Großkampftag beim DGV

Mein „Bericht“ von DGV-Verbandstag 2010 ist ein exemplarisches Beispiel dafür, welcher Niedertracht der Deutsche Golf Verband ausgesetzt war, weil ein armseliger (angeblich satrischer) Blogger die Vorgänge beim DGV-Verbandstag mit unsachgemäßem Spott meinte kommentieren zu müssen. Manchen Leuten fehlt einfach der gute Wille – auf jeden Fall die Geisteskraft – um die STRATEGIE zu erkennen, die hinter den bisweilen irre wirkenden Ideen der Golf Verbands-Archtiekten steckt…

Ich hätte im Bett bleiben sollen. Mit einer akuten Gonarthrose soll man nicht spaßen. Das Schmerzmittel fing gerade an zu wirken und ich hätte gut noch eine Mütze Schlaf gebrauchen können – wäre da nicht mein Pflichtgefühl gewesen. Schließlich hatte ich dem Clubmanager Herrn  S. aus B. versprochen hatte, Bernhard Langer von ihm zu grüßen, falls ich ihn sehen sollte.
Wenn ich etwas bin, dann zuverlässig. Also quälte ich mich aus den Federn und fuhr nach Frankfurt. Leider verpasste ich die Pressekonferenz mit Bernhard Langer, die um 9 Uhr begann. Wie ich hörte, hatten die Kollegen auf manche dumme Frage die gewohnt schlagfertigen Antworten von B. Langer bekommen. Und dann? Was geschah dann?

Es war Samstag, der 20. November 2010. Deutschland wurde von Terrorwarnungen erschüttert. Nachdem die ersten Untersuchungen über die gesundheitliche Gefährdung durch Körperscanner (Krebs?) bekannt wurden, war man klug genug, politische Flankenhilfe zu suchen. Also wurden irgendwo in Afrika Päckchen gefunden, die nicht nach Deutschland verschickt werden sollten und Dingen enthielten, die definitiv keine Bomben oder Zünder waren, aber vollkommen ausreichten, um den Deutschen die akute Gefahr terroristischer Anschläge zu vergegenwärtigen. Während die Bomben unserer Bündnispartner überall auf der Welt für Ruhe und Ordnung sorgten und die ökologische Katastrophe des von multinationalen Öl-Konzernen zerstörten Niger-Deltas gigantische Ausmaße annahm, fuhr ich allen Warnungen zum Trotz zum Frankfurter Flughafen, direkt in den Zentrum des Zyklons.

Dort, im kuscheligen Sheraton, plante auch der DGV auf einem außerordentlichen Verbandstag Entscheidungen von globaler Dimension auf den Weg zu bringen. Um die Finanzierung für die Austragung des Ryder Cup 2018 zu gewährleisten, sollten die Mitglieder des DGV über eine Erhöhung des Jahresbeitrags pro Golfer für die Jahre 2011 bis 2022 um einen Euro abstimmen. Wir zitieren: „Die Mittel sollen zweckgebunden dem Projekt ‚Abschlag Schule‘ des DGV zukommen. Die Erhöhung ist unter die Vorbehalte gestellt, dass Deutschland den Zuschlag für den Ryder Cup 2018 erhält und dass die hessische Finanzverwaltung eine positive verbindliche Auskunft zur steuerlichen Unbedenklichkeit der Beitragsanpassung erteilt. Hintergrund dazu ist: Sollte Deutschland den Zuschlag für den Ryder Cup 2018 erhalten, so beabsichtigt die Vereinigung clubfreier Golfspieler (VcG), dem Ryder-Cup-Projekt ab 2011 über einen Zeitraum von 12 Jahren eine Summe von 750.000 Euro pro Jahr zukommen zu lassen. Um den Großteil dieser Summe aufzubringen, würde die VcG künftig ihre Fördermittel für ‚Abschlag Schule‘ um 500.000 Euro reduzieren, allerdings nur dann, wenn die Mitglieder des DGV als Ausgleich einer zweckgebundenen Beitragserhöhung für das Schulgolf zustimmen.
Mit den Zahlungen für den Ryder Cup im Falle eines Zuschlags würde die VcG einen Teil der Lizenzgebühr aufbringen, die die Bewerbergesellschaft RC Deutschland GmbH der Ryder Cup Europe LLP als Teil der Bewerbung garantieren muss. Der Bund und der Freistaat Bayern hatten eine finanzielle Unterstützung aus öffentlichen Geldern im Oktober endgültig abgelehnt
.“

So. Jetzt müssen wir wissen, dass die VcG das Projekt „Abschlag Schule“ bereits seit 1999 mit bis zu einer Million Euro jährlich fördert. Falls die VcG  diese Förderung zugunsten des Ryder Cup reduziert, muss der DGV die Ausfälle kompensieren, die dem „überaus erfolgreichen Schulgolfprojekt Abschlag Schule“ entstehen würden.
Abschlag Schule und damit der Schulgolfbereich soll auf jeden Fall in gleichem Umfang wie bisher weitergeführt und sogar ausgebaut werden. Um die Schulgolfaktivitäten über den jetzigen Stand hinaus mit neuen Maßnahmen erweitern zu können, hätten die Delegierten des außerordentlichen Verbandstages außerdem über eine zusätzliche zweckgebundene Erhöhung des Jahresbeitrages um 50 Cent abzustimmen. Damit würde der Jahresbeitrag pro beitragspflichtigem Golfspieler von bisher 15 Euro auf 16,50 Euro steigen.

