Erinnerungen an einen besonderen Menschen und wunderbaren Musiker

Im Frühjahr 2022 erfuhr ich, dass der geniale Gitarrist Anselm ‚Ringo’Benner im Herbst 2021 verstorben war. Das hat mich sehr berührt (siehe auch meine Geschichte zum Schluss) und ich kontaktierte einige seiner Freunde mit der Bitte, Erinnerungen aufzuschreiben. Alle Rückmeldungen von Ringos Freunden habe ich an dieser Stelle (auf meinem FOLK-Blog) veröffentlicht. Hier findet Ihr nur meine eigenen Erinnerungen an ‚Ringo’…
Eugen Pletsch
R.I.P. Ringo!
Der Ausnahmekünstler, den sie ‚Ringo‘ nannten…
Anselm Amadeus Benner, von seinen Freunden und Musiker-Kollegen ‚Ringo‘ genannt, wurde am 14.4.1952 geboren. Er war somit zwei Wochen älter als ich, aber wir begegneten uns erst 15 Jahre später.
Bei einem „Beat-Festival“ (das meines Wissens von der Stadt Gießen im Saalbau des alten Martinshofs veranstaltet wurde), trat Ringo erstmals unüberhörbar in mein Leben – und das der anderen Zuhörer.
Er war Gitarrist in einer Band („The Jewels Four“ oder so ähnlich), die mit ihren Glitzer-Jacketts eher in einem Strip-Club gepasst hätten. Ringo (ohne Glitzerjoppe) rockte den Laden derart, dass der Veranstalter abbrechen wollte, aber die Menge kochte und Ringo hörte nicht auf zu spielen bis der Hausmeister den Hallenstrom abschaltete. Unvergesslich!
1969 hing ich mit Hippies, Droogies und Folk-Musikern meist im „Haarlem“ ab, der damals angesagten Musik-Kneipe. Im Hinterhof gab es ein schmales Gebäude, in dessen Oberstock Musiker übten. Dort hörte ich Ringo, der „1983“ von Jimi Hendrix neuer Platte „Electric Ladyland“ spielte. Ich hatte mir diese Doppel-LP mit Hendrix‘ Surround-Effekten gerade verkauft und war vollkommen verblüfft, dass sich jemand wagte, diesen Song nachzuspielen. Aber Ringo spielte ihn in Perfektion und – soweit ich mich erinnere – sogar mit dem Stereo-Effekt, der den Song so spacy macht.
Die nächsten Jahre trafen wir uns immer mal wieder. Wir waren keine dicken Buddys, aber Ringo begegnete mir stets freundlich und respektvoll, was vielleicht daran lag, dass auch ich ihn während seiner Gelbsucht im Krankenhaus besucht hatte. Später hörte ich dann von seinem Job im Musikhaus Schönau und seiner Fähigkeit, Gitarren spielbar zu machen.
An seinem Bastel-Schreibtisch besuchte ich ihn öfter, wäre aber niemals auf die Idee gekommen, dass er auch meine Folk-Klampfen hätte tiefer legen können, was meinem Spiel gut getan hätte.
Auf der Bühne sah ich ihn letztmalig mit den OLDIES bei einer Kirmes in Großen Linden (?). Er spielte BASS!

Es war, als hätte man von Paganini in einem Orchester gefordert, die Triangel zu spielen. Aber auch den Bass spielte er auf seine unvergleichliche Art, zusammengeschnurrt, in sich gekrümmt, den Blick auf dem Boden (als würde er Kleingeld suchen). Er schien von dem Getobe des Silberrücken-Sängers vollkommen unberührt in einer anderen Welt zu leben, aber ohne irgendeinen Ton falsch zu spielen. Ich vermute, seine Sehnsucht galt dem nächsten ‚Körbchen‘, das Lisa und ich ihm dann in der Pause brachten. (Da ich mein Leben lang Kirmesfeste gemieden hatte, wusste ich nicht was ‚Körbchen‘ sind. In dieser Nacht mit Lisa und Ringo lernte ich dann viele Körbchen kennen…).
Im Sommer 2019 hörte ich, dass man Anselm im Musikhaus Schönau gesehen habe. Er sähe nicht gut aus, hieß es. Ich bemühte mich um seine Telefonnummer. Da ich mich (nach 35 Jahren Pause) wieder mit Gitarren befasste, hoffte ich, ihn zu besuchen zu können. Nein, er wolle lieber mit dem Fahrrad nach Langgöns kommen, sagte er, was dann aber irgendwie im Sand verlief. (Ich hörte erst kürzlich von Tommy Kastl, dass Ringo gerne auch lange Strecken mit dem Rad fuhr).
Ich dachte öfter an ihn, aber dann kam Corona und der Lockdown. Im Frühjahr 2022 erfuhr ich von Friedhelm im Musikhaus Schönau, dass Ringo im Oktober 2021 verstorben wäre. Das hat mich ziemlich mitgenommen. Friedhelm sagte, dass Dale King ihn zuletzt begleitet hätte. Ich kenne Dale nicht persönlich, aber rief ihn an. Ich sagte ihm, dass ich Material über Ringo sammeln möchte, den ich als einen besonderen Menschen und wunderbaren Musiker in Erinnerung hätte. Es folgten viele SMS-Kontakte und Dale und Hans Hoss führten mich zu einem Netzwerk von Freunden und Mitmusikern, die offensichtlich (fast) alle froh waren, dass jemand bereit war, diesen besonderen (wenn auch besonders schwierigen) Menschen zu würdigen.
Ich erinnerte mich auch an Geschichten, die mir Andy Herchen (The Misfits) über Ringo erzählt hatte und rief Andy an. Er verschaffte mir den 1. Text, eine Jugenderinnerung von Karl W. Pfeil, weitere sollten folgen.
Meine Ringo-Recherche führte zu den Archiven seiner Freunde, die Kulturschätze an Tondokumenten, Bildern und Geschichten bewahren. Ich hoffe, dass sich vielleicht das Stadtarchiv oder eine andere Institution darum bemüht, dass diese Schätze nicht verloren gehen.
Die Gespräche mit Jürgen Balzer, Tommy Kastl und anderen Zeitgenossen eröffneten mir einen kurzen Blick in diese regionale, miteinander über Jahrzehnte verwobene Musikszene, die ich zwar als Zuhörer hin und wieder erlebt habe, von der ich als Folk-Musiker aber nie ein Teil war.
Dass ich diese Musiker und ihre Geschichten, Bilder und Tondokumente kennenlernen durfte, verdanke ich dem Ausnahmekünstler, den sie ‚Ringo‘ nannten. Danke!
Vielen Dank auch an alle, die bereit waren, Ringo mit ihrem Beitrag oder ihren Kontakten zu würdigen.
Eugen Pletsch