Wintergolf

Echte Wintergolfer sind wetterfeste Gestalten, von denen man nie weiß, ob sie die Kälte des häuslichen Herdes oder die heiße Liebe zum Spiel durch den Wind treibt…

Skifahrer, die angesichts der Schneelagen in den Voralpen nach Alternativen suchen, finden im Wintergolf ein reiches Betätigungsfeld. Der Platz ist fast leer, denn die Club-Nomenklatura lässt sich in den Golfclubs auf Malle ausrauben, während die Matadore der 1. Mannschaft zur Saisonvorbereitung nach Florida geflogen sind, wo sie in den Warteräumen der US-Zollbehörden verfaulen (weil die Röntgenschirme der Gepäckkontrolle bei Sicherheitsstufe Orange Stahlschäfte als Waffen interpretieren). Das bunte Völkchen der Gesellschafts-Golfer geht bei diesem Wetter ohnehin nicht vor die Tür und Versicherungsvertreter aller Konzerne, die den Golfplatz als ihr Büro betrachten, sind in die Zentrale berufen, um den genialen Umstrukturierungsplänen des neuen Vorstandes zu huldigen.

In den nassen und kalten Monaten von November bis März fliegen die Bälle nicht so weit und dürfen gemäß »Winterregeln« auf den Fairways besser gelegt werden. Manche Clubs haben spezielle Wintergrüns, um die regulären Grüns zu schonen. Der Internetseite des Golfclubs Ihrer Wahl entnehmen Sie, ob der Platz geöffnet hat und bespielbar ist. Moderne Golfplätze sind mit einer Webkamera ausgestattet, die nicht nur den Platzzustand live überträgt, sondern auch, wer sich aus der Firma mal wieder in den »Außendienst« verkrümelt hat.

Nur das Spiel im Neuschnee ist Unfug, da auch ein roter Ball bei mehr als drei Zentimetern Schnee nicht mehr zu finden ist. Ein patschnasser Platz ist auch keine Freude, ebenso das Spiel bei Eisregen und kaltem Wind. Vorsicht vor gefrorenen Böden und Eis. Querschläger und scharf spritzende, gefrorene Erde sind gefährlich. Klare, sonnige Tage um den Gefrierpunkt sind dagegen Traumtage im Wintergolf.

Entscheidend ist die Bekleidung: Die Möglichkeit, nach dem Spiel in trockene, warme Kleidung zu wechseln, sollte vorbereitet werden. Als Vielschwitzer habe ich persönlich noch keine wirklich wind- und regenfeste Bekleidung gefunden, in der ich nicht auch ohne Regen patschnass geworden wäre. Die Mär von der passenden Unterwäsche, die Feuchtigkeit ableiten soll, stammt aus dem Sagenbuch der Synthetikhersteller. Den Hersteller meiner angeblich regenfesten Golfkleidung, teuer wie Gold, hätte ich schon im Sommer auf den zweiten Neun der Links von Deal/Kent ersäufen können.

Skulptur im Golfpark Winnerod

Aufwärmen

Die Aufwärmübungen vor der Abfahrt zum Platz verkürzen und erleichtern den ersten Abschlag. Isometrische Übungen für Finger und Arme lassen sich hervorragend am Steuerrad des Autos durchführen. Die Driving Range ist im Winter nicht jedermanns Geschmack! Zu schnelles Dehnen ist im Winter eher schädlich, wenn man zuvor nicht richtig aufgewärmt hat. Weiche Schwünge mit zusammengestellten Füßen bringen Gefühl und Timing zurück. Nach einigen kurzen Schlägen dann die mittleren Eisen. Dann ein Holz 5. Abgeschlagen wird von Wintertees, drei kleinen Gummihütchen, die Sie in der Condomeria Ihres Proshops erhalten.

Die Winterkleidung hindert uns daran, wie gewohnt aufzudrehen und durchzuschwingen, weshalb gut getimte halbe Schläge oft mehr Länge bringen. Üben Sie einige flache Chip-Schläge für Ihr Entfernungsgefühl und um zu sehen, wie der Ball springt. Hohe Schläge zum Grün werden bei kalten Böden oft zu unberechenbaren Querschlägern. Immer flach halten, die Bälle! Wir planen einen schönen Spaziergang, bei dem wir einen Ball vor uns hertreiben. Mit diesem Anspruch sind Spaß und Erfolg garantiert.