Haben wir das verstanden? Weil die VcG nicht beides – RyderCup und Schulgolf  – stemmen kann, müssen wiedermal die Clubmitglieder bluten, die den VcG Spielern ohnehin schon ihre Plätze  fast kostenlos zur Verfügung stellen.
(Schon vor Jahren hatte ich gefordert, dass jeder VcG Spieler einem ordentlichen Clubmitglied des DGV mindestens einen Tag pro Jahr dienstbar sein sollte, VcG Spieler, die mindestens drei Jahre in der VcG sind, sollten regelmäßig und unentgeltlich vor der Runde in den Golfclubs als Taschenträger arbeiten oder nach Bällen tauchen, die dem Jugendgolf zu Gute kämen. Aber damit konnte ich mich nicht leider durchsetzen.)
Freigekauft, haben sie sich, die Billiggolfer, indem sie mittlerweile alles finanzieren, wozu dem DGV sein Geld zu Schade ist. Es ist schon geradezu niederträchtig wie sich der Paria des Golfsports zum „Slumdog Millionär“ gewandelt hat und die deutsche Golflandschaft, gleich russischen Mädchenhändlern im Urlaub, mit ihrem Geld zuschmeißen.
Aber jetzt ist Ende im Schacht. Auch der VcG, der unter der langjährigen weisen Führung verschiedener DGV-Funktionäre, darunter (bis 2007) einem gewissen Herrn Nothelfer, zu vollkommener Unabhängigkeit von jedweder DGV-Entscheidung heranreifte, hat seine Budget-Grenzen erreicht und muss jetzt bei den ordentlichen Clubmitgliedern des DGV betteln gehen, um seine großspurigen Sponsoring-Aktionen weiterhin realisieren zu können. Millionen RC- Bekenner üben bereits Schlachtengesänge und die Foren kennen nur ein Thema:
Wird Golf geiler wie Fußball unter Bertie Vogts und dürfen wir 2018 auch so grölen, wie die in Wales?
Der außerordentliche Verbandstag versprach also mehr als nur spannend zu werden.

Als ich den Saal betrat, begrüßte der DGV-Präsident Herr Nothelfer gerade seine Gäste. Auf seine pointierte, geschliffene Art stimmte er Clubpräsidenten, Funktionäre und Presse aus der ganzen Republik auf das ein, was zu beschließen beschlossen war.

Ich war etwas unruhig auf meinem Presseplatz und musste öfter aufstehen, um mein Knie zu bewegen. Deshalb kann ich Herrn Nothelfer Ausführungen nicht im Detail wiedergeben, aber das wird in kommenden Pressemeldungen nachzulesen sein. Neu war für mich, dass das Bewerbungs-Procedere erstmals in seiner jetzigen Form stattfinden würde. Bisher – von Valderama bis Wales – habe die Ryder Cup Europe jeweils reichen Privatleuten ihre Träume erfüllt. Doch nun sei erwünscht, dass eine Bewerbung vom jeweiligen Land und somit auch vom Golfverband des Landes mitgetragen wird. Erst einige Zeit nach der Antragstellung, als sozusagen das Kleingedruckte auf den Tisch kam, wurde dem DGV und seinen Vasallen im RC Deutschland klar, dass der Ryder Cup Europe LLP als Teil der Bewerbung eine Summe von ca. 18 Millionen garantiert werden muss. Wie gesagt: Das habe man erst im Nachhinein bei den Verhandlungen erfahren.
„Wir müssen beweisen, dass wir an die Zukunft des Golfsports glauben!“ sagte Herr Nothelfer trotzig.
Da tobte Meute. Gestandene Clubpräsidenten fielen sich in die Arme und weinten vor Glück. Die Vorstandriege stand längst auf den Tischen, ein fröhliches „Ole Ole Ole Oleee“ klang durch den Saal. Ich bückte mich, als die erste Laola-Welle über mich hinweg zischte. Kleingeister und notorische Nörgler mochten sich noch fragten, ob die Zukunft des Golfsports tatsächlich darin liegt, die Habgier der RyderCup Europe zu befriedigen, aber wen interessierte das jetzt?

Der RyderCup, so Nothelfer, würde zu einem Imagewandel im Golf führen. Die Herren schnauften. Imagewandel? Nie wieder karierte Hosen? Modern solle der Golfsport sein, ein Leistungssport, man könne sogar sagen „cool“, feuerte Präsident Nothelfer in die Menge: Cool?! Woher kannte er dieses Wort?
(Hatte Nothelfer endlich mein Buch Der Weg der weißen Kugel fertig gelesen?)

„ Aber dabei“, nun senkte Präses Nothelfer die magische Stimme um es ganz deutlich zu machen „dürfe der Golfsport nicht verramscht werden!
Das betonte er deutlich. Das war auch nötig. Ein wichtiger Hinweis.
War es der Vertreter der DGS, der plötzlich einen Hustenanfall bekam? Egal, vielleicht war es auch jemand anders.

Auch die Historie der Bewerbung wurde im Detail rekonstruiert. Zum Beispiel, wann das 400 seitige „Bidbook“ überreicht wurde, wann die Politik ihre Zusagen gemacht hatte und wann Frau Merkel auf Bernhard Langers Brief mit der Bitte um Unterstützung „unangemessen“ auf das Innenministerium verwies, worauf das Kartenhaus politischer Unterstützung von Seiten der Bundesregierung, dann auch beim Freistaat zusammenbrach. Bedauerlich, bedauerlich.
Man habe sich wohl zu sehr auf wohlwollende mündliche Zusagen verlassen, lautete die Selbstkritik. Jetzt ginge es darum, die Sache gemeinsam zu stemmen. Nothelfer plädiert noch einmal an das Plenum, die einmalige große Chance für den deutschen Golfsport nicht zu verpassen.  Nein, das wollte niemand und um seiner Rede Nachdruck zu verleihen, bat er Bernhard Langer aufs Podium.

