Golf als Übungsweg

Wir praktizieren den Weg und das heißt, wir üben, die Begierde loszulassen. Erst dann kann Sport auch mehr werden als einfach nur Sport, nämlich Weg-Übung, Weg-Praxis.
Dieser Satz stammt aus Fumon S. Nakagawas Buch „ZEN, weil wir Menschen sind“, das 1997 im Theseus-Verlag erschienen ist.

Was heißt: Golf als Übungsweg? Demut und so…? Ja, auch, aber eigentlich geht es um viel mehr: Jeder Golfschlag ist eine unwiderrufliche Handlung, die im Idealfall etwas Vollkommenes ausdrückt. Der Putt nimmt dabei eine besondere Rolle ein, weil er sozusagen als Klimax die Folge der vorherigen Schläge auf der Bahn abschließt und, wie kurz er auch sein mag, als voller Schlag gezählt wird.
Ein Golfschlag erfordert Mut, Entschlusskraft und die Fähigkeit, den Schlag so auszuführen, wie man ihn beabsichtigt. Rainer Mund nennt das ‚Den Schlag zum Ball bringen‘.
Golfen heißt in diesem Kontext, körperliche Fähigkeiten mit Übungen zu verbinden, die den Geist stärken.

Das ‚Hagakure‘ bezeichnet dies als entschlossenes Handeln am Rande des Wahnsinns, was der Golfrunde eines Tour-Spielers entsprechen könnte, während der Alltag eines Amateur-Golfers doch eher vom unentschlossenen Handeln in Mitten des Wahnsinns geprägt ist.

Mancher Adept des Golf-Weges macht aus seiner Faszination gegenüber japanischen Kampfkünsten kein Geheimnis. Ähnlich dem Manager, der „Die Kunst des Krieges“ von Sunzi unter dem Kopfkissen bewahrt, erhofft er sich aus den martialischen Texten der Samurai-Tradition, den Mut zum eigenen Biss anzulesen.

Zur Frage, wie ein Golfer mit Emotionen, Gedanken und Ängsten umgehen soll rät Zen-Autor Jan Willem van de Wetering:
Mach weiter, tu dein Allerbestes. Und mach dir klar, dass es keine Garantie dafür gibt, dass du es jemals schaffst.“
Das ist ein Satz der Mastery-Orientierung ausdrückt und mit diesem Satz, der wenig Mut macht, müssen besonders die Golfprofis leben, die jede Woche neu versuchen, ihr Bestes zu geben.
In dem Zusammenhang fällt mir „Fearless Golf“ von Dr. Gio Valiante ein. Valiante empfiehlt dem Golfer ‚Mastery-Orientierung‘, was im Gegensatz zur ‚EGO-Orientierung‘ bedeutet, dass der Spaß im Lernen und der damit verbundenen Verbesserung (Kaizen) steckt. Die Motivation, sich zu verbessern, bedarf keiner externen Belohnung (Preise). Hindernisse werden als Herausforderung betrachtet, sie stellen keine Bedrohung dar. Überhaupt liegt der Focus darauf, den Platz zu spielen, anstatt andere Golfer im Wettbewerb zu schlagen. Wettbewerb wäre höchstens die Gelegenheit erworbene Fähigkeiten zu testen und zu perfektionieren, aber die Motivationen des Ego-Golfers sind ansonsten ohne Bedeutung.

Ein Ego-Golfer spielt, um der Erwartung anderer gerecht zu werden. Sein Selbstwertgefühl hängt von seiner Leistung im Vergleich mit anderen ab oder wie Vagliante sagt: „Ein guter Score ist (dem Ego-Golfer) wichtiger, als gut zu spielen.“
Ego-Golfer gieren nach Preisen, Auszeichnungen, Anerkennung und einem besseres Handicap. Deshalb ist ihr Spiel weniger von Freude, sondern mehr von Versagensangst bestimmt.

Ist der Spieler ‚in the zone‘, ist seine unmittelbare Handlung ohne Anhaften an Gedanken des Vorhin und Nachher. Sind die technischen und mentalen Hausaufgaben tausendfach geübt, passiert ES – sofern man ES zulassen (loslassen) kann.
Ob ES dann wirklich passiert, ist Gnade oder Glück, oder wie immer man dieses absichtslose Wirken jenseits des Wollens bezeichnen möchte.

