Golfende Gartenzwerge (2010)

Die alljährliche „PGA Merchadise Show“ in Orlando /Florida ist die große Materialschlacht des Golfsports.

Auf der Suche nach Insidertipps rufen sich Kenner der Golfszene nach der Messe gegenseitig an, um beim Branchengeschwafel mithalten zu können. Mein Problem ist, dass ich kaum noch jemanden kenne, der sich die Reise leisten kann. Es hieß, der Einkäufer einer Golfladen-Kette wäre nach Orlando geflogen. Sein Konkursverwalter habe ihm grünes Licht gegeben, aber sonst? Schließlich erreichte ich den Chefredakteur eines Fachmagazins.
„Na, was gibt´s Neues aus Orlando?“
Er schwieg eine Weile, dann begann er, wirres Zeug von golfenden Gartenzwergen zu faseln. Die die einzige echte Neuheit aus Orlando, die ihm spontan in den Sinn käme. Er würde mir dazu was schicken, murmelte er in seiner Jetlag-Trance.

Golfende Gartenzwerge? Na gut. Warum nicht? Es war kaum ein Tag vergangen, als mich ein „Staubsauger“ anrief, also jemand, der sich wie ich Neuigkeiten am Telefon zusammensaugt und dummes Geschwätz zu „Hintergrundinformationen“ moduliert. Er wollte wissen, was es Neues aus Orlando gäbe.

„Golfende Gartenzwerge sind der Trend“, raunte ich fachmännisch. “Werden wohl auch vom DGV als Symbol der Ryder Cup Bekenner in einer großen Kampagne gepusht. Gartenzwerge mit Golfschlägern – damit unsere blühenden Landschaften noch schöner werden!“

„Ach ja?“ Er klang wenig interessiert. „Und golftechnisch?“

Hm. Jetzt hieß es improvisieren: „Transparency Golf – das sind die neuen USPGA Sicherheits-standards. Hat die R&A schon abgenickt: Körperscanner an allen Abschlägen und Videoüberwachung im Rough. Doping-Tracker werden erst ab 2022 Pflicht, dann aber in jeder Clubhaus-Toilette!“

„Dachte mir schon, dass so was kommt.“ Mein Zuhörer wirkte gelangweilt. Ich überlegte.

„Schon mal vom Astrosoft Dolby-Driver gehört?“ Er verneinte.

 „Astrosoftware harmonisiert den Schwung eines Spielers mit dessen Sternzeichen, sowie dem Aszendenten. Der Astrosoft Dolby Driver ist vollkommen klangfrei“, dozierte ich, „hat aber einen Nano-Verstärker mit vier Miniaturlautsprechern eingebaut. Du kannst dir jeden Sound aus dem Web laden. Wenn ein Drive nach Schallmauerdurchbruch klingt, bringt das im Matchplay psychologische Vorteile.“

Jetzt hatte der Staubsauger angebissen. Seine Tastatur klackerte durch die Leitung.

Ich legte nach: „Viele Leute reden mit ihrem Driver. Also haben sich die Astrosoft-Leute gesagt: Warum nicht gleich telefonieren, mit dem Ding?“ 

„Ja, warum nicht?“ Der Info-Broker japste.

„Der Astro Matched Frequency Dolby Driver, wie er richtig heißt, hat in der Wicklung des Graphitschaftes einen 20 Gig-Datenspeicher, der in der UMTS-Version gleichzeitig als Antenne fungiert. Übers Headset telefonierst du oder navigierst via Bluetooth die Software, um dem Schläger vor dem Schlag zu sagen, wo du hinspielen willst. Den Rest erledigt das Schwungfehlerneutralisierungs-programm. Das Ding ist so toll wie teuer!“

„Ist doch egal. Hauptsache mal was Neues aus Orlando!“ Mein Anrufer grunzte vor Glück als er auflegte.

„Dieser Dolby-Driver wird groß rauskommen“, dachte ich mir und überlegte dann, wo ich den golfenden Gartenzwerg hinstellen könnte, der mittlerweile eingetroffen war.