Der feuerte seine Emotions made in Germany in die tobende Menge und erzählte, wie er den entscheidenden Putt in Kiawah Island versemmelt hatte, wie Seve Ballesteros in der Garderobe geweint hatte.
Das Aushängeschild des deutschen Golfsports vermittelte die Faszination, das unglaubliche Gefühl, das entsteht, wenn zwölf Konkurrenten in der Ryder Cup Woche zu einem Team zusammengeschweißt werden. Denn diese Millionäre spielen in dieser Woche vollkommen kostenlos für ihr Land, ehrenamtlich sozusagen, woran auch läppische 5000.- € für die Abendgarderobe der Damen nichts ändern. Das ist sowieso kein Geld, wenn man es hat, dachte ich mir.
„Sich ohne finanzielles Interesse für den Golfsport zu engagieren ist schon etwas Besonderes“, sagte Bernhard Langer. “So, wie zum Beispiel der Herr Pletsch, da hinten in der letzten Reihe, der seit zehn Jahren DGV und PGA Meldungen für Umme auf seinem Portal veröffentlicht, während alle anderen die knappen Etats wie Bienen aufsaugen. Heute quält er hier her und die unverschämten Parkhausgebühren zahlt er, vermutlich als Einziger hier im Saal, aus der eigenen Tasche – das sind die wahren Helden des Golfsports …“.
Hä? Hatte Bernhard das gesagt? Nein, da war ich mal wieder weggedöst, während Emotionstorpedos in Form von rotbackigen Clubpräsidenten durch den Saal rauschten und darum rangelten, sich in die ausgelegten Listen einzutragen, um als freiwillige Helfer auf dem Wittelsbacher RC Parkplatz 2018 dabei sein zu dürfen.

Nachdem Bernhard mit viel Applaus verabschiedet wurde, betrat sein Bruder die präsidiale Empore, die dem römischen Senat immer ähnlicher zu werden schien. Dort hatten die größten Redner des Altertums die Weichen für eine Epoche der Menschheit gestellt und hier stand nun Erwin Langer und gab freilich zu, dass er die Reden seiner Vorredner in Sachen Begeisterung und Emotion nicht würde übertreffen können. Stattdessen wolle er sich auf die Fakten konzentrieren, denn es gäbe „so viele falsche Informationen und Gerüchte“.

Bevor er aber eine Salve von Fakten in Richtung Delegiertenversammlung feuerte, stellte er gleich zu Beginn eins klar:
Der Ryder Cup (man hört da so vieles) habe nichts definitiv nicht mit Reitern zu tun!
Aha! Der Steuerberater aus Diedorf betonte vor den Delegierten des DGV, dass der RyderCup nicht mit dem Pferdesport in Verbindung zu bringen wäre.
Das musste ja mal rauskommen, dachte ich mir, aber war es wirklich klug, das hier in der Öffentlichkeit und auch noch direkt vor der Presse zu bekennen?
Erwin Langer ist als Geschäftsführer für die RC Deutschland ein Glücksfall. Charme und Charisma verbinden sich mit seinem einzigartigem Dursetzungsvermögen. Aber hatte sich der Inbegriff von Eloquenz und Diplomatie mit dieser Aussage nicht vergaloppiert?

Bis ganz nach oben hatte es der Drähtezieher von Diedorf mit seinen guten Verbindungen zur Politik geschafft. Aber dann, und ich vermute mal dass das der Fehler war, hat man doch ausgeplaudert, dass der Ryder Cup nicht für Reiter ist. Dabei lieben wir Deutschen Pferde fast so sehr, wie unsere Autos. Hätte man nicht sagen können, dass BMW eine Reitsportveranstaltung auf einem AUDI-Testgelände durchführt? Könnte Tiger Woods nicht als Fury auftreten? Dann wären die Millionen nur so gesprudelt. Aber nein. Golfer dürfen nicht schummeln, auch wenn es weh tut. Sonst würde der „Spirit of Golf“ verdunsten.

Langer erzählte weiter: Experten der KPMG (!) würden den DGV und die RC Deutschland beraten. Sie hätten in Budapest eine „Special Golf Unit“ für Europa aufgestellt. Eine „Special Golf Unit in Budapest. Das klang professionell, die Zuhörer spitzen die Ohren.
KPMG kennen wir von der RyderCup Bandenwerbung aus Wales. Ich bin sicher, es gibt gute Gründe, warum die RC Deutschland und der DGV gerade von den KPMG-Leuten beraten werden. Vermutlich, weil es keine deutschen Unternehmensberatungsgesellschaften gibt, die in Budapest eine Golf-Unit unterhalten. Wie auch immer – hier die Fakten: Die KPMG meint, der Golfmarkt könne wachsen! Bis zu eine Million Spieler konnten die Budapester Visionäre im Kaffeesatz zusammenzählen. Das sei natürlich nicht garantiert, denn wenn zuvor die Bienen aussterben, habe die Menschheit gerade mal sieben Jahre bis die Natur und somit der Mensch von der Erde verschwinden würde, so Einstein. Der Weltuntergang wäre dann genau 2018. OleOleoleoleoleee…
Sagte das Langer? Oder dachte ich das nur? Ich hätte diese Pillen doch nicht schlucken sollen.

