Arztbesuch

Meine satirischen Kolumnen der Redaktionsgeisha wurden zwischen 2009 und 2012 in einem Heilpraktiker-Magazin veröffentlicht. Seitdem hat sich in der Gesundheitspolitik viel verändert. Damals versuchten die Lobbyisten noch, Minister der Bundesregierung zu beeinflussen. Heute sind die Lobbyisten Minister der Bundesregierung und jede angebliche Verbesserung im Gesundheitswesen wirft nicht die Frage auf, wem sie hilft, sondern wer damit Kasse macht. (ep)

Als Dr. Hubertus Canditus Bercelmeyer geweckt wurde, war es spät – zu spät. Die Sprechstunde hatte längst begonnen. Das Wartezimmer im Erdgeschoss seines Hauses war überfüllt von Patienten, die sich mittels alter Frauenzeitschriften und zerfledderter Kinderbücher am „Virus des Monats“ infizierten. Die rostige Reibeisenstimme der langjährigen Sprechstundenhilfe Maria Clarius hatte ihn aus seinen Träumen gerissen:
„Herr Doktor, könnten Sie bitte runterkommen! Ich habe ihren Steuerberater auf der Eins … und der Herr Sibelius in Kabine 2 behauptet, er würde frieren.“

Bercelmeyer hatte keine Lust. Nicht auf diese Heerschar übergewichtiger Jammerlappen und Simulanten und schon gar nicht auf die Kranken, die ansteckend waren, was eine erhoffte Berufung in die Senioren-Mannschaft des Golfclubs gefährden könnte. Am wenigsten Lust hatte er auf den Sprechanlagen-Terror dieser Praxis-Domina, die ihn jeden Montagmorgen aus seinem liebsten Traum riss: Siegerehrung. Bercelmeyer hofft auf den ersten Preis. Über die Lautsprecheranlage hört er seinen Namen – aber dann es ist doch nur das Kasernenhofschnarren der Maria Clarius: „Dr. Bercelmeyer, könnten Sie endlich runterkommen!“

„Ich hätte dieses Weib damals heiraten sollen“, murmelte er, „dann wäre ich sie längst los.“

Eine frühe Heirat und stattliche Versorgung im Scheidungsfall waren die leider unerfüllten Träume der Maria Clarius gewesen. Dass ihr der dröge Landarzt niemals unter den gestärkten Kittel ging, erklärte sie sich mit dem chronischen Erschöpfungszustand des unsportlichen Bercelmeyer, bis der dann im Spätsommer seines Lebens den Golfweg beschritt. Misstrauisch beäugte sie diese neue Partnerschaft des Herrn Doktor.

Das Golfspiel erweckte in Bercelmeyer überraschenderweise jene Leidenschaft, die zu Erleben Frau Clarius einst ihren jungfräulichen Lenden zugedacht hatte. Zu ihrer größten Verwunderung war der kurzatmige Frosch gewillt und in der Lage, an glühend heißen Sonntagen achtzehn Golfbahnen zu hüpfen, selbst wenn es bedeutete, dass die Montags-Sprechstunde erst am späten Vormittag beginnen konnte.

Der Doktor sei zu einem „Notfall“ unterwegs, sagte sie dann und drehte die Augen bedeutungsvoll gen Himmel. Sie überließ es der Phantasie ihrer Heuschnupfenallergiker, sich ein blutrünstiges Drama auszumalen. Damit waren sie eine Weile beschäftigt, denn ein Notfall war grundsätzlich nicht zu hinterfragen. Selbst wenn es länger dauerte – Maria Clarius ließ in ihrem Wartezimmer keine defätistischen Bemerkungen zu.

Der Notfall verleiht dem Arzt die schimmernde Aura des Mittlers, der zwischen dem Patienten und dem Leben steht, wobei – manchmal steht er da auch im Weg. Nicht jeder Ruf in die ewigen Jagdgründe beruht auf dem unergründlichen Ratschluss unseres allmächtigen Herrn. Mangelnde Hygiene in der Krankenstation, die Übermüdung junger Assistenzärzte, manche Patientenverwechslung und die selbstherrlichen Anweisungen ohnmächtiger Halbgötter ließen schon manche Seele zur Unzeit über dem Jordan verglimmen. Aber nicht in dieser Praxis. Das Wort „Notfall“ machte aus Bercelmeyer jenen Arzt, dem zu dienen sich Maria Clarius einst geschworen hatte. Dabei gab es nur einen wirklichen Notfall: Bercelmeyer selbst. Gegen die schweren Erschöpfungszustände, bedingt durch mangelnde Flüssigkeitsaufnahme während eines Golfturniers und übermäßigem Alkoholgenuss danach half nur ein geruhsamer Schlaf. Deshalb lag Bercelmeyer am Montagmorgen schnarchend im Bett, anstatt seine Patienten ins Jenseits zu therapieren – was diese instinktiv zu schätzen wussten.

