Man wird älter. Meine Haarschneidefachfrau meint, meine Haare werden immer dünner. Und ich immer dicker.
„Seit einiger Zeit stehen meine Haare so merkwürdig in die Luft,“
„Das macht die trockene Luft und Ihre feinen Spitzen.“
„Manchmal sehe ich schon aus wie der Seehofer, nachdem ihn ein FDP-Mann an den Arsch gepackt hat.“
„Ach“, sagt sie. „Politik schaue ich gar nicht mehr. Man kann ja doch nichts machen.“
Ich nicke, weshalb sie mit der Schere fast mein Ohr erwischt.
„Aber alles wir teuer, besonders das Bauen“, fährt sie fort. „Eine Kundin von mir hat für eine halbe Million gebaut. Und nicht mal unterkellert!“
Über Preise schimpfen – das ist mein Lieblingsthema:
„Seit wir den Euro haben, verdienen wir die Hälfte, zahlen aber für alles das Doppelte…“
„Wobei man doch allgemein sagt, dass das nur gefühlt wäre?“
Sie schüttelt den Kopf, als kämen ihr an diesem Gefühl langsam Zweifel auf. Dann erzählt sie weiter:
„Wir waren in Bad Nauheim zum Essen. Nichts Besonderes, aber das Schnitzel kostete 9,90 Euro! Das sind doch fast 20.- Mark. Das hätte doch früher niemals jemand bezahlt…“.
Wasser auf meine Mühlen.
“Und der kleine Beilagen-Salat, der im Club immer DreiMarkfuffzich gekostet hatte, ist unter vier Euro nicht mehr zu haben!“
Nachdem sie mich von meiner Seehoferschen Rübezahl-Matte befreit hatte, fuhr ich zu meinem Lieblings-Italiener, der ein Türke ist.
Auch der ist auf die Bundesregierung schlecht zu sprechen. In Immobilien in Deutschland zu investieren, wäre ein großer Fehler gewesen, meinte er. Bald wäre nichts mehr irgendwas Wert.
„Und dann die blöden Griechen, die mit 45 in Rente gehen…“.
„Angeblich haben die griechischen Eliten 600 Milliarden unversteuert in die Schweiz geschafft…“,werfe ich ihm genüsslich über den Tresen.
Das regt ihn noch mehr auf und wir haben richtig schöne Weltuntergangsstimmung, während ich meine „Pizza Toscana“ inhaliere.
Bei Cappuccino denke ich nach. Hat mein Leben einen Sinn? Was mache ich?
Soll ich wirklich weiterhin irgendwelchen Blödsinn schreiben, den ohnehin kaum jemand versteht?
Oder sollte ich nicht lieber etwas erfinden, was auch in Krisenzeiten nährt.
Vielleicht sollte ich Hörgeräte verkaufen!
Viele Leute hören schlecht und können Dialoge nicht mehr richtig verfolgen, zum Beispiel wenn sie am Clubtresen stehen.
Mir geht es oft so, dass ich von manchen Leuten schwer verstanden werde. Ich sage etwas, und sie hören etwas ganz anderes. Da wäre es doch besser, wenn sie gar nichts hören würden. Ich will Vieles auch nicht hören. Dummes Gebabbel verklebt die Nervenbahnen, besonders auf dem Golfplatz.
Also müsste man ein Hörgerät haben, das dummes Gebabbel neutralisiert. Das wäre nicht schlecht, oder?
Das Hörgerät müsste so konstruiert sein, dass jedes Mal, wenn gewisse Leute das Maul aufmachen ein kurzer Warnton erklingt und dann setzt entspannende Musik ein, die mit Subliminal-Befehlen unterlegt ist:
„Ich bin ruhig – ganz ruhig – Ruhe. Was immer der da labert – ich bleibe ruhig..“
So was in der Art und dazu schöne Herzschrittmacher-Musik im 4/4 Takt, die Puls und Blutdruck senkt.
Mein Hörgerät wäre so ähnlich wie der „Babelfisch“ aus Douglas Adams „Per Anhalter durch die Galaxis“, der im Ohr wohnt und jedwede Sprache des Universums sofort übersetzt. Ich würde mein Hörgerät deshalb „Babbelfisch“ nennen, weil es dummes Gebabbel ausblendet.
