Alte Golfclubs, wie ich sie noch in den 1980er Jahren kennenlernen durfte, gibt es heute eigentlich nicht mehr. Es war die Zeit, als Golfclubs noch Wartelisten hatten und ein Vierer-Flight 18 Loch in 4 Stunden absolvieren konnte. Das nachfolgende Kapitel stammt aus meinem Buch Der Weg der weißen Kugel ….
Alte Golfclubs sind mangels Beschilderung kaum zu finden. Meist nur zu Pferde oder per Unimog erreichbar, stehen die villenartigen Clubhäuser hinter uraltem Baumbestand dort verborgen, wo man sie am wenigsten vermutet.
Im Eingangsbereich knarzen Ledergarnituren im Sperrmülldesign. Das Restaurant hat den Charme eines kleinen Cafés an der Ostsee vor der Wende. Kein ordinärer neuer Protzpalast, wo die Tasse Kaffee vier Euro kostet. Nein! Das Restaurant ist fast leer und etwas schmuddelig. Was soll es auch zu kaufen geben, für Leute, die bereits alles haben. Und wenn , dann bitte billig. Man kann noch in DM bezahlen, da keiner der Mitglieder diesem neumodischen Euro-Spielgeld traut
Kaffee gibt es auf der Veranda nur in Kännchen, dazu frisch aufgetauten Käsekuchen und als Dessert Fürst-Pückler Eis. Im Glasschrank hinter der Bar steht eine Afri-Cola Flasche im Flower-Power-Pop Design von Charles Wilp, die dort seit vierzig Jahren sinnlos ihren trüben Gedanken nachhängt.
Auf dem Weg zur Toilette sind Hinweise für die Offiziere der Besatzungsmächte in drei Sprachen angebracht. Das Pissoir hat noch Abtrennungen zwischen den Becken, die Reizblasen vor dem ersten Abschlag besonders zu schätzen wissen.
In den Garderoben mit dem Geruch englischer Internatsturnhallen stehen Holzspinde. Verkrustete, ungeputzte Schuhe stehen herum. Die Schlammschlacht der Senioren-Clubmeisterschaft (und eine andere wird gar nicht gespielt), hängt ihnen noch an den Hacken.
Ich liebe es, wenn diese alten Schmuddelburgen eines dekadenten Industrieadels in der Abendsonne lange Schatten werfen.
Im Clubrestaurant, so Ihnen der Zutritt gestattet wird, sind Sie meistens alleine. Nehmen Sie Platz auf einem der alten Stühle, auf denen schon Henry Cotton vor dem Krieg saß. Ein einsames Krüstchen beäugt Sie misstrauisch und während Sie am Gebäck nagen, versucht sie, ihre Perlenkette mit der Serviette zu bedecken. Durch das Fenster sehen Sie den Stuart, den Pro, der gerade auf einer Streuobstwiese eine Golfstunde an eine der wenigen Damen unter siebzig gibt, die nach einer Hüftgelenksoperation ihre originelle Methode auffrischen möchte, den Ball in irgendeine Richtung zu befördern.
Es ist vielleicht seine erste bezahlte Stunde in diesem Monat und der Pro ist gut gelaunt. Ihm ist vertraglich zugestanden, dass er neben einer warmen Suppe und etwas Zwieback am Tag (gegen eine geringe Gebühr) im Schuppen hausen darf, wo er für fünfzig Cent pro Ball Federn in aufgerissene Lederkugeln zurückstopft. Während die rekonvaleszente Dame Fetzen aus der zerschlissenen Abschlagsmatte hackt, schaut er zufrieden zum Clubhaus. Dort haben sich gerade mehrere alte Knaben ein Glas Mineralwasser geteilt und steuern dem ersten Abschlag entgegen.