Auf alle Fälle, sagte Erwin Langer, und zitierte dabei unumstößliche Fakten der KPMG, würde der Golfsport vermutlich wachsen. Der RyderCup könnte auf einen Gesamtumsatz  von ca. 250 Millionen geschätzt werden. Dabei könnten gut und gerne 60-80 Millionen an Steuern rum kommen. Zudem, so betonte der Langer Erwin, wird die geplante Golfanlage von privaten Investoren gebaut – offensichtlich ein bissiger Seitenhieb auf die Konkurrenten des Golfsports in Bayern, nämlich Bob- und Rodelbahnen-Betreiber, die wie Langer süffisant bemerkte, vom Steuerzahler finanziert werden müssen. Das sind Argumente!

Beim letzten RyderCup waren immerhin 1034 Journalisten akkreditiert, die dann, so Langer, „tatsächlich auch geschrieben und berichtet haben“. (Nicht wie in Pulheim, wo die schreibende Zunft nur herumsaß, um ihm die Haare vom immer noch stattlich braunen Schopf zu fressen. Aber nein, das sagte er nicht…)
Stattdessen nannte noch andere Zahlen, über die man nachdenken sollte: Zum Beispiel wurden zig hundert Artikel in Millionenauflage zum Thema Ryder Cup veröffentlicht, die unseren Sport populärmachen. KPMG hat auch, waren es 650 (?) Online-Veröffentlichungen zusammengetragen, mit insgesamt VIERMILLIARDEN KLICKS! Wow. Solche Serverzahlen kann nur bekommen, wer einen guten Draht zur CIA hat, die alle europäischen Logfiles speichert. Andere Zahlen habe ich vergessen habe, weil ich mittlerweile Hunger hatte. Trotzdem lauschte ich noch dem Herr Löhlein von der RC Deutschland, der Trauerarbeit leistete, in dem er von Begegnungen mit den Umfallern (u.A. Seehofer) auf dem politischen Parkett erzählte, das sich auch für die RC Deutschland Delegation offensichtlich als zu glatt erwies.

Als Präsident Nothelfer die RC Deutschland Delegation schließlich verabschiedete, war ich bereits draußen, um mitansehen zu müssen, wie das Buffet matschig wurde und die Köche am Rad drehten. Man war bereits reichlich über der Zeit. Unruhig hinkte ich auf und ab. Gequält von dem Gedanken, dass das Roastbeef vertrocknen könnte, ging ich Richtung Lobby und wer lief mir geradeweg in die Spur?:
Die RC Deutschland Delegation in Form von B. Langer, E. Langer und dem Pressesprecher Herrn Wäschle! Die Begegnung war unausweichlich. Die Herren hielten kurz inne. Kam da der Grund der Terrorwarnungen? Oder ein Golf-Pyromane, ein Fairway-Stalker? Ach, der Herr Pletsch“, seufzte Erwin Langer erleichtert. Der Gedanke, dass ich seinen Bruder Bernhard auf dem Weg zum Flieger noch in ein längeres Gespräch verwickeln könnte, um etwas Kurzweil in die Wartezeit vor dem Check In zu bringen, ließ Erwin Langers Augen leuchten, was ich jedoch nicht weiter beachtete, denn ich wandte mich an Bernhard Langer:
„Herr Langer, ich soll sie herzlich vom Herrn S., dem Manager vom GD in B. grüßen“.
Jetzt musterte mich Erwin irritiert und er hatte dieses freundliche Glitzern im Blick, bei dem seine Hostessen in Pulheim stets vor Freude in Tränen auszubrechen pflegten. Auch Bernhard Langer schaute verwundert. Aber dann sagte er höflich, wie es seine Art ist: 
„Das ist sehr nett, vielen Dank. Herzliche Grüße zurück.“ 

Die Plenumsdiskussion, die tatsächlich noch irgendwer vor dem Mittagessen anzettelte, habe ich verpasst. Voller Sorge hinkte ich um den Tisch mit dem Roastbeef, das sich schließlich letztendlich doch noch als zart und lecker herausstellte. Auch die Beilagen und das Dessert waren vorzüglich. Ob das DGV-Mittagessen von dankbaren VcG-Spielern gestiftet wurde, konnte ich nicht in Erfahrung bringen.
Der zweite Teil des Nachmittags (Details bitte ich den vielen Pressemeldungen zu entnehmen) war geprägt von hochprozentigen Abstimmungsergebnissen.
„Volkskammer-Qualität“ nannte das ein älterer Kollege. “So wurde damals beim alten Brügelmann abgestimmt, der seinen Laden noch im Griff hatte“.
Ich führte noch einige konspirative Gespräche und verkrümelte mich dann, um dem Moloch der Parkhaus-Betreibergesellschaft 27.- € zu opfern, was ich mir wieder reinholen werde, wenn ich der Gießener Uni-Blutbank nächste Woche echtes Pletsch-Blut verkaufe.

Mit B. Langer anlässlich eines ProAms in Pulheim.

(c) by Eugen Pletsch

Lesen führt zum Träumen (2015)

Letzte Woche spielten wir in gesitteter Gesellschaft neun Loch auf Sommergrüns, wobei ich meine mäßigen Drives durch mein kurzes Spiel einigermaßen ausgleichen konnte.

Nach der Runde versuchte ich im Clubrestaurant, eine Kiste Golfbücher zu verschenken. Obwohl ich nicht nur anspruchsvolle Bücher dabei hatte, sondern auch belletristische Titel wie die von John Daly oder Michelle Wie stieß ich auf wenig Interesse. Nur ein Buch mit dem Titel „Wie Pferde denken“ bin ich schließlich losgeworden. Das war‘s. Offensichtlich wollen Golfer nur noch Videos kucken.

