Bewerbung vom jeweiligen Land und somit auch vom Golfverband des Landes mitgetragen wird. Erst einige Zeit nach der Antragstellung, als sozusagen das Kleingedruckte auf den Tisch kam, wurde dem DGV und seinen Vasallen im RC Deutschland klar, dass der Ryder Cup Europe LLP als Teil der Bewerbung eine Summe von ca. 18 Millionen garantiert werden muss. Wie gesagt: Das habe man erst im Nachhinein bei den Verhandlungen erfahren. „Wir müssen beweisen, dass wir an die Zukunft des Golfsports glauben!“ sagte Herr Nothelfer trotzig. Da tobte Meute. Gestandene Clubpräsidenten fielen sich in die Arme und weinten vor Glück. Die Vorstandriege stand längst auf den Tischen, ein fröhliches „Ole Ole Ole Oleee“ klang durch den Saal. Ich bückte mich, als die erste Laola-Welle über mich hinweg zischte. Kleingeister und notorische Nörgler mochten sich noch fragten, ob die Zukunft des Golfsports tatsächlich darin liegt, die Habgier der RyderCup Europe zu befriedigen, aber wen interessierte das jetzt?
Der RyderCup, so Nothelfer, würde zu einem Imagewandel im Golf führen. Die Herren schnauften. Imagewandel? Nie wieder karierte Hosen? Modern solle der Golfsport sein, ein Leistungssport, man könne sogar sagen „cool“, feuerte Präsident Nothelfer in die Menge: Cool?! Woher kannte er dieses Wort? (Hatte Nothelfer endlich mein Buch Der Weg der weißen Kugel fertig gelesen?)
„ Aber dabei“, nun senkte Präses Nothelfer die magische Stimme um es ganz deutlich zu machen „dürfe der Golfsport nicht verramscht werden! Das betonte er deutlich. Das war auch nötig. Ein wichtiger Hinweis. War es der Vertreter der DGS, der plötzlich einen Hustenanfall bekam? Egal, vielleicht war es auch jemand anders.
Auch die Historie der Bewerbung wurde im Detail rekonstruiert. Zum Beispiel, wann das 400 seitige „Bidbook“ überreicht wurde, wann die Politik ihre Zusagen gemacht hatte und wann Frau Merkel auf Bernhard Langers Brief mit der Bitte um Unterstützung „unangemessen“ auf das Innenministerium verwies, worauf das Kartenhaus politischer Unterstützung von Seiten der Bundesregierung, dann auch beim Freistaat zusammenbrach. Bedauerlich, bedauerlich. Man habe sich wohl zu sehr auf wohlwollende mündliche Zusagen verlassen, lautete die Selbstkritik. Jetzt ginge es darum, die Sache gemeinsam zu stemmen. Nothelfer plädiert noch einmal an das Plenum, die einmalige große Chance für den deutschen Golfsport nicht zu verpassen. Nein, das wollte niemand und um seiner Rede Nachdruck zu verleihen, bat er Bernhard Langer aufs Podium.
Der feuerte seine Emotions made in Germanyin die tobende Menge und erzählte, wie er den entscheidenden Putt in Kiawah Island versemmelt hatte, wie Seve Ballesteros in der Garderobe geweint hatte. Das Aushängeschild des deutschen Golfsports vermittelte die Faszination, das unglaubliche Gefühl, das entsteht, wenn zwölf Konkurrenten in der Ryder Cup Woche zu einem Team zusammengeschweißt werden. Denn diese Millionäre spielen in dieser Woche vollkommen kostenlos für ihr Land, ehrenamtlich sozusagen, woran auch läppische 5000.- € für die Abendgarderobe der Damen nichts ändern. Das ist sowieso kein Geld, wenn man es hat, dachte ich mir. „Sich ohne finanzielles Interesse für den Golfsport zu engagieren ist schon etwas Besonderes“, sagte Bernhard Langer. “So, wie zum Beispiel der Herr Pletsch, da hinten in der letzten Reihe, der seit zehn Jahren DGV und PGA Meldungen für Umme auf seinem Portal veröffentlicht, während alle anderen die knappen Etats wie Bienen aufsaugen. Heute quält er hier her und die unverschämten Parkhausgebühren zahlt er, vermutlich als Einziger hier im Saal, aus der eigenen Tasche – das sind die wahren Helden des Golfsports …“. Hä? Hatte Bernhard das gesagt? Nein, da war ich mal wieder weggedöst, während Emotionstorpedos in Form von rotbackigen Clubpräsidenten durch den Saal rauschten und darum rangelten, sich in die ausgelegten Listen einzutragen, um als freiwillige Helfer auf dem Wittelsbacher RC Parkplatz 2018 dabei sein zu dürfen.
Nachdem Bernhard mit viel Applaus verabschiedet wurde, betrat sein Bruder die präsidiale Empore, die dem römischen Senat immer ähnlicher zu werden schien. Dort hatten die größten Redner des Altertums die Weichen für eine Epoche der Menschheit gestellt und hier stand nun Erwin Langer und gab freilich zu, dass er die Reden seiner Vorredner in Sachen Begeisterung und Emotion nicht würde übertreffen können. Stattdessen wolle er sich auf die Fakten konzentrieren, denn es gäbe „so viele falsche Informationen und Gerüchte“.
Bevor er aber eine Salve von Fakten in Richtung Delegiertenversammlung feuerte, stellte er gleich zu Beginn eins klar: Der Ryder Cup (man hört da so vieles) habe nichts definitiv nicht mit Reitern zu tun! Aha! Der Steuerberater aus Diedorf betonte vor den Delegierten des DGV, dass der RyderCup nicht mit dem Pferdesport in Verbindung zu bringen wäre. Das musste ja mal rauskommen, dachte ich mir, aber war es wirklich klug, das hier in der Öffentlichkeit und auch noch direkt vor der Presse zu bekennen? Erwin Langer ist als Geschäftsführer für die RC Deutschland ein Glücksfall. Charme und Charisma verbinden sich mit seinem einzigartigem Dursetzungsvermögen. Aber hatte sich der Inbegriff von Eloquenz und Diplomatie mit dieser Aussage nicht vergaloppiert?
Bis ganz nach oben hatte es der Drähtezieher von Diedorf mit seinen guten Verbindungen zur Politik geschafft. Aber dann, und ich vermute mal dass das der Fehler war, hat man doch ausgeplaudert, dass der Ryder Cup nicht für Reiter ist. Dabei lieben wir Deutschen Pferde fast so sehr, wie unsere Autos. Hätte man nicht sagen können, dass BMW eine Reitsportveranstaltung auf einem AUDI-Testgelände durchführt? Könnte Tiger Woods nicht als Fury auftreten? Dann wären die Millionen nur so gesprudelt. Aber nein. Golfer dürfen nicht schummeln, auch wenn es weh tut. Sonst würde der „Spirit of Golf“ verdunsten.
Langer erzählte weiter: Experten der KPMG (!) würden den DGV und die RC Deutschland beraten. Sie hätten in Budapest eine „Special Golf Unit“ für Europa aufgestellt. Eine „Special Golf Unit in Budapest. Das klang professionell, die Zuhörer spitzen die Ohren. KPMG kennen wir von der RyderCup Bandenwerbung aus Wales. Ich bin sicher, es gibt gute Gründe, warum die RC Deutschland und der DGV gerade von den KPMG-Leuten beraten werden. Vermutlich, weil es keine deutschen Unternehmensberatungsgesellschaften gibt, die in Budapest eine Golf-Unit unterhalten. Wie auch immer – hier die Fakten: Die KPMG meint, der Golfmarkt könne wachsen! Bis zu eine Million Spieler konnten die Budapester Visionäre im Kaffeesatz zusammenzählen. Das sei natürlich nicht garantiert, denn wenn zuvor die Bienen aussterben, habe die Menschheit gerade mal sieben Jahre bis die Natur und somit der Mensch von der Erde verschwinden würde, so Einstein. Der Weltuntergang wäre dann genau 2018. OleOleoleoleoleee… Sagte das Langer? Oder dachte ich das nur? Ich hätte diese Pillen doch nicht schlucken sollen.
