Die Annahme der Unvollkommenheit

Von jemandem, der Ruhe und Zufriedenheit zulassen kann, sagt man in Asien, dass er »Tee« hat. Das Teezeremoniell gilt als ein DO, also ein Übungsweg des ZEN. Dr. Soshitsu Sen praktizierte als einer der bedeutendsten japanischen Meister des Teeweges in der 15. (!) Generation als Großmeister der japanischen Teeschule Urasenke. In seinem Buch Chado, der Teeweg fand ich folgendes Zitat eines einstmals mächtigen Fürsten aus dem alten Japan:

»Der ursprüngliche Zweck des Teeweges ist (…) die Annahme der Unvollkommenheit.«

Sen schreibt dazu: »Der Teeweg ist eine Methode, durch die man lernen kann, sein Schicksal anzunehmen um Zufriedenheit darin zu finden.«

Erinnert Sie das an etwas? Mich erinnert das an mein Golfspiel!

Vielleicht ist es auch der ursprüngliche Zweck des Golfweges, die Annahme der Unvollkommenheit zu üben. Wenn es uns gelingt, unsere Unvollkommenheit anzunehmen und Frieden mit unserem Spiel zu schließen, »dann verschwinden Unzufriedenheit und Angst«, schreibt Sen, »und an deren Stelle treten Selbstsicherheit und heitere Gelassenheit.«

Also beginnen Sie den Tag auf einem sonnigen Balkon mit Blick ins Tal und genießen Sie Ihren Tee!

Mastery-Golfer

Schon Bobby Jones bemerkte einst, dass viele Golfer sehr gut spielen, wenn es um nichts geht, aber stets versagen, wenn etwas Wichtiges auf dem Spiel steht. Der größte Feind im Golf ist die Angst, egal auf welchem Level wir agieren. Angst bedingt, dass das Vertrauen in den eigenen Schwung verloren geht. Wer kennt es nicht, dieses lähmende Gefühl bleischwerer Arme, gefühlloser Hände und rasender Gedanken? Horden von Mentalgurus laben sich an unserem Angstschweiß und die Tipps der Psychotrainer füllen die Golfmagazine. Dabei werden oft nur altbekannte Plattitüden aufgewärmt, die keine wirkliche Veränderung mit sich bringen. Deshalb war ich von Dr. Gio Valiantes Buch Fearless Golf so angenehm überrascht. Doc Valiante hat über Jahre Interviews mit den besten Spielern der Welt geführt und kam zu dem Schluss, dass Nicklaus, Woods und die anderen ganz großen Spieler eines gemeinsam haben: Sie sind Mastery-Golfer und als solche spielen sie nur gegen den Platz. Sie setzen sich Ziele. Sie spielen, um zu lernen und um sich stetig zu verbessern. Wir Ego-Golfer hingegen sind auf die Aufmerksamkeit und Bewunderung anderer fixiert und dabei voller Versagensängste. Valiantes Ansatz des Mastery-Golfers erzeugt Selbstwirksamkeit, was mehr ist als nur Selbstvertrauen.
»Wie kann ich dieses Turnier gewinnen?« wäre eine Mastery-Frage.
»Werde ich mich heute wieder lächerlich machen« wäre die Frage eines Ego-Golfers.
Was macht wirkliche Golfer aus?
Was ist unser Ziel im Golf – und was ist unser Ziel im Leben?

Aus ‚Anmerkungen für Golfreisende‘ 2006/2007,(c) by Eugen Pletsch

Was ist Golf?

Intro aus Achtung Golfer – Schlägertypen in Wald und Flur

Golf ist ein Zielspiel! Nicht jeder, der ein Golfbuch aufschlägt, weiß das, und selbst Alt-Golfern ist diese Idee nicht immer präsent. Ein Ball wird mit einem Golfschläger von einem Abschlag über das Fairway auf ein Grün getrieben, um ihn dann in ein kleines Loch zu schubsen – das klingt einfach, ist es aber nicht, denn der Golfschwung ist eine äußerst komplexe Angelegenheit.
Obwohl wir theoretisch vierzehn Schläger benutzen dürfen, um die Bälle auf verschiedene Flugbahnen zu schicken, kennen wir Amateure nur zwei Schlaglängen: zu lang oder zu kurz. Zu lang fliegt der Ball in den Wald, zu kurz ins Wasser, was üblicherweise zu Wutausbrüchen und schließlich zu dumpfer Resignation führt.