© by Eugen Pletsch 2010, veröffentlicht in der GOLF TIME

An­mer­kun­gen für Gol­frei­sen­de

Pletsch, Eugen
19,99€Buch
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Beschreibung

Ein et­was an­de­rer Golf-Rat­ge­ber. „An­mer­kun­gen für Gol­frei­sen­de“ ist ei­ne Rei­s­e­lek­tü­re für Gol­fer mit Ein­sich­ten und An­sich­ten, golf­phi­lo­so­phi­schen Be­trach­tun­gen, Glos­sen und Kom­men­ta­ren zu ak­tu­el­len Golfthe­men, die Eu­gen Pletsch zwi­schen 2006 und 2016 als Ko­lum­nen ver­öf­fent­licht hat. Mit fei­nem Hu­mor ver­weist der Au­tor da­bei im­mer wie­der auf das mys­ti­sche Ge­heim­nis des Golf­spiels. Mit 12 Tusch­zeich­nun­gen von Klaus Ho­litz­ka und zwei Fo­tos von Oli­ver Hardt.

Die Epigenese des Golfballs

Der Begriff Tao Yin bezeichnet im fernöstlichen Kulturraum eine fast unbekannte esoterische Golftradition wirbelnder Golfderwische.

Der Begriff Tao Yin bezeichnet im fernöstlichen Kulturraum eine fast unbekannte esoterische Golftradition wirbelnder Golfderwische. Japanische Adepten, vorwiegend Mitarbeiter von Elektronikfirmen, die in Zen-Klöstern Hinweise auf diese geheimnisvolle Golftradition erhielten, sprechen in einer westlichen Verballhornung auch von Tao Ping, weil sie es lustig finden und auf eine angebliche Verwandtschaft des Golfspiels zum Tischtennis (Tao Ping Pong) anspielen.

Tischtennis ist jedoch eine entwicklungsgeschichtlich vollkommen andere Sportart. Das trifft auch auf alle Formen von Hockey zu. Diese albernen Theorien vom Golf im Holland des 17. Jahrhunderts, Rasen- und Eishockeyspiele, wo sich verschwitzte Männer schubsen, haben definitiv nichts mit der Entwicklung des Golfsports zu tun. Auf den Müll damit.

Der Golfsport entwickelte sich im Westen aus dem Federballspiel!

Was ich mit der (an dieser Stelle sehr abgekürzten) Epigenese des Balles begründe, die besonders die Biologen unter Ihnen interessieren dürfte.

Eine Frage vorweg: Ist der Pinguin ein Fisch, der zum Vogel wurde, oder ist er ein Vogeltier, welches verfischt?
Sind Delphine und Wale hochintelligente, bewusste Lebewesen, die sich als Säugetiere schon vor Jahrmillionen wieder ins Wasser begeben haben, um hier die Grundsätze grüner Politik zu verwirklichen, die da wären: Basisdemokratie, Gewaltfreiheit, ökologische Lebensweise und kosmisches Bewusstsein.
Oder ist der Wal ein Fisch, den man zu Forschungszwecken fängt, um ihn als Sushi zu fressen? Sie wissen es nicht so genau? Sehen Sie. Keiner weiß es so genau! Kennen Sie diese Fotos von der embryonalen Entwicklung der Geschlechtsorgane des Menschen, die mal in Zeitschriften gezeigt wurden? Wie sich der kleine Unterschied zum Männlein herauswächst oder zum Weibchen entwickelt? Kennen Sie? Gut.

So ähnlich war es auch mit den Federbällen und den Golfbällen. Sie brauchen Leder und Federn. Wenn Sie ein wenig Leder haben und einige Federn, dann machen Sie sich einen Federball, indem Sie eine kleine Lederkugel zusammennähen, an deren Ende einige längere Federn herausstehen. Sie basteln sich Schläger, deren Flächen Sie mit Darmsaiten bespannen, und treiben den Federball vor sich her oder spielen ihn einem Partner zu. Federball
Da Federbälle immer in der Regenrinne einer Garage landen, geht Ihnen langsam das Leder aus und die großen Federn werden knapp. Sie werden also, wenn alle langen Federn weg sind, irgendwann beginnen, eine Kugel zu nähen, in die Sie alle kleinen Daunen, die Sie noch haben, reinstopfen. Man sagt, dass fast ein Zylinderhut voll Daunen in eine kleine Lederkugel gepresst werden kann. Das können Sie sich alles im Golfmuseum von St. Andrews anschauen, wobei man dort die Federbälle nicht zeigt.
Sie sehen die Entwicklung? Leder paart sich mit Feder, kleine Lederkugel mit längeren Federn entwickelt sich im Laufe der Zeit zu einer größeren Kugel mit Federn drin. Kleine Kugel, gestopft mit Federn, braucht keinen breiten saitenbespannten Schlägerkopf. Besser ist eine feste Schlagfläche, um den Ball weiter und flacher im Wind zu treiben. Sinnvoll ist ein Stock mit einem dicken Kopf. So entstand der Golfschläger!

