Vom Spirit of Golf

Ein Gespräch unter Freunden…

Was verstehst Du eigentlich unter dem Begriff Spirit of Golf, fragte mich mein Freund, der Maler Klaus Holitzka nach einer ausgesprochen angenehmen Runde im Golfpark Winnerod.

Wir saßen auf der großen Terrasse des Park-Restaurants. Der Himmel leuchtete an diesem herrlichen Septembertag und wir ließen die Gedanken baumeln. Ich hatte Holly erzählt, dass man mich anlässlich der 125-Jahr Feier des Golfclubs Bad Homburg um einen humoristischen Betrag gebeten hatte. Ob ich dabei auch den Spirit of Golf thematisieren sollte? Wenn nicht da, wo dann?

Ich dachte einen Moment über seine Frage nach. Noch war mir das Gefühl gegenwärtig, eine besondere Runde mit einem Gleichgesinnten gespielt zu haben. Kein Score-Denken oder Wettbewerb hatte unsere Zielstrebigkeit, das Grün mit möglichst wenigen Schlägen zu erreichen, beeinträchtigt. Wir waren zwei ältere Herren, die sich den Luxus eines Carts erlaubten, um sich dem freien Fluss der Dinge zu widmen, jeder nach seiner Fähigkeit und Gebrechlichkeit.

„Holly“ zu Ehren war ich mit meinem alten Ben Hogan-Set angetreten. Die alten Apex II Eisen schimmerten vor Glück. Dazu spielte ich Hogan Metal-Hölzer und Hybrids, sowie meinen Hogan „Baby Ben“ Putter von Bettinardi. Ich hätte durchaus noch tiefer in die Kiste greifen und die Persimmon Hölzer auspacken können, aber man muss es ja nicht übertreiben.

Holly hatte die Runde mit einem obskuren Mix aus uralten Wilson-Eisen absolviert, die er in einem Rot-Kreuz-Lager gefunden hatte. Dazu hatte er ein paar bewährte Callaway-Kloben in sein Mini-Bag gesteckt, mit denen er auf seiner privaten Driving Range im Odenwald bereits tausend Bälle in den Wald gedonnert hat. Sein ganzer Stolz ist derzeit ein verchromter Schürhaken aus den 60er Jahren, ein Blade-Putter von Wilson Staff, der bereits Sam Snead in die Verzweiflung getrieben haben muss. Aber Holly ist glücklich damit und ebenso mit dem kleinen RAM-Baffler aus den 80gern mit einem schweren Kopf, der ebenfalls in dem Rot-Kreuz-Bag gesteckt hatte.

Wir beide haben diese gelegentlichen Anfälle von High Tech-Abstinenz — aber was bringt Golfer dazu, mit diesem alten Gelump zu spielen? Ist es der Hang zur Tradition? Eine obskure Hoffnung, dass die alten Zauberstöcke Wunder vollbringen könnten? Oder ist es allein die Schönheit des Golf-Bestecks?
Richtig guten Spielern könnte man noch unterstellen, dass sie in solchen Schlägern eine Herausforderung sehen, da moderne Schläger kaum noch eine andere Option zulassen, als einen Ball lang und gerade zu schlagen. Aber wir sind keine guten Spieler. Also bleibt Romantik und Sentimentalität, vielleicht auch der Hang zum Design vergangener Tage.

„Was ich unter Spirit of Golf verstehe?“, wiederholte ich langsam. Es fielen mir dazu viele Dinge ein. Was wäre die kürzeste und passendste Antwort?

Bunkerrechen,

Pitchmarken ausbessern,

Divots zurücklegen,

flüssiges Spiel

– das ist der Weg der weißen Kugel“

Ich zitierte damit eine ZEN-Adaption aus meinem Traktat vom „Weg der weißen Kugel“. Holly schaute mich an. Er schien auf eine Erklärung zu warten. Also holte ich nochmal Luft: „Der Spirit of Golf ist der Codex, der zu Abwendung kommen muss, wenn man in einem Vergleichskampf um Ehre oder Geld oder beides spielt. Der Golfsport basiert auf den offiziellen Regeln der R&A. Deine „Mulligan Society“ spielt nach anderen Regeln, aber egal nach welchen Regeln gespielt wird: Der Wettbewerb basiert auf Ehrlichkeit im Spiel und auf der Aufmerksamkeit gegenüber den Mitspielern und dem Platz. Das ist aus meiner Sicht die Grundlage, der Spirit des Golfspiels, egal in welcher Spielform es ausgeübt wird.“

„Dann bist Du der Ansicht, dass die Regeln der R&A keinen Absolutheitsanspruch haben?“

„Nein, denn diese Regeln und ihre Interpretationen haben sich im Laufe der Jahre ebenfalls verändert. Die ersten Statuten der „Gentlemen Golfer“ könnten heutzutage höchstens noch bei Cross-Golfer Anwendung finden, aber selbst die müssen sich vom Reglement her an der aktuellen Situation bzw. Umgebung orientieren. Industrieanlagen müssen anders bespielt werden, wie Büros oder Brachland oder Stadtgebiete. Trotzdem: Innerhalb der getroffenen Vereinbarung gilt der Codex.“

„Und meinst Du, dass dieser Spirit nicht mehr vermittelt wird?“

„Beschissen wurde schon immer. Aber heute ist das Problem, dass immer mehr schlecht ausgebildete „Golfer“ unterwegs sind. Spielen lernt man nicht an einem Wochenende, die Regeln schon gar nicht, von Etikette kennt man nur das Etikett und woher soll dann jemand wissen, dass es neben der Bälle-Klopperei und dem Handicap als Statussymbol noch etwas anderes gibt, etwas, dass das Spiel so besonders macht.“

„Ist das denn so wichtig?“

„Zumindest im Vergleichswettkampf. Die Golf-Regeln sind entstanden, als die ersten Pros (die Schlägerbauer im alten Schottland) ein Agreement brauchten, um miteinander zu zocken. Es ging dabei immer um Geld und Ehre.“

„Aber auf einer Kaffeerunde? Da kann doch jeder spielen, wie er will und zählen wie er will?“

„Natürlich. Oder man lässt auch das Zählen der Schläge bleiben, wie wir das auch oft machen.  Dann will ich nur spüren, wie ich den Ball treffe und sehen, ob er dahin fliegt, wohin ich gezielt habe. Das ist für mich Genuss-Golf….“.

Holly nickte. So spielt er auch gerne, mal mit mehr, mal mit weniger Genuss. Aber je älter die Stöcke sind, mit denen wir nach dem Ball schlagen, umso größer ist der Genuss, wenn der Ball fliegt. Ein Blade-Treffer im Sweetspot ist ein außerordentlich befriedigendes Gefühl und wenn man den Sweetspot nicht trifft, dann war eben das Blade daran schuld. Ganz einfach.

Die Pasta wurde serviert und wir stürzten uns auf die Teller.

Wenn ich in meinen Lesungen sage: Der Golfgeist hat sich vielerorts in einen Poltergeist verwandelt, dann nicken die meisten älteren Spieler. Sie wissen noch, wovon ich rede. Manchmal hängt dann für einen Moment so etwas wie stille Reue im Raum. Weil wir es zugelassen haben, dass der Ungeist einer fragwürdigen Moderne aus der Flasche gelockt wurde, um diesem einzigartigen Spiel seine Einzigartigkeit zu rauben. Ob ich das in Bad Homburg ansprechen soll? Lachen würde dann niemand, aber wichtig wäre es schon.

Eugen Pletsch