Zen und die Kunst, seinen Ball zu finden

Golfanfänger, die meine Epigenese des Golfballs studiert haben, lernen heute, wie man die Bälle findet, die man für die hohe Kunst des Golfspiels braucht….

Wenn Sie eine vernünftige Runde spielen möchten, ist es Ihr Ziel, den Ball auf der Bahn zu halten, anstatt ihn rechts oder links in Wald und Wasser zu verlieren. Der sparsame Einsatz von Bällen ist bei dieser schottischen Sportart wünschenswert, aber weil wir anfangs einige Bälle verlieren werden, spielen wir nur mit gefundenen Bällen. Die kann man von Jungs aus dem Dorf kaufen, die ihr Taschengeld mit abendlichen Touren durchs Rough aufbessern, oder von einem Waldschrat, der ständig in den Brombeeren nach Bällen stochert.

Wir gehen natürlich selbst auf die Ballsuche, denn das Suchen und Sammeln von Golfbällen ist eine ehrenvolle Tätigkeit, die der sparsame Barfußgolfer, neben dem Spiel selbst, am liebsten pflegt. Es ist empfehlenswert, wenigstens im Turnier einen Zweitball zu führen, und der muss ja irgendwo herkommen.

Als engagierte Ballsucher werden Sie Ihren Heimatplatz bald wie Ihre Westentasche kennen. Die Stressabschläge, an denen der Ball links in die Büsche springt, die Doglegs, wo der Ball die Kurve nicht bekommt und die Grüns, auf denen die Bälle nicht halten und ins Rough rollen. Sie wissen, an welchem Par 5 die Longhitter Gas geben und haben die Damenabschläge im Griff, von denen es sich herrlich in die Uferböschung kullern lässt.

Durch aufmerksame Beobachtung ist Ihre Ballsuche gezielt, professionell und Sie sind in kürzester Zeit in der Lage, eine Ballmarke in gewünschter Qualität zu finden. Sie kennen die Schlaglängen der Durchschnittsspieler und wissen, wo die billigen Bälle liegen und wo der Pro seine Kugel ins Gemüse hookt. Kurz hinter dem Abschlag im hohen Gras, nach etwa dreißig Metern, ist auch eine Goldgrube mit guten Bällen, die Möchtegerncracks mit zu viel Kraft unterschlagen und in den Himmel geschickt haben.

„Der Dorfseppl“
Cartoon Peter Ruge

Gratisgolfbälle gibt es wie Sand am Meer. Sie müssen nur wissen wo! Unser Feind ist der Dorfseppl, der mit dem Pro gemeinsame Sache macht, und die habgierigen Jungs aus dem Dorf, die Sie aber verscheuchen können. Nur wenn Sie in schlammigen Senken, dunklen Tannenschonungen und im Schilf schmatzende Gerausche hören, dann laufen Sie!

Die Zeiten für eine sinnvolle Ballsuche sind von Club zu Club verschieden. Selbstverständlich sollten wir nach einem offenen Turnier oder einem Ranglistenwettkampf, wenn alle ihre guten Bälle spielen, besonders gründlich nachsuchen. Unser Bag enthält zu diesem Zweck eine Teleskopstange speziell mit Ballaufnehmer, mit der wir nicht nur die Bälle aus Fluss und Teich fischen, sondern auch in dichten Schonungen und Hecken erfolgreich arbeiten können. Bei Zählwettspielen und Meisterschaften wird leider von den Beteiligten intensiv nachgesucht, während besonders Anfängerturniere nach Stableford eine gute Beute versprechen. Da die Löcher gestrichen werden können und Anfänger immer den nächsten Flight im Nacken wähnen, geben sie ihren Ball schnell auf. Häufige Fundorte: Quickhook-Bälle 40 Meter links oder 120 Meter rechts im Unterholz. Leider sind die Anfängerbälle meist billiger Discounter-Mist.