Missionare brachten dann um 1800 ein gummiartiges Material aus Malaysia mit (Guttapercha), das die Featheries ablöste. Coburn Haskell revolutionierte die Golfballtechnologie um 1898, indem er einen Ball aus gewickeltem Gummiband herstellte, den er mit einer Gummihaut überzog.

Irgendwann entdeckte man, dass Bälle mit Kerben und Schrammen weiter flogen, und so wurden Techniken entwickelt, um die Bälle systematisch mit Dimpeln zu versehen, und so ging es weiter, bis der erste Golfball über den Mond flog.

Ballfreaks können endlos über Wicklungen, Haltbarkeit des Covers und die Flugbahn ihres Lieblings fachsimpeln; ähnlich wie Gitarrenfreaks über die Spulenwicklungen ihrer Stratocaster oder Gibson und clubfreie Manta-Fahrer über die Lockenwickler ihrer Freundin.

Alle Golfballhersteller versprechen einen gefühlvollen Ball, der endlos fliegt, lange rollt, plötzlich bremst und jahrelang hält. Was wir als Anfänger kaum feststellen können – es sei denn, wir finden den Ball immer wieder. Uns ist die ganze Ballkonstruktion erst mal egal. Wir lassen uns unsere ersten drei weißen Bälle schenken, die wir auch nur auf dem Putting-Grün benutzen.

Golfbälle sind eine wunderbare Gelegenheit, um festzustellen, ob Sie noch Freunde haben oder ob Sie als Neugolfer schon die ersten sozialen Ausgrenzungen erleben. Kurz vor Ihrem Geburtstag sollte Ihr persönliches Umfeld wissen, dass Sie Golfbälle als würdigen Liebesbeweis ansehen. Mit der Zeit wird sich Ihre Familie daran gewöhnen, dass auch Golfbälle im Preis sprunghaft steigen, und zwar, wenn Sie zu Weihnachten hoffnungsfroh, aber reichlich verfrüht, vom Two-Piece-Lakeball auf Profi-Bälle umsteigen. 

Der Lakeball wird, wenn die Krokodile schlafen, von Tauchern aus den Seen in Florida herausgefischt, wo sie (ähnlich der Kartoffel, nur im Wasser) zwischen den Wurzeln einer Schilfanemonenart herauswachsen. Diese Bälle haben nur einen Vorzug: Sie sind neben dem gefundenen Ball, den Sie selbst aus einem Teich in Ihrem Heimatclub fischen, am billigsten.

Michael Green, ein kompetenter Sachbuchautor englischer Sprache, empfiehlt dem Spieler besonders Bälle, die Sie »vorzugsweise in einem Wassergraben gefunden haben, in dem sie wenigstens sechs Wochen feucht lagen«. Diese Bälle können Sie dann sehr gut einem Mitbewerber ausleihen, der seinen eigenen Ball verschlagen hat. Green:

»Einen Ball zu schlagen, der anscheinend aus Stein besteht, hat einen Effekt, der gar nicht überschätzt werden kann.«

So viel zu den Wasserbällen.

One-Piece-Bälle, die meist auf der Driving Range eingesetzt werden, bestehen wie Two-, und Three-Piece-Bälle aus Kunstharzmischungen, die patentiert sind, weshalb sich die Ballhersteller ständig wegen Patentverletzungen in den Haaren liegen.
Früher spielten wir Bälle aus Balata, einem Naturkautschukgemisch, das – weich und verletzlich – dafür sorgte, dass die Aktien der Produzenten in der Höhe blieben. Gute Spieler konnten diese Bälle arbeiten, also einen besonderen Spin geben, um bestimmte Flugbahnen zu erreichen. Diese traditionellen Balata-Bälle werden heute nur noch von Hobbygärtnern gezüchtet, wobei wir zwischen konventionellem Ballanbau und biologischem Ballanbau aus 100% Naturkautschuk unterscheiden.