Ein Putt-Coach empfahl mir, zum Loch zu sehen und dann zu putten. ZEN-Leute empfehlen, eins mit dem Ziel zu werden und mein Freund Timbo, ein englischer Autoverkäufer, sagt stets: „Don’t think. Just hit the fucking ball.“

Welches Konzept Euch am meisten hilft, müsst Ihr selbst rausfinden.

Eugen Pletsch

*Jan Willem van de Wetering: ‚Ein Blick ins Nichts‘, Rowohlt.

…ein paar Anmerkungen…

Aus dem Schlusswort eines Vortrags

Gestatten Sie mir zum Abschluss noch ein paar golfphilosophische Anmerkungen:
Manche Leute meinen ernsthaft, Golf wäre gar kein »Sport«, sondern eine Methode der Bewusstseins- und Charakterbildung.
Das ist insofern richtig, als das Golfspiel auf einem Codex beruht, nach dem ein Spieler sich bisweilen selbst Strafschläge notiert, wenn er meint, gegen eine der Regeln verstoßen zu haben.
Doch diese Ehrenhaftigkeit, die man Spirit of Golf nennt, gilt mittlerweile in manchen Kreisen als verstaubte Tradition.
Der »Geist des Golfspiels« ist vielerorts flüchtig geworden, gerät immer mehr in Vergessenheit oder hat sich in einen Poltergeist verwandelt.

Deshalb hoffe ich, dass die Tradition unseres Spiels nicht gänzlich verloren geht, wenn die Mitgliedergewinnung um jeden Preis vielfältige Blüten treibt, von denen nicht alle nach Golf duften.
Sich auf die geistigen Grundlagen unseres Spiels zu besinnen, heißt auch, Golfanfängern deutlich zu sagen, worauf sie sich einlassen.
Ja: Golf ist ein Spiel, aber »Golf spielen« ist kein leichtes Unterfangen und wer nicht bereit ist, das Spiel so weit zu erlernen, wie es seine motorischen und geistigen Fähigkeiten zulassen, wird mit all den Problemen konfrontiert werden, die ich als bekennender Golfdilettant in meinem Büchern ausführlich karikiert habe.
Meine Botschaft ist, dass Humor und die Fähigkeit, sich selbst zu betrachten, ohne sich dabei allzu ernst zu nehmen, wichtige Elemente dieses Spiels sind. Aber Golf ist auch eine Kunst, die mit Können zusammenhängt und mit Glück und der Fähigkeit loszulassen, um das Spiel zuzulassen, das in uns steckt.
Das klappt meist nicht so, wie es soll, aber Wunder geschehen immer wieder…und manchmal passiert dann jener magische Moment, in dem uns die Golfgöttin ihre Gunst schenkt und in dem alles möglich wird, weshalb wir nie von unserem Spiel lassen werden…

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit

(c) by Eugen Pletsch

Neurotische Golfballautomaten

Die Driving Range ist eine lange, breite Wiese. Darauf stehen bisweilen Fähnchen oder Entfernungsmarkierungen, die Ihrem Zielspiel dienen sollen. Hinter den Abschlägen, meist in einem Schuppen, befindet sich der Ballautomat. Bezahlt wird mit speziellen Münzen oder Wertkarten, die Sie im Sekretariat oder Proshop erhalten können. Leider sind manche Golfballautomaten komplett irre.

