Tropfnass aber glücklich schleppte ich meine Golftasche Richtung Clubhaus. Tropfnass, weil ich die Golftasche in den Teich am 18. Grün geworfen hatte, um kurz darauf, in einem Anfall von Verzweiflung selbst hinterher zu springen.
Und glücklich, weil ich im kalten Wasser schnell wieder zur Besinnung kam und nur zweimal tauchen musste, um die Tasche mit allen Schlägern zu bergen. Nun hielt ich sie liebevoll umschlungen, herzte und küsste meine Schläger und bat um Verzeihung, bis ich bemerkte, dass unser Clubpräsident Herr Fahrenbach hinter mir stand. Sein Lächeln signalisierte Verständnis. Die Versöhnung mit den eigenen Golfschlägern nach einer misslungenen Runde ist immer wieder ein besonderer Moment.
„Na? Mal wieder vor Freude in den Teich gesprungen?“
Fahrenbach zwinkerte mir zu.
„Golf ist nun mal das schönste Spiel auf Erden, nicht wahr?“
Das klang besorgniserregend. Wenn Fahrenbach sagte, dass Golf das schönste Spiel auf Erden wäre, dann war etwas faul. Gerade er, für den wir einen jugendfreien Nachmittag eingeführt hatten, damit seine gellenden Flüche beim Nachwuchs keine bleibenden Schäden anrichten konnten.
„Was kann ich für Sie tun?“ fragte ich misstrauisch.
„Nun…äh…“, flötete Fahrenbach „sind Sie nicht ein Mann der Feder? Es heißt, Sie würden lustige Geschichten über unseren Sport verfassen!“
Ich beobachtete eine junge Kröte, die aus meinem Ärmel kroch und dachte nach. Meinte er meine Golfbücher? Lustige Geschichten? Es mag sein, dass meine Dramen von oberflächlichen Lesern als Satiren interpretiert werden, aber was weiß Fahrenbach davon? Der liest keine Golfbücher. Ich schüttelte etwas Schlick und einen Faden Froschlaich aus meiner grauen Künstlermähne.
„Worauf wollen Sie hinaus?“
„Unser Club sucht neue Mitglieder und wir hoffen, dass Sie uns eine nette Geschichte schreiben, die für den Golfsport wirbt.“
„Eine nette Geschichte? Die für den Golfsport wirbt?“
„Genau! Irgendetwas darüber, wie schön das Golfspiel ist. Dem Leser muss das Wasser im Mund zusammenlaufen, damit er sich sofort bei einem Schnupperkurs anmeldet.
„Oder ihr, der Leserin“, fuhr unsere Frauenbeauftragte Frau Willig dazwischen, die dazugekommen war und der die Weiblichkeit in einer ohnehin männerdominierten Welt häufig zu kurz kommt.
„Oder ihr“, stimmte Fahrenbach zu.
Mir war nicht wohl bei der Sache. Schließlich lautet der meistzitierte Satz aus meinen Schriften:
„Golf macht süchtig, dann eine Weile blöde, dann depressiv.“ Außerdem wurde mir langsam kalt, die nasse Hose klebte an meinen Beinen und die gute Laune war auch dahin.
„Wie stellen Sie sich den vor? Ich meine… den…äh…den Leser? Wer soll diese Geschichte lesen?“
„Ganz einfach“ flötete Fahrenbach, für den alles einfach ist, außer dem Golfspiel selbst:
„Das NRW-Golfjournal hat uns angeboten, einen Artikel zu veröffentlichen. Sie müssen nur schreiben, wie schön das Golfspiel ist und wie glücklich wir sind, Mitglieder in einem Golfclub zu sein. Kann doch nicht so schwer sein! Stellen Sie sich vor: Da sitzt jemand beim Friseur, muss einen Moment warten, blättert in dem Heft und findet Ihren Artikel. Sie müssen natürlich so schreiben, dass der Leser –„… „…oder die Leserin“ fuhr Frau Willig dazwischen – „Genau, oder die Leserin, unbedingt wissen will, was das Besondere ist am Golfspiel. Ganz einfach!“
„Aber das Golfspiel ist nicht ganz einfach“, murmelte unser Vize, Prof. Klausthaler, der sich zu uns gesellt hatte und dem die Schrecken der letzten Clubmeisterschaft noch ins Gesicht geschrieben waren.
„Ich will sagen“, fuhr Fahrenbach unbeirrt fort: „Es kann doch nicht so schwer sein, etwas über unserem spannenden Sport zu erzählen.“
„Spannend?“
Ich dachte an die Fernsehübertragungen von Golfturnieren, bei denen Spieler so langsam über den Rasen schleichen, dass man ihnen dabei die Schuhe besohlen kann. Der eine deutsche Kommentator knurrt dazu hin und wieder ein paar launige Worte, während der andere ständig „Wahnsinn!“ brüllt. „Wahnsinn! Er hat es tatsächlich geschafft, die Kugel aus 30 cm Entfernung einzulochen. Der Hammer! Ja, so ist dieses Spiel, einfach Wahnsinn…!“
Damit will er dem Zuhörer verdeutlichen, dass ein Golfturnier eine wahnsinnig tolle Stimmung haben kann. Kann, wohlgemerkt. Ich werde die Raserei des Publikums bei einem Major Turnier in Schottland nie vergessen, aber normalerweise ist Golf ein ruhiges Spiel. Golf ist Rasenschach, ein strategisches Spiel, das Ruhe und Konzentration erfordert. Wer bei einem Schachturnier „Partystimmung“ erwartet, ist fehl am Platz. Golf ist keine ‚laute‘ Modeerscheinung, zumindest nicht für mich. Aber wie sollte ich Fahrenbach erklären, wie diffizil das Thema ist? Um eine Lungenentzündung zu vermeiden, versprach ich dennoch, mir etwas auszudenken.