Winterausrüstung

Auf den meisten Plätzen sind Trolleys im Winter untersagt. Selbst schleppen ist die Regel. Mancher rüstige Altgolfer bringt auf seinen Wanderungen allein mit seiner »Magic Seven« hervorragende Ergebnisse zustande. Chippen ist auf manchen Wintergrüns sinnvoller als putten. Innerhalb einer Schlägerlänge vom Loch wird der Ball aufgehoben. Jetzt ist die Zeit, alte Bälle rauszusuchen. Ein Sandeisen hat bei nassem Sand und gefrorenen Böden oft zu viel Bounce. Ein altes Pitching Wedge, mit geöffnetem Blatt gespielt, leistet bessere Dienste. Besitzer teurer Status-Gerätschaften sollten diese zu Hause lassen und sich aus der Grabschkiste ihres Pros rechtzeitig mit ein paar einzelnen Gebrauchtschlägern eindecken. Investieren Sie lieber in anständige Griffe!

Mein Winterset hat weichere Schäfte. Der Schwung ist langsamer und die Bandscheibe dankt. Kondition, Konstitution und Kraft sind entscheidend bei der Schlägerwahl, besonders bei den Schäften. Sonst lieber ein Eisen weniger einpacken und dafür einen Pulli zum Wechseln, eine winddichte Mütze und einen Schirm mitnehmen. Vergessen Sie nicht Ihre Hautcreme, in Höhenlagen auch Sonnenschutz! Sie werden sich wundern, wie sich abends Ihre Haut anfühlt. Wintergolfhandschuhe sind unerklärlich teuer und gehen schnell kaputt. Trotzdem sind sie sinnvoll. Denken Sie an ein Handtuch für sich und an eins für Ihre Schläger. Als Proviant eignen sich Nüsse und Trockenfrüchte. Vor einem Flachmann mit gutem Single Malt, der die Illusion von Wärme und gutem Spiel verleiht, warne ich vermutlich umsonst.

Ach ja – und dann noch eins: Bewegung ist das eherne Gesetz des Wintergolfspiels. Den Schnarchnasen, Trödlern, Ballsuchern und Zockern, die meinen, auf einem schrägen, vereisten Wintergrün flippern zu müssen, bis der Ball endlich ins Loch fällt, darf man nach den neusten ‚Decisions‘ der R&A auf dem Parkplatz die Luft rauslassen. Damit die beim Warten auf den ADAC endlich mal merken, wie kalt es ist wenn man rumstehen muss…

* Textauszug aus „Der Weg der weißen Kugel“ © by Eugen Pletsch

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Von der Warteliste zum Golfführerschein

Als ich 1985 mit dem Golfspiel begann, lernte ich als Erstes die Wartelisten der Golfclubs kennen. Aber dann wurden immer mehr – meist sehr exklusive – Golfanlagen gebaut, die leider das negative Image verfestigten, das dem Golfsport nach wie vor anhängt.

Ende des 19. Jahrhunderts waren deutsche Kurorte bei Reichen und Adligen aus aller Welt äußerst beliebt. Die englischen Eliten, die während der Kur nicht auf ihren Lieblingszeitvertreib verzichten wollten, brachten den Golfsport nach Deutschland.

Zuerst wurde in Kurorten wie Bad Homburg und Baden-Baden gespielt, wo auch die ersten Golfvereine gegründet wurden. Aus diesem Grund hat der Golfsport hierzulande, im Gegensatz zu Schottland und England, keine proletarische Tradition.[1]

Diese ersten Golfclubs in Kurparks bzw. in der Nähe von Kurorten waren den Angehörigen gehobener Gesellschaftsschichten vorbehalten, denn um Land zu kaufen, um das Clubhaus zu bauen und um die Unterhaltskosten zu finanzieren, musste viel Geld in die Hand genommen werden. Sofern kein wohlhabender Gönner die Golfanlage finanzierte, war ein Club auf Spenden, Umlagen und Aufnahmegebühren angewiesen, die wiederum nur von gut situierten Bürgern aufgebracht werden konnten.

Die Golfclubs organisierten sich in Landesverbänden, die gemeinsam den Deutschen Golfverband bilden. In diesem Sinne war der DGV ursprünglich die Vertretung aller cluborganisierten Golfer hierzulande.

