Worum es beim Golfspiel geht

Im Herbst, wenn nur noch die wetterfesten Spieler im letzten Büchsenlicht unterwegs sind um ihre Bälle aus dem Schlamm zu pulen, kommt bisweilen der eine oder andere Clubmanager auf die Idee, die Schnuppergolfer der letzten Saison zu einem Informationsabend einzuladen.
Wer bisher noch nicht angebissen hat, lässt sich bei einer solchen Geselligkeit vielleicht an den Haken nehmen und auch der Clubgastronom freut sich, besonders nach einem nassen Sommer wie diesem.
Manchmal werde ich gebeten, diese Informationsabende zu begleiten, wie kürzlich im Golfclub Bauernburg. Nach einem Prosecco zum Empfang begrüßte Präsident Fahrenbach die Gäste und übergab das Wort dann an Vize Prof. Klausthaler. Der bekam rote Backen vor Freude, bei seiner Schilderung wie schön das Golfer-Leben ist, insbesondere im Golfclub Bauernburg! Gemeinschaft, Freunde, frische Luft, herrliche Aussicht…!

Dann wurde ich vorgestellt und schaute in die Runde. Da saßen sie nun, die Golfer von morgen mit ihren fragenden Gesichtern. Unschuldig wie Lämmer, nicht wissend, was auf sie zukommt, wie dieser Sport ihr Leben umkrempeln würde.
„Wer von Ihnen hat Kinder“, fragte ich.
Die meisten hoben die Hand.
„Und wissen Sie noch, wie das erste Kind Ihr Leben vollkommen auf den Kopf gestellt hat? Wie alles anders wurde?“
Viele nickten.
„So wird es auch werden, wenn Sie Ihr Leben dem ‚Spirit of Golf‘ weihen. Das Spiel verändert Ihr Leben. Komplett!“

Meine Stimme hatte gerade eine gewisse Dramatik angenommen, was einen älteren Herren in der ersten Reihe nicht davon abhielt, mein ausgefeiltes rhetorisches Konzept durch eine Frage aus dem Rhythmus zu bringen: „Bevor Sie uns hier Angst vor einem Golfgeist machen – wollen Sie uns nicht erstmal erzählen, worum es beim Golfspiel eigentlich geht?“

„Äh, ja natürlich…“, stotterte ich. „Also …äh… Golf ist ein Zielspiel über 9 oder 18 Spielbahnen verschiedener Länge. Sie und Ihre Mitspieler (Mitbewerber genannt und mit Ihnen maximal vier Personen) versuchen dabei einen kleinen Ball mit maximal 14 Schlägern von einer Abschlagsfläche (Tee genannt) über einen Rasen (Fairway genannt) zu einer kurz gemähten Fläche (Grün genannt) zu treiben, um den Ball dort in ein ca. zehn Zentimeter breites Loch einzulochen, das durch eine Fahne gekennzeichnet ist? Alles klar?“

