Das PRO/AM Dinner

Der Höhepunkt eines Pro/Ams ist die Abendveranstaltung!

Veranstalter, Sponsoren, Funktionäre und Funktionierende im großen Reigen kulinarischer Genüsse. Gewöhnlich werden die Flights zusammengesetzt. Manchmal sind sogar die Pros dabei, die sich nach der Siegerehrung verabschieden dürfen, weil sie am nächsten Tag früh raus müssen.

Meist erkennt man weder den Pro noch die Mitspieler vom Tage, wenn sie da frisch gewaschen und gebügelt im feinen Zwirn zum Willkommenstrunk zusammenstehen und Visitenkarten austauschen. Der dröge Schnarchsack, der die Runde zum Golf-Trauma werden ließ, verwandelt sich in einen eloquenten Banker und die Hackerin, die im Bunker auf der 17. Bahn den Tränen nah waren, ist plötzlich, nach einer Komplettrestauration von Maske und Mode, jene Dame aus dem Fernsehen, von der man nicht genau weiß was sie macht, außer das sie „prominent“ ist.

O-beinige Ex-Fußballer und alle Olympiasieger seit Berlin 36 werden herangekarrt, um sich in den Dienst eines guten Zweckes zu stellen, denn verlost wird immer irgendetwas, was den Bruchteil der Summe einbringt, die der Abend kosten wird.
Dann kommen die Ansprachen. Wohlgemerkt vor dem Essen. Spieler und Professionals, die seit der letzten Verpflegung im Halfway-House vor einigen Stunden nur ein schnelles Glas Prosecco beim Empfang in sich reinschütten konnten, stürzen sich auf die Weißbrotscheiben, die auf den Tischen stehen. Jeder hat Hunger, aber keiner sagt es. Alle sind nett und höflich.

Über die falsch eingestellte Lautsprecheranlage wabert die Stimme des Hausherrn durch den Saal: „Ja, es war ein herrlicher Tag, es wurde gut gespielt, es wird nachher große Überraschungen geben, denn mit 12 unter Par als Gruppenergebnis gewinnt man heute keinen Blumentopf, um ein paar voreilige Hoffnungen zu dämpfen, aber mehr dazu später, nach dem Dinner. Zuerst sei den Sponsoren gedankt, die das Ganze möglich gemacht haben, natürlich auch den Greenkeepern, die seit Monaten Tag und Nacht daran gearbeitet haben, dass auf einer nassen Dorfwiese irgendwo im Nirgendwo endlich Golf gespielt werden konnte, (was er so natürlich nicht sagt). Nach dem Wettergott wird den vielen freiwilligen Helfern gedankt, die durch ihren unermüdlichen Einsatz dazu beigetragen haben … alle klatschen artig.

So, und jetzt, bevor es losgeht, mit dem wunderbaren Essen aus der berühmten Hotelküche (deren Koch seine Kompetenz für Großveranstaltungen aus seiner früheren Tätigkeit in der Kantine eines Altenheims bezog), möchten wir Ihnen noch unseren Hauptsponsoren, den Herrn Häberle, vorstellen, den Vorstandsvorsitzenden von Küchen Häberle. Ein rotbackiger, kleiner Mops erhebt sich vom „Prominententisch“, wo die Tour-Granden mit den Größen aus Politik und Wirtschaft intime Gespräche führen, was zu neidischen Blicken von den anderen Tischen führt, wo sich der Mittelstand mit einer eher halbseidenen Prominenz begnügen muss.

Ja, der Herr Häberle. Er hat das Mikrofon fast im Mund. Die Anlage jault auf, die Boxen fiepen. Sein Vater, erzählt er, habe damals, in den 60ger Jahren, die Vision gehabt, ein Küchensystem zu bauen, das auch Atombomben Stand halten würde: „Die Welt vergeht, aber Häberle steht!“ Ein Brüller?  Nicht bei uns. Es wird schmallippig geschmunzelt. Mein ausländischer Pro, der kein Wort versteht, schaut glasig in sein Wässerchen. Häberle kommt in Fahrt und beschreibt nicht nur die Modellbaureihe Hiroshima, sondern auch die Vorzüge der neuen „Klapp und Weg“- Konstruktion, die weltweit patentiert wurde.
„Seit es Klapp und Weggibt, hat kein Kind mehr Finger in der Brotmaschine lassen müssen! Nicht bei Häberle!“, ruft er drohend und lässt ahnen, was sich in anderen Küchen abspielen könnte. Jetzt schlägt Häberle eine Resopalbrücke zum Golfsport, der ihm in den wenigen Monaten, die er bereits spielt, schon so manchen Strich durch den eng gefüllten Terminplan gemacht hat, denn so richtig Zack und Wegwill sein Ball noch nicht fliegen. Ob er mal einen Golferwitz erzählen soll? Nacktes Entsetzen breitet sich aus, aber das scheint Häberle nicht zu merken und er, der Golf-Frischling, gibt eine Klamotte zum Besten, die alle Golfer seit Jahrhunderten kennen, nur die Olympiasieger nicht, worauf sie die Pointe noch mal ins Hörgerät gebrüllt bekommen.