Cartoon: Peter Ruge

Sammler exotischer Bälle mit Firmenaufdruck müssen sehr früh aufstehen. Zu dieser Zeit sind unsere lieben japanischen und koreanischen Gäste unterwegs, die, ähnlich den clubfreien Golfern, ein wenig geliebtes Schattendasein führen. Da, wo sie ihre eigenen Plätze bespielen, zum Beispiel Kosaido bei Düsseldorf, ist die Fundmarge nicht so hoch. Aber auf fremden Plätzen rechnen die Burschen mit einem gewissen Schwund und packen großzügig Bälle mit Firmenlogo bzw. Erinnerungen an ihren Honeymoon auf Hokkaido ins Bag.

Ein Ball mit kleiner Schramme wird sich erfahrungsgemäß als der haltbarste herausstellen. Da ist die Marke egal. Während neue Bälle mit kosmischer Gesetzmäßigkeit auf Nimmerwiedersehen im Aus verschwinden, wird Ihre angeschrammte Schmuddelkugel immer irgendwie die Kurve kriegen. Manche Bälle wird man fast nicht mehr los. Ich fühlte mich einmal von einem Ball geradezu verfolgt. Er sah schon alt aus, aber er schien nicht kaputtzugehen. Irgendwann hatte ich es satt, immer mit dem gleichen Ball zu spielen, der nur kerzengerade fliegen konnte. Ich hatte nur noch tolle Runden, aber das Spiel wurde langweilig. Natürlich schlug ich mit diesem Ball mein erstes Ass. Es war eine gelbe Kugel, die ich im Herbst gefunden hatte und den ganzen Winter durch spielen konnte. Unglaublich. Im Frühjahr wollte ich auf meinen anderen fast weißen Sommerball zurückgreifen (auch ich führe einen Zweitball mit, durchaus!). Der verschwand nach wenigen Löchern im Wald, worauf mich der gelbe Ball höhnisch angrinste, als ich ihn aus dem Bag fingerte. Ich konnte voll durchziehen. Nie musste ich Angst haben, den Ball zu verlieren. Er passte sich dem Wind an, flog immer gerade und krallte sich im Grün fest. Fast jeder Putt ins Loch. Der Ball begann mich zu nerven.

Eines Tages wurde es mir zu gelb und ich gedachte, den Ball vom Tee einfach wegzuschlagen. Weit weg in den Wald wollte ich ihn knallen, denn ich fand ihn in letzter Zeit aufdringlich. Der Ball vermittelte mir das Gefühl, als wäre er der eigentliche Grund für eine gute Runde. Um ihn nicht misstrauisch zu machen, stellte ich mich hin wie immer, aber mitten im Schwung hielt ich das Schlägerblatt offen. Es gelang mir ein Push, womit mein gelber Freund, den ich etwas dünn traf, offensichtlich nicht gerechnet hatte. Etwa 150 Meter zischte er flach auf den Wald zu, knallte dann jedoch gegen einen Baum und sprang zurück aufs Fairway. Finster schaute er aus seinen gelben Augen. Ich bekam es mit der Angst zu tun.

Mittlerweile haben wir uns arrangiert. Er ist kürzlich mit einer kleinen Feier verabschiedet worden, sozusagen in Pension gegangen und liegt jetzt in einem mit Intarsien gearbeiteten Holzkästchen, auf Daunen gebettet. Zu wichtigen Turnieren nehme ich ihn natürlich mit. Nicht, dass er sich dann ins Spiel drängeln würde; da lässt er den neuen Bällen den Vortritt. Aber er gibt mir eine große Sicherheit, beruhigt die jungen Bälle im Bag bei ihrem ersten Turnier und manchmal, wenn es um Sein oder Nichtsein geht, verleihe ich ihn an Tim. Dann taumelt er wie ein dicker Kieselstein durch die Luft und lächelt gemein.

Auszug aus: Der Weg der weißen Kugel,
(c) by Eugen Pletsch, 2005