Goldstaub auf der Currywurst

Im Kontext der Diskussion um die Modernisierung des Golfsports sagte Martin Kaymer, dass er sich in den Golfclubs mehr Burger und Currywurst wünschen würde. „Der Weg nach vorne wäre jedenfalls: Neun-Loch-Golfplätze mit einer entspannten Atmosphäre, wo du Currywurst-Pommes und Burger am letzten Loch mit etwas Musik serviert bekommst„, zitiert ihn die „Rheinische Post“. Der Artikel ist in der Süddeutschen zu finden. 

Sogleich beteuerten die Protagonisten eines „zeitgemäßen Golf-Marketings“, dass auch sie die Currywurst längst als eine entscheidende Bereicherung zur Entwicklung des modernen Golfsports ansehen. Aber ist die Currywurst wirklich die Rettung jener Clubs, denen das Geld ausgeht?
Ich weiß es nicht. Ich weiß auch nicht, was Kaymer angesichts der weltweiten Diskussion über Klimaschutz und Brandrodung geritten hat, Burger und Bratwurst auf die Agenda zu setzen. Vielleicht hat der rheinische Jung‘ die Buffets der VIP-Zelte satt und sehnt sich nach dem bodenständigen Futter seiner Heimat, aber dass er Jugendliche, die immer häufiger unter Zuckerkrankheit und Übergewicht leiden, mit Junk-Food auf die Golfplätze locken will, halte ich für etwas unüberlegt.

Ich ahne, wie er es meint. So ähnlich wie damals, als er von Jeans auf dem Golfplatz schwärmte: Golf sollte etwas lockerer werden, nicht so steif und förmlich – aber ist es das nicht längst? Bis auf jene Clubs, die es noch nicht nötig haben, ihr elitäres Getue aufzugeben, sind sie doch alle bereits derart locker geworden, dass Golf-Etikette bereits als Schrulle einer aussterbenden Gattung seniler Golf-Fundamentalisten gilt.

Aber: Was ist denn neu an Kaymers Currywurst-Vorschlag? Diese Frage stellte ich in dem Golfmentoren-Thread:
Auf dem öffentlichen Golfplatz ‚An der Lausward‘ in Düsseldorf war dieses Konzept bereits vor 30 Jahren erfolgreich. Da gab es im Büdchen leckere Schnittchen, aber bestimmt kein Junk-Food und schon gar keinen Akustik-Smog! Golf ist Rasen-Schach. Wie bei einem Schachturnier braucht Golf Ruhe und Konzentration. Wer Gaudi will, sollte einen Rummelplatz besuchen.“

Cartoon: Peter Ruge


Umgehend wurde ich vom Rheinischen Golf-Impresario Michael Jacoby zusammengefaltet:
„Schnittchen SIND Junk-Food. Das Büdchen gibt es nicht mehr und wer nicht mit der Zeit geht, der geht mit der Zeit, lieber Eugen. ich überlege gerade ob wir nicht mal ein „Heavy metal Fu..ing 9-hole“-Turnier machen und den Platz mal so richtig beschallen…..Preise: Tickets für Wacken. Es gibt für alles eine Klientel, Eugen und natürlich auch für Rasenschach.“

„Wer nicht mit der Zeit geht, der geht mit der Zeit, lieber Eugen.“  
Das hatte gesessen und verdeutlicht, wie überholt meine Ansichten zum Golfsport sind.

Mir wurde klar: Es macht keinen Sinn, Trends der Zeit, die meist seichte PR-Gags sind, zu diskutieren und Jacobys Statement hat mir noch mal verdeutlicht, warum mir zum Golfsport nicht mehr einfällt. Wenn ich Golfturniere im Fernsehen und den Profi-Golfsport mit seinen perversen Preisgeldern und fragwürdigen Sponsoren betrachte, wird mir bewusst: Meine Zeit ist vorbei, der Spirit of the Game ist längst ein Gespinst, das spätestens dann zu Staub zerfallen wird, wenn die Wacken-Golfer das Spiel übernehmen und die Jacobyner „den Platz mal so richtig beschallen“.
Wie auch immer: Kaum hatten sie ihre Currywutz durchs Dorf getrieben, folgte ein neuer Post von Carsten Moritz, der auf einen Artikel der Golfpost hinwies. Darin geht es um „Verknappung als Erfolgskomponente“, also genau das Gegenteil von Kaymers Vorschlag. Mehr Exklusivität in den Clubs, um Formel1-Golfer anzulocken, indem man sie sozusagen mit Goldstaub auf der Currywurst pudert.