Auf alle Fälle, sagte Erwin Langer, und zitierte dabei unumstößliche Fakten der KPMG, würde der Golfsport vermutlich wachsen. Der RyderCup könnte auf einen Gesamtumsatz von ca. 250 Millionen geschätzt werden. Dabei könnten gut und gerne 60-80 Millionen an Steuern rum kommen. Zudem, so betonte der Langer Erwin, wird die geplante Golfanlage von privaten Investoren gebaut – offensichtlich ein bissiger Seitenhieb auf die Konkurrenten des Golfsports in Bayern, nämlich Bob- und Rodelbahnen-Betreiber, die wie Langer süffisant bemerkte, vom Steuerzahler finanziert werden müssen. Das sind Argumente!
Beim letzten RyderCup waren immerhin 1034 Journalisten akkreditiert, die dann, so Langer, „tatsächlich auch geschrieben und berichtet haben“. (Nicht wie in Pulheim, wo die schreibende Zunft nur herumsaß, um ihm die Haare vom immer noch stattlich braunen Schopf zu fressen. Aber nein, das sagte er nicht…) Stattdessen nannte noch andere Zahlen, über die man nachdenken sollte: Zum Beispiel wurden zig hundert Artikel in Millionenauflage zum Thema Ryder Cup veröffentlicht, die unseren Sport populärmachen. KPMG hat auch, waren es 650 (?) Online-Veröffentlichungen zusammengetragen, mit insgesamt VIERMILLIARDEN KLICKS! Wow. Solche Serverzahlen kann nur bekommen, wer einen guten Draht zur CIA hat, die alle europäischen Logfiles speichert. Andere Zahlen habe ich vergessen habe, weil ich mittlerweile Hunger hatte. Trotzdem lauschte ich noch dem Herr Löhlein von der RC Deutschland, der Trauerarbeit leistete, in dem er von Begegnungen mit den Umfallern (u.A. Seehofer) auf dem politischen Parkett erzählte, das sich auch für die RC Deutschland Delegation offensichtlich als zu glatt erwies.
Als Präsident Nothelfer die RC Deutschland Delegation schließlich verabschiedete, war ich bereits draußen, um mitansehen zu müssen, wie das Buffet matschig wurde und die Köche am Rad drehten. Man war bereits reichlich über der Zeit. Unruhig hinkte ich auf und ab. Gequält von dem Gedanken, dass das Roastbeef vertrocknen könnte, ging ich Richtung Lobby und wer lief mir geradeweg in die Spur?: Die RC Deutschland Delegation in Form von B. Langer, E. Langer und dem Pressesprecher Herrn Wäschle! Die Begegnung war unausweichlich. Die Herren hielten kurz inne. Kam da der Grund der Terrorwarnungen? Oder ein Golf-Pyromane, ein Fairway-Stalker? Ach, der Herr Pletsch“, seufzte Erwin Langer erleichtert. Der Gedanke, dass ich seinen Bruder Bernhard auf dem Weg zum Flieger noch in ein längeres Gespräch verwickeln könnte, um etwas Kurzweil in die Wartezeit vor dem Check In zu bringen, ließ Erwin Langers Augen leuchten, was ich jedoch nicht weiter beachtete, denn ich wandte mich an Bernhard Langer: „Herr Langer, ich soll sie herzlich vom Herrn S., dem Manager vom GD in B. grüßen“. Jetzt musterte mich Erwin irritiert und er hatte dieses freundliche Glitzern im Blick, bei dem seine Hostessen in Pulheim stets vor Freude in Tränen auszubrechen pflegten. Auch Bernhard Langer schaute verwundert. Aber dann sagte er höflich, wie es seine Art ist: „Das ist sehr nett, vielen Dank. Herzliche Grüße zurück.“
Die Plenumsdiskussion, die tatsächlich noch irgendwer vor dem Mittagessen anzettelte, habe ich verpasst. Voller Sorge hinkte ich um den Tisch mit dem Roastbeef, das sich schließlich letztendlich doch noch als zart und lecker herausstellte. Auch die Beilagen und das Dessert waren vorzüglich. Ob das DGV-Mittagessen von dankbaren VcG-Spielern gestiftet wurde, konnte ich nicht in Erfahrung bringen. Der zweite Teil des Nachmittags (Details bitte ich den vielen Pressemeldungen zu entnehmen) war geprägt von hochprozentigen Abstimmungsergebnissen. „Volkskammer-Qualität“ nannte das ein älterer Kollege. “So wurde damals beim alten Brügelmann abgestimmt, der seinen Laden noch im Griff hatte“. Ich führte noch einige konspirative Gespräche und verkrümelte mich dann, um dem Moloch der Parkhaus-Betreibergesellschaft 27.- € zu opfern, was ich mir wieder reinholen werde, wenn ich der Gießener Uni-Blutbank nächste Woche echtes Pletsch-Blut verkaufe.
Draußen liegt dichter Nebel, der sich gar nicht auflösen will. Das erinnert mich an jene längst vergangenen Tage, an denen ich noch ein knallharter Allwettergolfer war. An eine Runde kann ich mich ganz besonders entsinnen…
Draußen war Frost und dichter Nebel und ich dachte: Heute ist der Platz so, wie ich ihn mag: menschenleer. Also rief ich im Club an. Der Manager sagte mir, der Platz sei offen und die Wintergrüns bespielbar. Es sei aber sehr frostig und neblig. Na und? Ich war damals kein Warmduscher, sondern ein Allwettergolfer, der auch unter verschärften Bedingungen arbeitete.
Als ich ankam, sah ich auf dem Parkplatz nur wenige Autos. Es lag wirklich dichter Nebel über dem Platz, so dass ich meinen Studien ohne größere Belästigung seitens anderer Golfer würde nachgehen können. Pitching- und Puttinggrün waren noch vereist, ebenso die Abschlagsmatten. Auf der Driving Range reichte die Sicht nicht mal bis zur 50-Meter-Markierung. Drei dick eingemummte Bekloppte schlugen ihre Bälle ins Nirgendwo. Diese Leute waren mir ein Rätsel. Was sollte der Schwachsinn. Es war kalt, es war gefroren und man sah keinen Ballflug. Normales Training war vollkommen absurd.
Bei mir war das anders. In Büchern über ZEN und die Kunst des Bogenschießens wird beschrieben, wie der Adept manchmal jahrelang mit dem Bogen übt, ohne einen Pfeil aufzulegen. Wenn er dann den Pfeil auflegen darf, dann steht er gerade mal einen Meter vor dem Strohballen, und das für weitere Jahre. Dieses Üben ohne Ziel, dieses Erspüren des Nebulösen jenseits meiner Möglichkeiten –– gerade deshalb war ich hierher gekommen. Das hatte überhaupt nichts damit zu tun, dass ich es zu Hause nicht aushielt und undbedingt Bälle kloppen müsste, wie dfas bei anderen Spinnern der Fall war.. Nein – was ich praktiziere, war eine uralte, fernöstliche Kunst.
Nach ein paar Dehnübungen, die etwas hastig gerieten, weil es doch recht frisch war, begann ich mit meinen rituellen Handlungen. Ich gedachte, erst mal eine halbe Stunde Schwünge ohne Ball zu üben. Übungen der Mitte. Langsam, in perfekter Harmonie mit dem Universum und mit der unvergleichlichen Eleganz, die meinem Schwung nachgesagt wird.