Manche Zuhörer nickten bereits, während andere noch versuchten, den Satz zu verdauen. Eine Dame hob die Hand.
„Und warum maximal 14 Schläger?“ „Das hat man in Schottland irgendwann so festgelegt. 14 Schläger, weil der Caddie sonst zu schnell müde wird. Und 18 Bahnen, denn dann ist die Whisky-Flasche leer.“
„Und was unterscheidet diese Schläger?“
„Von einer Whisky-Flasche?“
„Nein, untereinander!“
„Die Schlagflächen haben verschiedene Winkel, auch Loft genannt, um – theoretisch mit dem gleichen, um Ihre Körperachse verlaufenden Schwung – den Ball auf verschieden hohe Flugbahnen schicken, um damit unterschiedliche Entfernungen zu erzielen.“
„Aha. Und wer vom Abschlag auf der ersten Bahn bis zum letzten Einlochen auf der 18. Bahn die wenigsten Schläge braucht, hat gewonnen?“ hakte die Dame nach.
„Genauso ist es! Es handelt sich beim Golfen also um ein Geschicklichkeitsspiel mit Schläger und Ball, bei dem der Ball oft – meist unfreiwillig – angeschnitten wird….“, versuchte ich auszuführen.
„Also ähnlich wie Tischtennis?“ fiel mir der ältere Herr ins Wort. „Nun ja, ein Golfball ist viel schwerer als ein Tischtennisball, fliegt also über längere Distanzen. Angeschnitten landet er deshalb oft jenseits der gemähten Fläche im hohen Gras (Rough).“
„Und die Abenteuer, die man auf dem Weg durch die Wildnis bis zum 18. Loch erlebt, darf man dann jedem, der sich nicht schnell genug aus dem Staub macht, an Bar der Clubhauses erzählen! Ha, Ha!“
Der Senior lachte. Er schien meine Bücher zu kennen. Die Zuhörer schmunzelten.
„Ja, so ähnlich“, bestätigte ich. „So ähnlich“.
Eine Dame meldet sich: 
„Das klingt alles recht einfach, ist es aber nicht. Ich habe es nämlich probiert.“
Stille. Ich gab dem Wirt ein Zeichen noch mal nachzuschenken.
„Der Haken ist nämlich“, fuhr der ältere Herr in meinem Vortrag fort, „Erstens kommt beim Golf alles anders und zweitens als man denkt!“
Er holte Luft – ich grätsche ihm in den Satz:
Golf ist der unlösbare Konflikt zwischen Wollen und Können!
Aber gerade das macht das Spiel so spannend. Ein guter Golfer kann den Ball nicht nur fast punktgenau in exakten Distanzen schlagen, sondern auch angeschnitten mit Rechts- oder Linksdrall um eine hundert Meter entfernte Baumgruppe lenken. Dabei trifft das Schlägerblatt mit über hundert Stundenkilometern Schlägerkopfgeschwindigkeit auf eine runde Balloberfläche von ein paar Quadratmillimetern! Gute Golfer spielen den Ball mit wenigen Schlägen an die Fahne, damit der Ball möglichst mit einem Schlag eingelocht werden kann. Auf diesem spielerischen Niveau ist Golf ein Strategiespiel, das dem Schach ähnlich ist. Man überlegt sich, welche Landezone den Ball in eine gute Lage für den übernächsten Schlag bringt…“.
„Und weniger gute Golfer?“ fragte ein Herr aus der 2. Reihe, der aufmerksam zugehört hatte. „Was gute Golfer machen, dürfte uns in den nächsten Jahren erstmal egal sein, oder?“
„Na, so lange wird’s je nach Talent nicht dauern“, beschwichtigte ich.
„Nach meinen Erfahrungen“, sagte der Herr aus der 2. Reihe, „erreichen wir Amateure – egal mit welchem Schläger – nur zwei verschiedene Ballfluglängen: zu lang oder zu kurz. Der Ball bleibt selten in der Nähe der Fahne liegen, und wenn doch, dann rollt er immer noch nicht mit einem Putt ins Loch.“
Er blickte resigniert in die Runde. „Und je mehr man sich bemüht, umso weniger klappt es.“

Ich sah, wie der Clubmanager zuckte. Der Abend lief in die falsche Richtung. Wir wollten doch Begeisterung erzeugen und keine Depression!
„Das kann nur am falschen Material liegen!“ warf ich ein. „Dann wird Golf zum Glücksspiel. Oder Sie nahmen keine Golfstunden mehr, nachdem Sie die Platzreife erlangt haben. Auch das rächt sich.“
Der Herr schwieg, worauf ich fortfuhr, Golf als ein interessantes Hobby mit Frischluftcharakter und gesellschaftlicher Komponente zu beschreiben. Ich erzählte ein paar Schnurren, die Leute lachten, die Stimmung lockerte sich. Noch Fragen? Die Zuhörer unterhielten sich angeregt. Allgemeine Aufregung bei dem Gedanken, es doch mal zu versuchen. Im nächsten Frühjahr! „Jetzt ernsthaft, machst du mit?“ fragte eine Dame ihre Freundin.

Zeit für Prof. Klausthaler, noch einmal das Wort zu ergreifen: „Unser Club bietet Ihnen zum Einstig eine Jahresmitgliedschaft zu sehr interessanten Konditionen an. Auf diese Weise können Sie feststellen, ob das Spiel zu Ihnen passt und ob die Chemie im Club für Sie stimmt. Ich stelle Ihnen das mal kurz im Detail vor.“
‚Klausi‘ öffnete seinen Laptop und warf einige Grafiken mit Angeboten an die Wand. Die Zuhörer lauschten aufmerksam. Manche machten sich Notizen.