Einst gab es in der tristen, kalten Jahreszeit nichts Schöneres, als sich mit einem lehrreichen oder lustigen Golfbuch oder Bildband in den Sessel zu setzen. Wie eine Tulpenzwiebel keimte dann in uns die Hoffnung auf, dass sich unser Spiel durch ein kleines Wunder in der kommenden Saison entscheidend verbessern könnte. Selbst wenn unser Spiel im Kompost unauslöschlicher böser Erinnerungen vor sich hin rottete, brachte uns das Lesen von Golfbüchern den Glauben an die blaue Tulpe zurück, die sich eines Tages öffnen würde, um in aller Schönheit zu erblühen.
Solange der Platz geschlossen war, träumten und summten wir in stillem Glück, während wir unsere Schläger polierten, die Griffe erneuerten und das Bag ausmisteten. Wir checkten Lofts und Lies, trugen uns mit dem Gedanken ein langes Eisen durch ein Hybrid zu ersetzen und versuchten bei unseren Schwungübungen im Trockendock herauszufinden, wie sich der Schlag in der kommenden Saison anfühlen würde.

Mit der Gewissheit, dass es immer wieder Menschen geben wird, die den ursprünglichen Geist unseres Spiels suchen und die Tradition des Spiels bewahren und weitergeben werden, warteten wir auf den Geruch von Frühling und Erde und sehnten den Tag herbei, an dem wir die erste Runde bei frühlingshafter Witterung spielen könnten. Bis dahin lasen wir Golfbücher wie Ben Hogans „Golfschwung“ und Illusionen von langen, geraden Drives und gelochten Putts wärmten unsere Golfer-Seelen. Mir ging es zumindest so und, soweit ich weiß, auch anderen Golfern.
Lesen – darauf will ich hinaus – führt zum Träumen. Vor sich hinträumen führt zu einer inneren Landschaft, die wir ausgestalten können. Heute weiß man aus der Wissenschaft, dass eine genaue Vorstellung tatsächlich Berge versetzen kann. Alle großen Golfer haben sich auf diese Weise ihr Spiel, Ihre Karriere, ihre Zauberschläge erträumt bzw. visualisiert.
Ich weiß: Mit meinen Ansichten stehe ich auf so einsamem Posten wie dieser japanische Soldat, den man auf einer philippinischen Insel vergessen hatte und der mehr als 20 Jahre ausharrte, bis man ihm sagte, dass der Krieg längst zu Ende wäre.
Erinnerungen, Träume – so antiquiert wie die Idee, sein Persimmon-Holz zum Saisonstart abzuschmirgeln, um es neu zu lackieren. Aber mancher Pro und mancher ältere Spieler weiß, wovon ich rede. Für Neugolfer gäbe es jedenfalls noch viel zu entdecken, aber statt zu träumen und zu visualisieren gieren sie nach den Fakten. Die bringt das Video-System des Golflehrers und mit den Bildern kommen die Informationen, was alles falsch gemacht wird. Und wenn man nur dran denkt, was man falsch macht, bleibt kein Raum um den nächsten Schlag zu visualisieren.

Die Frage ist, ob alle Golflehrer tatsächlich etwas mit Analyse-Systemen wie Scope anzufangen wissen oder ob manche nur Verwirrung stiften?

Professional Nigel Elder meint dazu: „Die PGAs bringen immer mehr Golfprofessionals hervor, die ihren Kunden immer mehr technische Ratschläge geben, die es einfach so schwierig machen, sich zu verbessern. Wenn man klugen Leuten wirklich zuhört, weiß man, dass jede Unterrichtsstunde, die sie nehmen, es nur noch schlimmer macht. Niemand sagt ihnen, dass sie sehr lange üben müssen, um ihren Schwung zu ändern oder diese neue Position zu lernen. Es ist ein Schneeballsystem.“

Mein Kommentar dazu (damals auf Facebook): „Wahre Worte“, worauf mir ein renommierter Golflehrer sofort schrieb: „Vielleicht hat Herr Elder da was nicht ganz richtig gemacht…. Meine Schüler würden meinen Plan nicht füllen, wenn sie keine nachweisliche Verbesserung sähen.“

Bei diesem Pro bin ich sicher, dass dem so ist, denn er gehört noch zur alten Schule. Aber wie oft hört man, dass viele Pros ausgebucht sind, obwohl man bei ihren Schülern keine „nachweisliche Verbesserung“ erkennen könnte. Wie auch, solange nicht das Spiel und das Ziel, sondern der „Schwung“ im Mittelpunkt der Bemühungen steht?

Die These, dass nur der optimale Schwung optimalen Spielerfolg ermöglicht, möchte ich zumindest im Amateurgolf in den Handicap-Klassen B, C, D, und F mal ganz vorsichtig hinterfragt haben. Es ist wie mit meinem Lieblingsthema, den Ärzten: Die Praxen sind voll, aber die Leute werden immer kränker. Ist doch so, oder? Die meisten Golfschüler (und Patienten) reden doch von nichts anderem. Das hängt aber – und da hat Nigel recht – damit zusammen, dass man uns „Golfpatienten“ nicht klar macht, wie lange wir für eine echte Veränderung sprich Gesundung arbeiten müssten.

Wenn mir jemand auf dem Platz erzählt, er habe in drei Trainingsstunden seinen „Schwung umgestellt“, dann kann ich nur lächeln. Rainer Mund spricht von ca. 6000 optimal (!) getroffenen Bällen, bis eine Schwungänderung wirklich im Körper angekommen ist. Nicht 6000 Schläge, sondern 6000 optimal (!) getroffenen Bälle!