„Manchmal dauert es, aber er ist ein guter Arzt“ sagte eine Dame. „Zumindest bringt er niemanden um“, bestätigte eine andere.

Bercelmeyer, dessen Golfspiel unter einem unberechenbaren Ballflug leidet, hat die Heilkunst wahrlich von der Pike auf gelernt. Hinter dem schweren, dunkelbraunen Eichenschreibtisch, der das Sprechzimmer wie eine Trutzburg dominiert, hatte sich schon sein Vater verschanzt, während der kleine Hubertus am Boden saß und versuchte, einer widerspenstigen Katze mit dem Stethoskop Herztöne zu entlocken. Nach einem feuchtfröhlichen Studium und Promotion in Heidelberg hatte ihn der bei Landärzten übliche frühe Tod seines Vaters vorzeitig in die Heimat zurückbeordert.

Die Praxis war damals eine stattliche Pfründe und Bercelmeyer, der die Hungergehälter von Assistenzärzten in der Uni-Klinik mit Schrecken betrachtete, ließ sich nicht zweimal rufen. Irgendwann stellte er dann Maria Clarius ein, die ihn seitdem unglücklich und aufopfernd liebt. Bercelmeyer dagegen liebt nur das Golfspiel.

An einem Freitag hatte ich in der Praxis angerufen und zu meiner Überraschung wurde der Hörer abgehoben. Man teilte mir mit, dass ich am Montagvormittag vorbeikommen könne, ich müsse nur etwas Zeit mitbringen. Das fand ich insofern erstaunlich, als ich in den letzten Jahren die Erfahrung gemacht habe, dass es dank moderner Kommunikationsmittel schier unmöglich geworden ist, eine Arztpraxis zu erreichen und wenn jemand den Hörer abnimmt, ist – zumindest für einen gesetzlich versicherten Lebenskünstler wie mich – kein Termin frei. Insofern war ich von Bercelmeyers Praxismanagement beeindruckt und stand am Montagmorgen rechtzeitig auf der Matte. Nicht, dass ich zur Hypochondrie neigen würde  – nein, ich bin nur so vorsichtig, wie man das in meinem Alter sein sollte. Deshalb messe ich stündlich den Blutdruck, lasse monatlich ein großes Blutbild machen und ernähre mich hauptsächlich von vitaminreicher, biologisch hochwertiger Kost.

Hubi, wie Dr. Bercelmeyer bei uns im Club genannt wird, hatte mich vor ein paar Jahren in die golfpsychiatrische Abteilung[1] einer Suchtklinik überwiesen. In dieser Klinik wurde ich geheilt. Seitdem spiele ich zwar noch häufig Golf, aber nicht mehr mit Suchtcharakter, sondern eher, weil ich es als meine Bestimmung ansehe.

Während ich wartete und Kindern beim Bemalen von Schablonen mit Märchenmotiven zusah, schleppte sich der Zeiger so langsam voran, wie eine Sonntags-Golfrunde bei schönem Wetter. Schließlich wurde ich aufgerufen.
„Na, wie geht es uns?“ fragte Bercelmeyer.

„Ich weiß nicht, wie es dir geht, aber ich hatte im Vorjahr Beschwerden am Knie.“

„Oh?“

„Das war im letzten Winter, als ich mich nach einem Sturz verletzt hatte.“

„Und du bist sicher, dass du dir das nicht eingebildet hast?“

„Dass ich gestürzt bin? Wieso sollte ich mir das einbilden?“

 „Ich frage nur. Schließlich musste ich dich seinerzeit in eine psychiatrische Anstalt überweisen

„Hubert, das war zur Kur, ich hatte einen Drehschwindel.“

„Aber du warst dann für Jahre verschwunden. Ich dachte, man hätte dich weggeschlossen.“

„Ich hatte die Gegend verlassen. Jetzt bin ich wieder hier.“

„Und deinem Knie geht es besser.“

„Akupunktur hat gut geholfen.“

„Dieser Chinesenkram? Alles Einbildung, wobei – stimmt – bei dir könnte das funktionieren. Und warum bist du heute hier?“
Ich erzählte lange, bis Maria Clarius auftauchte. Sie schaute Bercelmeyer mit fragenden Augen an und sprach dann das Zauberwörtchen NOTFALL, um ihn aus dem Sprechzimmer zu locken.