Ich hatte mich gesetzt. Das Summen der Stimmen machte mich schläfrig. Vage erinnerte ich mich daran, wie es bei mir damals war, als mir mein schottischer Schwiegervater erstmals einen Schläger in die Hand drückte und ich meine ersten Versuche unternahm, einen Ball in die gewünschte Richtung zu schlagen. 30 Jahre später versuche ich das immer noch. Manchmal klappt es, manchmal nicht. Golf ist ein Geschicklichkeitsspiel, mit Schläger und Ball. Ein Spiel, das wir heute lieben und morgen verfluchen, von dem wir aber nicht mehr lassen werden. Aber darum geht es ja, beim Golfspiel. Oder?

(c) by Eugen Pletsch 2015

Endlich erleuchtet!

Erstellt: 21. Juni 2019

Aus unserer Serie „Oldies but Goodies“ heute: Ein kleines Telefonhörspiel aus der Zeit als ich einem bekannten Golfprofessional (OH) noch regelmäßig mit meinen Anrufen auf die Nüsse ging…

„Tut Tuut“„Tut Tuut“

Pro: Ja bitte?

EP: „Hi, ich bin´s…“

Pro: unterdrückter Seufzer: Oh, prima, na, was kann ich für Dich tun?

EP: Och, wollte mich nur mal melden …

Pro: Das ist nett. Es war schön mit Dir zu reden…

EP: Hey!

Pro: Ja?

EP: Ich bin jetzt endlich erleuchtet!

Pro: (Pause, dann atmet er wieder): Gute Nachricht! Großartig!  Also – es war schön mit Dir zu reden…

EP: Nein, ich meine es Ernst!

Pro: Na prima, endlich. Und seit wann bist du …äh … erleuchtet?

EP: Es fing an, als mir das Eisen 5 auf den nackten Zeh knallte. Das war eine sehr intensive Erfahrung und ich spürte, dass jetzt etwas passieren wird. In der ZEN- Literatur ist das exakt so beschrieben: Es gibt Vorzeichen der Erleuchtung …

Pro: (plötzlich interessiert) Und was passierte dann?

EP: Dann trank ich den Wodka, den ich bei einem Turnier gewonnen hatte. Ich wachte nachts auf, musste kotzen, wurde auf dem Weg zum Klo ohnmächtig, schlug mit dem Kopf an den Schrank und die nächsten Tage war ich vollkommen platt.

Pro: Vom Wodka?

EP: Nein, vom Orangensaft im Wodka. Meine Bioresonanz-Expertin meint, da wäre ein Schimmelpilz drin gewesen …. und weil mein Magenmeridian durch die Verletzung am 2. Zeh ohnehin schon geschwächt war…

Pro: …wurdest Du erleuchtet!

EP: Nein, nicht deswegen. In den folgenden Tagen machte ich eine sehr schwere Zeit durch, so, wie es auch von Eckart Tolle erzählt wird. Ich hatte dermaßen die Scheißerei – schlimm! Nach drei Tagen war ich vollkommen leer, wie Buddha, und dann ERWACHTE ich und merkte, dass ich erleuchtet bin.

Pro: (langsam genervt) Ach ja? Und woran merktest du das?

EP: Schwer zu sagen. Diese selige Leichtigkeit in mir. Dieses Nichtverlangen, zum Beispiel nach Wodka. Und dann natürlich die Allwissenheit.

Pro: Du bist jetzt allwissend?

EP: Tja, scheint so. Kann es selber kaum glauben.

Pro: Ich glaub´ es nicht!

EP: Kannst Du ja testen.

Pro: Wie?

EP: Na, frag mich irgendwas.

Pro: Wie viele Stunden war ich heute auf der Driving Range?

EP: Keine.

Pro: Stimmt. Na gut, das war einfach. (blättert nebenher) Aber: wie heißt der erste Satz im dritten Absatz des Buches Jenseits der Scores?

EP: Du meinst auf Seite auf Seite 57? „Der Weg des Meisters erfordert Offenheit um die eigenen Grenzen zu überschreiten, und den Mut, Misserfolge zu riskieren“. Meinst Du das?

Pro: (erstaunt) Tatsächlich!  Na gut – jetzt: Ken Wilber „Ganzheitlich handeln“ Seite 91 letzter Satz…

EP: „Tiefe Spiritualität beinhaltet eine weite Wissenschaft von den höheren Ebenen menschlicher Entwicklung.“

Pro: Hmpffff (sprachlos).