In den 1980er Jahren wurde Golf spielen in gewissen Kreisen modern. Wer als Unternehmer, Freiberufler, Banker, Erbe, Mafiosi oder wie auch immer zu Geld gekommen war, versuchte einen Platz in einem der renommierten Golfclubs zu bekommen. Weil die Nachfrage weitaus größer als das Angebot war, mussten Bewerber jahrelang auf ihre Aufnahme warten – eine Situation, von der die Clubs heute nur noch träumen können.

Betreibergesellschaften, die einen Markt witterten, begannen deshalb, supertolle, superteure Plätze zu bauen. Sie hofften auf die Schönen, Reichen und Erfolgreichen, die noch keinen Platz in den privaten Clubs gefunden hatten. Auch der DGV hatte Blut geleckt, verließ seine Kernkompetenzen und versuchte sein Verbands-Gewese zu „professionalisieren“. In dieser Zeit mutierte der DGV von einer Vertretung aller Golfer zu einer Lobby der Golfclubs und Golfplatzbetreiber – die häufig andere Interessen als wir Golfspieler hegt.

Die Clubvorgabe (54 bis 37) wurde eingeführt, um dem »Breitensport Golf« den Weg mit einem Bulldozer zu bahnen, aber mit der Rezession änderte sich die Wetterlage. Geld wurde knapp. Unternehmer, Freiberufler, Banker, Erben und Mafiosi brachten ihr Geld dahin, wo es nicht vom Staat verplempert werden konnte und bald herrschte eine Dürre, die etliche Betreibergesellschaften an den Tropf der Banken führte. Selbst private Golfvereine bekamen Probleme, weil die Platzpflegekosten explodierten. Zu allem Überfluss offenbarte eine DGV-Studie, dass der Golfsport in Deutschland nach wie vor ein schlechtes Image hat. Weite Kreise unserer Gesellschaft haben Ressentiments gegenüber ‚privilegierten Selbstbedienern‘ oder was auch immer mit Golf assoziiert wird.

Planerischer Größenwahn und ausufernde Nachfolgekosten brachten viele Golfclubs in finanzielle Schwierigkeiten, weshalb mittlerweile Hunderte von Golfclubs um neue Mitglieder und Greenfee-Spieler buhlen.

Den Golflehrern erging es dabei nicht besser: Nachdem das Handicap 54 beschlossene Sache war, brach bei vielen die Panik aus und der Umsatz zusammen. Bislang mussten Anfänger Stunden nehmen bis Handicap 36 erspielt wurde, doch nun glaubten viele Neugolfer, dass der „Golfführerschein“ ausreichen würde, um in das Spielgeschehen eingreifen zu können.

Um zu überleben, begannen manche Golflehrer, den Golfschwung in filigranen Einzelpaketen zu vermitteln (um damit komplette Verwirrung zu stiften, die sich bezahlt macht) und andere mussten sich (je nach Club) mit windigen Platzreifekursen durchschlagen. Die Fähigkeit des zügigen Golfspiels auf dem Platz ging dadurch immer mehr verloren. Damit Geld in die Kasse kommt, bemühen sich die meisten Clubs und Golflehrer seitdem in diversen Marketing-Aktionen um »Frischfleisch«, wie der Neugolfer in der Golflehrersprache liebevoll genannt wird. Angeblich, um den Qualitätsstandard unter den Golfanfängern zu vereinheitlichen, wurde die »DGV-Platzreifeprüfung«, mit der man anfänglich nur die VcG-Wilden traktierte, in allen Clubs eingeführt. Nach der DGV-Platzreifeprüfung, auch »Golfführerschein« genannt, sollten Golfanfänger in der Lage sein,»sicher, zügig und unter Berücksichtigung der traditionellen Regeln« Golf zu spielen. Sie wären dann »auf beinahe allen Golfanlagen in Deutschland gern gesehene Golfspieler«.[2]

Die Realität zeigt, dass das ein Witz ist. Immer mehr schlecht ausgebildete Golfer tapern über die Heide und das, was man früher als »flüssiges Spiel« bezeichnete, ist auf vielen Plätzen nicht mehr realisierbar. Je verzweifelter manche Clubs Mitglieder suchen, umso laxer wird die Berechtigung zum Spiel auf dem Platz gehandhabt. Klamme Clubs locken mit fragwürdigen Platzreife-Angeboten und da wo man nach Greenfee-Spielern lechzt, zählt nur das liebe Geld. Wegen des wirtschaftlichen Drucks darf heute jeder ziemlich schnell auf den Platz. Das ist eigentlich schön, aber auch gefährlich und für sportliche Golfer (und manche Golflehrer) ein Alptraum, denn das Fortkommen auf dem Platz ist nur so schnell, wie es der langsamste Hacker zulässt.

