Am Abend nach dem Turnier: Zur Gala hüllen sich die Damen in schimmernde Roben. Zeitlose Schönheit wohin man schaut – wobei manche mehr zeitlos als schön – aber immer schön bunt. Und in der Herrengarderobe? Mancher alte Haudegen, der den Ball nur noch per Saugnapf aus dem Loch klauben kann, rückt das Bruchband zurecht und hofft, bei einer verwitweten Golfgottes-Anbeterin Eindruck schinden zu können…
Leider hat sich das Golfspiel noch nicht in allen Schichten unseres Volkes etablieren können. Da war zum Beispiel jene hübsche, junge Dame – nennen wir sie Anneliese – die davon träumte, einmal diesen feinen Kreisen der etablierten Golf-Gesellschaft anzugehören. Da saß sie nun in ihrer kärglichen Kammer über den Dächern von Köln, blätterte in Gesellschaftsmagazinen und überlegte, wie es wäre, einmal dabei sein zu dürfen, um endlich ihrem Märchenprinzen zu begegnen.
Wie es das Schicksal so will, klingelte der Postbote und brachte Anneliese die Nachricht, dass sie beim Preisausschreiben eines Kreuzworträtselheftes den 1. Preis gewonnen hätte: Ein Wochenende in einem Golfclub mit Teilnahme an einem Charity-Event mit Gala! Ist das denn zu glauben?
Ihr Herz klopfte, denn das ist ein Moment im Leben, den man mit Geld nicht kaufen kann. Selbst jenen gesellschaftlichen Randgruppen, die gemeinhin als die „Schönen, Reichen und Erfolgreichen“ diskriminiert werden, bleibt häufig die Anerkennung verwehrt, in der sich die wirklich Prominenten sonnen dürfen. Man hat vielleicht das Geld, aber nicht den Namen und auf keinen Fall das Gesicht, das den problemlosen Einlass in die funkelnde Welt von Ruhm, Ruin und Gesellschaftsnachrichten gewährt.
Geld ist nicht alles und VIP-Status können sich nur wenige kaufen, aber ein korrekt ausgefülltes Kreuzworträtsel, ordentlich frankiert und eingeschickt an eine Zeitschrift, die zufällig einer Verlagsgruppe gehört, die Golfturniere veranstaltet, katapultierte Anneliese plötzlich dorthin, wo die Filmschaffenden, Buffet-Hausierer und Abschreibungsakrobaten die Korken knallen lassen: zum Gala-Diner eines Charity-Golfturniers!
Doch dann begannen die Sorgen: Welcher Dresscode? Wie sollte sich Anneliese kleiden? Sportlich oder Abend? Zum Glück hatte der Veranstalter in der Einladung auf Seite 3 darauf hingewiesen, dass ein Golfturnier aus zwei Teilen besteht: dem sportlichen und dem gesellschaftlichen Part. Diese modische Zweiteilung angemessen zu bewältigen, beschäftigte Anneliese für Wochen.
Dann kam der große Tag: An der grimmigen Security vorbei stolpert Anneliese auf ihren High-Heels hinein in den Kreis prominenter Künstler, Sportler und Freibeuter der Wirtschaftsmeere. Der erste Eindruck ist der Wichtigste, also lächelte sie bescheiden, während man ihr am Handgelenk ein kleines Plastikbändchen befestigte. Für dieses VIP-Bändchen am Handgelenk würden manche Frauen morden. Dann erklärte ihr die nette Hostess, was ein Grün ist und dass sie dort keine hohen Schuhe tragen darf. Ach richtig – GOLF! Den Gedanken, dass Golf gespielt wird, hatte Anneliese längere Zeit erfolgreich verdrängt, bis sie mich im letzten Moment anrief. In einem knapp dreiminütigen Telefonat konnte ich sie davon überzeugen, dass Golf ganz einfach ist!
„Du musst nur Folgendes beachten: In der Tasche, die man dir gibt, (Bag genannt), sind mehrere Golfschläger. Du nimmst aber nur den Schläger, bei dem im Metallkopf (da wo es hart ist und glänzt) eine 8 eingraviert ist. Dann nimmst du einen Golfball, drückst damit einen dieser Holz-Zahnstocher (Tee genannt) in die Erde und da legst du den Ball drauf. Dann stellst du dich vor den Ball, greifst den Schläger an seinem Gummigriff und schwingst so durch den Ball, als wolltest du ein Gänseblümchen köpfen. Das war’s schon. Wenn der Ball noch auf dem Stift liegt, schlägst du nochmal nach ihm. Wenn er weghoppelt ist das OK und wenn er tatsächlich ein bisschen fliegt, dann wäre das phantastisch. (Ich kenne Leute, die Jahre darauf warten!)
Die anderen in deiner Gruppe werden dir zeigen, wo es lang geht. Irgendwann kommt ihr an eine sehr kurz gemähte Fläche, wo deine Mitspieler endlos rumkriechen. In das kleine Loch, in dem eine Stange mit einer Fahne steckt, muss der Ball rein. Wenn dein Ball kurz vor dem „Grün“ liegt, schnickst du den Ball einfach ins Loch und wenn er doch etwas vorbei läuft, dann fragst du einen Mitspieler, welchen Schläger aus Deiner Tasche man „Putter“ nennt. Mit dem schubst du den Ball ins Loch. Fertig. Das war‘s schon.
Deshalb ist Golf so einfach, dass es selbst alte Leute noch spielen können!
Bleib‘ einfach immer nur da, wo das Gras kurz gemäht ist, dann kannst du nichts falsch machen. Und selbst wenn du dich saudumm anstellst, wird sich ein bekannter Sportler oder ein Prominenten-Zahnarzt um dich kümmern. Die finden das dann ganz charmant, weil du so jung und hübsch und hilflos bist. Dazu noch einen Tipp: Wenn der Typ fünf Schläge oder weniger für die Bahn gebraucht hat, dann vergiss ihn, denn er hat bereits eine Braut: sein Handicap. Wenn der Mitspieler jedoch große, braune Augen hat, gut aussieht und mehr Schläge brauchte als du, dann ist er nur für den guten Zweck hier, also: Keine Golfsucht, vermutlich ledig und Geld wie Heu. Das ist er! Bei dem kannst Du zuschlagen!“
Und so war es dann auch. Mit einem Abpraller an einem Baum auf der 17. Bahn traf Anneliese den Mann ihrer Träume mitten ins Glück und Wochen später, nachdem er (Georg 42, Autohändler mit eigener Lackiererei in Osteuropa,) wieder laufen konnte, beschlossen beide, ernsthaft mit dem Golfspiel zu beginnen.
Sie fuhren gemeinsam zur einer Golfmesse, durchforsteten die Angebote von 250 Ausstellern und lauschten einer Experten-Diskussion. Dabei erfuhren sie, dass Golf jung, modern und ganz anders ist, als man denkt.
Stunden später verstauten sie ihre erste Golfausrüstung in einem Luxus-Automobil, das sie zu den Besucherparkplätzen zurückfahren sollte.
Obwohl Anneliese nur eine kleine Damenpistole besaß, war der Fahrer (Student) gerne bereit einen kleinen Umweg Richtung Kaarst zu machen, wo sie den jungen Mann aussteigen ließen, nachdem er noch höflich um seine warme Jacke gebeten hatte, weil er es an den Nieren habe. Seitdem wurden Anneliese, Georg und der Luxus-Schlitten nicht mehr gesehen.
Anneliese und Georg freuten sich auf ein herrliches Golfer-Leben. Alles würde sich ändern, aber zuerst war die Farbe des Wagens dran.
(c) Eugen Pletsch