Aber, ach was soll‘s. Ich schlug doch lieber ein paar Bälle, denn ohne Bälle war es irgendwie langweilig. Eine zeitlose Trance umgab mich. Die kühle Harmonie von Eisnebel und Unendlichkeit. Darauf folgte die Wirklichkeit, die mich mit nasskalter Luft umfing. Ich wachte aus meiner Trance auf und merkte, dass das Körbchen leer war. Wie schnell doch ein Korb mit Bällen verschwinden kann, wenn man in vollkommener universeller Harmonie agiert. Die Zeit schien auch stehen geblieben zu sein. Es waren knapp zehn Minuten vergangen. Eistropfen hingen an meinem Holz. Gleich werden die Jungs kommen und dann geht es auf, ins große Nebelmatch, dachte ich. Die drei Bekloppten standen mittlerweile auf dem Puttinggrün. Was sollte denn das? Ihre Bälle rollten durch den angetauten Reif, der einen Eisring um den Ball bildete. Vollkommen sinnlos, jetzt Putten zu üben. Es ist außerdem wirklich schlecht für das Grün, wenn man bei Frost drauf rumläuft. Aber es ist nicht meine Sache, anderen Leuten reinzuquatschen.
Also ging ich auf das Puttinggrün. Neben mir die schemenhaften Gestalten, die Eisbröckchen von ihren Bällen wischen. Ich puttete ein paar Loch, stellte fest, dass sich ein Eisring um den Ball bildete und hob den Ball demonstrativ auf, in der Hoffnung, dass die anderen meinem guten Beispiel folgen würden. Leider nicht. Sie konnten mich wohl nicht erkennen.
Ich trabte zum Clubhaus zurück und bestellte einen Cappuccino. Seit der 2,50 Euro kostet, also nach meiner Währung fünf Mark, bestelle ich nur noch selten Kaffee und wenn, dann trinke ich ihn ganz langsam, Schluck für Schluck. Ich nahm meinen Keks, den ich genüsslich auf der Zunge zerschmelzen ließ. Einige Mitglieder saßen am Nachbartisch, tranken Kaffee und überlegten, ob sie bei diesem Wetter spielen sollten. Nein, sie wollten doch nicht spielen. Es war ihnen zu neblig. Sie machten sich auf und jemand ließ seinen Keks liegen, den ich mir sofort schnappte. Das war mein Glückstag und ich war ein Glückskeks.
Es zog mich zum 1. Abschlag. Wenn niemand kommt, gehe ich eben alleine, dachte ich. Ich spielte oft alleine. Eigentlich meistens. Kann sein, dass niemand mit mir spielen will, weil ich etwas wunderlich bin und mir jetzt auch noch die Haare wachsen lasse, nachdem ich in einer Fachzeitschrift las, dass langes Haupthaar ein Symbol von Freiheit sei.
Die drei Bekloppten waren mittlerweile verschwunden. Auf der Driving Range standen ein paar neue Spukgestalten, die sich dehnten und streckten und hofften, dass die fahle Sonne, die unwirklich hinter dem Nebeldunst schimmerte, bald herauskam. So lange wollte ich nicht warten.
Der 1. Abschlag war frei. Ein vollkommen leerer Platz. Der Winterabschlag war nach vorne verlegt worden, aber ich konnte kaum über den Graben sehen, der direkt vor dem Damenabschlag verläuft. Dahinter war eine große, dichte, weißgraue Wand. Mit müheloser Geschmeidigkeit butterte mein Spoon durch den Ball, der eine Sekunde später in der weißen Watte verschwand. Was für ein herrlicher Tag, um ZEN-Golf zu üben. Die Unwirklichkeit des Seins umfing mich nach wenigen Schritten und ich wurde vom Nirwana verschluckt. An meinen Schritten merkte ich, dass es bergauf ging und ich auf der Linie war. Wie geplant lag mein Ball bei 170 Metern. In der steilen Bergauflage nahm ich meinen Baffler und der Ball zischte davon. Nach hundert Schritten sah ich, was der Manager mit Wintergrün meinte. 20 Meter vor dem Grün hatte man ein breiteres Loch mit einer Fahne in den Boden eingelassen und die Fläche drum herum geschoren. Mein Ball war zu weit geflogen. Ich chippte zurück und versenkte den Ball in dem extrabreiten, yipsfreundlichen, für Golfneurotiker tauglichen Winterloch zum Par.
Die nächste Bahn, ein Par 3, spielte ich in vollkommener Einsamkeit und Stille. Irgendwo ist Nirgendwo, und ich war mittendrin. Das Grün war auch hier vorverlegt und ich musste vom Sommergrünrand delikat zurückchippen, was mit dem Pitchingwedge zum erotischen Genuss wurde. Jedes Alter hat nun mal seine Schmankerl.
Dritte Bahn: Ich traf das Holz wunderbar weich, aber der Ball lag nicht bei 175 Metern, wo er sein sollte. Ich stellte mein Bag ab und ging auf 150 Meter zurück. Ich sah das Bag kaum noch. Suchend lief ich hin und her. Der Nebel wurde dichter. Der kurze Anflug von Sonne hatte sich längst verabschiedet. Wenn ich ehrlich sein soll, muss ich zugeben, dass ich die Orientierung verloren hatte.
Das ist die verschärfte Form von ZEN-Golf. Der Weg ist das Ziel und dann ist auch der Weg plötzlich weg.
Alles aufgeben, alles loslassen, sagt Suzuki Roshi. Alles löst sich auf. Sein und Nichtsein sind weiße Watte in einem Universum voller Bälle, die zu kleinen kalten Tropfen verdichtet in der Luft hängen. ZEN und die Kunst, den Weg loszulassen. WOW. Davon habe ich immer geträumt. Aber ehrlich gesagt, war diese weiße Einsamkeit nach einer Weile etwas nervtötend, wenn man, wie ich, jetzt schon 15 Minuten im Kreis tappte und nichts, aber auch gar nichts an die 3. Bahn erinnerte. Hatte ich eine Zeit-Raum-Schranke durchschritten und war mitten in der Milchstraße gelandet?
Nein – Fakt war: Ich stand auf der 3. Bahn, es war dichter Nebel und links musste irgendwo der Kurzplatz sein. Aber ich konnte nicht mehr sehen, wo vorne und hinten, geschweige denn, wo links war. Beim Suchen hatte ich mich zu oft gedreht und war im Kreis gelaufen. Mein Kompass und mein Survival-Kit waren im Bag, das ich auch nicht mehr sehen konnte. Was, wenn die Sonne heute nicht mehr herauskommen würde? Wenn niemand mehr abschlagen würde? Wenn es dunkeln würde und ich würde am nächsten Tag erfroren aufgefunden werden? Wäre das ein angemessener Tod für einen Golfer?
Ich musste mein Bag finden. Darin waren Wasser, Brot, Beruhigungsmittel und die Signalpistole, die ich seit dem »Round-Robin-Turnier« in Baden-Baden stets mit mir führe. Ich möchte nicht verhehlen, dass ich eine leise Panik spürte. Es war nicht die Angst vor dem Eistod – nein – es war die Schande vor dem Gelächter, in das alle ausbrechen würden, wenn sich im Club rumspräche, dass ich mich auf der 3. Bahn verirrt hätte. Was nun? Ich überlegte, laut um Hilfe zu rufen. In früheren Survival-Kursen hatte ich gelernt, dass Spaziergänger im Schwarzwald, die von Eis und Nebel überrascht wurden, nur wenige Meter von der Straße tot aufgefunden wurden, weil sie erstens nicht früh genug angefangen hatten, ein Nachtlager vorzubereiten, und zweitens nicht laut um Hilfe rufen wollten, weil sie das peinlich fanden. Mir war das auch peinlich, also lieber der erste Eis-Tote sein, als diesen Spott ertragen! Irgendwer, der mit seinem Hund am Waldrand rumläuft, zum Beispiel der Manager oder die Frau des Pros, würde mich finden. Sollte ich wirklich rufen? Nein, ich wartete noch. Eigentlich brauchte ich ja nur in eine Richtung gehen. Dann müsste ich zum Wald kommen oder zur Autobahn oder zu einem mir bekannten Loch. In diesem Moment trat ich auf meinen Ball. An der Spur im frostigen Gras erkannte ich, aus welcher Richtung er gerollt war. Also musste dort der Abschlag sein. Da die Spur länger war und eine Linkskurve hatte, musste ich den Ball gehookt haben. Ergo wusste ich, wo Nord-Nordost ist beziehungsweise wo das Grün lag. Ich schlug den Ball mit dem Baffler in die vermutete Richtung und lief hinterher. Nach 26 Schritten stand ich an meinem Bag. Der Kompass bestätigte meine Richtungsvermutung. Ich überlegte, ob ich ein kleines Signalfeuer machen sollte, fand aber kein Brennmaterial und lief weiter meinem Ball nach. Der lag, wie immer, hinter dem Wintergrün. Golf kann so einfach sein!