Nach wie vor ist Deutschland ein Golfzwerg und das spielerische Niveau wird von schlechten Spielern, bestenfalls von Mittelmaß bestimmt. Etwa zwei Drittel der deutschen Golfer spielen (laut Statistik des DGV) im Handicap-Bereich 36–54 und wären damit in vielen Ländern weltweit überhaupt nicht als Spieler zugelassen, es sei denn auf Public Courses via „Pay & Play“. Zumindest in den Metropolen sind mittlerweile so viele »Platzreife«-Hacker unterwegs, dass sie höchstens noch jenen Golfern auffallen, die ihr Handwerk im Laufe mühseliger Jahre erlernten. Aber diese Saurier, denen es zumindest manchmal gelingt, Spielfluss mit Spielfähigkeit zu verbinden, werden bald ausgestorben sein, wenn das so weitergeht, denn das allgemeine spielerische Niveau hat – wie erfahrene Spieler berichten – stark abgenommen. Selbst ein Mindeststandard an Etikette ist vielerorts zum Novum geworden; regelfeste Spieler werden mittlerweile als Erbsenzähler und Spaßbremsen diffamiert. Dazu kommt, dass Golf gefährlich wird, wenn motorische Chaoten ohne Sinn und Ziel über den Platz ballern.

Mittlerweile hat sich der Golfsport „diversifiziert“, wie der DGV das nennt. Verbands-Golfer, Turnier-Golfer, Handicap-Fetischisten, Netzwerk,- und Afterwork-Golfer, Business-Golfer, Promi-Golfer, Charity-Golfer, Public Course Hacker, Cross-Golfer, Party-Golfer, Senioren,- Urlaubs,- und Freizeit-Spieler sowie etliche andere Gruppieren spielen sich gegenseitig die Bälle in die Hacken, während Betreibergesellschaften und Golfclubs von ihrem Verband erwarten, dass er das ‚Produkt Golf‘ optimal an diese Zielgruppen vermarktet. Aber ist Golf ein Produkt? 9-Loch Turniere, 6-Loch-Runden, größere Golflöcher und eine Vereinfachung der Regeln sollen das Spiel jetzt schneller, einfacher und interessanter machen. Aber wird dieses altehrwürdige Spiel, wenn es aus kommerziellen Gründen dramatisch verändert wird, seinen ‚Spirit‘ bewahren können? Wir werden sehen.

Mit „Spirit of the Game“ ist nicht nur das Golfspiel gemeint, sondern auch eine innere Haltung, die von Sportsgeist, Anerkennung des Reglements, Humor und Kameradschaft geprägt sein sollte. Manche glauben sogar, dass in diesem Spiel die Möglichkeit der Selbsterkenntnis steckt!
Wer Golf auf seiner Metaebene verstehen will, sollte deshalb auch auf Verhaltensweisen achten, die von vielen Neugolfern und manchem älteren Golf-Autisten offensichtlich nie als essentielle Bestandteile des Spiels verstanden wurden. Damit meine ich Etikette, Ehrlichkeit, soziales Verhalten und Eigenverantwortung. Das bedeutet auch, dass versucht wird, das Spiel zu erlernen, soweit es die eigenen körperlichen und geistigen Fähigkeiten zulassen.

Das Schöne ist, dass man bei allen Irritationen, die der moderne Golfsport mit sich bringt, immer wieder Golfer trifft, die nicht dem Klischee des Golfers entsprechen und nichts mit den Standesdünkeln gewisser „Eliten“ zu tun haben. Sie wandern unter dem weiten Himmel, treiben ihren Ball vor sich her und sind bereit, sich Schlag für Schlag mit ihren inneren Dämonen auseinanderzusetzen – egal, ob sie auf Golfplätzen oder auf Brachen spielen oder zwischen den Dünen am Meer.


