Beweg Dich oder bleib zu Hause!

Aus der Zeit, als ich noch Winter-Golf spielte…

Es ist kalt, die Luft ist klar und auf dem Parkplatz stehen nur wenige Autos. Wind, Wintergrüns und Schneeflecken auf dem Fairway sind mir egal – ich will nur eins: Raus auf den Platz. Niemand auf dem 1. Abschlag, keine Warteschlangen, kein Gesabbel über Schwungprobleme und Gemaule über langsame Grüns. Nur der Platz. ‚Offene Weite‘, wie Alan Watts das nannte.
„Heilig, heilig, heilig“, würde Alan Ginsberg rufen.

Ich habe noch zwei Stunden Licht. Bei kurz gesteckten Bahnen müsste das für 18 Loch reichen. Ich trage nur ein Moon-Bag, darin ein Fairway-Hölzchen, mit dem man den Ball aus jedem Dreck in die Luft bekommt und die Eisen 6, 8 und PW. Den Putter könnte ich mir eigentlich auch sparen, denn im Winter sollte man den Ball gleich in den Kübel mit der Fahne chippen oder innerhalb einer Putter-Länge aufheben. Dadurch wird das meist leicht matschige Gras ums Loch rum nicht so vertrampelt und man kann von außen besser anspielen.

Die stille Wanderung über frostige Hänge ist reine Freude, jauchzendes Glück, zumindest bis man bei Rhomben-Rudi aufläuft. Das ist ein rüstiger Senior, der seinen Lebensherbst unter dem wärmenden Licht der ewigen Lampe zum Exzess ausreizt. Und meine Nerven. Wir nennen ihn Rhomben-Rudi, weil er meist mit zwei Bällen spielt, die er in faszinierender Regelmäßigkeit Zickzack über den Platz treibt. In exakt gleichem Winkel treibt er seine beiden Kugeln jeweils nach rechts und nach links voran, ein Rhomben-Zickzack, das keine Singer-Maschine besser nähen könnte.

Eine Weile schaue ich mir das von hinten an. Was bleibt mir auch anderes übrig. Der Mann sieht nicht zurück. Er ist mit seinen zwei Bällen, auf diesem großen, weiten, leeren Platz ziemlich beschäftigt. Ich habe mir fest vorgenommen, nicht mehr über langsames Spiel zu meckern. Ich mache Chi Gong Übungen, versuche mich zu erden und genieße die Sonne bis ich merke, dass sie mit gewaltigen Schritten gen Feierabend rutscht. Doch das ficht meinen Vorausspieler nicht an. Ein wetterfester Bursche, denke ich mir. Vermutlich vormals höherer Beamter oder ein ehemaliger Bürgermeister, der frischen Wind von jedweder Seite zu ignorieren gelernt hat und in lebenslanger Praxis die Standfestigkeit entwickelte, Druck, Eile und rasche Bewegungen tunlichst zu vermeiden. Diese Leute sind gesegnet mit satten Pensionen und werden sehr alt, denn sie werden nicht wie der gemeine Pöbel von Kürzungen, Abgaben und den anderen Opfern gepeinigt, die wir “gemeinsam solidarisch schultern müssen”, um die politische Fehlentscheidungen auszubaden.
Diese Seele eines chinesischen Mandarin hat über Jahrzehnte hinweg in faszinierender Gleichmäßigkeit einen pragmatischen Zickzackkurs mit zwei Bällen verfolgt und sich einen Teufel darum geschert, wer von hinten kommt und den Wunsch hat, die Runde vor Sonnenuntergang zu beenden.