Am nächsten Tee wollte ich gerade abschlagen, als ich vor mir leises Klappern und Stimmen hörte. Ein Suchtrupp? Hunde? Warme Decken und heißer Tee? Ich hatte keine Ahnung, wer beziehungsweise wo diese Menschen auf der 4. Bahn vor mir waren. Ebenfalls Verirrte? Ich würde ihnen helfen. Deshalb schlug ich nicht ab, sondern lief vor. »Halloooo!« Nach hundertachtzig Schritten Süd-Südwest sah ich den ersten von den drei Bekloppten, der gerade versuchte, seinen Eisball aus dem gefrorenen Sand des Fairway-Bunkers zu hacken. Er sah nicht, dass seine beiden Kollegen direkt vor ihm liefen. »Achtung«, rief er im letzten Moment, während geeiste Sandbrocken durch die nasse Luft spritzten. »Hallooo!« Endlich bemerkten sie mich. »Hi, ich konnte nicht abschlagen, da ich nicht wusste, wie weit Sie vor mir sind.« Ich dachte, die drei Bekloppten würden mich jetzt um Hilfe und Orientierung bitten, aber nix da. Sie hatten gesunde, rote Backen, vermutlich eine gebratene Schweinehälfte und fette Brote in ihrem Bag und schienen auch zu wissen, in welcher Richtung Süden lag. Keine Spur von Panik in ihren Gesichtern.
»Jemand vor Ihnen?«, fragte ich.
»Wissen wir nicht.« – »Kann man ja auch nicht sehen«, kicherte einer.
»Das ist mir zu gefährlich«, sagte ich, »Verursacherprinzip in der Rechtsprechung. Kann ich mir nicht leisten. Gibt Punkte in Flensburg.«
»Oha!« Die drei Bekloppten nickten, zuckten aber mit den Schultern und hackten sich weiter Richtung Süden, wo eine kaum sichtbare Sonne, hinter dichtem Milchglas verborgen, die Hoffnung weckte, dass der Tag doch noch schön werden könnte.
Hartnäckige, durchgeknallte Neugolfer, die auch im Nebel ihrem Handicap hinterherjagen. So irrsinnig, wie ich früher war, als ich noch bei Eis und Nebel über die Plätze lief, dachte ich. Aber ich war tolerant, grüßte höflich und verschwand.
Die vierte Bahn führt, wenn man ihre rechte Seite entlanggeht, zum 11. Abschlag. Und die 11. Bahn führt ins Tal zum Clubhaus. Dort waren Menschen, Wärme, heißes Wasser und Feuer. Durch nasses Gras schlurfte ich zum 11. Tee und schlug meinen Ball mit dem Spoon in die große, weiße Wattewand. Es ging gen Westen, nach Hause. Der Kompass stimmte mir zu.
Wer sich für die nächste Golf-Saison Ziele gesteckt hat, sollte an sich arbeiten und ein Training im Bootcamp für Siegertypen besuchen!
An sich arbeiten heißt jedoch nicht nur, am Schwung und kurzen Spiel feilen oder das Putten perfektionieren. Wer sich in dieser Saison als Sieger – möglichst als Mehrfachsieger – in die Club-Annalen eintragen will, sollte praktizieren, was ich als Visualisierungskonzept zur Entwicklung des Siegertyps bezeichne.
Wie ich dazu kam? Freunde, die mich länger kennen, können sich durchaus noch daran erinnern: Einst war ich ein zitterndes Häufchen Elend und acht bis zehn gestrichene Löcher bei einem Turnier waren schon eines der besseren Ergebnisse. Dann begann ich mit virtuellem Box-Training. Besonders die Sequenz, wenn der Gegner KO am Boden liegt und ich die Arme zum Sieg hochreiße, habe ich häufig trainiert. Meine Schlägerkopfgeschwindigkeit hat sich dadurch von 75 auf 80 erhöht! Dieses virtuelle Sieger-Training für Boxer habe ich dann für das Golfspiel adaptiert, was aber in meinem Buch „Endlich einstellig!“ noch nicht erwähnt wird. Darin habe ich nur den „Goldmedaillen-Trick“ vorgestellt, mit dem ich mich einst auf Siegerkurs brachte: Ich hatte mir damals fünf Schoko-Goldtaler gekauft, sowie schwarzrotgoldenes Stoffband, das ich der Grabsch-Kiste eines Sportgeschäftes fand. Mit einem dünnen Draht habe ich die Schokomedaillen durchbohrt und daran die Bänder befestigt. Das Ergebnis waren drei richtig leckere Goldmedaillen. (Ja, nur noch drei, zwei hatte ich in der Nacht gefressen, aber drei Medaillen reichten vollkommen aus). Täglich küsste ich die drei Goldmedaillen, was eine beträchtliche Wirkung auf mein Selbstbewusstsein ausübte. Der Rest ist Geschichte: Ich wurde Senioren-Clubmeister und hatte danach noch einige ordentliche Netto-Ergebnisse, bis mich der dauerhafte Genuss von Schokotalern etwas aus der Bahn warf…aber das ist ein anderes Thema.
Es ist also nicht nur die Arbeit am Schwung, am Körper und an der mentalen Verfassung, die uns weiterbringt! Nach meinem Visualisierungskonzept zur Entwicklung des Siegertyps (in uns) üben wir, uns inder Siegerpose zu sehen! Wir trainieren den großen Moment, den wir körperlich und akustisch zum Ausdruck bringen.
Wer einen entscheidenden Putt einlocht und seinen Ball dann still und bescheiden aus dem Loch klaubt, wird es nicht weit bringen.
Ein Schrei, wie YES! Tschakka! UHHHAAAA! – oder ein lautes, lang gezogenes JAAAAAAAAA sorgt für Atmosphäre und versetzt unsere Mitbewerber in Angst und Schrecken.
Golfclubs mit fortschrittlichen Trainingsprogrammen bieten bereits Bootcamps für Siegertypen an, in denen man/frau in kleinen Gruppen Siegerposen übt. Acht in Combat-Camouflage gekleidete Senioren, die am Rand eines Grüns gemeinsam JAAAAAA brüllen, sind ein beeindruckendes Schauspiel. Meist wird dazu die triumphierende Faust gehoben – wobei die ausgestreckte Hand bei ausgetrecktem Arm (besonders in den neuen Bundesländern) auch sehr beliebt ist.
Das Aufwärmen beginnt mit zwanzigmal BECKERFAUST pumpen. Dabei stellen wir uns vor, wie der Ball ins Loch läuft, worauf wir aus der schrägen Körperhaltung (Vorsicht Bandscheibe!) die Faust hochzureißen, um sie einem imaginären Gegner (unserem schwachen Ich, unserer Angst) in den Bauch zu rammen. Aus der Tiefe unserer Eingeweide lassen wir dabei ein tiefes raubkatzenartiges JAAAAAA-Grollen ertönen, aber nicht zu tief aus den Eingeweiden, sonst geht der Schuss nach hinten los.