Er stand auf, bedeutete seiner Mitarbeiterin, dass er sofort käme und sagte laut: „Wir sollten deinen Kopf röntgen, oder – nein, wir machen besser gleich ein CT, ein MRT und eine neurologische Untersuchung. Der Kollege Wulff hat sich ein neues Gerät zugelegt, das sich amortisieren muss“

Leise sagte er mir: „Komm mal nach der Sprechstunde vorbei, ich möchte die ganze Geschichte hören.“

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[1]             Siehe „Golf Gaga – Der Fluch der weißen Kugel“

Die grüne Minna

LeserInnen, die den „Weg der weißen Kugel“ aufmerksam gelesen haben möchten bisweilen mehr über die wirbelnden Golfderwische von Tao Yin wissen. Dazu sollten fortgeschrittene Adepten des Golfweges etwas von Bodhidharma wissen, der sowohl als Begründer der Chan (ZEN)-Tradition, als auch als Gründer des TAO Yin Klosters im Königreich Shambhala geehrt wird.
Bodhidharma war der 1. Patriarch des ZEN-Buddhismus, der auf der wortlosen Übermittlung der Lehre (Sunflower-Sutra) basiert. Wie man heute weiß, blieb ihm verwehrt, eines gewaltsamen Todes zu sterben, den so viele große Meister (Buddha, Jesus..) aus karmischen Gründen wählten. Was die Grüne Minna damit zu tun hat und wie die kleinen grünen Männchen auf den Mars kommen, erfahrt Ihr in dieser Geschichte. (ep)

Der Tag an dem Bodhidharma nach langen Wanderungen endlich zur chinesischen Grenze kam war für den tibetischen Grenzwächter ein Tag wie jeder andere. Der Himmel leuchtete in dunklem Blau. Ein leiser Wind strich von den Bergen herüber zum Pass auf dem eine kleine Hütte neben der Grenzmarkierung stand. Der Pass war eine mehrere hundert Fuß breite Hochgebirgsebene von ewigweißen Riesen umschlossen.

„Von wegen leiser Wind“, grummelte Bodhidharma, der sich an die Affenkälte der tibetischen Hochplateaus nie gewöhnen würde. Der Wind pfiff ihm durch die weiten Armöffnungen seiner schweren verfilzten wollenen Überkleidung. Die Jahre, die er auf seinem Weg nach Norden von Indien durch Tibet verbracht hatte, begannen an seiner Substanz zu zehren. Er erinnerte sich an die Zeit, als er sein Boddhisattva-Gelübde abgelegt hatte. Es war so heiß, dass er zuerst für alle Wesen betete, die ein Fell trugen. Überhaupt: Damals war es in jeder Hinsicht eine heiße Zeit in Nordindien: Es gab jede Menge verrückter Yogis und Asketen, die sich als direkte Nachfolger des erhabenen Gautama Buddha ansahen und dies jeden wissen ließen, der bereit war, dafür etwas springen zu lassen. Dicke Chapatti-Swamis, in ihren roten Roben kreisend, verkündeten in endlosen Chants die Neuerung der Religion, während die ehrwürdigen Brahmanen-Priester stocksauer über den Unfug waren, den dieser vermeintliche Thatagatha unter die Leute gebracht hatte. Sie nannten ihn verächtlich Siddharta Who? und droschen ihre jungen Priesterschüler bis ihnen Krishnas Flötentöne wie Funken vor den Augen standen. Bildhübsche ascheverschmierte Dakinis strolchten jede Scham verachtend kichernd über die Märkte und erzählten von all den Ehrwürdigen und weisen Saddhus, die oben in den Bergen beim Anblick ihrer nackten Ärsche alle Gelübde vergaßen.

