Neurotische Golfballautomaten

Die Driving Range ist eine lange, breite Wiese. Darauf stehen bisweilen Fähnchen oder Entfernungsmarkierungen, die Ihrem Zielspiel dienen sollen. Hinter den Abschlägen, meist in einem Schuppen, befindet sich der Ballautomat. Bezahlt wird mit speziellen Münzen oder Wertkarten, die Sie im Sekretariat oder Proshop erhalten können. Leider sind manche Golfballautomaten komplett irre.

Golfballautomaten sind die Snobs unter den Automaten. Sie stehen in der Hierarchie der Automaten über den Spielautomaten, die als Gangster gelten, den Parkautomaten, die nur etwas Albernes, kosmisch wenig Relevantes wie die Zeit anzeigen sowie Getränkeautomaten, die nicht funktionieren.
Bei den Ballautomaten unterscheiden wir zwei Gruppen. Die alten, manuellen Blechkästen lassen sich nur durch Koseworte, Drohungen, Tritte und Bestechung (nachzahlen) zur Ausgabe von Bällen bewegen, oder auch nicht.
Die neuen, vollelektronischen, grün lackierten Kästen werden von einem japanischen Automatenhersteller geliefert, der sich ursprünglich mit der Entwicklung künstlicher Intelligenz beschäftigte. Da aber schon normale biologische Intelligenz heute wenig Nachfrage erfährt und die Geschäfte mit der künstlichen deshalb stagnieren, haben sich die Hersteller auf den Bau von Ballautomaten spezialisiert. Denn wenn eine Firma einen ziemlich schlauen Chip entwickelt hat (der depressiv im Regal liegt, weil er es an der Börse nicht gebracht hat), dann wird sie sich einen Teufel darum scheren, dass der Chip für die Bedienung eines Ballautomaten überqualifiziert sein könnte. Also wird der halbintelligente Superchip aus firmenstrategischen Entscheidungen in einen Ballautomaten verbannt.
Während seine niederen Schaltkreise den Job machen, fängt er an, sich zu langweilen. Er fängt an zu denken. Ein Chip, der zu viel denkt und sich dabei langweilt, wird mit der Zeit neurotisch und sich irgendwann überlegen, wie er jemanden ärgern könnte. Dazu hat er sein Display:
»Der Automat ist ausgabebereit. Bitte stecken Sie Ihre Clubkarte in den Schlitz.«
Sie stecken Ihre Clubkarte in den Schlitz.

»Diese Karte ist ungültig.«

Ihre Karte ist sehr wohl gültig. Sie haben Ihre Gästekarte mit einem Wert von 50 Euro soeben im Sekretariat abgeholt. Der Automatenchip hat die Buchung über das Netzwerk mit schläfrigem Interesse verfolgt und Ihre Daten ausgelesen. Aus kreativer Langeweile hat er dann Ihre Kreditkarte gesperrt und einer Wirtschaftsfachzeitschrift die Anweisung gegeben, Sie unter vier fehlerhaften Firmenadressen mit Abonnementsangeboten anzuschreiben. Gleichzeitig erhält Ihre Frau eine anonyme SMS mit dem Kurztext:

»Ihr Mann ist ein Schwein, aber ich behalte ihn!«

Während sich ein Abschleppdienst daran macht, Ihren angeblich falsch geparkten Wagen vom Clubgelände abzuschleppen, gibt Ihnen der Automat einen einzigen, gelangweilten Hinweis auf dem Display: »Heute nur Münzen.« Also traben Sie zum Clubhaus und holen sich ein paar Münzen. Daraufhin wird unser gelangweilter Automat antworten: »Heute keine Münzen. Sie schmecken mir nicht. Und überhaupt: Sprich mal mit mir. Ich bin einsam.«

Sie trauen Ihren Ohren nicht! Einen Teufel werden Sie tun! Lassen Sie sich auf nichts ein. Treten Sie an den Kasten, bis er sich besinnt und seine Bälle ausspuckt! Sie sind hier, um Golf zu üben, und nicht, um sich vom depressiven Abschaum einer pubertären Halbleitergeneration nerven zu lassen. Treten Sie feste an den grünen Kasten! Bis die Farbe abspringt.

Wir müssen den Maschinen zeigen, wo ihr Platz ist. Erst lässt man die Pros ins Clubhaus, um dann, schon wenige Jahrzehnte später, mit Ballautomaten verhandeln zu müssen!

Bleiben Sie hart. Treten Sie nochmals zu. Irgendwann zeigt das Display an: »Aua, du Idiot!« Aber dann spuckt der Automat die Bälle aus. Das ist sein Job. Dafür wird er bezahlt. Der Rest hat uns nicht zu interessieren. Sie werden die Bälle dreckig bekommen, weil er die Wasserzufuhr sabotiert hat. Aber das erinnert uns nur an die proletarische Herkunft des Golfsports. An die Zeit, bevor es neurotische Automaten gab. Wie hat sich die Welt verändert!