Sitzt die BECKERFAUST und der Körper ist ordentlich aufgewärmt, trainieren wir die Torero-Stellung, Seve Ballersteros‘ Siegerpose. Dazu reißen wir die Faust nicht nur in die Siegerpose hoch, sondern wir schütteln sie gleich mehrfach, begleitet von einem dreifachen YES – YES – YES. (Danach das Innehalten nicht vergessen, bei dem wir unsere Mitbewerber, zumindest im Matchplay, mit einem Ausdruck der Verachtung strafen)
Als Nächstes folgt der Tanz des José María Olazábal, der sich dereinst beim Ryder Cup auf den Grüns mächtig ins Zeug legte. Die kurzen Tanzschritte der erweiterten Version kann Ihnen jeder erfahrene Golflehrer zeigen, sofern Sie ihn besoffen machen. Mit dieser Schrittfolge tanzen zum Beispiel auch Neu-GolferInnen zum Sieger-Podest, wenn sie zum 3. Netto der Gruppe C aufgerufen werden.
Schließlich üben wird den Hale Irwin Run, wie er ihn anlässlich der 1990 US Open zelebrierte. (Wer keine Zeit hat etwas über Hale Irwin zu erfahren, kann auf 2:23 vorspulen…). Dieser Rundlauf um das Grün nach einem entscheidenden Putt sollte auf Trainingsrunden immer wieder geübt werden – selbst wenn der Putt nicht gefallen ist!
Vier Spieler, die auf dem Grün im Kreis rennen, vermitteln dem unbedarften Zuschauer jene Ready-Golf-Dynamik, die man im Golfsport bislang vergebens suchte. Das Rennen auf und um die Grüns sorgt außerdem für eine Beschleunigung des Spiels – nachfolgende Flight werden es Ihnen danken. Übrigens: Der Hale Irwin Run ist aber auch nützlich, wenn Sie ein Hund verfolgt – oder (bei Popstars) ein Fan.
Zum Schluss – ganz deutlich für alle – was NICHT geht: Absolut Tabu auf dem Grün – zumindest für SpielerInnen der AK 65 – ist der Miro Klose-Salto! Und im Matchplay gilt die Blutgrätsche in den Putt des Mitbewerbers als ausgesprochen unsportlich. Aber diesem Thema werden wir uns ausführlicher widmen, wenn ich mir das demnächst mal wieder das Thema „Etikette“ vornehme …
Im Herbst, wenn nur noch die wetterfesten Spieler im letzten Büchsenlicht unterwegs sind um ihre Bälle aus dem Schlamm zu pulen, kommt bisweilen der eine oder andere Clubmanager auf die Idee, die Schnuppergolfer der letzten Saison zu einem Informationsabend einzuladen. Wer bisher noch nicht angebissen hat, lässt sich bei einer solchen Geselligkeit vielleicht an den Haken nehmen und auch der Clubgastronom freut sich, besonders nach einem nassen Sommer wie diesem. Manchmal werde ich gebeten, diese Informationsabende zu begleiten, wie kürzlich im Golfclub Bauernburg. Nach einem Prosecco zum Empfang begrüßte Präsident Fahrenbach die Gäste und übergab das Wort dann an Vize Prof. Klausthaler. Der bekam rote Backen vor Freude, bei seiner Schilderung wie schön das Golfer-Leben ist, insbesondere im Golfclub Bauernburg! Gemeinschaft, Freunde, frische Luft, herrliche Aussicht…!
Dann wurde ich vorgestellt und schaute in die Runde. Da saßen sie nun, die Golfer von morgen mit ihren fragenden Gesichtern. Unschuldig wie Lämmer, nicht wissend, was auf sie zukommt, wie dieser Sport ihr Leben umkrempeln würde.
„Wer von Ihnen hat Kinder“, fragte ich. Die meisten hoben die Hand. „Und wissen Sie noch, wie das erste Kind Ihr Leben vollkommen auf den Kopf gestellt hat? Wie alles anders wurde?“ Viele nickten.
„So wird es auch werden, wenn Sie Ihr Leben dem ‚Spirit of Golf‘ weihen. Das Spiel verändert Ihr Leben. Komplett!“
Meine Stimme hatte gerade eine gewisse Dramatik angenommen, was einen älteren Herren in der ersten Reihe nicht davon abhielt, mein ausgefeiltes rhetorisches Konzept durch eine Frage aus dem Rhythmus zu bringen: „Bevor Sie uns hier Angst vor einem Golfgeist machen – wollen Sie uns nicht erstmal erzählen, worum es beim Golfspiel eigentlich geht?“
„Äh, ja natürlich…“, stotterte ich. „Also …äh… Golf ist ein Zielspiel über 9 oder 18 Spielbahnen verschiedener Länge. Sie und Ihre Mitspieler (Mitbewerber genannt und mit Ihnen maximal vier Personen) versuchen dabei einen kleinen Ball mit maximal 14 Schlägern von einer Abschlagsfläche (Tee genannt) über einen Rasen (Fairway genannt) zu einer kurz gemähten Fläche (Grün genannt) zu treiben, um den Ball dort in ein ca. zehn Zentimeter breites Loch einzulochen, das durch eine Fahne gekennzeichnet ist? Alles klar?“
Manche Zuhörer nickten bereits, während andere noch versuchten, den Satz zu verdauen. Eine Dame hob die Hand. „Und warum maximal 14 Schläger?“ „Das hat man in Schottland irgendwann so festgelegt. 14 Schläger, weil der Caddie sonst zu schnell müde wird. Und 18 Bahnen, denn dann ist die Whisky-Flasche leer.“
„Und was unterscheidet diese Schläger?“ „Von einer Whisky-Flasche?“ „Nein, untereinander!“
„Die Schlagflächen haben verschiedene Winkel, auch Loft genannt, um – theoretisch mit dem gleichen, um Ihre Körperachse verlaufenden Schwung – den Ball auf verschieden hohe Flugbahnen schicken, um damit unterschiedliche Entfernungen zu erzielen.“
„Aha. Und wer vom Abschlag auf der ersten Bahn bis zum letzten Einlochen auf der 18. Bahn die wenigsten Schläge braucht, hat gewonnen?“ hakte die Dame nach.
„Genauso ist es! Es handelt sich beim Golfen also um ein Geschicklichkeitsspiel mit Schläger und Ball, bei dem der Ball oft – meist unfreiwillig – angeschnitten wird….“, versuchte ich auszuführen.
„Also ähnlich wie Tischtennis?“ fiel mir der ältere Herr ins Wort. „Nun ja, ein Golfball ist viel schwerer als ein Tischtennisball, fliegt also über längere Distanzen. Angeschnitten landet er deshalb oft jenseits der gemähten Fläche im hohen Gras (Rough).“ „Und die Abenteuer, die man auf dem Weg durch die Wildnis bis zum 18. Loch erlebt, darf man dann jedem, der sich nicht schnell genug aus dem Staub macht, an Bar der Clubhauses erzählen! Ha, Ha!“ Der Senior lachte. Er schien meine Bücher zu kennen. Die Zuhörer schmunzelten.
„Ja, so ähnlich“, bestätigte ich. „So ähnlich“. Eine Dame meldet sich:
„Das klingt alles recht einfach, ist es aber nicht. Ich habe es nämlich probiert.“
Stille. Ich gab dem Wirt ein Zeichen noch mal nachzuschenken.
„Der Haken ist nämlich“, fuhr der ältere Herr in seinem Vortrag fort, „Erstens kommt beim Golf alles anders und zweitens als man denkt!“
Er holte Luft – ich grätsche ihm in den Satz: „Golf ist der unlösbare Konflikt zwischen Wollen und Können! Aber gerade das macht das Spiel so spannend. Ein guter Golfer kann den Ball nicht nur fast punktgenau in exakten Distanzen schlagen, sondern auch angeschnitten mit Rechts- oder Linksdrall um eine hundert Meter entfernte Baumgruppe lenken. Dabei trifft das Schlägerblatt mit über hundert Stundenkilometern Schlägerkopfgeschwindigkeit auf eine runde Balloberfläche von ein paar Quadratmillimetern! Gute Golfer spielen den Ball mit wenigen Schlägen an die Fahne, damit der Ball möglichst mit einem Schlag eingelocht werden kann. Auf diesem spielerischen Niveau ist Golf ein Strategiespiel, das dem Schach ähnlich ist. Man überlegt sich, welche Landezone den Ball in eine gute Lage für den übernächsten Schlag bringt…“.