Golfballautomaten sind die Snobs unter den Automaten. Sie stehen in der Hierarchie der Automaten über den Spielautomaten, die als Gangster gelten, den Parkautomaten, die nur etwas Albernes, kosmisch wenig Relevantes wie die Zeit anzeigen sowie Getränkeautomaten, die nicht funktionieren.
Bei den Ballautomaten unterscheiden wir zwei Gruppen. Die alten, manuellen Blechkästen lassen sich nur durch Koseworte, Drohungen, Tritte und Bestechung (nachzahlen) zur Ausgabe von Bällen bewegen, oder auch nicht.
Die neuen, vollelektronischen, grün lackierten Kästen werden von einem japanischen Automatenhersteller geliefert, der sich ursprünglich mit der Entwicklung künstlicher Intelligenz beschäftigte. Da aber schon normale biologische Intelligenz heute wenig Nachfrage erfährt und die Geschäfte mit der künstlichen deshalb stagnieren, haben sich die Hersteller auf den Bau von Ballautomaten spezialisiert. Denn wenn eine Firma einen ziemlich schlauen Chip entwickelt hat (der depressiv im Regal liegt, weil er es an der Börse nicht gebracht hat), dann wird sie sich einen Teufel darum scheren, dass der Chip für die Bedienung eines Ballautomaten überqualifiziert sein könnte. Also wird der halbintelligente Superchip aus firmenstrategischen Entscheidungen in einen Ballautomaten verbannt.
Während seine niederen Schaltkreise den Job machen, fängt er an, sich zu langweilen. Er fängt an zu denken. Ein Chip, der zu viel denkt und sich dabei langweilt, wird mit der Zeit neurotisch und sich irgendwann überlegen, wie er jemanden ärgern könnte. Dazu hat er sein Display:
»Der Automat ist ausgabebereit. Bitte stecken Sie Ihre Clubkarte in den Schlitz.«
Sie stecken Ihre Clubkarte in den Schlitz.

»Diese Karte ist ungültig.«

Ihre Karte ist sehr wohl gültig. Sie haben Ihre Gästekarte mit einem Wert von 50 Euro soeben im Sekretariat abgeholt. Der Automatenchip hat die Buchung über das Netzwerk mit schläfrigem Interesse verfolgt und Ihre Daten ausgelesen. Aus kreativer Langeweile hat er dann Ihre Kreditkarte gesperrt und einer Wirtschaftsfachzeitschrift die Anweisung gegeben, Sie unter vier fehlerhaften Firmenadressen mit Abonnementsangeboten anzuschreiben. Gleichzeitig erhält Ihre Frau eine anonyme SMS mit dem Kurztext:

»Ihr Mann ist ein Schwein, aber ich behalte ihn!«

Während sich ein Abschleppdienst daran macht, Ihren angeblich falsch geparkten Wagen vom Clubgelände abzuschleppen, gibt Ihnen der Automat einen einzigen, gelangweilten Hinweis auf dem Display: »Heute nur Münzen.« Also traben Sie zum Clubhaus und holen sich ein paar Münzen. Daraufhin wird unser gelangweilter Automat antworten: »Heute keine Münzen. Sie schmecken mir nicht. Und überhaupt: Sprich mal mit mir. Ich bin einsam.«

Sie trauen Ihren Ohren nicht! Einen Teufel werden Sie tun! Lassen Sie sich auf nichts ein. Treten Sie an den Kasten, bis er sich besinnt und seine Bälle ausspuckt! Sie sind hier, um Golf zu üben, und nicht, um sich vom depressiven Abschaum einer pubertären Halbleitergeneration nerven zu lassen. Treten Sie feste an den grünen Kasten! Bis die Farbe abspringt.

Wir müssen den Maschinen zeigen, wo ihr Platz ist. Erst lässt man die Pros ins Clubhaus, um dann, schon wenige Jahrzehnte später, mit Ballautomaten verhandeln zu müssen!

Bleiben Sie hart. Treten Sie nochmals zu. Irgendwann zeigt das Display an: »Aua, du Idiot!« Aber dann spuckt der Automat die Bälle aus. Das ist sein Job. Dafür wird er bezahlt. Der Rest hat uns nicht zu interessieren. Sie werden die Bälle dreckig bekommen, weil er die Wasserzufuhr sabotiert hat. Aber das erinnert uns nur an die proletarische Herkunft des Golfsports. An die Zeit, bevor es neurotische Automaten gab. Wie hat sich die Welt verändert!

Nur die alten Ballautomaten, die Sie manchmal noch auf kleinen 9-Loch-Plätzen finden, erinnern an die gute, alte Zeit, in der eine hakelige Mechanik (natürlich auch nur nach Drohungen, Rütteln und Tritten) bisweilen einen kleinen Korb Bälle ausgab. Diese Automaten sind längst gewerkschaftlich organisiert und stehen unter dem Schutz von Greenpeace. Sie sterben aus, die guten, alten Rappelkisten, und wenn Sie einen sehen, sollten Sie respektieren, dass er Ihr Geld schluckt und, je nach Laune, ein paar – oder keine – dreckige(n) Bälle ausspuckt. In der Hierarchie über diesen alten Ballautomaten stehen nur Getränkeautomaten, die funktionieren.