Nur die alten Ballautomaten, die Sie manchmal noch auf kleinen 9-Loch-Plätzen finden, erinnern an die gute, alte Zeit, in der eine hakelige Mechanik (natürlich auch nur nach Drohungen, Rütteln und Tritten) bisweilen einen kleinen Korb Bälle ausgab. Diese Automaten sind längst gewerkschaftlich organisiert und stehen unter dem Schutz von Greenpeace. Sie sterben aus, die guten, alten Rappelkisten, und wenn Sie einen sehen, sollten Sie respektieren, dass er Ihr Geld schluckt und, je nach Laune, ein paar – oder keine – dreckige(n) Bälle ausspuckt. In der Hierarchie über diesen alten Ballautomaten stehen nur Getränkeautomaten, die funktionieren.

Auf der Driving Range, Cartoon: Peter Ruge

Abschläge

Die Abschläge auf der Driving Range bestehen normalerweise aus Abschlagmatten verschiedener Güte. Wenn Sie jetzt vermuten, dass ich Ihnen eine längere Abhandlung über die Qualität von Abschlagmatten unter besonderer Berücksichtigung der finanziellen Lage von Golfclubs schreibe, dann haben Sie sich geschnitten. Wir unterscheiden jetzt, wo mein Whisky sich in mir verliert, nur zwei Sorten von Matten. Neue und alte. Die neuen sind gut, aber die meisten Clubs haben alte Matten.

Während der Anfänger vorzieht, von den Gummimatten mit Kunststoffraseneinsatz abzuschlagen, steht der fortgeschrittene Golfer lieber direkt auf der Wiese. Meist ist die Abschlagslinie durch ein Seil markiert. Jedenfalls dürfen Sie immer nur in eine Richtung abschlagen. Niemals vor oder hinter anderen Golfern stehen, auch nicht schräg versetzt. Ihre Haftpflichtversicherung wird Ihnen den Vogel zeigen, wenn Sie mit einem sockettierten Ball einen Anlageberater per Blattschuss erlegen. Es wird vor Gericht niemanden interessieren, wie viele Schwarzgeldkonten dieser Hai auf dem Gewissen hat. Da heißt es nur: zahlen.
Also bleiben Sie schön in der Reihe. Sie stellen sich mit genügend Sicherheitsabstand zu den anderen Verrückten in einer Reihe auf und schlagen Ihre Bälle auf die Wiese, die dann irgendwann von einer armen, unterbezahlten Kreatur mit einem speziellen Fahrzeug aufgesammelt werden. Es ist nicht gestattet, sich diese Bälle wieder von der Wiese einzusammeln. Es ist nicht gestattet, die Bälle zu klauen und/oder auf dem Platz zu verwenden. Diese Driving-Range-Bälle gehören dem Pro oder dem Club und dienen nur Ihrem Training. Wenn Ihnen so ein Rangeball auf dem Parkplatz aus dem Bag kullert, während der Herr Präsident im Nachbarauto verzweifelt mit der Zentralverriegelung kämpft, dann ist das peinlich! Klar?

Es gibt ein paar überdachte Abschläge, damit der Golflehrer seine goldenen Kühe auch im Regen melken kann. Clubs, die etwas auf sich halten, haben in diesen Abschlägen einen Spiegel befestigt. Hilfreicher ist jedoch eine ordentliche Golfschwunganalyse durch einen erfahrenen Fachmann, die Ihnen viel Zeit und Geld sparen kann, sofern Sie ernsthaft an der Entwicklung Ihres Golfschwungs interessiert sind. Außerdem: Gibt es nicht etwas Schöneres, als den Gewichtstransfer von 30 Kilo Versicherungsvertreterbauchfleisch im Treffmoment auf Video in Zeitlupe zu betrachten? New Yorker Ästheten nennen das Grunge- oder Trash-Shots.

Wir stellen uns natürlich nicht am Samstag in der Sonnenglut zwischen die schwitzende Meute und kloppen Bälle. Solche Exzesse betrachten wir höchstens von der Clubhausterrasse aus. Dabei trinken wir Tee und machen uns unsere Gedanken. Keinesfalls lassen wir uns von jenen beeindrucken, die laut schnaubend Massen von Bällen wegdonnern, dabei schwitzen, schimpfen und immer hastiger werden, bis gar nichts mehr geht.

Beobachten Sie die guten Spieler. Die erkennen Sie daran, dass sie langsam arbeiten, sich an Zielen orientieren und einen rhythmischen Schwung haben.

Irgendwann, wenn Sie sich dazu bereit fühlen, stellen Sie sich abends in aller Ruhe in eine Abschlagbox und probieren ein paar der Übungen, die ich Ihnen vielleicht ein andermal vorstellen werde.

Auszug aus: Der Weg der weißen Kugel,
(c) by Eugen Pletsch, 2005