EP: Also los: Frag mich mal was richtig Schweres!

Pro: OK, OK, mir fällt schon noch was ein… denkt … Also: Ein Mann, 42 Jahre, war 7 Jahre bei der Telekom und wurde dann zu T-Systems strafversetzt. Er sitzt mit seinem fünfjährigen Sohn und seiner Frau, (die eine Schwester in Dortmund hat,) in einem Intercity-Express nach Berlin. Auf der Gegenstrecke bewegt sich ein Güterzug mit halber Geschwindigkeit Richtung Kassel. Dieser Mann, 42 Jahre, mit einem Muttermal am Kinn, steht beim Golfschwung leicht gebeugt, zuckelt von Bein zu Bein, hat eine hohe Anspannung, fasst den Schläger zu fest, holt viel zu schnell aus, kreuzt, dreht sich aber im Durchschwung kaum, verschiebt seine Mittelachse enorm und hat kein Finish. Wie ist sein Ballflug und wann erreicht der Intercity Berlin?

EP: Ballflug kerzengerade und Ankunft 13 Uhr 08!

Pro: Stimmt. Sagenhaft. Diese Pfeife hat gestern jeden Ball kerzengerade getroffen. Ich fragte ihn, warum er zu mir kommt …

EP: … und er sagte, er könne immer nur gerade aus spielen, aber seine Kumpels können auch rechts und links rum und er möchte lernen, wie man einen Slice spielt. Außerdem, sagte er, seine Frau wollte mal einen Tag in Berlin rumbummeln und sein Sohn die Eisbären sehen.

Pro: Donnerwetter. Genau das waren seine Worte.

EP: Tja, ich kann es nicht ändern. Bin halt erleuchtet. Noch ´ne Frage?

Pro: Noch eine: Wer ist der beste Golflehrer der Welt?

EP:  ……….

Pro: Na?

EP: ……….

Pro: Was ist los? Keine Antwort?

EP: Das ist das Schweigen der Buddhas. Es gibt Fragen, die werden mit Schweigen beantwortet. Steht alles in meinem ZEN-Buch.

Pro: Tja, das kann sein. Dabei hätte mich gerade diese Antwort interessiert.

EP: Du musst die Antwort in DIR finden.

Pro: Ja, danke für den Hinweis. Und was hast du jetzt vor?

EP: Da denk ich nicht dran. Lebe ja total im JETZT.

Pro: Klar, hatte ich vergessen. Und  … äh … wie ist es so, wenn man erleuchtet ist.

EP: Nicht schlecht. Lässt sich mit Leben … tja  … also … wollte es dir nur mal erzählt haben.

Pro: Das ist nett. Es war schön mit dir zu reden…

EP: Man sieht sich …

Pro: Klar und erleuchtet …

EP: HA! Guter Zen-Witz. Klar und erleuchtet! Bis denne … ich segne dich, mein Sohn

Pro: Danke. Tschüss.

„Tut Tuut“.

Pros Frau: Wer war das? Wieder dieser Spinner? Wir hatten wegen dem doch extra die Telefonnummer gewechselt.

Pro: Ja, schon wieder dieser Spinner … (murmelt): Aber woher hat er die neue Nummer?

© by Eugen Pletsch, 2008 Aus: Notizen eines Barfußgolfers

Mein Waterloo

„Sein Waterloo erleben“ gilt als Synonym für eine totale Niederlage. Die Schlacht am Little Big Horn kommt mir aber auch in den Sinn, wenn ich an meine Fronleichnams-Runde mit Frau Oelmann denke….

Dank der mir angeborenen Bescheidenheit hielt ich mich im Zaum. Meine damalige Berichterstattung anlässlich der drei Runden Matchplay gegen Frau Oelmann ließ kaum erkennen, dass sie gegen mein Spiel keine Chance gehabt hatte. Diskret, wie es meine Art ist, vermied ich es, meine emotionalen Ausbrüche und meine „Sieger! Sieger!“- Schreie ausführlich zu beschreiben. Auch meine Freudentänze hinter dem 18. Grün in Winnerod (um nach dem Sprung in den Teich wieder trocken zu werden) erwähnte ich mit keinem Wort.