Skulptur im Golfpark Winnerod

Um Kollisionen zu vermeiden, wechsle ich an passender Stelle auf eine andere Bahn, denn es ist frisch geworden und die Sonne bereits verhangen hinter einem Dunstschleier. Ich verziehe meinen Drive nach rechts. Am Ball angekommen sehe ich plötzlich eine Gruppe von drei Spielern, die ich durchaus hätte treffen können. Wo kommen die plötzlich her? Da stehen sie, ein langes Eisen entfernt und halten Kriegsrat. Jeder trägt eine Kopfbedeckung und eine dicke Jacke. Der Mann, der in der Mitte steht, gibt offensichtlich eine Golfstunde, obwohl er mit Sicherheit kein Pro ist.
Schön, wie er da schwingt. Die Dame macht es nach, aber es klappt nicht. Also wird der Versuch wiederholt, während der andere Bursche verträumt mit seinem Eisen in einem Schneefleck rechts im Rough herumstochert.

Sie schauen nicht zurück. Warum auch. Der Parkplatz ist leer, der Golfplatz ist leer, das Universum ist leer, alles ist Leere, meint sogar Buddha. Ein Spieler, der mal schnell ein paar Bahnen frische Luft schnappen möchte, ist im göttlichen Plan nicht vorgesehen.

Die Meditation in der Leere schreitet voran. Die Gruppe nähert sich dem Grün. Da zeigt der Tiger seinen Hasen, wie man auf einem zertrampelten, matschigen, frostigen, von kleinen Eisbrocken übersäten Wintergrün die Putt-Linie zu einem Eimer liest, in dem eine Plastikstange in Wassereis und Dreck steht.
Die großen Putt-Gurus empfehlen, das Loch großflächig zu umschreiten, um landschaftliche Einflüsse zu erkennen. Geomantie, sowie geologische Verwerfungen innerhalb der Erdkruste spielen eine große Rolle beim Lesen eines Grüns. Jedes Grün hängt bekanntermaßen zum Meer. Aber wo war das Meer? Vor Millionen Jahren gab es hier in Mittelhessen ein Meer und dahin hätte das Grün gehangen. Aber wohin hängt ein Grün, wenn dort, wo es angelegt ist, früher überall Meer war? Hm? Darüber wird lange nachgedacht, während ich mit meinen wirren Gedanken auf klappernden Zähnen ungeduldig zuschaue. Aber plötzlich kommt Bewegung auf. Man hat eingelocht.

Etwa mit der Geschwindigkeit eines Roald Amundsen auf dem letzten Kilometer zum Südpol schleppen sich der Tiger und seine Rabbits zum nächsten Abschlag. Jeder Schritt langsam und schwer, so als liefen sie über das vereiste Meer…

Ehrlich Leute! Wenn man sich beim Wintergolf nicht flott bewegen kann, dann wird einem kalt und der Spaß ist weg. Jeder, der bei diesem Wetter auf dem Platz ist, hat meinen Respekt sofern er/sie das ewige, große, ultimative erste Gesetz der Wintergolfer beachtet, dass da heißt:

Beweg Dich oder bleib zu Hause!

Wer beim Wintergolf nach seinem Ball, seinem Schwung oder einer Erinnerung an glorreiche, längst vergangene Tage suchen will, der möge bitte zur Seite treten, großzügig durchwinken oder auf immer zur Eis-Säule erstarren!

So. Das wäre mal gesagt. 

(c) by Eugen Pletsch

Der Golf Gott

Eine Glosse von 2006

In den indogermanischen Mythologien gibt es Weisheiten zwischen Himmel und Erde, die nicht zu den Menschen und nicht zu den Göttern gehören.

Wo sind die alle geblieben? Irgendwo müssen sie doch stecken! Ich will es Ihnen verraten: Jeder Halbgott, der auf sich hält, wir zum – nein! Nicht zum Arzt, die Zeiten sind vorbei – er wird zum Golfprofessional, richtig!

Der Golfprofessional ist der Halbgott unserer Zeit und ihm allein ist zu huldigen. Zumindest denken die Damen unserer kleinen Golfgemeinde so, die nach einem Überraschungs- Birdie aus hoffnungsloser Lage ihr erstes Erweckungserlebnis hatten. Sie sehen den Golfunterricht jetzt als esoterische Schulung ihrer transzendentalen Wahrnehmnungsfähigkeit an und den Pro als Boten göttlicher Weisheit.