In diesem Sommer als Bodhidharma erwachte, war es grässlich heiß und die Mücken nagten an dem letzten bisschen Hirn, das den Menschen geblieben war. Die schwüle Nachmonsunzeit erschien vielen unerträglich, die gelben Mönchgewänder waren nass und verstunken und juckten auf der Haut. Doch für Bodhidharma war es eine wunderbare Zeit. Der Duft der Erleuchtung erfüllte ihn wie die Blüten des Waldes. Nachts spiegelte sich Shivas Mond silbern auf dem Wasser der Flüsse und  tagsüber schien die goldene Sonne auf Wüsten, Dschungel, Ebenen und Tempel, kleine Städte, und Dörfer.
Seit seinem wunderbaren Moment des Erwachens spürte Bodhidharma seine Liebe zu allen Wesen und Dingen zu Hunden, Affen, Kindern und ihre geduldigen Mütter. Selbst die verrückten indischen Väter, korrupte Brahmanen und nervige „Suchende“ schloss er in sein Gebet ein und sprach das Bodhisattva-Gelübde, welches besagt, dass er solange nicht ins Nirwana eintreten würde, bis alle fühlenden Wesen befreit wären – von Hunger, Gefangenschaft, Unterdrückung, Not und Verblendung, von Ruhelosigkeit, verlogenen Politikern, räuberischen Banken, sowie GEZ-Gebühren für miserable Fernsehprogramme, die er, mit dem Buddha-Auge die unendliche Kette der Kausalitäten vorauseilend, kommen sah.

Kurz darauf passierte dann die Geschichte mit der Grünen Minna. Sie war eines jener hübschen Shiva-Groupies, die in der Spiritual-Szene rumhing und auf große Typen stand. Eines Tages kam sie von einer Tempelorgie ermattet zum dem Bambushain, in dem Bodhidharma zu predigen pflegte. Sie machte einen passablen Eindruck, zeigte sich sehr interessiert und wurde mit der Zeit zu einer glühenden Verehrerin des Buddhismus im Allgemeinen und von Bodhidharma im Besonderen.

Nachdem sie die Lehre des Erhabenen Buddha in ihren Grundzügen begriffen hatte, wurde ihr klar, dass der spezielle ZEN-Schlenker der wortlosen Übertragung des Geistes, den Bodhidharma drauf hatte, ein – wie man heute im Marketing sagen würde – Alleinstellungsmerkmal darstellte, das vernünftig vermarket, ordentliche Gewinne versprach. Während die Mönche über die perfekten Rundungen der hübschen Minna meditierten oder sich Mückenstiche aufkratzen, machte sie sich mit großer Begeisterung daran, das verlotterte Häufchen von Anhängern aufzumöbeln, das Bodhidharma zur damaligen Zeit umgab. Sie fütterte sie mit leckeren Chapatti-Fladen, sorgte dafür, dass sich die jüngeren Mönche auch unter der Vorhaut wuschen, flickte die mit Palmwedeln bedeckten Dächer der Hütten in denen sich die Jünger zur Ruhe betteten und konzentrierte sich ansonsten auf das Management der Gemeinde (Sangha).

Irgendwann eines Morgens, gerade als sie Bodhidharma die Glatze rasierte, spiegelte sich ihr Bewusstsein im Rasierschaum und in einer blitzartigen Satori wurde ihr Folgendes bewusst:
Erleuchtung gibt es nicht. Buddhismus, Befreiung, Rettung – alles Hokuspokus. Da ist nichts, was nicht ist, was nicht schon war oder sein wird, nichts, was nicht wäre oder irgendwie sein könnte, wenn es nicht anders wäre als es ist, weshalb so nicht sein kann und darum auch nichts wird.

Sie schabte den Rasierschaum von Bodhidharmas Haupt, wobei sie so zitterte, dass sie ihm einen ordentlichen Schmiss verpasste, was der Meister, der um seine Buddha-Ohren fürchtete, in stoischer Ruhe aussaß.  Minna rubbelte ihm das erleuchtete Haupt und stürzte dann in die Küche, wo es bald darauf zu einem zweiten Erleuchtungsschub kam: Während sie einen Stapel mit 23 Schalen trug und dabei in die Hände klatschte, wurde ihr vollkommen, absolut und für immer klar wie Kloßbrühe, dass Bodhidharma ein großer Heiliger war, der wie alle großen Heiligen das karmische Recht genoss, durch einen kleinen Anschlag, einen Terrorakt, Giftpfeile oder wenigstens durch eine makrobiotische Diät ums Leben zu kommen. Und ihr, Minna, war die Gnade zuteil geworden, den großen Bodhidharma abzumurksen, damit er in den sieben Himmeln als gerechter und würdiger Weisheitslehrer seinen Platz fände.