„Und weniger gute Golfer?“ fragte ein Herr aus der 2. Reihe, der aufmerksam zugehört hatte. „Was gute Golfer machen, dürfte uns in den nächsten Jahren erstmal egal sein, oder?“
„Na, so lange wird’s je nach Talent nicht dauern“, beschwichtigte ich.
„Nach meinen Erfahrungen“, sagte der Herr aus der 2. Reihe, „erreichen wir Amateure – egal mit welchem Schläger – nur zwei verschiedene Ballfluglängen: zu lang oder zu kurz. Der Ball bleibt selten in der Nähe der Fahne liegen, und wenn doch, dann rollt er immer noch nicht mit einem Putt ins Loch.“ Er blickte resigniert in die Runde. „Und je mehr man sich bemüht, umso weniger klappt es.“
Ich sah, wie der Clubmanager zuckte. Der Abend lief in die falsche Richtung. Wir wollten doch Begeisterung erzeugen und keine Depression!
„Das kann nur am falschen Material liegen!“ warf ich ein. „Dann wird Golf zum Glücksspiel. Oder Sie nahmen keine Golfstunden mehr, nachdem Sie die Platzreife erlangt haben. Auch das rächt sich.“
Der Herr schwieg, worauf ich fortfuhr, Golf als ein interessantes Hobby mit Frischluftcharakter und gesellschaftlicher Komponente zu beschreiben. Ich erzählte ein paar Schnurren, die Leute lachten, die Stimmung lockerte sich. Noch Fragen? Die Zuhörer unterhielten sich angeregt. Allgemeine Aufregung bei dem Gedanken, es doch mal zu versuchen. Im nächsten Frühjahr! „Jetzt ernsthaft, machst Du mit?“ fragte eine Dame ihre Freundin.
Zeit für Prof. Klausthaler, noch einmal das Wort zu ergreifen: „Unser Club bietet Ihnen zum Einstig eine Jahresmitgliedschaft zu sehr interessanten Konditionen an. Auf diese Weise können Sie feststellen, ob das Spiel zu Ihnen passt und ob die Chemie im Club für Sie stimmt. Ich stelle Ihnen das mal kurz im Detail vor.“
‚Klausi‘ öffnete seinen Laptop und warf einige Grafiken mit Angeboten an die Wand. Die Zuhörer lauschten aufmerksam. Manche machten sich Notizen.
Ich hatte mich gesetzt. Das Summen der Stimmen machte mich schläfrig. Vage erinnerte ich mich daran, wie es bei mir damals war, als mir mein schottischer Schwiegervater erstmals einen Schläger in die Hand drückte und ich meine ersten Versuche unternahm, einen Ball in die gewünschte Richtung zu schlagen. 30 Jahre später versuche ich das immer noch. Manchmal klappt es, manchmal nicht. Golf ist ein Geschicklichkeitsspiel, mit Schläger und Ball. Ein Spiel, das wir heute lieben und morgen verfluchen, von dem wir aber nicht mehr lassen werden. Aber darum geht es ja, beim Golfspiel. Oder?
(c) Eugen Pletsch, erschienen in den NRW-Golfjournalen
Die Abschläge auf der Driving Range bestehen normalerweise aus Abschlagmatten verschiedener Güte. Wenn Sie jetzt vermuten, dass ich Ihnen eine längere Abhandlung über die Qualität von Abschlagmatten unter besonderer Berücksichtigung der finanziellen Lage von Golfclubs schreibe, dann haben Sie sich geschnitten. Wir unterscheiden jetzt, wo mein Whisky sich in mir verliert, nur zwei Sorten von Matten. Neue und alte. Die neuen sind gut, aber die meisten Clubs haben alte Matten.
Während der Anfänger vorzieht, von den Gummimatten mit Plastikraseneinsatz abzuschlagen, steht der fortgeschrittene Golfer lieber direkt auf der Wiese. Meist ist die Abschlagslinie durch ein Seil markiert. Jedenfalls dürfen Sie immer nur in eine Richtung abschlagen. Niemals vor oder hinter anderen Golfern stehen, auch nicht schräg versetzt. Ihre Haftpflichtversicherung wird Ihnen den Vogel zeigen, wenn Sie mit einem sockettierten Ball einen Anlageberater per Blattschuss erlegen. Es wird vor Gericht niemanden interessieren, wie viele mühselig zusammengebohrte Schwarzgeldkonten dieser Hai auf dem Gewissen hat. Da heißt es nur: zahlen.
Also bleiben Sie schön in der Reihe. Sie stellen sich mit genügend Sicherheitsabstand zu den anderen Verrückten in eine Reihe auf und schlagen Ihre Bälle auf die Wiese, die dann irgendwann von einer armen, unterbezahlten Kreatur mit einem speziellen Fahrzeug aufgesammelt werden. Es ist nicht gestattet, sich diese Bälle wieder von der Wiese einzusammeln. Es ist nicht gestattet, die Bälle zu klauen und/oder auf dem Platz zu verwenden. Diese Driving-Range-Bälle gehören dem Pro oder dem Club und dienen nur Ihrem Training.
Wenn Ihnen so ein Rangeball auf dem Parkplatz aus dem Bag kullert, während der Herr Präsident im Nachbarauto verzweifelt mit der Zentralverriegelung kämpft, dann ist das peinlich! Klar?
Es gibt ein paar überdachte Abschläge, damit der Golflehrer seine goldenen Kühe auch im Regen melken kann. Clubs, die auf sich halten, haben in diesen Abschlägen einen Spiegel befestigt. Darin können Sie Ihre Haltung und Ihren Stand überprüfen. Da Sie kaum Ihren Schwung beobachten können, während Sie Ihre Birne gefälligst nach unten halten, ist der Spiegel nur beschränkt einsatzfähig. Heutzutage steht Ihr Schwung im Fokus eines Videogerätes. Eine ordentliche Golfschwunganalyse durch einen erfahrenen Fachmann spart Ihnen viel Zeit und Geld, sofern Sie ernsthaft an der Entwicklung Ihres Golfschwungs interessiert sind. Und: Gibt es etwas Schöneres als den Zeitlupencrash von 18 Kilo Versicherungsvertreterbauchfleisch im Treffmoment? New Yorker Ästheten nennen das Grunge- oder Trash Vids
Wir stellen uns natürlich nicht am Samstag in der Sonnenglut zwischen die schwitzenden Deppen und kloppen Bälle. Solche Exzesse betrachten wir gelangweilt von der Clubhausterrasse. Beobachten Sie die verschiedenen Spieler auf der Driving Range. Lassen Sie sich aber nicht von denen beeindrucken, die laut schnaubend Unmassen von Bällen wegdonnern. Beobachten Sie die Flugbahnen, die diese Prügelknaben erzeugen. Wie sie schwitzen und schimpfen und immer hastiger werden. Auch wenn die moderne Golfpsychologie nur auf der Positivprägung des Unterbewusstseins aufbaut, sehen wir hier deutlich, was wir nicht wollen. Beobachten Sie gute Spieler. Die erkennen Sie daran, dass sie langsam arbeiten, sich an Zielen orientieren und ihr Schwung Rhythmus hat.
Der »Weg der weißen Kugel« entlarvt die scheinbar heile Welt der Golfer. Augenzwinkernd zeichnet Eugen Pletsch ein treffendes Bild der Golf-Gesellschaft. Satirisch, ironisch und bisweilen surrealistisch weist er den Weg zum mystischen Geheimnis des Golfsports. Endlich können auch Nichtgolfer mitreden, und Einsteiger erfahren, worauf es beim Golf wirklich ankommt.