Günter Rottensteiner, Director of Golf bei Golfresort Haugschlag schreibt: „Grundsätzlich: Wichtiger als alles andere, ist es, den Golfern begreiflich zu machen, dass jede Golfrunde einen Wert hat. Das Verramschen der Golfrunden ist schädlich für alle. Wenn ich in die Oper gehe und dafür 500 Euro hinlege, dann ist es mir als Kunde bewusst, dass ich das nicht für den Sessel bezahle auf dem ich 3 Stunden sitzen darf, sondern für das Gesamterlebnis. Ist die Aufführung gut, dann sind mir dies die 500 Euro wert. War die Aufführung mies, dann wären mir 100 Euro zu viel gewesen. War die Aufführung/das Erlebnis Weltklasse, dann hätte ich gerne noch 200 euro draufgelegt und teile dieses Erlebnis meinen Freunden mit.“

Ich finde, der Vergleich hinkt, denn wenn ich auf einem bekannten, vielfach beworbenen Platz EUR 150.- Greenfee zahle, dann habe ich zumindest hierzulande keine Garantie, dass das angestrebte Gesamterlebnis einer flüssigen Golfrunde von drei Stunden stimmt, weil kein Club garantieren kann, dass nicht drei Dussel im Flight vor mir ihr Gesamterlebnis lieber sechs Stunden lang zelebrieren möchten – mal abgesehen von allen anderen Faktoren, die das Wetter und die Natur ins Spiel bringen.

Dass die Exklusivität einer Golfanlage weder mit einer Marmor-Lobby im Clubhaus noch mit sozialverwahrlosten Zicken auf der Club-Terrasse zu tun hat –  sondern vielmehr mit engagierten Greenkeepern und einer Anlage, die sportliche wie ökologische Intelligenz beweist – hat sich in manchen Opernhäusern offensichtlich noch nicht rumgesprochen.

(Mal ganz abgesehen davon, dass ich nicht glaube, dass ein Clubmanager 500.- Euro für einen Opernbesuch ausgibt, wo doch die Mehrzahl der Golfclubs nicht mal in der Lage ist, 500.- Euro zusammenzulegen, um mich zu einer Lesung einzuladen…)

Zu besagtem Golfpost-Artikel gab es einen Leserbrief von Daniel Schneider. Auszug: „Der Vergleich zur Formel 1 ist vollkommen unpassend. Die Formel 1 lebt von den Fanmassen, den man Brot und Spiele vor Ort bzw. vor dem Fernseher bietet. (…) Im Golfsport wahrscheinlich nur vergleichbar mit Loch 16 der Phoenix Open. Dies ist das Gegenteil von Glamour.“

Richtig, Daniel, danke!

Teure Greenfees und versnobtes Getue machen Golf noch lange nicht exklusiv und die Formel 1, deren Vermarktung man sich hier als Beispiel heranzieht, ist nicht nur NICHT exklusiv, sondern in der heutigen Zeit geradezu obszön.

Aber versteht das jemand, der sich beim AUDI-Kauf betrügen lässt und jetzt eine Dreckschleuder fährt, die eigentlich gar keine Zulassung habe dürfte? Vermutlich nicht.

Nun denn: Probiert es mit Wacken-Golf und Heavy Metal-Krach am Clubhaus, um neue ‚Consumer‘ für exklusiven Golfsport zu interessieren. Vielleicht klappt es. Übrigens: Eine Shisha-Bar im Halfway-House (oder auf der Rheingolf) dürfte auch eine zahlungskräftige Klientel im schwarzen Mercedes oder BMW mit getönten Scheiben anlocken.

Doch, wirklich, macht mal – und habt Spaß – aber nennt es bitte nicht GOLF!

(c) 2019 by Eugen Pletsch