Dr. Fahrenbach donnert mit seinem Walter Hagen Persimmon Brassie einen gemopsten Rangeball in die Büsche. Da sich der farbige Einsatz im Schlägerkopf im Vorjahr gelockert hat, hegt der Pro die berechtigte Hoffnung auf Umsatz. Kein neues Holz, nein – aber für einen Heiermann bar auf die Kralle wird er dem Fahrenbach heute Abend den Schläger reparieren und in diesem alten Clubs kann man für fünf Euro noch ordentlich essen.
Altes Geld wird nur älter, wenn man es nicht ausgibt. Altes Geld sieht auch bei uns sehr englisch aus, sprich: ist entsetzlich gekleidet und spielt noch aus Leinentaschen mit Schlägern, die selbst langsam wieder an Wert gewinnen. Richtig altes Geld spielt neuere Schläger, etwa zwanzig Jahre alte Blades in hässlichen Kunstledertaschen. Sie tarnen sich damit, denn sie wissen, welche Art Blut die jungen Frettchen suchen, die sich auf ihre heiligen Rasen schleichen, um einem armen Milliardär mit einem Schwächeanfall in einem Bunker hinter dem 13. Grün eine Anlagebeteiligung aufzuschwatzen, bevor der Notarztwagen kommt.
Statussüchtige Alpha-Männchen aus den Vorstandsetagen, gepaart mit ihren habgierigen Weibchen, sind nur von einem Wunsch getrieben: eine Mitgliedschaft in einem dieser alten Clubs. Aber die haben eine Warteliste, die seit Jahren verschollen ist. Deshalb werden die Weibchen der Alpha-Männchen schier wahnsinnig, wegen des gesellschaftlichen Druckes sozusagen, der dadurch entsteht.
Die Geschäfte, sofern es welche gibt, führt bisweilen eine ehrenamtliche Xanthippe, die die Frauenmeisterschaften im Gau Baden gewann, bevor der Führer dem Spuk ein Ende bereitete. Sie wird Sie kaum eines Blickes würdigen und Ihnen nur zublaffen, dass kein Reinigungsdienst benötigt wird, solange der alte Caddymeister die Waschräume putzt (in denen er schließlich auch schläft).
Der Gastronom ist freundlicher. Schließlich bedeutet ein Gast, der vermutlich nicht auf den Platz darf, Umsatz. Für wenige Euro können Sie sich mal so richtig die Naht geben, essen und voll laufen lassen, bis Sie irgendwann glauben, Sie halluzinieren: Während Sie in die wunderschöne, alte Parkanlage starren, entdecken Sie gekrümmte, schemenhafte Gestalten, die im Laub nach ihren Bällen scharren.
Da kann Fahrenbach, der Jungspund und Emporkömmling, dreimal laut »durchspielen« fordern, hinten auf dem Tee! Hier hört man nur das Geraschel gieriger Hände im Laub, die verzweifelt den Familienball, einen Dunlop 65, suchen, wie ihn schon Henry Cotton anlässlich eines Besuches in Bad Ems vor dem Krieg auf der 4. Bahn seitlich rechts ins Aus schlug.
Devote Geister schieben langsam einen Ständer mit Infusionslösung hinterher und achten darauf, dass sich der Herr Magnat bei seinem kurzen, wuchtigen Schwung aus dem Laub nicht in dem Schlauch verfängt, der zum Katheterbeutel führt.
Diese Anblicke sind unbezahlbar, seltener als Gorillas im Nebel der Seiser Alm und höchstens am Wochenende möglich. Während der Woche sieht man niemanden auf dem Platz. Draußen stehen tausend junge Golfer und scharren mit den Spikes. Aber nein. Hier wird ihnen nicht aufgetan. Es sind die letzten Refugien, die ein ordinärer Schweinehälften-Broker nicht mit seinem dummen Geschwätz von geilen Grüns in Florida verschandeln darf. Solche Orte muss es auch geben und die Allgemeinheit, die zur Finanzierung nichts beizutragen hat, sollte diese Jurassic Parks tolerieren. Vergessen wir also die alten Clubs vorerst und beschäftigen uns damit erst wieder ab Handicap 18 auf einer schönen Englandreise…
(c) by Eugen Pletsch