Auch meins. Ja, besonders meins! Ich wette: Mit einem Hörgerät, das mein Gebabbel ausblendet, könnte ich ein Vermögen machen! In unserem Club würden fast alle Leute sofort zahlen, schätze ich. Ich werde mal darüber nachdenken.
Ansonsten befasse ich mich an diesem windigen, grauen Tag mal wieder meinem Golfer-Bestimmungsbuch.
Ich habe das Thema irgendwann schon mal erwähnt, bin damit aber noch nicht viel weiter gekommen.
Es gelingt mir einfach nicht, alle Schläger-Typen in ein plausibles Ordnungssystem zu integrieren. Zuletzt überlegte ich, Golfer nach ihrer Lautstärke und der Art der Geräusche, die sie von sich geben, zu ordnen. Mittlerweile glaube ich, dass auch der Inhalt des Gesagten, neudeutsch „Soundcontent“, eine Rolle spielt.
Sicher ist: Alles hängt irgendwie zusammen, die Lautstärke, der Klang, der Inhalt und der Schwung. Ein Beispiel gefällig?
Nehmen wir eine „Hanseatische Quäknöle“. Paradebeispiel dafür wäre Spielführer Hein Küppers, Protestant, 53 Jahre, Handicap 12,1, Steuerklasse1 (worüber er sich ärgert, weil ihn die Scheidung genug gekostet hat).
Wie man in allen Klubs (mit K!) zwischen Bremerhaven und Kiel weiß, ist er mit einer nasalen Lautformungsfähigkeit begabt, die seine quäknöligen Kommentare unter jedem Wind durchfliegen lassen.
Noch bevor Spielführer Hein Küppers seinen PS-Dampfer auf dem Clubparkplatz zum stehen gebracht hat, nölt er bereits durch die geschlossene Windschutzscheibe Direktiven über den Platz. Kaum ausgestiegen wird er den Rest des Tages damit verbringen, die akustische Leitfähigkeit der Atemluft bis zum Anschlag auszulasten, denn er weiß nicht nur alles, sondern er weiß es auch besser. Er kann alles, kennt jeden und er ruft sie alle zu sich: Greenkeeper, Pros, Manager, Servicepersonal und die verschreckte Jugend:
„Na, Jung´ komm du mal her, ja du, min Lütten! Hierher, aber flott …!“
Nur wenn er ein geschlechtsreifes Weibchen sieht, verharrt er für einen Moment in der Alphamännchen-Stellung, wobei er seine Brieftasche im Jackett mit dem Brustmuskel vordrückt. Wenn jedoch das Weibchen ein Mobiltelefon zückt, rennt Hein sofort zum nächsten Klo (auch mit K!).
Das ist ein Reflex. Hein kann nicht anders, was damit zusammenhängt, dass er als Kleinkind manchmal auf dem Töpfchen vergessen wurde, weil sich seine Mama am Telefon festgeratscht hatte. So entwickelte Klein-Hein sein Stimmchen zu einem quäknöligen Organ, mit dem er Telefonkabel zerschneiden konnte. Denn sonst säße er heute noch auf seinem Töpfchen. (Womit ich aber im Umkehrschluss nicht behaupten möchte, dass alle Quäknöler auf dem Töpfchen vergessen wurden.)
Weibchen mit Mobiltelefon lösen bei Hein Küppers grässliche, eruptive Reizdarmsymptome aus, da seine gequälte Seele durch die Kabellosigkeit des „mütterlichen“ Telefons einen Zustand vollkommener Hoffnungslosigkeit erfährt.
Der Worst Case war ein Matchplay, bei dem Hein in die Endrunde gelangte. Sie standen auf dem 18. Grün, das Match war „All square“. Hein’s Gegner hatte seine Partnerin als Caddy dabei. Beim alles entscheidenden Putt stand sie am Grün-Rand und zog ihr Smartphone heraus, worauf der Hein den kurzen Putt zum Sieg vorbeischob. Weil er nicht schnell genug zum Klubhaus rennen konnte, hat er sich dann auch noch eingeschissen, der arme Kerl.
Trotzdem: Obwohl Hein quäknölt, ist und bleibt er ein wichtiges Mitglied unserer (Golf)gesellschaft. Meint zumindest sein Therapeut, der meines Wissens kein Golf spielt.
Textauszug aus „Achtung Golfer! – Schlägertypen in Wald und Flur„