Die Geschichte einer Frau, die von der Damen -Tennis-Seniorenmannschaft zum Golf wechselte…
Als sich Frau Langer entschloss, Golfstunden zu buchen, wussten weder sie noch ihr künftiger Golflehrer, geschweige denn die großflächige Scheibe des Clubrestaurants, was auf sie zukommen würde.
Brigitte Langer, älteste von acht Schwestern, war die geschäftsführende Inhaberin der vormaligen „Langer Zucht und Lege Management GmbH & Co. KG“, die auf Jersey zu einer Ltd. mutiert war, um jene goldenen Eier zu horten, die entstehen, wenn man Legebatterie-Eier jahrelang als BIO-Eier verkauft.
Als dann die endlosen, lästigen EU-Umweltverordnungen und die Vorgaben fanatischer Tierschützer zum nervigen Alltag wurden und Frau Langer zudem feststellen musste, dass die einst exorbitante Rendite nicht mal mehr durch geregelten Subventionsbetrug zu erzielen war, erlosch ihr Interesse an der Legeanstalt und die Lust am Ei.
„Genug ist genug“, sagte sie. „Wenn Legebatterien und Hähnchenmast Tierquälerei sind, dann bin ich die Erste, die meine armen Viecher erlöst.“
Der Kreisveterinär war zu moderaten Kosten bereit, in ihren Stallungen eine Geflügelpest zu installieren und die darauffolgende überregionale H5N1-Hysterie ermöglichte ihr, den gesamten Hühnerbestand auf Staatskosten zu entsorgen. Da ein Schicksalsschlag selten allein kommt, krähte der Rote Hahn im folgenden Jahr dreimal über den leer stehenden Stallungen. Dabei hatte die resolute Frau Langer so geschickt gezündelt, dass die Versicherung – entgegen der gängigen Meinung, sie könne sich aus allen Schadensersatzleistungen herauswinden – schweren Herzens eine größere Summe überweisen musste. Ihren Grund und Boden verkaufte sie dann an die Tochterfirma einer multinationalen Räuberbande, die mit Hilfe gentechnischer Manipulationen Viren entwickelt, die zwecks Umsatzsteigerung der Blockbuster des Mutterkonzerns unter das Volk gebracht werden. Grundstücksverkauf, Versicherungsgeld und die goldenen Eier auf der Insel waren ein weiches Polster, auf dem sich Frau Langer bis an das Ende ihrer Tage auszuruhen gedachte. Sie wünschte sich ein vergnügliches Leben und ihr erster Schritt führte sie in das luxuriöse Ambiente des örtlichen Golfclubs. Ihre Aufnahmegebühr plus Spende zahlte sie bar, was den damaligen Manager von Bauernburg veranlasste vom hohen Ross zu steigen, um einen tiefen Bückling zu machen. Er empfahl ihr Golfstunden bei einem hageren Bürschlein, das gerade seine dritte Schwungumstellung hinter sich hatte und keinen Ball traf, was Frau Langer jedoch nicht wusste und was im weiteren Verlauf der Geschichte keine Bedeutung haben wird.
Brigitte, die sich seit Clubeintritt mit Brijitt vorstellte, begann sich intensiv mit der Materie des Golfsports zu befassen. Spätestens jetzt ist es wichtig zu wissen, dass Frau Langer – ähnlich den ehemaligen Hockey- und Tennisspielern, die zum Golfsport konvertieren – eine sehr starke rechte Hand hat. Das ist darauf zurückzuführen, dass sie der Mast-Abteilung im väterlichen Betrieb bereits als Jugendliche vorstand und bis zur Einführung neuer Technologien selbst Hand anlegte, was im Klartext heißt, dass sie täglich eine Vielzahl Gockel auf arabische Art von der Qual der Massentierhaltung erlöste. Diese harte rechte Hand war es, die ihre Bälle mit einer Wucht davonschießen ließ, die den jungen Pro davon überzeugte, dass Thomas Zacharias mit seinen Thesen doch richtig lag.
