Was mich am Golfsport begeistert ist, dass sich die merkwürdigsten Menschen finden und manchmal sogar dicke Freunde werden.
Häufig sind es im Schnupperkurs zusammengewürfelte Leidensgenossen, die sich auch nach der Platzreife treu bleiben, zusammen ihre ersten Erfolge und Niederlagen teilen, um die Fairways in den nächsten Jahren als Dreier oder Vierer stets zur gewohnten Zeit in Länge und Breite zu durchpflügen.
Manchmal sind es nur zwei Spieler, die sich sympathisch sind und im Laufe der Jahre mehr Zeit miteinander zu verbringen, als mit ihren Ehepartnern.
So ist es auch beim Dr. Schmieder und dem ‚Pfefferle‘. Die zwei sind wirklich ein herziges Paar. Aus 300 Metern erkennt man sie selbst bei Gegenlicht an der Silhouette, den spangelangen Hagestolz Schmieder und das nudeldicke Pfefferle.
Der Schmieder und das Pfefferle (wie man sie bei uns nennt) könnten unterschiedlicher nicht sein, Antipoden, das jeweilige Ende einer Wurst.
Pfefferle, der treffend mit ‚noch einen Kopf kleiner als Norbert Blüm‘ beschrieben wird (falls das überhaupt geht), hatte sich als Maurer von der Pieke an hochgearbeitet, sozusagen aus dem Keller hoch in das Penthouse, in dem er heute als reicher Bauunternehmer residiert.
Sein Eintritt in den Golfclub Bauernburg hing damit zusammen, dass er – wie viele andere gierige Hamsterbäckchen der Region – hoffte, unserem Magnaten und einstigen Förderer des Clubs zu begegnen. Pfefferles Traum war, in der benachbarten Kreisstadt mit seinen mittelalterlichen Winkeln und Gassen das erste Hochhaus zu errichten, „so mit Parkhaus, Einkaufcenter und dem ganzen Drum und Dran“, wie er gerne ausführte. Natürlich nicht mit eigenem Geld! Solche riskanten Investments werden in Bau- und Bankenkreisen grundsätzlich via OPM (other peoples money) abgesichert.
Leider verstarb der Herr Magnat bevor ihn Pfefferle in einem Moment der Umnachtung hätte beschwatzen können. Während der Verlust des Förderers den Bauernburger Golfclub ins Elend stürzte, hielt sich Pfefferles Enttäuschung in Grenzen. Da ihn der Anblick von unbebautem Land stets in Erregung versetzt, liebt er das Golfspiel als genüssliche Frischlufttätigkeit – nicht mehr und nicht weniger.
Die brachiale Kraft in Pfefferles Maurer-Armen sorgt dabei für manche Überraschung in Wald und Flur und wenn er Jagdzeit hat und seine Kugel pfeift, springen Mensch und Tier, um hinter dicken Eichen- und Buchenstämmen Schutz zu suchen. Bei aller Streuung ist Pfefferle trotzdem ein Golfer geworden, mit dem man im Matchplay zu rechnen hat, denn er ist, wie alle Bauunternehmer (mit einem Bündel Schwarzgeld in der Tasche) vollkommen nervenfrei.
Selbst bei einer Runde gegen einen Finanzinspektor läge sein Ruhepuls bei 60 Schlägen (wobei Finanzinspektoren natürlich kein Golf spielen). 60 Schläge sind bei Pfefferle auch sonst die Norm. So viele Schläge braucht er auf neun Loch, 120 Schläge auf achtzehn Loch, zumindest auf Plätzen mit breiten Fairways. Auf engen Plätzen kann er diesen Schnitt nicht halten, worüber die kugelförmige Frohnatur jedoch nur lachen kann. Er gibt dann sogar noch einen Witz zum Besten, einen vom Bau, der recht deftig werden kann. Dann lacht das Pfefferle und wenn es ihn so richtig packt, hält er sich den Bauch vor Lachen und alle werden von seinem Lachen angesteckt und lachen mit – manchmal sogar der Dr. Schmieder.
Dr. Schmieder, wie gesagt das andere Ende der Wurst, ist Historiker wie unser Vize Prof. Klausthaler. Es muss erwähnt werden, dass er mit seiner Promotion über den Bau der Pyramiden fast gescheitert wäre, weil er in seiner Inauguraldissertation nach ausgiebiger Recherche aller erreichbaren Forschungsergebnisse die Meinung vertrat, dass keine physikalische Technik, kein Hebel und keine Rolle in der Lage gewesen wäre, Steine dieser Größe in pyramidenförmige Höhen aufzuschichten. Vielmehr schloss er sich der Meinung von Drunvalo Melchizedek und Erich von Däniken an, nach der Außerirische die Pyramiden erbaut haben. Mit dieser Dissertation wäre er voll an die Wand gefahren, wenn ein eiaculatio praecox nicht vorzeitig zur Ehe und der Einsicht geführt hätte, dass es, um sich einen Lehrstuhl zu ergattern, klüger war, den offiziell gängigen Lehrmeinungen zu huldigen.
Insgeheim blieb er natürlich bei seinen Ansichten treu und dann, Jahre später, entdeckte Dr. Schmieder das Golfspiel.
Dass er seine Bälle weder durch Hebelkraft noch durch Rollen an den von ihm gewünschten Punkt befördern konnte, machte das Geheimnis des Golfschwungs für ihn ebenso faszinierend wie das Geheimnis der Pyramiden.