Nein – meine Berichterstattung war ein Musterbeispiel sportlicher Fairness und voller Respekt gegenüber einer Frau Oelmann, der es in etlichen Jahren nur einmal gelungen war, ein Spiel gegen mich zu gewinnen.

Es ist nun keinesfalls so, dass ich mir nur Leute einlade, bei denen ich sicher sein kann, dass ich sie im Matchplay besiege – aber es stimmt schon, dass ich mir Gäste von extern einladen muss, da ich in meinem Club wegen meinem mürrischen Dauergesabbel – und noch schlimmer – wegen meiner Schwungtipps – ziemlich unbeliebt bin.
An Matchplay-Serien und Turnieren nehme ich längst nicht mehr teil, da ich nicht nur den Mangel an Etikette, sondern auch die allgemeine Verwahrlosung der Sitten verabscheue, insbesondere was die Bekleidung der Spieler/Innen angeht. (Leggins Damengröße 50 und verschwitzte Senioren mit Hemd über der Dreiviertel-Kargo-Hose – mehr sage ich nicht!)

Kurz und gut: Ich bin einer der Korinthenkacker geworden, über die ich zwei Jahrzehnte gelästert habe und werde auch optisch den Karikaturen immer ähnlicher, mit denen Peter Ruge Golfer in meinen Büchern so treffend überzeichnet hat.

Aber wenn sich eine Spielerin wie Frau Oelmann beknien lässt, unsere jährliche Matchplayserie auch in 2018 fortzusetzen, dann kann ich sie natürlich nicht öffentlich mit Häme und dem Spott überschütten. Nein, natürlich nicht. Ergo genoss ich meinen Triumph in Stille … wenn man mal davon absieht, dass ich JEDEM, der nicht schnell genug davon laufen konnte, erzählen musste, wie ich Frau Oelmann an diesen drei Tagen vorgeführt habe.

Schnee von gestern, könnte man meinen, aber dann kam kürzlich – wie alle Jahre wieder – die Idee auf, Frau Oelmann endlich in ihrem Heimatclub zu besuchen. Vor Jahren war ich schon einmal auf Durchreise in ihrem Revier gewesen, damals aber so krank, dass ich sie und ihren fluchenden Spielpartner (Lehrer!) nur über ein paar Bahnen begleiten konnte, ohne selbst zu spielen. Damals hatte ich in meinem Fieberwahn einen 9-Loch-Kurzplatz als Tatort abgespeichert.

Ein Feiertag wird erst dann zu einem echten Feiertag, wenn man sich den Lorbeer auch auf einem fremden Platz auf das schüttere Haupthaar setzen darf und ich hatte keinerlei Bedenken, Frau Oelmann‘s Einladung zu folgen. Gewittergefahr bestand angeblich nicht. Eine Startzeit war auch nicht nötig. Die Sonne prangte am Himmel, es war heiß, aber die Bäume spendeten Schatten. Ja. die Bäume. Der Platz hat Bäume. Meist gewaltige Eichen, aber auch andere Bäume und hinter den Bäumen sind Biotope, was mich aber nicht abschreckt, da ich für meine kerzengerade Spielweise bekannt bin.

Wie üblich werde ich nicht die ganze Runde im Detail erzählen. Das halte ich so, weil meine verehrten Leser die Schilderungen meiner Zauber-Schläge, crispen Wedges und Monster-Putts für Aufschneiderei halten könnten. Auch heute werde ich es so halten, muss jedoch vorsichtig andeuten, dass es diesmal keine Zauber-Schläge, crispen Wedges und Monster-Putts gab.
Dafür gab es Bäume und Biotope und ein winziges Schwungproblem, das dazu führte, dass ich den Ball, so konzentriert ich ihn auch ansprach, grundsätzlich nach links verzog. Links stand gewöhnlich ein Baum, von dem aus der Ball abprallte und ins Biotop sprang.

Frau Oelmann, die ihre Bälle noch vor wenigen Tagen breit über die hessischen Savannen gestreut hatte, schlug dagegen kerzengerade Hammer-Drives, um mir dann bei der Ballsuche zu helfen.

Der beliebte Spruch „Den Zweiten kann jeder“ hatte für mich auf dieser Runde keine Gültigkeit, denn auch der 2. war weg. Nach einigen Bahnen schlug Frau Oelmann vor, dass wir doch auch etwas Golf spielen sollten, denn Bälle suchen könnten wir auch, ohne Greenfee zu zahlen.
Ich verstand den Hinweis und spielte fortan jeden Ball, den ich im Gras fand, darunter sogar Marken, die ich sonst wie die Pest meide (Nike und Vice).