Auf der Driving Range, Cartoon: Peter Ruge

Abschläge

Die Abschläge auf der Driving Range bestehen normalerweise aus Abschlagmatten verschiedener Güte. Wenn Sie jetzt vermuten, dass ich Ihnen eine längere Abhandlung über die Qualität von Abschlagmatten unter besonderer Berücksichtigung der finanziellen Lage von Golfclubs schreibe, dann haben Sie sich geschnitten. Wir unterscheiden jetzt, wo mein Whisky sich in mir verliert, nur zwei Sorten von Matten. Neue und alte. Die neuen sind gut, aber die meisten Clubs haben alte Matten.

Während der Anfänger vorzieht, von den Gummimatten mit Kunststoffraseneinsatz abzuschlagen, steht der fortgeschrittene Golfer lieber direkt auf der Wiese. Meist ist die Abschlagslinie durch ein Seil markiert. Jedenfalls dürfen Sie immer nur in eine Richtung abschlagen. Niemals vor oder hinter anderen Golfern stehen, auch nicht schräg versetzt. Ihre Haftpflichtversicherung wird Ihnen den Vogel zeigen, wenn Sie mit einem sockettierten Ball einen Anlageberater per Blattschuss erlegen. Es wird vor Gericht niemanden interessieren, wie viele Schwarzgeldkonten dieser Hai auf dem Gewissen hat. Da heißt es nur: zahlen.
Also bleiben Sie schön in der Reihe. Sie stellen sich mit genügend Sicherheitsabstand zu den anderen Verrückten in einer Reihe auf und schlagen Ihre Bälle auf die Wiese, die dann irgendwann von einer armen, unterbezahlten Kreatur mit einem speziellen Fahrzeug aufgesammelt werden. Es ist nicht gestattet, sich diese Bälle wieder von der Wiese einzusammeln. Es ist nicht gestattet, die Bälle zu klauen und/oder auf dem Platz zu verwenden. Diese Driving-Range-Bälle gehören dem Pro oder dem Club und dienen nur Ihrem Training. Wenn Ihnen so ein Rangeball auf dem Parkplatz aus dem Bag kullert, während der Herr Präsident im Nachbarauto verzweifelt mit der Zentralverriegelung kämpft, dann ist das peinlich! Klar?

Es gibt ein paar überdachte Abschläge, damit der Golflehrer seine goldenen Kühe auch im Regen melken kann. Clubs, die etwas auf sich halten, haben in diesen Abschlägen einen Spiegel befestigt. Hilfreicher ist jedoch eine ordentliche Golfschwunganalyse durch einen erfahrenen Fachmann, die Ihnen viel Zeit und Geld sparen kann, sofern Sie ernsthaft an der Entwicklung Ihres Golfschwungs interessiert sind. Außerdem: Gibt es nicht etwas Schöneres, als den Gewichtstransfer von 30 Kilo Versicherungsvertreterbauchfleisch im Treffmoment auf Video in Zeitlupe zu betrachten? New Yorker Ästheten nennen das Grunge- oder Trash-Shots.

Wir stellen uns natürlich nicht am Samstag in der Sonnenglut zwischen die schwitzende Meute und kloppen Bälle. Solche Exzesse betrachten wir höchstens von der Clubhausterrasse aus. Dabei trinken wir Tee und machen uns unsere Gedanken. Keinesfalls lassen wir uns von jenen beeindrucken, die laut schnaubend Massen von Bällen wegdonnern, dabei schwitzen, schimpfen und immer hastiger werden, bis gar nichts mehr geht.

Beobachten Sie die guten Spieler. Die erkennen Sie daran, dass sie langsam arbeiten, sich an Zielen orientieren und einen rhythmischen Schwung haben.

Irgendwann, wenn Sie sich dazu bereit fühlen, stellen Sie sich abends in aller Ruhe in eine Abschlagbox und probieren ein paar der Übungen, die ich Ihnen vielleicht ein andermal vorstellen werde.

Auszug aus: Der Weg der weißen Kugel,
(c) by Eugen Pletsch, 2005