Lustreise in einen Proshop

Nachdem Finanzoberinspektor Arno Buchmacher dank der stadtbekannten Domina Elke Machnitzke die süßen Qualen eines Masochisten kennen und schätzen lernte, führte sie ihn als Höhepunkt einer gemeinsamen Lustreise in einen Proshop, um die Utensilien ultimativer Demütigung zu erwerben.

Cartoon: Peter Ruge


Arno Buchmacher kannte das Golfspiel bisher nur vom Hörensagen. Rechnungen von als „Charity-Events“ getarnten Golfer-Orgien hatte er bisher stets als nicht absetzbar zurückgewiesen. Die Unverfrorenheit, mit der sich gehobene Einkommensgruppen bei ihren Sauf- und Fressgelagen als Wohltäter feiern ließen, erschütterte den Menschen und Staatsbeamten in ihm zutiefst, zumal er anhand der Abrechnungen sehen konnte, wie wenig tatsächlich für den guten Zweck übrigblieb.
Seine humanistische Weltsicht wurde ihm jedoch von Elke Machnitzke mit wenigen Hieben auf den Allerwertesten ausgetrieben.
„Arno, du wirst jetzt Golf lernen“, befahl ihm Elke. „Irgendwann lassen wir die feinen Pinkel wissen, dass du bei der Steuerfahndung bist. Dann haben wir sie bei den Eiern und wir lassen es uns richtig gut gehen, ja?“
Das rhetorische „Ja?“, das Frau Machnitzke an das Ende ihres Satzes gestellt hatte, konnte Arno Buchmacher nur durch ein kurzes Nicken beantworten, da er zum Zeitpunkt des Gespräches gefesselt und geknebelt war.

© by Eugen Pletsch, 2011

Der Choleriker

Der städtische Verwaltungsbeamte Lothar Uhl war allgemein als gutmütiger Zeitgenosse bekannt. Er war kein Mann der großen Worte. Seine Fähigkeit, während eines Telefonats tief und fest einzuschlafen, betrachteten seine Vorgesetzten als Zeichen besonderer Ausgeglichenheit.

Unruhige Kollegen, zum Beispiel der Kämmerer, der in Anbetracht der Haushaltslage kaum noch Schlaf fand, schauten gerne mal bei Lothar vorbei, „um sich eine Mütze Schlaf abzuschauen“, wie es allgemein hieß.

Bei aller Gemütsruhe galt Lothar Uhl jedoch als Innovator. Seine auf scharfsinnigen Beobachtungen basierende Empfehlung an die Busfahrer der Stadtwerke, erst loszufahren, wenn alle Fahrgäste eingestiegen sind, reduzierte die Unfälle unter Rentnern und sorgte für zusätzliche Einnahmen durch Fahrgäste, was der Nachtruhe des Kämmerers gut tat.

Lothar Uhl hatte ein Hobby, nämlich die Stallhasenzucht. „Der geile Erwin“, wie sein Rammler unter Mitzüchtern respektvoll genannt wurde, war sein ganzer Stolz. Mit dem auf vielen Zuchtleistungsschauen prämierten Erwin verbrachte er einen Großteil seiner Tage und Nächte. Dann, eines Tages – es geschah in Rheda-Wiedenbrück auf einem Rammler-Symposium – brach Erwin aus seinem Reisekäfig aus und sprang in ein Streichelgatter, wo er unter den entsetzen Blicken junger Familien eine Häsin namens Helga bestieg. Helga, die große Hoffnung des Verbandsvorsitzenden Jupp Grösewitz, war die schönste Häsin von Niedersachsen. Man hatte große Zuchtpläne mit ihr, die der geile Erwin gründlich verdarb. Er rammelte das Weibchen derart durch das Streichelgatter, dass die Tauben aufflogen und sich die Meerschweinchen vor Angst im Stroh verkrochen. Und so kam es zum Eklat!
Erwin wurde von künftigen Leistungsschauen gesperrt und Lothar Uhl, der von Erwin menschlich sehr enttäuscht war, setzte den Rammler im Wald aus, woraufhin Erwin bald im Kochtopf einer Familie landete, die sehr hungrig war, weil weder das ARGE-Callcenter noch der für ihren Antrag auf Sozialleistungen zuständige Sachbearbeiter erreichbar waren.

Wie viele andere vereinsamte Gestalten wandte sich Lothar Uhl dem Golfsport zu. Er wähnte darin eine Individualsportart, die er ungestört von Fremdeinflüssen ganz für sich ausüben könnte.