Minna hatte in ihrer Zeit unter den Shiva-Saddhus vielseitige Diät-Experimente durchgeführt, war aber, seit sie unter den Jüngern des Erhabenen weilte, zur ajurvedischen FDH-Kost übergegangen (Bettelschale voller Reis und Gemüse einmal am Tag).  Mittlerweile war sie jedoch so mit ihren Aufgaben in der kleinen Gemeinde ausgefüllt, dass ihr die Zeit fehlte, um sich ihr Essen zusammenzubetteln. So begann sie, sich einen Trunk aus eingelegten Brennnesseln zu brauen. Das Zeug setzte an und sie wurde immer grüner im Gesicht, weshalb sie bald die Grüne Minna genannt wurde (die später in Tibet als die Grüne Tara verehrt wurde).

Tja – und nachdem sie ihre Bestimmung erkannt hatte, ging sie dem Bodhidharma ans Leder. Bald gab es keine Hütte mehr, die nicht in Flammen aufging, wenn er sie betrat; keinen Elefanten, der nicht von wilden Bienen gestochen lostrampelte, sowie ER zum Verrichten seiner Notdurft im Dschungel verschwand. Wenn ein Ast brach, ein Damm, ein Fels ins Tal kollerte oder Giftpfeile aus dem Wirrwarr des Dschungels zischten, dann war die Grüne Minna nicht weit, Bodhidharma auf jeden Fall ganz in der Nähe.

„Hey, lass das“, sagte er eines Tages zu ihr, als er merkte, wie der Hase lief. „Ich bin kein vollkommen Erwachter. Ich habe noch eine Illusion an der ich hafte, nämlich die, alle Wesen retten zu müssen. Jetzt komme ich zu gar nichts, weil ich ständig damit beschäftigt bin, mich selbst zu retten.“

Für eine Weile ließen die Anschläge etwas nach.  Dafür verschlechterte sich die Ernährungslage drastisch. Die Grüne Minna forcierte ihren grünen Brennessel-Trunk als allein selig machende Sangha-Sangria, wodurch Bodhidharmas Schüler schnell zu einer kleinen Gruppe grüner Hardliner zusammenschrumpfte, die  schon zu viel mitgemacht hatten, um noch einmal das Lager zu wechseln. Außerdem glaubten sie der Grünen Minna, die ernsthaft behauptete mit diesem Brennesel-Trunk unsterblich werden zu können. Nach einer schier endlosen Gruppenmediation beschlossen alle gemeinsam zum Mars zu fliegen, wo ihnen Minna ewiggrüne Brennnessel-Felder versprach, die zwei Vorteile hätten: Erstens würden diese Brennnesseln nicht brennen und zweitens würden sie wie Pizza schmecken. Das klang für die kleinen grünen Männchen so verlockend, dass sie eine Astralreise zum Mars buchten. Eines Tages waren alle grünen Männchen Richtung Mars verschwunden und der Buddhismus galt in Indien für lange Zeit als ausgestorben.  Die Grüne Minna, der es bisher nicht gelungen war, einen Jahrhundertheiligen zu vergiften und die deshalb nicht mitgereist war, schmollte. Schließlich war eine so dicke Luft zwischen den beiden, dass sich Bodhidharma die Faxen dicke hatte und sich entschloss nach Norden zu gehen. In einem geheimnisvollen Seitental fand er das Königreich Shambhala und dort begründete er die Schule der wirbelnden Golf-Derwische von Tao Yin. Schließlich brachte er den Buddhismus, einer letzten Illusion folgend, über Tibet nach China und dann nach Japan, also in jene Länder, in denen der grüne Tee bis heute ein beliebtes Getränk ist.

Doch das kam alles erst später. Jetzt stand Bodhidharma auf diesem kalten Pass im eisigen Wind und der kleine chinesische Zöllner tibetischer Abstammung fragte ihn: Haben Sie etwas zu verzollen?

(c) by Eugen Pletsch

Grüne Tara

Om Ich verbeuge mich vor Ihr, die vor den acht Ängsten schützt.

Ich verbeuge mich vor Ihr, die den Glanz des Glückverheißenden ausstrahlt.

Ich verbeuge mich vor Ihr, die die Tore zu den niederen Bereichen verschließt.

Ich verbeuge mich vor Ihr, die den Pfad zu den höheren Bereichen weist.