Jedes Jahr werden neue Materialmischungen und Anordnungen der Dimpel entwickelt. Allen Bällen ist jedoch gemeinsam, dass sie nicht mehr als 45,93g wiegen dürfen und einen Mindestdurchmesser von 42,67 mm haben müssen. Exakte Golfwissenschaft. Die Zahl der Dimpel, dieser kleinen, runden Vertiefungen auf der Balloberfläche, die dem Ball Stabilität im Flug geben, beträgt je nach Ballmarke zwischen 392 und 500.Tests ergaben, dass auch neue Bälle in Farbe, Rundung und Qualität voneinander  abweiche alle Bälle anschauen. Ihr Pro wird Verständnis haben, da er die Unwägbarkeiten moderner Industriefertigung kennt.
Besonders bei großen Packen mit 15 Bällen aus dem Sonderangebot sollten Sie die auf der Packung angegebene Dimpelzahl unbedingt bei allen Bällen checken, indem Sie die Dimpel durchzählen! Es geht schneller, wenn Sie jede gezählte Kuhle mit einem Filzstift antupfen und den Pro zur Kontrolle laut mitzählen lassen.

Die angeblich neueste Entwicklung sind Bälle mit einer Balata-ähnlichen, weichen Schale aus lebenden Mikroorganismen, die sich selbst regeneriert. Diese Bälle haben eine unglaubliche Flugweite, weil sie gentechnisch mit Gänsen gekreuzt wurden. Sie lassen sich gut kontrollieren und nehmen nur Backspin an, keinen Sidespin. Diese Bälle passen ihre Flugbahn durch Mikrosensorsteuerung automatisch den Windverhältnissen an. Sie sind gelb und können nicht verloren gehen, entwickeln mit der Zeit eine niedere Form von Bewusstsein und halten sich dann für unentbehrlich.

Auszug aus „Der Weg der weißen Kugel“ (c) by Eugen Pletsch

Neues Spiel – altes Glück

Im Foyer des Golfclubs Bauernburg herrschte reges Getümmel. Helga, unsere Clubsekretärin, sowie ihre Tochter Luise gingen mit Tabletts herum und reichten Sekt, mit und ohne O-Saft...

Die Club-Granden standen zusammen. Auch die Mannschaftsspieler hielten Abstand vom gemeinen Volk der Mid- und High-Handicapper – was aber eine verständliche Reaktion ist, um sich zu Beginn der Saison vor Yips-Viren und hochinfektiösem Geschwätz über Sockets zu schützen. Nach einem Viertelstündchen der Geselligkeit bat unser Vizepräsident Prof. Klausthaler die Anwesenden, ihm in den Clubraum zu folgen. Ich wartete noch einen Moment auf unseren Clubpräsidenten Herrn Fahrenbach, der mich sofort auf die Seite zog: 

„Schreiben Sie etwas über die heutige Veranstaltung für unsere Clubzeitschrift?“

„Meinen Sie, ich sollte? Wir hatten für das nächste Heft den 2. Teil von „Who is who im Golfclub“ angekündigt.“ Fahrenbach zögerte.

„Um was soll es da gehen?“

„Um die Abgründe unserer Golf-Gemeinschaft: Ränkeschmiedende Narzissten mit Vorstandsambitionen, die das Vereinsleben in manchen Clubs zur Hölle machen.“ Fahrenbach winkte ab.

„Das hätte juristische Konsequenzen. Namen könnten Sie ohnehin nicht nennen. Was sonst?“

„Ein Greenkeeper-Thema, das uns alle betrifft. Nach dem Extrem-Sommer 2018 haben sich die Rasenflächen weitgehend regeneriert, aber manche Böden sind noch sehr trocken … und …äh…“. Ein mahnender Blick von Prof. Klausthaler trieb uns zur Eile.