Cartoon: Peter Ruge


Lothar, der schon als kleiner Junge darauf bestanden hatte, im städtischen Sandkasten entweder ganz allein oder gar nicht zu spielen, musste jedoch feststellen, dass ein Golfplatz auch von anderen Spielern genutzt wird. Seiner Gemütsruhe beraubt und durch die Trennung von Erwin verbittert, trat schließlich der dunkle Schatten des Cholerikers aus ihm hervor, der sich all die Jahre hinter seinem bräsigen Wesen verborgen hatte.
Bald war Lothar Uhl bei allen Clubmitgliedern wegen seiner Wutausbrüche gefürchtet. Auch auf der Arbeit wurde seine innere Wandlung besorgt registriert.
Als Lothar Uhl nicht mehr zu halten war, bot man ihm eine Weiterbildung zum Busfahrer an, die er gerne annahm. Jetzt fährt er die Linie vom Stadtzentrum raus, die am Golfplatz vorbeiführt.
Lothar Uhl wurde wie viele andere Golfer depressiv. Seine einzige Freude besteht darin loszufahren, wenn gerade jemand einsteigen will. Die Bustür zu schließen, wenn junge Mütter den Kinderwagen gerade mal halb in den Bus heben konnten, ist seine Spezialität. Dann gluckst er leise, was sein Therapeut gerne als „emotionalen Durchbruch“ bezeichnet.
 

© by Eugen Pletsch, 2011

Der oberhessische Dummbabbler

Seit Aristoteles mit seinem Wanderstab auf dem Weg nach Athen das Gewölle einer Eule ins Meer schlug, die als Begleiterin der Göttin Athena bereits in den Fabeln des Äsop für ihre Klugheit gelobt wurde, gilt die Welt der Golfer als letzte Bastion humanistischer Bildung, was wir bereits in mehreren Folgen unserer kleinen Reihe der „Golfethnologischen Betrachtungen“ ausgeführt haben.

Heute werden wir uns dem „Oberhessischen Dummbabbler“ zuwenden, der sich häufig in kleinen Rudeln von bis zu vier Männchen oder Weibchen aus den Regenwäldern des oberhessischen Berglandes hervorwagt, um – meist friedlich – in den Auen nach Bällen zu suchen, oder um in umliegenden Clubhäusern Atzung zu finden. Sofern sie unter sich sind, babbeln die Männchen dieser interessanten Spezies gerne über ihre Paarungswünsche mit besonders gut entwickelten Weibchen.  Sind jedoch eigene Weibchen im Rudel, meiden die Männchen Gespräche über Paarungsrituale, um die Weibchen nicht auf dumme Gedanken zu bringen.
Sind oberhessische Dummbabbler-Weibchen allein in einem Rudel unterwegs, babbeln sie gerne über gut entwickelte Männchen und andere Weibchen, die nicht dabei sind.
Beim Lauschen der Lockrufe und Balzpfiffe können wir feststellen, dass der „Oberhessische Dummbabbler“ gerne kommuniziert. Dabei scheut er sich nicht, seine Werbung über das Nachbar-Fairway zu schicken, denn schließlich ein gepflegtes Zusammenseins Grundlage jeder Golf-Gemeinschaft.
Das nachfolgende Gespräch wurde von einem Golf-Ethnologen aufgezeichnet, der zwei Dummbabbler sowie einen Bass-Brummler belauschte, den wir bereit in einer früheren Folge vorgestellt haben.
Wie unter Golfern üblich, beginnt das Gespräch am 1. Abschlag mit allgemeinen Befindlichkeiten, um sich dann im Spielverlauf dem mangelhaften Platzzustand zuzuwenden. Spätestens an der 3. Bahn ist geklärt, wer am heutigen schlechten Spiel schuld ist (Greenkeeper, Pro, DGV, Job oder Ehepartner). Ab der 6. Bahn sind die Spieler bereits von Verzweiflung ergriffen und auf der 8. Bahn von vollkommener Resignation erfüllt, weshalb sie auf der 9. Bahn nur noch dem 1. Schoppen am Halfway-House entgegenfiebern können.
Ab der 11. Bahn, nachdem die 3. Flasche geleert wurde, werden die Dialoge enthemmter. Die Dummbabbler-Männchen phantasieren dann häufig vom „Einlochen“ und besonders gut entwickelten Weibchen – wie gesagt – sofern keine eigenen Weibchen im Rudel sind. Leider konnten wir das Gespräch dieser Feldstudie nicht über die ganze Runde verfolgen, da unser Golf-Ethnologe die Arbeit leider nach der 1. Bahn aus gesundheitlichen Gründen abbrechen musste.