Noch heute glaubt Schmieder fest daran, dass ein Ball durch Gedankenkraft gesteuert werden kann und dass er mit diesem Glauben nicht allein ist, beweisen die viele Golfer, die ihren Bällen laut hinterherrufen, um Fluglänge und Richtung zu korrigieren.
Ansonsten ist Dr. Schmieder ein stiller Feingeist, ein gesitteter Mensch, dem alles Laute, Brachiale und Ordinäre, das den Golfsport allerorts zu überrennen droht, ein Gräuel ist. Feingliedrig, hager und (wie viele Vegetarier) mit zu wenig Nervenfett ausgestattet, stakst er über die Aue und schluckt wie ein Marabu, wenn er seinen Drive verschießt. Dann zittert er wie ein Vogel, der Nässe aus seinem Gefieder schüttelt, dehnt das Gebälk und holt erneut aus, um den 2. Schlag, meist schnurgerade, auf die Bahn zu schicken.
Sein Handicap von 28 hatte sich Dr. Schmieder an jenem glücklichen Tag zusammengekegelt, an dem er erstmals mit dem Pfefferle spielen sollte. Das Schicksal einer grausamen Starterliste hatte ihn in eine Gruppe verbannt, die, wie ihm schien, nur aus Brüllochsen bestand. Nicht zuletzt deshalb konnte er in der Nacht vor dem Turnier keine Ruhe finden. Ob er seine Meldung zurückziehen sollte? War da nicht ein Kratzen im Hals? Sein Rücken schien ihm auch verspannt. Warum war er so verrückt gewesen, sich bei diesem Turnier anzumelden? Hatte er keine Vorlesung vorzubereiten? Andererseits: Sollte er den anderen die Preise wirklich kampflos überlassen? Dr. Schmieder quälte sich bis er schließlich mit sorgenschweren Gedanken einschlief, um am nächsten Tag mit total gerädert aufzuwachen.
Seine Mitspieler waren Ernst Müller, Hans Habicht und der Kugelblitz Pfefferle. Entgegen seiner Befürchtungen waren diese Mitspieler feine Kerle mit solider Etikette-Kenntnis und besonders Pfefferle, vor dessen Lachsalven er sich am meisten gefürchtet hatte, spielte ruhig und besonnen, lobte auch mal und war dankbar, wenn man ihm half, seinen Ball im Nachbartal aufzuspüren.
Die Warterei in der prallen Sonne, besonders an der 7. Bahn, brachte das Gespräch auf die Baukunst der Ägypter. Pfefferle, stolz auf seine proletarische Vergangenheit, meinte, dass es nicht die Pharaonen waren, die die Pyramiden erbaut hätten, sondern die Sklaven. Es kam zu einem Disput. Hans Habicht meinte, kein ungebildeter Slave hätte sich so ein Weltwunderbauwerk ausdenken können. Ernst Müller, ein SPD-Mann, also jemand der in einem Golfclub eigentlich gar nichts zu suchen hat, unterstütze die Pfefferle-Fraktion indem er sagte, dass auch die Architekten Sklaven gewesen wären. Alle wären Sklaven und heute wäre das nicht anders, weder im Journalismus, noch in der IT-Branche, wo er sich gut auskennen würde.
Darauf stürzte sich Hans Habicht auf ihn und fragte den Ernst, ob er das ernst meinen würde. Die neue SPD wäre zwar wie die alte CDU, was legitimieren würde, dass er Golf spielt…aber solche Sprüche über die Sklaverei…da müsse er doch sehr bitten.
Plötzlich trat Dr. Schmieder vor, der bisher geschwiegen hatte und führte aus, dass keine physikalische Technik, kein Hebel und keine Rolle in der Lage gewesen wären, Steine dieser Größe in pyramidenförmige Höhen aufzuschichten. Seine eigenen Forschungen würden die Meinung von Drunvalo Melchizedek und Erich von Däniken bestätigen. Die anderen nickten, Erich von Däniken…von dem hatten sie schon mal gehört. Pfefferle, der bei seinem Marsch durch die Instanzen vom Keller bis zum Penthouse gelernt hatte, dass es zwischen Himmel und Erde viel mehr gibt als die Wissenschaft zu erklären weiß, schaute den hageren Dr. Schmieder bewundernd an und meinte in Richtung Habicht und Müller, dass man von einem Mann wie Dr. Schmieder viel lernen könnte.
Schmieder, dem jegliche Anerkennung seiner Thesen bezüglich außerirdischer Baukunst bislang versagt geblieben war, bedankte sich für das Kompliment und meinte, dass er nichts lieber tun würde als sich mit einem Experten wie dem Pfefferle über die Geschichte der Baukunst auszutauschen.
Das war der Beginn ihrer Freundschaft. Das Grün der 7. Bahn war schließlich frei geworden und weil Dr. Schmieder so glücklich darüber war, einen verständnisvollen Menschen gefunden zu haben, blieb er ganz entspannt und spielte die Runde seines Lebens.
Unser Halfway-House, das Jahre später, als die alte Hütte abgebrannt war, von Pfefferle nach den Vorgaben des Dr. Schmieder neu erbaut wurde, hat selbstverständlich die Form einer Pyramide. Wer sich mit dem Geheimnis der Pyramiden beschäftigt wird schnell erfahren, warum die Wurst- und Käsestullen in unserem Halfway-House länger frisch bleiben als sonst wo und warum müde Spieler nach einer viertel Stunde auf dem Bänkchen in der Pyramide erfrischt und gestählt weiterspielen können.
Das ist, was ich so schön finde, an diesem Spiel. Man trifft die merkwürdigsten Leute und manche werden sogar gute Freunde und bauen Pyramiden.
(c) by Eugen Pletsch