[1] Das ist insofern von Bedeutung, weil es erklärt, warum Deutschland nur wenige Spitzengolfer hervorgebracht hat. Es mag etliche hervorragende Amateure geben, aber nur wenige Profigolfer von internationalem Rang. Spieler wie Langer, Cejka und Siem haben einen anderen sozialen Hintergrund. Für sie ist Erfolg im Golf mit sozialem Aufstieg verbunden, während eine Laufbahn als Profigolfer für die meisten Sprösslinge unserer „Golfer-Familien“ einen sozialen Abstieg bedeuten würde. [2] laut DGV-Webseite auf golf.de

Textauszug aus: „Der Weg der weißen Kugel“  von Eugen Pletsch  (Weitere Infos: siehe »Platzreife«.)

Alte Liebschaften

An nassen, kalten Tagen wandern die Gedanken zurück in die Vergangenheit. Mancher Schwerenöter erinnert sich dann der einen oder anderen Liebschaft, die in seinem Leben eine besondere Rolle gespielt hat.

Auch ich versuchte, mich heute Morgen besonderer Liebschaften zu erinnern, muss jedoch gestehen, dass ich den Überblick verloren habe. Die ersten Erlebnisse sind unvergesslich, aber dann zieht sich ein gnädiger Schleier über die Jahre meiner Irrwege, bis die Farben und Formen schließlich wieder deutlicher werden. Früher gab es viel mehr monogame Spieler, die, sei es durch Glück oder durch Zufall, bereits zu Beginn ihrer Spielerkarriere jenem Schlägersatz begegnen durften, dem sie bis ans Ende ihrer Tage treu bleiben konnten. Es war die Zeit, als Golflehrer noch als echte Berater fungierten und die empfohlenen Produkte von Handwerkern stammten, die höchste Qualität als Mindeststandard ansahen. Wie maßgefertigte Schuhe aus London konnte solch ein Schlägersatz bei richtiger Handhabung und Pflege nicht nur ein Leben lang gespielt, sondern darüber hinaus an die nächste Generation vererbt werden.

Zu jener Zeit, als ich mit dem Spiel begann, wurde der heutige Golfmarkt gerade erst entwickelt. Da in meinem Fall kein Golfschlägerset als Erbschaft in Aussicht stand, ergriff ich selbst die Initiative und wurde zum Material-Fetischisten. Oft lag ich mit klopfendem Herzen und ratternden Gedanken nächtelang wach und dachte über die Vor- und Nachteile verschiedener Schläger-Modelle nach, von denen ich hoffte, dass sie meine spielerische Unfähigkeit ausgleichen könnten.

An der Lausward und in Schotten traf sich der damalige Golf-Underground, die geächteten Barfußgolfer, für die es im Weltbild des DGV keinen Platz gab.“

Bei meinem schottischen beinah-Schwiegervater Jim hatte ich meine ersten Übungsschläge mit einem Linkshänder-Set absolviert. Nach einer Inkubationszeit von zwei Jahren brach schließlich der Golfvirus in mir aus und ich kaufte mir in einem Kaufhaus in Reutlingen aus der Deko der ‚Schottischen Woche‘ zwei Hickory-Eisen sowie einen Hickory-Blade-Putter[2]. Damit stand ich auf der Driving Range und weil ich mich dafür schämte, dass ich keinen Ball traf, übte ich meist nachts. Dann half ich am Abend, die Range-Bälle aufzusammeln, wodurch ich die frei schwingende Zentrifugalebene entdeckte, die ich im „Weg der Weißen Kugel“ beschrieben habe.

Irgendwann in meiner zweiten Golfsaison habe ich aus der Grabsch-Kiste eines Pro-Shops im Schwäbischen ein modernes Eisen 7 sowie ein Holz 4 (Laminat von RAM) jeweils für 10 Mark ergattert. In Donaueschingen fand ich ein Eisen 3. Auch SEVE, so erzählt die Legende, hatte mit einem Eisen 3 angefangen. Im Gegensatz zu SEVE traf ich dieses Eisen 3 allerdings niemals.

Als Nächstes träumte ich von einem moderneren Putter mit größerem Sweetspot. Neue Eisen und Putter mit Cavity Back begannen gerade, den Markt zu erobern und alle Firmen versuchten, mit neuen Produkten auf diesen Zug aufzuspringen.