So. Mein Haar ist wieder trocken, die Schläger geputzt. Was mache ich nun mit Ihnen, liebe Leserinnen und Leser? Welchen Köder werden Sie schlucken? Dass Golf preislich nur noch leicht über Mucki-Bude rangiert, aber weit unter Ski-Urlaub? Die Zeiten, in denen Golf als „Elite“-Sport verpönt war, sind gottlob auch vorbei. Dass Golf für lebenslange Freizeitgestaltung an der frischen Luft sorgt, wäre ein Argument. Aber dafür könnte man sich auch einen Hund halten. Schwimmen und Tauchen lernen wäre ein Aspekt! Doch dazu muss man nicht in einen Golfclub eintreten. Eine neue Erfahrung zu machen, die so frustrierend wie faszinierend ist – damit kommen wir der Sache schon näher!
Golf kann man in jedem Alter anfangen und wer als Frau auf dem Tennisplatz jahrelang unter der ehelichen Vorhand litt, hat nun die Gelegenheit zur Revanche. Denn Golf erfordert eher Köpfchen als Kraft! Wer Golf an einem „Schnuppertag“ ausprobiert, ist meist tief beeindruckt.
„Hätte nie gedacht, dass das solchen Spaß macht“, heißt es oft und dann im nächsten Satz: „Hätte nie gedacht, dass es so schwierig ist einen Ball zu treffen.“
Genau! Und daran wird sich auch so schnell nichts ändern. Eigentlich nie, denn der Golfschwung bleibt eine lebenslange motorische Herausforderung. Und eine Herausforderung des Geistes! Deshalb sagen selbst die besten Spieler der Welt, dass sie dieses Spiel nie wirklich beherrschen werden. Trotzdem kann auch einem Anfänger ein Traumschlag gelingen, wie ihn kein Profi besser spielen könnte. Wenn sich die weiße Kugel dann plötzlich in die Luft erhebt, fliegt Ihr Herz mit in den Himmel. Wer nun hofft, dass der nächste Schlag noch besser werden könnte, wird meist bitter enttäuscht. Und so beginnt die Suche nach dem mystischen Geheimnis des Golfspiels, die mich seit mehr als 30 Jahren auf Trab hält. Es ist ein verrücktes Spiel, aber wenn Ihre zitternden Hände irgendwann einen 30 cm-Putt zum ersten Turniersieg einlochen, werden Sie wie der Fernsehkommentator ‚Wahnsinn‘ brüllen und in den Teich an der 18 springen.
Golf wird „zwischen den Ohren“ gespielt! Wer gute Nerven hat, hat Vorteile. Hausfrauen, zum Beispiel, die gewohnt sind im größten Stress komplexe Abläufe zu koordinieren. Oder Lehrer, denen die Nervenenden in 30 Jahren Schuldienst komplett verödet wurden. Doch wer zu viel will, dem verpasst dieses Spiel einen Denkzettel, der sich gewaschen hat. Golf ist launig, unbeherrschbar, unerbittlich und unbestechlich. Heute himmelhochjauchzend, stürzen wir uns morgen in den Teich.
Interessanterweise ist das der Grund, warum Spitzensportler jedweder Disziplin irgendwann zum Golfsport konvertieren. Glauben Sie, Oliver Kahn spielt Golf aus gesellschaftlichen Gründen? Oder um eine ruhige Kugel zu schieben? Egal, ob Fußball-Weltmeister oder Wimbledon-Sieger: Sie spielen Golf, weil sie in ihrem Sport alles erreicht haben – und das Golfspiel für sie eine Nuss ist, die sie bis ins hohe Alter nicht zu knacken vermögen. Niemand, egal ob Sportler, Unternehmer, Star oder Sternchen – kann bei diesem Spiel bluffen. Hier kann kein Vorstandsassistent ausbügeln, was der Chef vermasselt hat. Golf ist ein Moment der Wahrheit und manche haben den Charakter, sich dem zu stellen.
Natürlich kann man betrügen, nichts leichter als das. Aber irgendwann werden Sie dem ‚Spirit of Golf‘ begegnen, dieser Jahrhunderte alten Idee von Sportlichkeit, Noblesse und Fairness, die ein Grund dafür ist, warum dieses Spiel weltweit von Millionen Menschen gespielt wird. Mancherorts ist dieser ‚Geist des Golf‘ zu einem Poltergeist verkommen. Dennoch wird es immer Menschen geben, die das Geheimnis dieses Spiels suchen und irgendwann auch finden. Es ist nur ein Spiel – aber was für eins! Ein weiser Mann namens Bagger Vance sagte einst, dass Gott am glücklichsten ist, wenn seine Kinder spielen.
Also spielen Sie! Suchen Sie sich einen schönen Golfclub in der Nähe, nehmen Sie an einem Schnupperkurs teil und genießen Sie, wenn Ihr erster Ball gen Himmel steigt. Willkommen im Club!
(c) By Eugen Pletsch 2016
Erschienen im Sauerland-Golfjournal, KOERDT-Verlag.