„Schreiben Sie lieber etwas über die neuen Golfregeln. Dann sind alle informiert, die heute nicht teilnehmen können“, beendete Fahrenbach das Gespräch. Ich nickte. Warum nicht? Ich bin zwar nicht der Schriftführer des Clubs, aber ich schreibe hin und wieder über unsere Veranstaltungen.

Ich folgte Fahrenbach in den gut gefüllten Saal und quetschte mich auf den letzten freien Stuhl zu Heiner Markowsky. Der Versicherungsvertreter ist bekannt für seine Fähigkeit, Neubestand auf dem Platz zu kobern. Manchmal mit Golftipps, manchmal aber auch mit einem getoppten Ball in die Hacken, der es ihm ermöglicht, eine Rechtsschutz- oder Krankenzusatzversicherung ins Gespräch zu bringen. Seine Anwesenheit war eher seiner beruflichen Kontaktfreude als seinem Interesse an Golfregeln zuzuschreiben, denn bisher war Markowsky niemandem durch besondere Regel-und Etikette-Kenntnisse aufgefallen. Eher im Gegenteil.

Kaum saß ich, klingelte Fahrenbachs Sitzungsglöckchen. Da die Ruhe nicht augenblicklich eintrat, ließ es sich unser Spielführer nicht nehmen, die Anwesenden mit einem donnernden FORE bis ins Mark zu erschrecken, worauf die älteren Mitglieder ihre Hörgeräte leiser stellten und bald sanft schlummerten. Der Historiker Prof. Klausthaler ließ es sich nicht nehmen, selbst über das Thema „Neue Golfregeln“ zu referieren. Schließlich war ihm die Geschichte des Golfsports seit König James II vertraut, der das Spiel 1457 verbot und stattdessen das Üben des Bogenschießens anordnete. (Das Spiel mit Pfeil und Bogen wäre auch heute noch manchem Golfer zu empfehlen, der den festen Stand an einem Punkt der flüssigen Bewegung vorzieht. Aber dazu hat sich der DGV – selbst im Zusammenhang mit „Ready Golf“ – nie öffentlich geäußert.)

Um dem Zeitgeist zu huldigen, eröffnete Prof. Klausthaler mit „Sehr geehrte Mitgliederinnen und Mitglieder“ und kam dann sofort auf den Punkt: „Regeln und Gesetze werden selten einfacher und im Golfsport war das nie anders. Zu den Regeln hatte man sich außerdem noch Hunderte von Ausnahmen und Anmerkungen ausgedacht, die sogenannten „Decisions“. Doch weil selbst die 10 christlichen Gebote unserer Leitkultur vielen Menschen zu komplex sind, und weil wir alle in einer globalisierten Welt unter unsäglichem Zeitdruck stehen und von Reizüberflutung gebeutelt werden, haben die obersten Regelhüter, die R&A und die USGA, eine Reorganisation der Golfregeln beschlossen. Die Golfregeln werden ab 2019 auf 24 reduziert!“
„Doch noch so viele?“ flüsterte Heiner Markowsky.

„Besser als 36“, flüsterte ich zurück.

Heiner nickte, um sogleich wieder den Ausführungen Klausthalers zu folgen. „Wir werden die Regeln an einer Wandtafel aushängen. Außerdem sind die Änderungen im Internet und fast jeder Golfzeitschrift zu finden. Aus zeitlichen Gründen können wir heute nur ein paar Themen herauspicken. Das wichtigste Thema überhaupt ist ‚Ready Golf‘!“

Etliche der jüngeren Spieler kicherten, manche lachten laut auf. Professor Klausthaler schien irritiert. Dass seine üblichen Mitspieler, Präsident Fahrenbach und Dr. Bercelmeyer, als langsamste Spieler im Club galten, war allgemein bekannt.