Wer kann das heutzutage leisten? Wer kann das auch nur von sich verlangen? Vielleicht sollten manche Pros deshalb nicht so viel am Schwung schrauben, sondern den Leuten stattdessen zeigen, wie sie mit möglichst wenigen Schlägen von A nach B kommen.

Wir brauchen Golflehrer, aber bitte solche, die uns nicht mit Pseudo-Platzreifekursen, Fake-Fitting und ‚Paralysis by analysis‘ verarschen!

Ein Golflehrer sollte die Basics lehren, also Stand, Griff und Ausrichtung und das immer wieder bis zum St. Nimmerleinstag. Außerdem sollte er/sie hin und wieder mit uns über den Platz gehen um zu sehen, wo es hakt, wenn es nicht fließt. Es ist nicht immer der Schwung und auch nicht immer der Kopf.
(Neuerdings ist zu vermuten, dass manche Leute nicht allein deshalb schlecht spielen, weil sie vom Disput zwischen Self 1 und Self 2 zermürbt werden, sondern weil die GPS-Angaben nicht mit ihrem inneren Entfernungsgefühl übereinstimmen!)

Ergo ist es kein Wunder, wenn leise Kritik an der „modernen“ Golflehre flüsternd durch die Foren-Flure sickert und „mündige Patienten“ beginnen, sich über Methoden wie ‚Self Coaching‘, ‚Inner Game‘ und ‚differenzielles Lernen‘ zu informieren.

Golf lernen hat mit Selbstverantwortung zu tun. Punkt. Wenn wir die Verantwortung für unser Spiel an einen Golflehrer abgeben (oder die Verantwortung für unsere Gesundheit an einen Arzt), dann bekommen wir langfristig Probleme.

Noch mal: Wir sind für uns selbst verantwortlich! Wir können Fachleute um Hilfe bitten, aber wir sind es, die am Abschlag stehen und den Ball treffen müssen. Egal ob Pro oder Arzt: Beide können uns viel Blödsinn erzählen, so lange wir unser Hirn ausschalten, anstatt kritisch zu betrachten, ob es uns nach der Behandlung besser geht oder nicht.

Ist der Ball auf der Bahn oder im Rough? Da liegt die Latte.

(c) 2015 by Eugen Pletsch

Drei Bekloppte im Nebel

Draußen liegt dichter Nebel, der sich gar nicht auflösen will. Das erinnert mich an jene längst vergangenen Tage, an denen ich noch ein knallharter Allwettergolfer war. An eine Runde kann ich mich ganz besonders entsinnen…

Draußen war Frost und dichter Nebel und ich dachte: Heute ist der Platz so, wie ich ihn mag: menschenleer. Also rief ich im Club an. Der Manager sagte mir, der Platz sei offen und die Wintergrüns bespielbar. Es sei aber sehr frostig und neblig. Na und? Ich war damals kein Warmduscher, sondern ein Allwettergolfer, der auch unter verschärften Bedingungen arbeitete.

Als ich ankam, sah ich auf dem Parkplatz nur wenige Autos. Es lag wirklich dichter Nebel über dem Platz, so dass ich meinen Studien ohne größere Belästigung seitens anderer Golfer würde nachgehen können. Pitching- und Puttinggrün waren noch vereist, ebenso die Abschlagsmatten. Auf der Driving Range reichte die Sicht nicht mal bis zur 50-Meter-Markierung. Drei dick eingemummte Bekloppte schlugen ihre Bälle ins Nirgendwo. Diese Leute waren mir ein Rätsel. Was sollte der Schwachsinn. Es war kalt, es war gefroren und man sah keinen Ballflug. Normales Training war vollkommen absurd.

Bei mir war das anders. In Büchern über ZEN und die Kunst des Bogenschießens wird beschrieben, wie der Adept manchmal jahrelang mit dem Bogen übt, ohne einen Pfeil aufzulegen. Wenn er dann den Pfeil auflegen darf, dann steht er gerade mal einen Meter vor dem Strohballen, und das für weitere Jahre. Dieses Üben ohne Ziel, dieses Erspüren des Nebulösen jenseits meiner Möglichkeiten –– gerade deshalb war ich hierher gekommen. Das hatte überhaupt nichts damit zu tun, dass ich es zu Hause nicht aushielt und undbedingt Bälle kloppen müsste, wie dfas bei anderen Spinnern der Fall war.. Nein – was ich praktiziere, war eine uralte, fernöstliche Kunst.

Nach ein paar Dehnübungen, die etwas hastig gerieten, weil es doch recht frisch war, begann ich mit meinen rituellen Handlungen. Ich gedachte, erst mal eine halbe Stunde Schwünge ohne Ball zu üben. Übungen der Mitte. Langsam, in perfekter Harmonie mit dem Universum und mit der unvergleichlichen Eleganz, die meinem Schwung nachgesagt wird.

Aber, ach was soll‘s. Ich schlug doch lieber ein paar Bälle, denn ohne Bälle war es irgendwie langweilig. Eine zeitlose Trance umgab mich. Die kühle Harmonie von Eisnebel und Unendlichkeit. Darauf folgte die Wirklichkeit, die mich mit nasskalter Luft umfing. Ich wachte aus meiner Trance auf und merkte, dass das Körbchen leer war. Wie schnell doch ein Korb mit Bällen verschwinden kann, wenn man in vollkommener universeller Harmonie agiert. Die Zeit schien auch stehen geblieben zu sein. Es waren knapp zehn Minuten vergangen. Eistropfen hingen an meinem Holz. Gleich werden die Jungs kommen und dann geht es auf, ins große Nebelmatch, dachte ich.
Die drei Bekloppten standen mittlerweile auf dem Puttinggrün. Was sollte denn das? Ihre Bälle rollten durch den angetauten Reif, der einen Eisring um den Ball bildete. Vollkommen sinnlos, jetzt Putten zu üben. Es ist außerdem wirklich schlecht für das Grün, wenn man bei Frost drauf rumläuft. Aber es ist nicht meine Sache, anderen Leuten reinzuquatschen.