Am Abend nach dem Turnier: Zur Gala hüllen sich die Damen in schimmernde Roben. Zeitlose Schönheit wohin man schaut – wobei manche mehr zeitlos als schön – aber immer schön bunt. Und in der Herrengarderobe? Mancher alte Haudegen, der den Ball nur noch per Saugnapf aus dem Loch klauben kann, rückt das Bruchband zurecht und hofft, bei einer verwitweten Golfgottes-Anbeterin Eindruck schinden zu können…
Leider hat sich das Golfspiel noch nicht in allen Schichten unseres Volkes etablieren können. Da war zum Beispiel jene hübsche, junge Dame – nennen wir sie Anneliese – die davon träumte, einmal diesen feinen Kreisen der etablierten Golf-Gesellschaft anzugehören. Da saß sie nun in ihrer kärglichen Kammer über den Dächern von Köln, blätterte in Gesellschaftsmagazinen und überlegte, wie es wäre, einmal dabei sein zu dürfen, um endlich ihrem Märchenprinzen zu begegnen.
Wie es das Schicksal so will, klingelte der Postbote und brachte Anneliese die Nachricht, dass sie beim Preisausschreiben eines Kreuzworträtselheftes den 1. Preis gewonnen hätte: Ein Wochenende in einem Golfclub mit Teilnahme an einem Charity-Event mit Gala! Ist das denn zu glauben?
Ihr Herz klopfte, denn das ist ein Moment im Leben, den man mit Geld nicht kaufen kann. Selbst jenen gesellschaftlichen Randgruppen, die gemeinhin als die „Schönen, Reichen und Erfolgreichen“ diskriminiert werden, bleibt häufig die Anerkennung verwehrt, in der sich die wirklich Prominenten sonnen dürfen. Man hat vielleicht das Geld, aber nicht den Namen und auf keinen Fall das Gesicht, das den problemlosen Einlass in die funkelnde Welt von Ruhm, Ruin und Gesellschaftsnachrichten gewährt. Geld ist nicht alles und VIP-Status können sich nur wenige kaufen, aber ein korrekt ausgefülltes Kreuzworträtsel, ordentlich frankiert und eingeschickt an eine Zeitschrift, die zufällig einer Verlagsgruppe gehört, die Golfturniere veranstaltet, katapultierte Anneliese plötzlich dorthin, wo die Filmschaffenden, Buffet-Hausierer und Abschreibungsakrobaten die Korken knallen lassen: zum Gala-Diner eines Charity-Golfturniers! Doch dann begannen die Sorgen: Welcher Dresscode? Wie sollte sich Anneliese kleiden? Sportlich oder Abend? Zum Glück hatte der Veranstalter in der Einladung auf Seite 3 darauf hingewiesen, dass ein Golfturnier aus zwei Teilen besteht: dem sportlichen und dem gesellschaftlichen Part. Diese modische Zweiteilung angemessen zu bewältigen, beschäftigte Anneliese für Wochen.
Dann kam der große Tag: An der grimmigen Security vorbei stolpert Anneliese auf ihren High-Heels hinein in den Kreis prominenter Künstler, Sportler und Freibeuter der Wirtschaftsmeere. Der erste Eindruck ist der Wichtigste, also lächelte sie bescheiden, während man ihr am Handgelenk ein kleines Plastikbändchen befestigte. Für dieses VIP-Bändchen am Handgelenk würden manche Frauen morden. Dann erklärte ihr die nette Hostess, was ein Grün ist und dass sie dort keine hohen Schuhe tragen darf. Ach richtig – GOLF! Den Gedanken, dass Golf gespielt wird, hatte Anneliese längere Zeit erfolgreich verdrängt, bis sie mich im letzten Moment anrief. In einem knapp dreiminütigen Telefonat konnte ich sie davon überzeugen, dass Golf ganz einfach ist! „Du musst nur Folgendes beachten: In der Tasche, die man dir gibt, (Bag genannt), sind mehrere Golfschläger. Du nimmst aber nur den Schläger, bei dem im Metallkopf (da wo es hart ist und glänzt) eine 8 eingraviert ist. Dann nimmst du einen Golfball, drückst damit einen dieser Holz-Zahnstocher (Tee genannt) in die Erde und da legst du den Ball drauf. Dann stellst du dich vor den Ball, greifst den Schläger an seinem Gummigriff und schwingst so durch den Ball, als wolltest du ein Gänseblümchen köpfen. Das war’s schon. Wenn der Ball noch auf dem Stift liegt, schlägst du nochmal nach ihm. Wenn er weghoppelt ist das OK und wenn er tatsächlich ein bisschen fliegt, dann wäre das phantastisch. (Ich kenne Leute, die Jahre darauf warten!) Die anderen in deiner Gruppe werden dir zeigen, wo es lang geht. Irgendwann kommt ihr an eine sehr kurz gemähte Fläche, wo deine Mitspieler endlos rumkriechen. In das kleine Loch, in dem eine Stange mit einer Fahne steckt, muss der Ball rein. Wenn dein Ball kurz vor dem „Grün“ liegt, schnickst du den Ball einfach ins Loch und wenn er doch etwas vorbei läuft, dann fragst du einen Mitspieler, welchen Schläger aus Deiner Tasche man „Putter“ nennt. Mit dem schubst du den Ball ins Loch. Fertig. Das war‘s schon. Deshalb ist Golf so einfach, dass es selbst alte Leute noch spielen können! Bleib‘ einfach immer nur da, wo das Gras kurz gemäht ist, dann kannst du nichts falsch machen. Und selbst wenn du dich saudumm anstellst, wird sich ein bekannter Sportler oder ein Prominenten-Zahnarzt um dich kümmern. Die finden das dann ganz charmant, weil du so jung und hübsch und hilflos bist. Dazu noch einen Tipp: Wenn der Typ fünf Schläge oder weniger für die Bahn gebraucht hat, dann vergiss ihn, denn er hat bereits eine Braut: sein Handicap. Wenn der Mitspieler jedoch große, braune Augen hat, gut aussieht und mehr Schläge brauchte als du, dann ist er nur für den guten Zweck hier, also: Keine Golfsucht, vermutlich ledig und Geld wie Heu. Das ist er! Bei dem kannst Du zuschlagen!“
Und so war es dann auch. Mit einem Abpraller an einem Baum auf der 17. Bahn traf Anneliese den Mann ihrer Träume mitten ins Glück und Wochen später, nachdem er (Georg 42, Autohändler mit eigener Lackiererei in Osteuropa,) wieder laufen konnte, beschlossen beide, ernsthaft mit dem Golfspiel zu beginnen.
Sie fuhren gemeinsam zur einer Golfmesse, durchforsteten die Angebote von 250 Ausstellern und lauschten einer Experten-Diskussion. Dabei erfuhren sie, dass Golf jung, modern und ganz anders ist, als man denkt.
Stunden später verstauten sie ihre erste Golfausrüstung in einem Luxus-Automobil, das sie zu den Besucherparkplätzen zurückfahren sollte. Obwohl Anneliese nur eine kleine Damenpistole besaß, war der Fahrer (Student) gerne bereit einen kleinen Umweg Richtung Kaarst zu machen, wo sie den jungen Mann aussteigen ließen, nachdem er noch höflich um seine warme Jacke gebeten hatte, weil er es an den Nieren habe. Seitdem wurden Anneliese, Georg und der Luxus-Schlitten nicht mehr gesehen.
Anneliese und Georg freuten sich auf ein herrliches Golfer-Leben. Alles würde sich ändern, aber zuerst war die Farbe des Wagens dran.
Golfbälle sind ein Multimillionengeschäft. Kaufe nur Aktien von Golfschlägerherstellern, die auch Golfbälle anbieten, lautet die Faustregel, wobei die Insiderfaustregel eigentlich lautet: Kaufe nie Golf-Aktien! Aber das ist ein anderes Thema…
Heute wollen wir uns den Golfbällen zuwenden. Susanne L. aus Uslar fragte kürzlich: Kann man Golfbälle am Geschmack unterscheiden?
Meine Antwort: Probiere es! Der Geschmackssinn des Menschen ist phänomenal und nach einer gewissen Übung sollte es Dir möglich sein, zumindest die bekannten Golfballmarken am Geschmack zu unterscheiden.