Golf ist eine ganzeitliche Erfahrung. Viele Damen spüren eine geradezu lustvolle Verzückung, wenn der Pro die Hanf sanft auf das Haar drückt und „Kopf unten lassen“ fordert.

Während sie den optimalen Endpunkt ihres Rückschwungs erfährt, studiert der Pro den holistischen G-Punkt seiner Schülerin. G heißt Ganzheitlich und bedeuet das optimale Zusammenwirken von Yin und Yang – Golflehrer und Schülerin.

Aber wie geht es unsererm jungen Pro dabei? Haben Sie sich das schonmal gefragt? Geringfügige Hierarchien im Halbgötterhimmel dürften Ihnen doch aufgefallen sein! Ein Golflehrer-Azubi im 2. Lehrjahr hat zwar unsere Achtung verdient, aber es ist noch ein weiter Weg zum Tour-Titanen, der weltweit Wellen schlägt.

Woran mag das liegen, dass alle deutschen Anwärter zur Finale Stage der Qualifying School der European Tour 2006 scheiterten*? Es ist immer ein mentales Problem. Nervenstärke! Und: es fehlt dem Pro an kommunikativer Unterstützung. Also helfen Sie ihm! Geben Sie ihm etwas zurück und begleiten Sie ihn auf seinen Turnieren. Wenn sich mehrere Damen zu einer Gruppe zusammenschließen, sind die Spesen nicht so hoch.

Trainieren Sie die Nervenstärke Ihres Pro, damit er fit wird für das Auge des Odin. Bleiben Sie bei ihm und seien Sie ihm ein Halt im Sturm.

Ein brachiales, amerikanisches „you are the Man! Im Rückschwung ist nicht unser Stiel. Aber ein fröhliches „Huhu“, wenn er zu seinem 5. Schlag im tiefen Rough ansetzt, wird ihm das Gefühl geben, nicht allein zu sein. Wenn er auf dem 18. Grün einen Bergab-Put liest, der für den Cut entscheident ist, dann sollten Sie daran denken, dass die Cheerleader der verschiedensten Ballsportarten in dein USA eine ausgesprochene motivierende und mental stärkende Wirkung auf „ihr Team“ haben. Jetzt ein Can Can hinter dem Grün, oder für die Damen über 50 ein fröhliches “ So ein Tag, so schön wie heute“ und der Ball ist so gut wie drin.

Sie können auch andere Zuschauer zu einer La Ola-Welle animieren. Dem humorlosen Langweiler mit dem Schild „quiet please“ geben Sie einfach eins auf die Nase.

Und Ihr Kerle? Was könnt Ihr machen? Öffnet euer Herz. Soll es dem Jungen so gehen wie euch?

Ein Leben lang den G-Punkt suchen und dabei ganzheitlich vertrocknen? Nein. Männer von Amt, Würden und Rückgrat nehmen ein paar Mark in die Hand und melden sich zum ProAm. Das ist- für die Älteren – ein ähnliches Gefühl wie damals, als es hieß „Freiwillige vor“, aber es ist die einzige Chance für uns Sterbliche, je einen (lebendigen ) Fuß in den Himmel zu setzten. Ein ProAm scheidet die Helden von den Knaben. Ihr Pro wird sich freuen, Sie an seiner Seite zu wissen.

Und wenn es bei ihm gar nicht läuft, dann helfen Sie ihm, genau so, wie er es bei Ihnen gemacht hat. Erinnern Sie ihn an die ewigen Gesetzte für erfolgreiches Golf. Wenn er den Ball nicht sauber trifft, dann nehmen Sie ihn auf die Seite und sagen Ihm, dass er durchschwingen muss. Und spätestens wenn der Put nicht fällt, sollten Sie ihm empfehlen, den Kopf unten zu lassen. Ihr Pro wird Ihnen dankbar sein.

*Der Deutsche Freddy Schott gewann 2023 die Final Stage Infinitum Golf (Lakes & Hills Courses), Tarragona, Spain. Ob dank meiner Tipps in dieser Glosse, wissen die Götter.

(c) by EugenPletsch