Nachdem Brijitt den Ball bereits in ihrer ersten Golfstunde an die 200-Meter-Marke gedonnert hatte (okay, Zufall, aber immerhin flog er so weit), wähnte der Pro bereits eine Verwandtschaft mit Deutschlands größtem Golfer. Frau Langer, die von einem Golfer gleichen Nachnamens nie gehört hatte, geschweige denn mit dem Heiligen Bernhard verwandt oder verschwägert ist, sagte dazu nichts. Sie sprach den nächsten Ball an, den ihr der Pro auf das Gummitee gelegt hatte, und mit der gleichen Wucht, mit der Uranmunition Panzer durchdringt, zerschoss Frau Langer mit einem Querschläger, der von einem Metallbolzen am Dach der Hütte zurückgeprallt war, die neue teure Videokamera. Der Pro, der kaum einen halben Meter von der Kamera entfernt stand, bangte um sein Leben. Von Adrenalin geschüttelt schlug er vor, die enge Abschlagshütte zu verlassen, um auf der Driving Range weiter zu üben, was Frau Langer mit dem Hinweis ablehnte, dass sie sich in dem engen Kabuff sehr wohl fühle. Mit ihren sieben Schwestern hatte sie einst ein Zimmer von kaum sechzehn Quadratmetern geteilt, in dem vier doppelstöckige Betten so ineinander verschachtelt waren, dass jene heimelige Geborgenheit entstand, die der Vater auch seinen hunderttausend Legehennen bereitet hatte. Brigitte Langer liebte diese enge Behaglichkeit, zumal sie als Älteste in der Hackordnung oben stand. Das war vermutlich der Grund, warum sie die Kritik von Tierschützern an Legebatterien niemals auch nur im Ansatz begreifen konnte.
„Wir haben auch nie anders gelebt“, sagte sie einmal zu einer Freundin, „und meinst du, es hätte mir geschadet?“
Die Freundin verneinte vorsichtshalber, womit sich Frau Langer in ihrer Meinung bestätigt fand, dass Wohnlichkeit auch in der kleinsten Hütte zu finden sei.
Den weiteren Fortschritt von Frau Langer beobachtete der Pro in den nächsten Monaten hinter einem Pfosten stehend, die Weichteile durch das Suspensorium geschützt, das er sich von einem Footballer ausgeliehen hatte.
Nachdem sich Frau Langer schließlich die Platzreife zusammengeschossen hatte, gab es für sie kein Halten mehr. Ein Raunen ging durch den Club und ihre Drives wurden bald mit denen der großen Laura Davies verglichen, nur mit der Zielgenauigkeit haperte es noch. Immerhin konnte ihr der Pro einschärfen, im Zweifelsfall laut „FORE“ zu brüllen, da in der Rechtsprechung für Schäden auf Golfplätzen das Verursacherprinzip Anwendung findet.
Frau Langer, die das Gekreische ihres Federviehs jederzeit hatte überschreien können, entwickelte sich zu einer FORE-Brüllerin sondergleichen. Wenn ihr „FORE“ über die Auen jagte, säuerte die Milch in den umliegenden Dörfern, gebaren Kühe tote Kälber, verdunkelte sich der Himmel und jegliche Kreatur, die ungeschützt auf dem Platz umherkroch, erzitterte vor Angst. Selbst wenn Frau Langer von der anderen Seite des Platzes brüllte, zogen die Gäste auf der Clubterrasse die Köpfe ein.
Dass diese Deckungssuche zu einer täglichen Routine wurde, hat vermutlich mindestens ein Leben gerettet, denn es kam der Tag, an dem Frau Langer beschloss, das 18. Grün, ein kurzes Par-4-Dogleg von 269 Metern Länge, vom Abschlag aus carry anzugreifen. Der Schlag gelang allzu perfekt, ihr gnadenloser Bombendraw raste auf das Clubhaus zu. Kaum hatte sich die Menge ihrem gellenden „FORE“ zu Füßen geworfen, zerschellte die große Scheibe des Clubrestaurants in tausend Splitter.
„War ich das wirklich?“, fragte Frau Langer, nachdem sie mit dem Schaden konfrontiert wurde, um sich alsbald auf eine alte Weisheit zu besinnen: „Scherben bringen Glück“, sagte sie und lächelte, was an ihr irgendwie mörderisch aussah. Den zuständigen Haftpflicht-Sachbearbeiter, der sein Glück kaum fassen konnte, ließ Brijitt freundlich, aber bestimmt wissen, dass es ihr ein Leichtes wäre, jedem störrischen Gockel das Hälschen umzudrehen, woraufhin der Schaden schnell beglichen wurde.
Frau Langer, die das Zielen erst in ihrer vierten Golfsaison lernte, ist heute die allseits respektierte und gefürchtete Kapitänin ihrer Damenmannschaft, wobei ihr Schlachtruf „Los geht’s, Weiber! Hackt diesen alten Suppenhühnern die Federn aus!“ nicht in allen benachbarten Golfclubs als sportlich empfunden wird.
(c) by Eugen Pletsch, aus „Achtung Golfer, Schlägertypen in Wald und Flur„