Es folgt die Aufzeichnung des Gespräches:
„Moin, die Herrn.“
„Ei Schorsch, lang ned gesehn!“
„Isch konnt wesche meine Hämmoridde lang nät spiele.“
„Ei nee, Hämmoridde soll mer ned uff die leischte Schulder nehme. Und? Iss besser?“
„Des war kein Spass. Isch musst auch bein Neurologe…“
„Wesche Hämoridde bein Neurologe? Ei mach‘ Sache…“
„Der sollt gucke, ob mein Juckreiz nervlich bedingt iss.“
„Hämmoridde nervlich bedingt, was all gibt. Mein Slice is auch nervlich bedingt. Und dann?“
„Jetz hamse wo was abgeschnibbelt. Es juckt halt noch e bissi.“
„Na, dann lasse ma jucke… um was spiele mer heut?“
„Um en Schoppe?“
„Also Männer: wer schläächt ab?“
„Immer der der frääscht“
„Na gut. Jetz klatsch ich die Murmel dorsch de Schallmauer!“

Kalli geht aufs Tee. In einem umständlichen  Bewegungsablauf, der an einen antiken Schlangentanz erinnert, versucht Kalli, die Fragmente eines Rituals zu zelebrieren, das ihm einst von seinem Golflehrer als Pre-Shot Routine eingebläut wurde. Plötzlich, auch für den Ball vollkommen überraschend, schlägt er zu. Selbst Kalli ist überrascht, besonders als er den Himmel erfolglos nach seinem Ball absucht.

Cartoon: Peter Ruge


„Ui, ne? Was warn dess? Wo issnderhin?“
„Ei Kalli, der iss im Wasser.“
„Meinste ned, dass der nochema reingekomme iss?“
„Von wo rein? Ausm Wasser nomma raus, oder wie?

Jetzt schlägt Schorsch. Es folgt ein langer gerader Drive Mitte Fairway, dem er ungläubig hinterherstarrt:

„Wass wa‘n dess? Was hab‘ben ich ebbe falsch gemacht? Hab dir den gesehn? Kerzegrad!“
„Ei wo gibt’s dann sowas? Hast vielleicht schepp gestande? Ist eigentlich gar net dein Schlasch, so gradaus uffs Fairway.“
„Unn, was iss, Heinz? Wird das heut noch was?“

Behäbig erklimmt der Brummler den 1. Abschlag. Sein Blick sucht am Horizont nach einem angemessenen Ziel. Es folgt ein wuchtiger Hieb, der den Ball scharf nach rechts ins Gekräckel treibt. Dorthin zieht es auch die Prostata des Bass-Brummlers und nachdem Kalli seinen 3. Ball gespielt hat geht jeder seiner Wege, was von Lautmalereien in allen Lagen begleitet wird.

„Was suchst‘n?“
„Ei, mein Ball.“
„Isch glab, so lang war der net.“
„Der muss hier doch lije.“
„Lieschter abber net. Gugge ma da hinne“.
„Ei, so kurz.“
„Haste mein gesehen.“
„Vielleicht im Bunker.“
„Schau dir dess ema an: Hamm de Bunger net gerecht und dafür zahl ich das viele Geld.“
„Na, die Grüns sin doch noch schlimmer. „
„Da sind die Greenkeeper dran schuld, die aale Faulenzer. Da resch ich mich schon gar net mehr auf.“ „Gugge mal, wie die da am Schubbe hocke und grinse. Die sinn doch all besoffe.“
„Ne, des is doch de Achmed und de Hammed. Die derfe doch net saufe, die Mullahs.“
„Das sinn doch alles Schläfer von de alKaida. Seit die unser abendländisch Grün mähe, geht bei mir kein Ball mehr rein.“
„Da kann ebbes dran sein.“
„Wo issn de Heinz?“
Laut: “Wo steckste dann, Heinz!“
Es dröhnt ein basstiefes Fluchen aus dem Wald.
Zum Schorsch: „Alles klar, de Heinz brummt – de Heinz lebt“.

Endlich erreichen sie das Grün, wo sich der Bass-Brummler bei seinem Putt schließlich so verliest, dass sein Ball aus acht Metern ins Loch fällt. Die Begeisterung ist groß:

„Ei guggde ma, jetzt zieht uns de Heinz des Tangahös‘sche stramm…!“

Bei dem Gedanken, dass einer der Herren einen String-Tanga tragen könnte, kollabierte der Golf-Ethnologe und musste seine Aufzeichnungen beenden. Durch das Club-Sekretariat konnte jedoch rekonstruiert werden, dass Heinz, Schorsch und Kalli nicht viel länger als fünfeinhalb Stunden unterwegs waren, weshalb sie in ihrem Club als „Der flotte Dreier“ bezeichnet werden.


 
© by Eugen Pletsch, 2011