Auf meinen Fahrten zur Lausward besuchte ich regelmäßig einen Golfdiscount-Outlet Store, der sich ebenfalls im Hafen von Düsseldorf angesiedelt hatte. Darin standen in großen Kartons Bündel von ausgemusterten Laminat- und Persimmon-Hölzern sowie kistenweise Einzelschläger von RAM, John Letters oder Lynx – Marken, die hierzulande kaum noch jemand kennt. Golfschuhe aus Fernost waren für 30 Mark zu haben und Regenanzüge waren entweder schwer wie Ölzeug oder so schlecht, dass sie sich im Regen beinah auflösten. Trotzdem war der Golfdiscount für mich ein Paradies. Nach wochenlanger Marktbeobachtung und einer schlaflosen Nacht genehmigte ich mir den ersten neuen Putter, ein Beryllium Kupfer-Modell namens ‚Smoothy‘ von McGregor, natürlich ein Sonderangebot. Und als Highlight gönnte ich mir kurz darauf dann auch noch meinen ersten vollen Schlägersatz zum halben Preis und hoffte, damit endlich ein richtiger Golfer werden zu können, was sich bald als Irrtum herausstellen sollte.

Den besseren Laden, eine Golfhouse-Filiale in der Düsseldorfer Innenstadt, besuchte ich ebenfalls, aber das war eine andere Welt. Dort gingen Golfer ein und aus, die sich richtige Clubmitgliedschaften leisten konnten. Im Golfhouse fand ich zwar manches Schnäppchen, aber für uns Barfußgolfer von der Lausward war der Discounter am Hafen die angesagte Adresse.
Jedes Mal, wenn ich nach Düsseldorf kam, spukte mir eine neue Theorie im Kopf herum, welche Schläger meine Ausrüstung komplettieren könnten. Trotzdem hatte ich immer das Gefühl, das mir etwas fehlte und ich begann, mich mit allem möglichen Firlefanz zu befassen, den der Golfmarkt im Laufe der Zeit hervorbrachte.

Schließlich kam der Tag, an dem ich im Düsseldorfer Immermann-Viertel einen japanischen Golf-Shop entdeckte, dessen Schaufenster mit geschmiedeten Blades dekoriert war, die in zeitloser Schönheit erstrahlten. Meine gegossenen, bleischweren Ping-Nachbauten, für die ich mich nach endlosen Überlegungen entschieden hatte, erschienen mir dagegen wie tölpelhafte Bauerntrampel. Dieser japanische Golf-Shop, der heute längst verschwunden ist, vermittelte mir etwas von der Grazie und Schönheit des Materials. Es folgten Jahre der Suche nach jenen besonderen Golfschlägern, die meinem Spiel die angemessene Ästhetik, Würde und Effizienz verleihen könnten. Ein Irrweg, wie mir heute scheint, denn auf schmerzhafte Weise habe ich lernen müssen, dass selbst der ästhetisch ansprechendste Schläger bei fehlerhaftem Schwung und mangelhaftem Ballkontakt wenig Effizienz bietet und jede Würde schnell verloren geht, wenn der Schock einer hart getroffenen Klinge durch den Arm zuckt und den Musikanten-Knochen zum Singen bringt.

Nur hin und wieder, wenn mich der Hafer sticht, nehme ich meine alten Apex II-Eisen mit auf den Platz. Gebeutelt von Hochmut und Größenwahn hoffe ich dann auf den perfekten, satten Schlag, den Hogan-Eisen mit etwas Glück einmal pro Runde gewähren. Was letztlich aber nicht immer der Fall ist! Viel öfter erinnern mich Hogan-Blades auf äußerst schroffe Weise daran, dass die Golfgöttin ihre Gunst nur jenen gewährt, die in Demut und Bescheidenheit verharren. Woraufhin ich mich nach kurzer Zeit dann doch lieber wieder meinem modernen Golfbesteck zuwende, das leichter den irrsinnigen Glauben nährt, man habe etwas vom Geheimnis des Spiels entdeckt.

(c) by Eugen Pletsch

Aus Notizen eines Barfußgolfers
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Notizen eines Barfußgolfers ist eine für die Buchfassung überarbeitete Auswahl an Texten, die dich auf meinem Blog (cybergolf.de) zwischen 2006 und 2018 veröffentlicht habe. Kommentare zu aktuellen Golf-Themen, Szene-sezierende Glossen, Golf-philosophische Betrachtungen, praktische Tipps und stille Hinweise auf das mystische Geheimnis dieses eigenartigen Spiels, dem der Autor in seiner mittlerweile 30jährigen Wanderung (…) zum epubli SHOP