Der Ball fliegt meist anders als er soll und manchmal fliegt er gar nicht. Nur dann, wenn der Spieler entnervt aufgeben möchte, segelt die weiße Kugel plötzlich wie von Zauberhand durch die Lüfte und lächelt freundlich. Sofort wird der Spieler von einem intensiven Glücksgefühl erfasst und beschließt, seinem Sport treu zu bleiben, woraufhin sich der Ball beim nächsten Schlag in einen Abgrund verabschiedet.
Hobby-Philosophen meinen, der Golfweg erziehe zur Demut, während Psychiater in diesem Zusammenhang eher von Masochismus sprechen. Trotzdem: Irgendwann synchronisieren sich die verschiedenen Schwungfehler zu einer Art Golfschwung. Es gelingt, den Ball häufiger zu treffen, bis der Golfschwung urplötzlich wieder »verloren geht«, was den Golfer dann zu der klassischen golfphilosophischen Frage führt:
»Wer bin ich, warum bin ich hier, und warum tue ich mir das an?«
Da sich das Spiel als unbesiegbar erweist, heißt es, Glück und Unglück lägen in der Hand der Golfgötter. Erfahrene Spieler wissen jedoch, dass es nur einen Golfgott gibt, und der ist eine Frau! Ihren Lieblingen offenbart die Golfgöttin ihr Geheimnis in seiner ganzen Fülle. Wer von ihr erhört wird, findet Erleuchtung und genießt die Freuden dieses Spiels. Aber nur für eine Weile, denn die Golfgöttin ist eine launische Diva, so grausam wie ungerecht. Wer dabei dennoch den Humor behält, behält auch seinen Ball. Zumindest manchmal.

(c) by Eugen Pletsch, Bild: Klaus Holitzka

Der Leber-Galle-Tee

Ein Kapitel aus „Achtung Golfer- Schlägertypen in Wald und Flur“

Nach einem goldenen Herbst hatte sich eine ausgesprochen unfreundliche Witterung breit gemacht. Sturm, Windböen und eisige Schauer zerwühlten das Land; aus den Bergen wurden erste Schneefälle gemeldet. Selbst wetterfeste Golfer zeigen an solchen Tagen Vernunft, weshalb ich in meinem Sessel saß und meine Aufmerksamkeit auf das bernsteinfarbene Getränk richtete, das mir meine Heilpraktikerin verordnet hatte.

Wenn man einen Leber-Galle-Tee in ein Glas gießt und lange genug anschaut, dann sieht man schließlich nur noch die Farbe. Sogar ein rational geprägter Mensch wie ich, dem es sonst an jeglicher Fantasie mangelt, erinnert sich dann der vielen moorig-weichen Hochland Malts, die er in seiner Golferjugend gern und oft genossen hat. Dann gleiten die Gedanken auf bernsteinfarbenen Flügeln zurück in jene Zeit, als die Leber noch jung war und zwei Runden Golf am Tag keine Anstrengung bedeuteten.

Die Stube war warm und alles war getan, was getan werden musste. Meine Überlegungen bezüglich der Schlägertypen ver­anlassten mich, einige meiner Golfbücher durchzublättern, von denen ich etliche besitze, denn nicht alle Golfer sind – wie der erste Eindruck glauben macht – ungebildete Leute. Im Gegenteil! Seit Aristoteles mit seinem Wanderstab auf dem Weg nach Athen das Gewölle einer Eule ins Meer schlug, die als Begleiterin der Göttin Athena bereits in den Fabeln des Äsop für ihre Klugheit gerühmt wurde, gilt der Golfer als letzte Bastion humanistischer Bildung in einer bis in ihre Grundfesten trivialisierten Welt. Und unsere Golfbücher erfüllen zweierlei Zweck: Sie nähren die Illusion vom verlässlichen Schwung und helfen uns Träumern, die Realität des eigenen Spiels zu transzendieren.

Fachkundige Anleitungen zum Golfschwung, Bildbände mit traumhaften Golfplätzen aus aller Welt, Biografien großer Golfer sowie Golfromane und Erzählungen lassen uns den eigenen Kampf mit dem Krampf vergessen. Das feine Lüftchen, das beim Blättern der Buchseiten entsteht, hält die Glut in unseren Golferherzen am Glimmen. Wenn Eis und Schnee die heimatlichen Plätze unbespielbar machen, dann sind Golfbücher ein Labsal für die Seele und das Manna, das Golfer nährt. Auch in der trostlosesten Winterzeit haben wir Golfer deshalb allen Grund zur Freude.

Als ich aus meinem bernsteinfarbenen Nickerchen erwachte, nahm ich den Klassiker schlechthin, Ben Hogans Golfschwung, zur Hand und schaute mir die faszinierenden Abbildungen von Anthony Ravielli an. Seit Generationen gründen Schwungsucher Stand, Griff, Schwung und Ausrichtung auf Hogans Empfehlungen, die mit den genialen Zeichnungen Raviellis auf zeitlose Weise bildhaft geworden sind. Manche Pros mögen diskutieren, ob Hogan noch zeitgemäß ist. Mir ist das egal, denn wem ein Leber-Galle-Tee gleich einem Single Malt zu Kopfe steigt, dem ist ohnehin nicht mehr zu helfen.

Der Regen prasselte an die Scheiben, doch in den nächsten Tagen sollte es kälter werden. Bald würde der Winter kommen. Wie ein alter Indianer, der am Feuer sitzt und von Büffeln träumt, würde ich die Monde zählen und darauf warten, dass die Jagd nach der weißen Kugel erneut beginnt.

Logbucheintrag: Habe zwei Schlägersätze mit alten Blades, zwei Schlägersätze von Clubfittern und etliche Hölzer, sowohl Metall- als auch Persimmon-Hölzer im Internet angeboten. Auch heilige Kühe aus meiner Sammlung sowie Putter, die klebrig sind von meinen Tränen nach 12 Jahren Yips. Denke mir: Was weg ist, ist weg.

(c) by Eugen Pletsch 2013