Viele ehemalige Daumenlutscher sind in der Phase des Erwachsenwerdens oder während einer Therapie auf den Golfball ausgewichen und haben festgestellt, dass Golfbälle durchaus verschieden schmecken. Golfball-Lutscher erkennt man auf der Clubhausterrasse an den dicken Backen. Davon gibt es viele, aber nur wenige Geschmacksexperten können den Unterschied zwischen einem Pro V1 und einem Pro V1* herausschmecken.
Dass im Golfpark Winnerod die Roughs gemäht werden, darauf warte ich das ganze Jahr. Ich laufe dann hinter dem Mähbalken her und sammle meinen Jahresbedarf an Bällen. Manche Bälle sind ziemlich verschmutzt, weil sie schon länger in der Erde liegen. Da ich kein Ferkel bin, das sich dreckige Bälle ins Bag steckt, lecke ich die Bälle fein sauber ab und habe dabei festgestellt, dass die Bodenlage den Geschmack der Ballmarke eindeutig überlagert.
So schmecken zum Beispiel Bälle, die im nassen Laub links an der ersten Bahn liegen, anders, als Bälle, die an der 7. Bahn des Kurzplatzes im tiefen Rough unter den Brombeerhecken liegen. Die haben eindeutig einen feinen Waldbeergeschmack.
Ich habe jetzt Bälle von einigen Clubs gesammelt und auch der Laie kann beim ersten Lecken schmecken, dass ein Ball aus sandigen Böden anders schmeckt, als ein Ball vom Golfclub Biblis, der eindeutig nach Becarel duftet (Bälle mit Strahlenwerten von durchschnittlich 1.000 Becarel (gesundheitlich unbedenklicher Grenzwert: 600 Becarel) sind von vornherein auszusortieren).
Als ich vor Jahren hoffte, bei „Wetten dass“ auftreten zu können, war ich in der Lage, den guten alten Titleist Balata Tour 100 von einem Slezenger unterscheiden. Ich hatte wirklich intensiv daran gearbeitet, meinen Geschmack zu sensibilisieren. Ursprünglich wollte ich wetten, dass ich aus 10 Golfballmarken 3 Bälle am Geschmack erkenne, fand die Wette dann aber doch ziemlich langweilig.
Dann wollte ich wetten, dass ich 5 Bälle aus 20 Golfclubs eindeutig am Geschmack identifizieren kann. Das soll mir mal einer nachmachen! Na gut – zugegeben – ich kann es noch nicht wirklich, aber ich übe immernoch. Selbst wenn es Wetten dass nicht mehr gibt, ist das eine sportliche, aber auch kulinarische Herausforderung, der ich mich stellen möchte.
Zuvor will ich aber noch ins Guinnessbuch der Rekorde und zwar mit Golfball schlucken. Ich denke mir, wenn eine von diesen billigen, hirnlosen Plastikröhren mit rotem Ring 20 Golfbälle schluckt, wie viele kann dann erst ein Mensch schlucken, der als Geistträger und Krone der Schöpfung den Höhepunkt der Evolution darstellt!
Ich übe mit dicken Backen und wenn mich jemand in den nächsten Wochen anruft und mich nicht gleich erreicht, hängt das damit zusammen, dass ich im Trainingslager bin, von dem ich Euch/ Ihnen ein Bildchen schicke (Bisher kann ich maximal sieben Bälle schlucken, muss dazu aber noch mit Atemgerät arbeiten…).
So, das war`s für heute. Jemand hat einen Karton mit 40 Jahre alten Moorbällen aus den Highlands geschickt, an denen werde ich mich jetzt besoffen lutschen …
Die alljährliche „PGA Merchadise Show“ in Orlando /Florida ist die große Materialschlacht des Golfsports.
Auf der Suche nach Insidertipps rufen sich Kenner der Golfszene nach der Messe gegenseitig an, um beim Branchengeschwafel mithalten zu können. Mein Problem ist, dass ich kaum noch jemanden kenne, der sich die Reise leisten kann. Es hieß, der Einkäufer einer Golfladen-Kette wäre nach Orlando geflogen. Sein Konkursverwalter habe ihm grünes Licht gegeben, aber sonst? Schließlich erreichte ich den Chefredakteur eines Fachmagazins. „Na, was gibt´s Neues aus Orlando?“ Er schwieg eine Weile, dann begann er, wirres Zeug von golfenden Gartenzwergen zu faseln. Die die einzige echte Neuheit aus Orlando, die ihm spontan in den Sinn käme. Er würde mir dazu was schicken, murmelte er in seiner Jetlag-Trance.
Golfende Gartenzwerge? Na gut. Warum nicht? Es war kaum ein Tag vergangen, als mich ein „Staubsauger“ anrief, also jemand, der sich wie ich Neuigkeiten am Telefon zusammensaugt und dummes Geschwätz zu „Hintergrundinformationen“ moduliert. Er wollte wissen, was es Neues aus Orlando gäbe.
„Golfende Gartenzwerge sind der Trend“, raunte ich fachmännisch. “Werden wohl auch vom DGV als Symbol der Ryder Cup Bekenner in einer großen Kampagne gepusht. Gartenzwerge mit Golfschlägern – damit unsere blühenden Landschaften noch schöner werden!“
„Ach ja?“ Er klang wenig interessiert. „Und golftechnisch?“
Hm. Jetzt hieß es improvisieren: „Transparency Golf – das sind die neuen USPGA Sicherheits-standards. Hat die R&A schon abgenickt: Körperscanner an allen Abschlägen und Videoüberwachung im Rough. Doping-Tracker werden erst ab 2022 Pflicht, dann aber in jeder Clubhaus-Toilette!“
„Dachte mir schon, dass so was kommt.“ Mein Zuhörer wirkte gelangweilt. Ich überlegte.
„Schon mal vom Astrosoft Dolby-Driver gehört?“ Er verneinte.
„Astrosoftware harmonisiert den Schwung eines Spielers mit dessen Sternzeichen, sowie dem Aszendenten. Der Astrosoft Dolby Driver ist vollkommen klangfrei“, dozierte ich, „hat aber einen Nano-Verstärker mit vier Miniaturlautsprechern eingebaut. Du kannst dir jeden Sound aus dem Web laden. Wenn ein Drive nach Schallmauerdurchbruch klingt, bringt das im Matchplay psychologische Vorteile.“
Jetzt hatte der Staubsauger angebissen. Seine Tastatur klackerte durch die Leitung.
Ich legte nach: „Viele Leute reden mit ihrem Driver. Also haben sich die Astrosoft-Leute gesagt: Warum nicht gleich telefonieren, mit dem Ding?“
„Ja, warum nicht?“ Der Info-Broker japste.
„Der Astro Matched Frequency Dolby Driver, wie er richtig heißt, hat in der Wicklung des Graphitschaftes einen 20 Gig-Datenspeicher, der in der UMTS-Version gleichzeitig als Antenne fungiert. Übers Headset telefonierst du oder navigierst via Bluetooth die Software, um dem Schläger vor dem Schlag zu sagen, wo du hinspielen willst. Den Rest erledigt das Schwungfehlerneutralisierungs-programm. Das Ding ist so toll wie teuer!“
„Ist doch egal. Hauptsache mal was Neues aus Orlando!“ Mein Anrufer grunzte vor Glück als er auflegte.
„Dieser Dolby-Driver wird groß rauskommen“, dachte ich mir und überlegte dann, wo ich den golfenden Gartenzwerg hinstellen könnte, der mittlerweile eingetroffen war.
Ein etwas anderer Golf-Ratgeber. „Anmerkungen für Golfreisende“ ist eine Reiselektüre für Golfer mit Einsichten und Ansichten, golfphilosophischen Betrachtungen, Glossen und Kommentaren zu aktuellen Golfthemen, die Eugen Pletsch zwischen 2006 und 2016 als Kolumnen veröffentlicht hat. Mit feinem Humor verweist der Autor dabei immer wieder auf das mystische Geheimnis des Golfspiels. Mit 12 Tuschzeichnungen von Klaus Holitzka und zwei Fotos von Oliver Hardt.