Ein guter Moment für den Veranstalter, dem Herrn Häberle noch mal großzügig für sein Sponsoring und den 1. Preis der Tombola, eine echte Klapp und Weg Brotmaschineaus dem Küchenhaus Häberle zu danken. Häberle tritt ab, Klapp und Weg, alle atmen auf, haben Hunger und die Kellner scharren mit den Hufen, denn draußen wartet eine Kreation von kleinen Wachtelärschen und Taubenmus auf Cannabis-Creme.

Cartoon: Peter Ruge


Tja, man könnte jetzt essen, aber – wumms – geht die Tür auf und der Herr Landrat schiebt sich gewichtig zum Prominententisch. Oh, die Termine! Man habe sich verspätet und drei Veranstaltungen hat er noch, heut Abend, mal ohne die Bordelleröffnung gerechnet, von der er aber nichts erzählt. Der Veranstalter nimmt das Mikro und stellt den Herrn Landrat vor, der es sich nicht nehmen lassen möchte, ein paar Worte an die vielen, und wie er hörte auch außerordentlich prominenten Gäste zu richten, die den Weg nicht gescheut haben, diesen herrlichen Flecken Heimat zu besuchen, den er als Landrat seit mehreren Jahren regieren darf.

„Golfer haben bekanntermaßen viel Zeit, im Gegensatz zur arbeitenden Bevölkerung“, beginnt er. Dazu lacht er: „Ha Ha Ha“. Offensichtlich glaubt er, wir hätten schon gegessen und würden auf ihn und den Nachtisch warten. Er erzählt natürlich nicht, wie er Landrat geworden ist: Er wirkte seinerzeit federführend in jener Behörde, die für den Golfplatzbau zuständig war. Leider gab es gewisse Probleme, denn der Platz sollte einerseits an einer Stelle erbaut werden, die manchem eingeweihten Spekulanten ordentliche Gewinnen bringen würde, andererseits jedoch den kleinen Haken hatte, dass weite Flächen unter Naturschutz standen. Aber dank seines Einsatzes in der Bündelung gewisser kreativer Synergien konnte diese wunderbare Sportstätte letztendlich doch geschaffen werden und als der alte Landrat, ein Hubertus-Jünger, unglücklicherweise der Selbstschussanlage seiner illegal erbauten Jagdhütte zum Opfer fiel, trat er die Erbfolge an.

Oh ja, er fühle sich dem Golfsport sehr verbunden, erzählt er fröhlich, auch wenn er selbst nicht spielte, den einer müsse ja noch was arbeiten … Ha Ha Ha. Er gluckst. Es folgt verhaltener Beifall vom Prominententisch. Mein Pro kippt nach vorne, fängt sich aber wieder. Das Weißbrot ist zermalmt, das Tischwasser verdunstet. Vielleicht hört er jetzt auf … aber nein. Jetzt beginnt er seine schöne Heimat mit den Sehenswürdigkeiten zu beschreiben. Es möchte uns alle herzlich einladen, hier mal Ferien zu machen. Mal ordentlich auszuspannen! Die gute Küche habe man ja bereits gekostet, womit er vermutlich das Weißbrot meint, dass wir mit dem rosafarbenen Designerfett bestreichen durften.

Hunger kriecht durch den Saal. Und Wut? Würde es einen Aufstand der Wohlstandsgemäßteten geben, die mittlerweile unterzuckert an ihren Servietten knabberten? Wie lange sollten wir diesem Schwafler noch zuhören. Aber plötzlich, mit einem Blick auf die Uhr, verabschiedete er sich. Ich weiß nicht, wer noch die Kraft zu diesem höflichen Klatschen fand, das ihn auf dem Weg zum nächsten Termin begleitete. Warum gibt es keine Etikette für Abendveranstaltungen? Oder gibt es die?

Dann kam das Essen. Es sah gut aus, war aber nicht besonders. Zu viel fürs Auge, zu wenig für den Geschmack. Das kann ich beurteilen, da kenne ich mich aus.

© by Eugen Pletsch 2010