Du bist meine ständige Begleiterin.

Beschütze mich immer mit deinem Mitgefühl.

Babbelfisch und Quäknöle

Man wird älter. Meine Haarschneidefachfrau meint, meine Haare werden immer dünner. Und ich immer dicker.

„Seit einiger Zeit stehen meine Haare so merkwürdig in die Luft,“
„Das macht die trockene Luft und Ihre feinen Spitzen.“
„Manchmal sehe ich schon aus wie der Seehofer, nachdem ihn ein FDP-Mann an den Arsch gepackt hat.“
„Ach“, sagt sie. „Politik schaue ich gar nicht mehr. Man kann ja doch nichts machen.“
Ich nicke, weshalb sie mit der Schere fast mein Ohr erwischt.
„Aber alles wir teuer, besonders das Bauen“, fährt sie fort. „Eine Kundin von mir hat für eine halbe Million gebaut. Und nicht mal unterkellert!“
Über Preise schimpfen – das ist mein Lieblingsthema:
„Seit wir den Euro haben, verdienen wir die Hälfte, zahlen aber für alles das Doppelte…“
„Wobei man doch allgemein sagt, dass das nur gefühlt wäre?“
Sie schüttelt den Kopf, als kämen ihr an diesem Gefühl langsam Zweifel auf. Dann erzählt sie weiter:
„Wir waren in Bad Nauheim zum Essen. Nichts Besonderes, aber das Schnitzel kostete 9,90 Euro! Das sind doch fast 20.- Mark. Das hätte doch früher niemals jemand bezahlt…“.
Wasser auf meine Mühlen.
“Und der kleine Beilagen-Salat, der im Club immer DreiMarkfuffzich gekostet hatte, ist unter vier Euro nicht mehr zu haben!“
Nachdem sie mich von meiner Seehoferschen Rübezahl-Matte befreit hatte, fuhr ich zu meinem Lieblings-Italiener, der ein Türke ist.
Auch der ist auf die Bundesregierung schlecht zu sprechen. In Immobilien in Deutschland zu investieren, wäre ein großer Fehler gewesen, meinte er. Bald wäre nichts mehr irgendwas Wert.
„Und dann die blöden Griechen, die mit 45 in Rente gehen…“.
„Angeblich haben die griechischen Eliten 600 Milliarden unversteuert in die Schweiz geschafft…“,werfe ich ihm genüsslich über den Tresen.
Das regt ihn noch mehr auf und wir haben richtig schöne Weltuntergangsstimmung, während ich meine „Pizza Toscana“ inhaliere.
Bei Cappuccino denke ich nach. Hat mein Leben einen Sinn? Was mache ich?
Soll ich wirklich weiterhin irgendwelchen Blödsinn schreiben, den ohnehin kaum jemand versteht?
Oder sollte ich nicht lieber etwas erfinden, was auch in Krisenzeiten nährt.
Vielleicht sollte ich Hörgeräte verkaufen!
Viele Leute hören schlecht und können Dialoge nicht mehr richtig verfolgen, zum Beispiel wenn sie am Clubtresen stehen.
Mir geht es oft so, dass ich von manchen Leuten schwer verstanden werde. Ich sage etwas, und sie hören etwas ganz anderes. Da wäre es doch besser, wenn sie gar nichts hören würden. Ich will Vieles auch nicht hören. Dummes Gebabbel verklebt die Nervenbahnen, besonders auf dem Golfplatz.
Also müsste man ein Hörgerät haben, das dummes Gebabbel neutralisiert. Das wäre nicht schlecht, oder?
Das Hörgerät müsste so konstruiert sein, dass jedes Mal, wenn gewisse Leute das Maul aufmachen ein kurzer Warnton erklingt und dann setzt entspannende Musik ein, die mit Subliminal-Befehlen unterlegt ist:
„Ich bin ruhig – ganz ruhig – Ruhe. Was immer der da labert – ich bleibe ruhig..“
So was in der Art und dazu schöne Herzschrittmacher-Musik im 4/4 Takt, die Puls und Blutdruck senkt.
Mein Hörgerät wäre so ähnlich wie der „Babelfisch“ aus Douglas Adams „Per Anhalter durch die Galaxis“, der im Ohr wohnt und jedwede Sprache des Universums sofort übersetzt. Ich würde mein Hörgerät deshalb „Babbelfisch“ nennen, weil es dummes Gebabbel ausblendet.
Auch meins. Ja, besonders meins! Ich wette: Mit einem Hörgerät, das mein Gebabbel ausblendet, könnte ich ein Vermögen machen! In unserem Club würden  fast alle Leute sofort zahlen, schätze ich. Ich werde mal darüber nachdenken.

