Der Zirkus

Aus einem Cybergolf-Blog, April 2018, Thema: Neue Datenschutzverordnung und Zirkus

An einer zweiten Karriere als Straßensänger arbeite ich bereits seit Herbst 2016. Aber was gäbe es noch, um meine illustre Biografie um ein weiteres Kapitel zu bereichern? Mit diesen Gedanken radelte ich auf einer meiner steigungsarmen Lieblingsstrecken, als ich hinter dem Festplatz in Langgöns ein Zirkuszelt entdeckte.

ZIRKUS! Das war’s!
Obwohl ich Zirkus eigentlich nicht mag. Als Kind sah ich mal eine Akrobatin von ganz oben aus der Kuppel abstürzen und diese Ponys, die immer im Kreis rennen …na ja…vielleicht hatte ich auch mal leuchtende Kinderaugen, aber eher weniger. (Der Zoo hat mich aber auch nur in der Phase interessiert, in der ich Afrika-Forscher werden wollte…). 
Und Clowns? Dieser dünne, weiße Harlekin und dieser kleine Depp mit den roten Haaren und den Riesenschuhen, die sich den Stuhl wegziehen, um in die Sägespäne zu fallen, fand ich total LANGWEILIG! 

Schon in einer frühen Phase meines Lebens ließ sich erkennen, dass ich wenig Humor besitze und den Sprachwitz von Autoren wie Tom Sharpe, Charles Bukowski, John Fante und Douglas Adams konnte ich erst spät verstehen.

Zum Thema Humor habe ich generell nur vage Erinnerungen, zum Beispiel an die „Clownspower“-Bewegung in den 1980ern. Fast jeder in der Subkultur, in der ich mich damals bewegte, wollte Clown werden. Ich nicht. Der Rockstar der Clowns, der Größe aller Fools, war Jango Edwards.  

Autogrammkarte und Ticket von Jango-Fan Frau Oelmann


Der Veranstalter des „Festival of Fools“ in Recklinghausen, Tom Klatt, hatte einen damaligen Oberhippie und mich als „Flying Assholes“ dazu eingeteilt eine Gruppe Rocker zu beaufsichtigen, die als Security engagiert waren – was an sich schon ein Witz war.
Und tatsächlich lachten die sich einen Ast ab, als sie uns dürre Kerlchen sahen. Doch als dann die Massen der Zuschauer vor den Toren drängten, bewiesen wir Führungsstärke, indem wir ganz entspannt Frisbee spielten. Die Rocker blieben cool und ich genoss Jango Edwards drei Tage lang aus nächster Nähe, was meine einzige Qualifikation wäre, um mich bei einem Zirkus zu bewerben.

Nachdem ich meinen Waldweg zerradelt hatte, führte mich der Rückweg wieder an dem Zirkuszelt vorbei, aus dem Irish Folk Music dröhnte. Es roch nach Popcorn. Das Zelt war an einer Seite aufgeschlagen. Ich ging hinein. Ein Mann mittleren Alters war dabei, Popcorn in eine große Plastiktüte zu stopfen.

Wie es mit einem Job aussehen würde, fragte ich ihn. Zeltpfosten aufstellen wäre nicht so mein Ding, aber ich könnte als Conférencier oder als komischer Sänger (trifft keinen Ton) auftreten. Auch die Rolle eines Löwen wäre mir auf den Leib geschrieben, sofern ich nicht durch Feuerreifen springen müsse. 
(Als singender und jonglierender Pudel aufzutreten, was ich mir auf meiner Fahrradrunde ausgemalt hatte, war bereits wieder verworfen. Einmal in meinem Leben wollte ich ein Löwe sein!)

Nachdem ich mich wortreich vorgestellt hatte, bat mich der Mann per Zeichensprache, die beiden Regler links an der PA runterzuziehen. Er hatte kein Wort verstanden.

Also begann ich meine Bewerbung erneut vorzutragen:

„Für wen sind die vielen Popcorn?“

„Für die Kinder, die morgen kommen!“

„Die kriegen alte Popcorn?“

„Wir sind von der Schule engagiert.“

„Kann ich da auch zuschauen?“

„Nur über die Schule.“

„Haben sie auch Tiere, zum Beispiel Löwen?“

„Wir haben gar keine Tiere.“

„Aber Akrobaten, Clowns und so…?“

„Nein, die Kinder machen den Zirkus selbst. Wir bieten nur den Rahmen“.

„Dann suchen sie kein Personal?“

„Nein, bauchen wird nicht.“

Er wirkte von meinen Fragen gelangweilt.

„Auch niemanden, der sich mit der neuen Datenschutzverordnung auskennt?“

„Nein, brauchen wir auch nicht. Wir haben keine Daten. Nur ein Zelt mit Kindern und Popcorn.“

„Ja, dann also … äh…weiterhin viel Erfolg…“, stammelte ich, nahm mein Fahrrad und zuckelte gen Heimstatt.

Dort fand ich die Nachricht von dem Rechtsanwalt, den ich zuvor abgemahnt hatte. Ich hatte damit gedroht, ihm eines meiner Bücher zuzusenden, um ihn mit dem Golfvirus zu infizieren. Verhindern könne er das nur, indem er sich meine Datenschutzbestimmungen ansehen würde. 
Er gab klein bei, streckte die Waffen und schickte mir eine Vorlage zur neuen Datenschutzverordnung. Vermutlich wusste er aus seinem Bekanntenkreis, wie schnell es mit einem Rechtsanwalt bergab geht, wenn er mit dem Golfspiel beginnt, um dann schlimmstenfalls im DGV-Vorstand zu enden. Auf diese Karte hatte ich gesetzt und prompt gewonnen! (…).

Nachwort 2023: Na ja, so oder so ähnlich war das. Jedenfalls ist es aus meiner Löwen- oder Clown-Karriere nichts geworden, aber ich versuche es im Dezember beim Sträter-Auftritt in Gießen als Ticket-Abreißer. Vielleicht komme ich da dem Humor auf die Schliche…

(ep)