„Ja, Ready Golf“, beharrte Klausthaler. „Die Suchzeit wird von fünf auf drei Minuten verkürzt. Und jeder Schlag sollte nicht mehr als 40 Sekunden dauern. Außerdem wird das Schlagen außerhalb der Reihenfolge gefördert.“
Diese Neuerung gefiel ihm persönlich besonders gut. Die ewige Warterei, bis Fahrenbach seinen Schwung und Bercelmeyer seinen Ball gefunden hatte, nervte ihn seit dreißig Jahren. Immer wieder wurde sein voreiliges Schlagen als Etikette-Verstoß mit einem Bier geahndet. Die monotone Stimme, mit der Klausthaler sein Verständnis der neuen Golfregeln darlegte, erzeugte nicht nur bei den Senioren Schläfrigkeit, zumal unser Vize jegliche Zwischenfragen mit einem „Dazu kommen wir gleich…“ abschmetterte.
Er streifte die Identifizierung des Balls, das Versehentliche Bewegen, die Veränderung der Ball-Lage und betonte, dass Caddies nicht hinter dem Spieler stehen dürfen.
„Was ist ein Caddie?“, fragte Markowsky leise. „Meint er einen Trolley?“ „Nein, früher gab es Taschenträger, die nannte man Caddies“ tuschelte ich zurück.
Klausthaler säuselte weiter durch sein Programm… Spiellinie berührenauf dem Grün markieren …. aufnehmen und reinigenwenn der Ball im Bunker liegtlose hinderliche Naturstoffe straflos bewegt ….Schäden ausbessern …Versehentliches Bewegen … Flaggenstock zu treffen … Droppen aus Kniehöhe…“.
Hier zuckte Markowsky. “Hä? Wenn ich meinen Ball im Rough nicht finde, dann droppe ich immer so. Wie denn sonst?“

„Bisher ließ man den Ball mit ausgestrecktem Arm fallen?“

„Seit wann denn das? Seit 1933?“ Er hatte seine Stimme etwas gehoben, was Prof. Klausthaler irritierte.

„Wie meinen?“

„Äh, ich verstehe nicht, was neu sein soll an dem, was Sie da vortragen? Golf ist doch kein Glückspiel! Wenn ich meinen Ball im Rough nicht finde, dann lass‘ ich einen fallen. Wenn der Ball blöd im Bunker liegt, schmeiß‘ ich ihn raus und lose hinderliche Naturstoffe habe ich schon immer straflos weggeschmissen, wobei ich nicht genau weiß, was lose hinderliche Naturstoffe überhaupt sind. Da sollte mir mal einer einen Strafschlag verpassen. Das Echo würde der nicht verkraften.“

Wer jetzt noch wach war, lachte, die andern wachten auf. Markowsky legte nach: „Ich finde ja gut, dass alles leichter werden soll mit die neuen Golfregeln, aber wir spielen schon immer so. Diesen ganzen Kleinkram, den Sie da aufzählen, den kennt doch keiner außer ein paar Erbsenzählern und Wichtigtuern.“
Das gemeine Volk der Mid-und High-Handicapper murmelte beifällig und begann zu diskutieren, was Prof. Klausthaler aus dem Konzept brachte. Er stotterte noch eine Weile rum, bis sich Präsident Fahrenbach genötigt sah, das Versammlungsglöckchen zu rühren: „Vielen Dank an Prof. Klausthaler für seine Erläuterungen. Ich muss zugeben, dass ich die Änderungen auch noch nicht im Detail erfasst habe. Das Meiste scheint mir vernünftig. Dennoch frage ich mich, ob es die neuen Regeln nicht nur denen leichter machen sollen, die sich nie die Mühe gemacht haben, unsere bisherigen Golfregeln zu verstehen. Andererseits: Wenn die neuen Regeln dem Usus und der allgemeinen Unkenntnis angepasst wurden und wir künftig so droppen, wie es bisher nur die Schummler gemacht haben, dann geht das zwar in den Rücken, aber es demonstriert unsere Bereitschaft, das Golfspiel zu erneuern. In diesem Sinn wünsche ich uns allen eine erfolgreiche Golfsaison – und jetzt, liebe Mitgliederinnen und Mitglieder, das Buffet ist eröffnet!“

Markowsky stand auf und schüttelte den Kopf.

„Das erinnert mich an die neue deutsche Rechtschreibung. Die Alten, die noch richtig schreiben gelernt haben, werden sich das Neue nicht merken können und die Jüngeren können weder die alte noch die neue Rechtschreibung.“

„Ach, das wird schon“, beschwichtigte ich, aber letztendlich nur, weil ich Hunger hatte und zum Buffet wollte.      

Erschienen im NRW Golfjournal. © by Eugen Pletsch 2019