Also ging ich auf das Puttinggrün. Neben mir die schemenhaften Gestalten, die Eisbröckchen von ihren Bällen wischen. Ich puttete ein paar Loch, stellte fest, dass sich ein Eisring um den Ball bildete und hob den Ball demonstrativ auf, in der Hoffnung, dass die anderen meinem guten Beispiel folgen würden. Leider nicht. Sie konnten mich wohl nicht erkennen.

Ich trabte zum Clubhaus zurück und bestellte einen Cappuccino. Seit der 2,50 Euro kostet, also nach meiner Währung fünf Mark, bestelle ich nur noch selten Kaffee und wenn, dann trinke ich ihn ganz langsam, Schluck für Schluck. Ich nahm meinen Keks, den ich genüsslich auf der Zunge zerschmelzen ließ. Einige Mitglieder saßen am Nachbartisch, tranken Kaffee und überlegten, ob sie bei diesem Wetter spielen sollten. Nein, sie wollten doch nicht spielen. Es war ihnen zu neblig. Sie machten sich auf und jemand ließ seinen Keks liegen, den ich mir sofort schnappte. Das war mein Glückstag und ich war ein Glückskeks.

Es zog mich zum 1. Abschlag. Wenn niemand kommt, gehe ich eben alleine, dachte ich. Ich spielte oft alleine. Eigentlich meistens. Kann sein, dass niemand mit mir spielen will, weil ich etwas wunderlich bin und mir jetzt auch noch die Haare wachsen lasse, nachdem ich in einer Fachzeitschrift las, dass langes Haupthaar ein Symbol von Freiheit sei.

Die drei Bekloppten waren mittlerweile verschwunden. Auf der Driving Range standen ein paar neue Spukgestalten, die sich dehnten und streckten und hofften, dass die fahle Sonne, die unwirklich hinter dem Nebeldunst schimmerte, bald herauskam. So lange wollte ich nicht warten. 

Der 1. Abschlag war frei. Ein vollkommen leerer Platz. Der Winterabschlag war nach vorne verlegt worden, aber ich konnte kaum über den Graben sehen, der direkt vor dem Damenabschlag verläuft. Dahinter war eine große, dichte, weißgraue Wand. Mit müheloser Geschmeidigkeit butterte mein Spoon durch den Ball, der eine Sekunde später in der weißen Watte verschwand. Was für ein herrlicher Tag, um ZEN-Golf zu üben. Die Unwirklichkeit des Seins umfing mich nach wenigen Schritten und ich wurde vom Nirwana verschluckt. An meinen Schritten merkte ich, dass es bergauf ging und ich auf der Linie war. Wie geplant lag mein Ball bei 170 Metern. In der steilen Bergauflage nahm ich meinen Baffler und der Ball zischte davon. Nach hundert Schritten sah ich, was der Manager mit Wintergrün meinte. 20 Meter vor dem Grün hatte man ein breiteres Loch mit einer Fahne in den Boden eingelassen und die Fläche drum herum geschoren. Mein Ball war zu weit geflogen. Ich chippte zurück und versenkte den Ball in dem extrabreiten, yipsfreundlichen, für Golfneurotiker tauglichen Winterloch zum Par.

Die nächste Bahn, ein Par 3, spielte ich in vollkommener Einsamkeit und Stille. Irgendwo ist Nirgendwo, und ich war mittendrin. Das Grün war auch hier vorverlegt und ich musste vom Sommergrünrand delikat zurückchippen, was mit dem Pitchingwedge zum erotischen Genuss wurde. Jedes Alter hat nun mal seine Schmankerl.

Dritte Bahn: Ich traf das Holz wunderbar weich, aber der Ball lag nicht bei 175 Metern, wo er sein sollte. Ich stellte mein Bag ab und ging auf 150 Meter zurück. Ich sah das Bag kaum noch. Suchend lief ich hin und her. Der Nebel wurde dichter. Der kurze Anflug von Sonne hatte sich längst verabschiedet. Wenn ich ehrlich sein soll, muss ich zugeben, dass ich die Orientierung verloren hatte.

Das ist die verschärfte Form von ZEN-Golf. Der Weg ist das Ziel und dann ist auch der Weg plötzlich weg.

Alles aufgeben, alles loslassen, sagt Suzuki Roshi. Alles löst sich auf. Sein und Nichtsein sind weiße Watte in einem Universum voller Bälle, die zu kleinen kalten Tropfen verdichtet in der Luft hängen. ZEN und die Kunst, den Weg loszulassen. WOW. Davon habe ich immer geträumt. Aber ehrlich gesagt, war diese weiße Einsamkeit nach einer Weile etwas nervtötend, wenn man, wie ich, jetzt schon 15 Minuten im Kreis tappte und nichts, aber auch gar nichts an die 3. Bahn erinnerte. Hatte ich eine Zeit-Raum-Schranke durchschritten und war mitten in der Milchstraße gelandet?