Ansonsten befasse ich mich an diesem windigen, grauen Tag mal wieder meinem Golfer-Bestimmungsbuch.
Ich habe das Thema irgendwann schon mal erwähnt, bin damit aber noch nicht viel weiter gekommen.
Es gelingt mir einfach nicht, alle Schläger-Typen in ein plausibles Ordnungssystem zu integrieren. Zuletzt überlegte ich, Golfer nach ihrer Lautstärke und der Art der Geräusche, die sie von sich geben, zu ordnen. Mittlerweile glaube ich, dass auch der Inhalt des Gesagten, neudeutsch „Soundcontent“, eine Rolle spielt.
Sicher ist: Alles hängt irgendwie zusammen, die Lautstärke, der Klang, der Inhalt und der Schwung. Ein Beispiel gefällig?
Nehmen wir eine „Hanseatische Quäknöle“. Paradebeispiel dafür wäre Spielführer Hein Küppers, Protestant, 53 Jahre, Handicap 12,1, Steuerklasse1 (worüber er sich ärgert, weil ihn die Scheidung genug gekostet hat).
Wie man in allen Klubs (mit K!) zwischen Bremerhaven und Kiel weiß, ist er mit einer nasalen Lautformungsfähigkeit begabt, die seine quäknöligen Kommentare unter jedem Wind durchfliegen lassen.
Noch bevor Spielführer Hein Küppers seinen PS-Dampfer auf dem Clubparkplatz zum stehen gebracht hat, nölt er bereits durch die geschlossene Windschutzscheibe Direktiven über den Platz. Kaum ausgestiegen wird er den Rest des Tages damit verbringen, die akustische Leitfähigkeit der Atemluft bis zum Anschlag auszulasten, denn er weiß nicht nur alles, sondern er weiß es auch besser. Er kann alles, kennt jeden und er ruft sie alle zu sich: Greenkeeper, Pros, Manager, Servicepersonal und die verschreckte Jugend:
„Na, Jung´ komm du mal her, ja du, min Lütten! Hierher, aber flott …!“

Nur wenn er ein geschlechtsreifes Weibchen sieht, verharrt er für einen Moment in der Alphamännchen-Stellung, wobei er seine Brieftasche im Jackett mit dem Brustmuskel vordrückt. Wenn jedoch das Weibchen ein Mobiltelefon zückt, rennt Hein sofort zum nächsten Klo (auch mit K!).
Das ist ein Reflex. Hein kann nicht anders, was damit zusammenhängt, dass er als Kleinkind manchmal auf dem Töpfchen vergessen wurde, weil sich seine Mama am Telefon festgeratscht hatte. So entwickelte Klein-Hein sein Stimmchen zu einem quäknöligen Organ, mit dem er Telefonkabel zerschneiden konnte. Denn sonst säße er heute noch auf seinem Töpfchen. (Womit ich aber im Umkehrschluss nicht behaupten möchte, dass alle Quäknöler auf dem Töpfchen vergessen wurden.)
Weibchen mit Mobiltelefon lösen bei Hein Küppers grässliche, eruptive Reizdarmsymptome aus, da seine gequälte Seele durch die Kabellosigkeit des „mütterlichen“ Telefons einen Zustand vollkommener Hoffnungslosigkeit erfährt.

Der Worst Case war ein Matchplay, bei dem Hein in die Endrunde gelangte. Sie standen auf dem 18. Grün, das Match war „All square“. Hein’s Gegner hatte seine Partnerin als Caddy dabei. Beim alles entscheidenden Putt stand sie am Grün-Rand und zog ihr Smartphone heraus, worauf der Hein den kurzen Putt zum Sieg vorbeischob. Weil er nicht schnell genug zum Klubhaus rennen konnte, hat er sich dann auch noch eingeschissen, der arme Kerl.
Trotzdem: Obwohl Hein quäknölt, ist und bleibt er ein wichtiges Mitglied unserer (Golf)gesellschaft. Meint zumindest sein Therapeut, der meines Wissens kein Golf spielt.

Textauszug aus „Achtung Golfer! – Schlägertypen in Wald und Flur