Erst war ich eins down, dann zwei down, dann drei down, dann vier down, dann fünf down, dann sechs down, dann wurde es Frau Oelmann langweilig und sie winkte sich eine Freundin herbei, die gerade die 18 beendet hatte.

Ich kannte die Dame von einer Lesung. Also versuchte ich mich zusammenzureißen und ging prompt auf 7 down. Unsere Mitspielerin hatte am Vormittag bereits 18 Loch in einem anderen Club gespielt, stak dann auf ihrem Heimatplatz neun Loch hinter Anfängern fest und wollte mit uns noch ein paar flotte Bahnen spielen. So sind die Damen im Revier: Unermüdlich – und wetterfest, wie sich bald herausstellen sollte.

Auf dem Weg zum 10. Abschlag befindet sich die Toilette, die ich aufsuchte. Beim Händewaschen sah ich im Spiegel einen Mann mit verzweifelten Gesichtszügen, zerzaust, das durchgeschwitzte Hemd hing über der kurzen Hose aus der zwei dürre, weiße Beinchen ragten. Eine vollkommene Verwahrlosung der Sitten – ich überlegte kurz, ob ich mir selbst einen Platzverweis aussprechen sollte.

Da ich mich in meinem Hochmut darauf eingelassen hatte, von Gelb anstatt von blau zu spielen, hatte ich lange Wege zu rennen, um die Damen einzuholen, deren Abschläge meist 60-100 Meter vor dem Herrenabschlag befindet. Ich rannte so schnell, dass mir Insekten auf die Brillengläser klatschten, nur um dann zusehen, wie die Damen ihre Bälle gnadenlos zwischen den Bäumen hindurch auf die Bahn prügelten.

Frau Oelmann vom Damenabschlag – das ist so, als würde man Dartpfeile kaum aus einem Meter Entfernung auf die Scheibe werfen.

Nur zweimal konnte ich ein Loch gewinnen. Natürlich nicht aus eigener Kraft, sondern weil Frau Oelmann ihre Dartpfeile ins Biotop schoss, vermutlich um mir Hoffnung zu machen. Immerhin hatte ich nach dem Fiasko auf der ersten Neun meine Taktik geändert! Ich zielte direkt auf die Eichen, die gewöhnlich Mitte Fairway stehen, wodurch ich wenigstens zwei Drives auf die Bahn brachte. (Frau Oelmann merkt an, es gäbe nur auf der 14. eine Eiche Mitte Fairway, aber das ist natürlich selektive Wahrnehmung. Nach meiner Erinnerung standen auf jeder Bahn dicke Eichen…).

Auf besagter 14 setzte Regen ein. „Nur eine kleine Wolke“, sagten die Damen und schlugen ab.

Der nachfolgende Guss war zwar nicht mit dem Wolkenbruch zu vergleichen, den ich vor ein paar Tagen in Gießen erlebt hatte, aber im Gegensatz zu früher, als ich das Spiel im Regen noch als eine besondere Kunst und Herausforderung genoss, macht es mir keinen Spaß mehr, mit glitschigen Händen nach einem Balls zu schlagen, der sich dann nur ein paar Meter durch das nasse Gras bewegt.

Frau Oelmann und ihre Freundin bewegten sich wie die Fische im Wasser. Als ich mir nach einem heftigen Regenschauer an der 15 eine Pause erbettelte, musste Frau Oelmann zugeben, dass unser Match längst beendet war. 7 auf 6!

An der 16. Bahn gab es gottlob eine Abkürzung zum Clubhaus. Die Damen wären gerne weitergeschwommen, aber dann sahen sie das hinkende Häufchen Elend, zeigten Erbarmen und führen mich auf dem kürzesten Weg zum Parkplatz, wo wir unsere Sachen verluden. Meine Tränen trockneten und der Regen wich der Abendsonne während Frau Oelmann mit ihrer Freundin besprach, wie man einen Skalp trocknet. (ep)

PS: Dass Frau Oelmann am 2.6. beim Monatsbecher der Damen das 1. Brutto erlegte, verwundert niemanden und sei nur der Vollständigkeit halber vermerkt.