Nein – Fakt war: Ich stand auf der 3. Bahn, es war dichter Nebel und links musste irgendwo der Kurzplatz sein. Aber ich konnte nicht mehr sehen, wo vorne und hinten, geschweige denn, wo links war. Beim Suchen hatte ich mich zu oft gedreht und war im Kreis gelaufen. Mein Kompass und mein Survival-Kit waren im Bag, das ich auch nicht mehr sehen konnte. Was, wenn die Sonne heute nicht mehr herauskommen würde? Wenn niemand mehr abschlagen würde? Wenn es dunkeln würde und ich würde am nächsten Tag erfroren aufgefunden werden? Wäre das ein angemessener Tod für einen Golfer?

Ich musste mein Bag finden. Darin waren Wasser, Brot, Beruhigungsmittel und die Signalpistole, die ich seit dem »Round-Robin-Turnier« in Baden-Baden stets mit mir führe. Ich möchte nicht verhehlen, dass ich eine leise Panik spürte. Es war nicht die Angst vor dem Eistod – nein – es war die Schande vor dem Gelächter, in das alle ausbrechen würden, wenn sich im Club rumspräche, dass ich mich auf der 3. Bahn verirrt hätte. Was nun?
Ich überlegte, laut um Hilfe zu rufen. In früheren Survival-Kursen hatte ich gelernt, dass Spaziergänger im Schwarzwald, die von Eis und Nebel überrascht wurden, nur wenige Meter von der Straße tot aufgefunden wurden, weil sie erstens nicht früh genug angefangen hatten, ein Nachtlager vorzubereiten, und zweitens nicht laut um Hilfe rufen wollten, weil sie das peinlich fanden. Mir war das auch peinlich, also lieber der erste Eis-Tote sein, als diesen Spott ertragen! Irgendwer, der mit seinem Hund am Waldrand rumläuft, zum Beispiel der Manager oder die Frau des Pros, würde mich finden. Sollte ich wirklich rufen? Nein, ich wartete noch. Eigentlich brauchte ich ja nur in eine Richtung gehen. Dann müsste ich zum Wald kommen oder zur Autobahn oder zu einem mir bekannten Loch. In diesem Moment trat ich auf meinen Ball. An der Spur im frostigen Gras erkannte ich, aus welcher Richtung er gerollt war. Also musste dort der Abschlag sein. Da die Spur länger war und eine Linkskurve hatte, musste ich den Ball gehookt haben. Ergo wusste ich, wo Nord-Nordost ist beziehungsweise wo das Grün lag. Ich schlug den Ball mit dem Baffler in die vermutete Richtung und lief hinterher. Nach 26 Schritten stand ich an meinem Bag. Der Kompass bestätigte meine Richtungsvermutung. Ich überlegte, ob ich ein kleines Signalfeuer machen sollte, fand aber kein Brennmaterial und lief weiter meinem Ball nach. Der lag, wie immer, hinter dem Wintergrün. Golf kann so einfach sein!

Am nächsten Tee wollte ich gerade abschlagen, als ich vor mir leises Klappern und Stimmen hörte. Ein Suchtrupp? Hunde? Warme Decken und heißer Tee? Ich hatte keine Ahnung, wer beziehungsweise wo diese Menschen auf der 4. Bahn vor mir waren. Ebenfalls Verirrte? Ich würde ihnen helfen. Deshalb schlug ich nicht ab, sondern lief vor. »Halloooo!« Nach hundertachtzig Schritten Süd-Südwest sah ich den ersten von den drei Bekloppten, der gerade versuchte, seinen Eisball aus dem gefrorenen Sand des Fairway-Bunkers zu hacken. Er sah nicht, dass seine beiden Kollegen direkt vor ihm liefen. »Achtung«, rief er im letzten Moment, während geeiste Sandbrocken durch die nasse Luft spritzten. »Hallooo!« Endlich bemerkten sie mich. »Hi, ich konnte nicht abschlagen, da ich nicht wusste, wie weit Sie vor mir sind.« Ich dachte, die drei Bekloppten würden mich jetzt um Hilfe und Orientierung bitten, aber nix da. Sie hatten gesunde, rote Backen, vermutlich eine gebratene Schweinehälfte und fette Brote in ihrem Bag und schienen auch zu
wissen, in welcher Richtung Süden lag. Keine Spur von Panik in ihren Gesichtern.

»Jemand vor Ihnen?«, fragte ich.

»Wissen wir nicht.« – »Kann man ja auch nicht sehen«, kicherte einer.

»Das ist mir zu gefährlich«, sagte ich, »Verursacherprinzip in der Rechtsprechung. Kann ich mir nicht leisten. Gibt Punkte in Flensburg.«

»Oha!« Die drei Bekloppten nickten, zuckten aber mit den Schultern und hackten sich weiter Richtung Süden, wo eine kaum sichtbare Sonne, hinter dichtem Milchglas verborgen, die Hoffnung weckte, dass der Tag doch noch schön werden könnte.

Hartnäckige, durchgeknallte Neugolfer, die auch im Nebel ihrem Handicap hinterherjagen. So irrsinnig, wie ich früher war, als ich noch bei Eis und Nebel über die Plätze lief, dachte ich. Aber ich war tolerant, grüßte höflich und verschwand.

Die vierte Bahn führt, wenn man ihre rechte Seite entlanggeht, zum 11. Abschlag. Und die 11. Bahn führt ins Tal zum Clubhaus. Dort waren Menschen, Wärme, heißes Wasser und Feuer. Durch nasses Gras schlurfte ich zum 11. Tee und schlug meinen Ball mit dem Spoon in die große, weiße Wattewand. Es ging gen Westen, nach Hause. Der Kompass stimmte mir zu.

(Aus: Golf Gaga – Der Fluch der weißen Kugel“)