Endlich erleuchtet!

Erstellt: 21. Juni 2019

Aus unserer Serie „Oldies but Goodies“ heute: Ein kleines Telefonhörspiel aus der Zeit als ich einem bekannten Golfprofessional (Pro) noch regelmäßig mit meinen Anrufen auf die Nüsse ging…

„Tut Tuut“„Tut Tuut“

Pro: Ja bitte?

EP: „Hi, ich bin´s…“

Pro: unterdrückter Seufzer: Oh, prima, na, was kann ich für Dich tun?

EP: Och, wollte mich nur mal melden …

Pro: Das ist nett. Es war schön mit Dir zu reden…

EP: Hey!

Pro: Ja?

EP: Ich bin jetzt endlich erleuchtet!

Pro: (Pause, dann atmet er wieder): Gute Nachricht! Großartig!  Also – es war schön mit Dir zu reden…

EP: Nein, ich meine es Ernst!

Pro: Na prima, endlich. Und seit wann bist du …äh … erleuchtet?

EP: Es fing an, als mir das Eisen 5 auf den nackten Zeh knallte. Das war eine sehr intensive Erfahrung und ich spürte, dass jetzt etwas passieren wird. In der ZEN- Literatur ist das exakt so beschrieben: Es gibt Vorzeichen der Erleuchtung …

Pro: (plötzlich interessiert) Und was passierte dann?

EP: Dann trank ich den Wodka, den ich bei einem Turnier gewonnen hatte. Ich wachte nachts auf, musste kotzen, wurde auf dem Weg zum Klo ohnmächtig, schlug mit dem Kopf an den Schrank und die nächsten Tage war ich vollkommen platt.

Pro: Vom Wodka?

EP: Nein, vom Orangensaft im Wodka. Meine Bioresonanz-Expertin meint, da wäre ein Schimmelpilz drin gewesen …. und weil mein Magenmeridian durch die Verletzung am 2. Zeh ohnehin schon geschwächt war…

Pro: …wurdest Du erleuchtet!

EP: Nein, nicht deswegen. In den folgenden Tagen machte ich eine sehr schwere Zeit durch, so, wie es auch von Eckart Tolle erzählt wird. Ich hatte dermaßen die Scheißerei – schlimm! Nach drei Tagen war ich vollkommen leer, wie Buddha, und dann ERWACHTE ich und merkte, dass ich erleuchtet bin.

Pro: (langsam genervt) Ach ja? Und woran merktest du das?

EP: Schwer zu sagen. Diese selige Leichtigkeit in mir. Dieses Nichtverlangen, zum Beispiel nach Wodka. Und dann natürlich die Allwissenheit.

Pro: Du bist jetzt allwissend?

EP: Tja, scheint so. Kann es selber kaum glauben.

Pro: Ich glaub´ es nicht!

EP: Kannst Du ja testen.

Pro: Wie?

EP: Na, frag mich irgendwas.

Pro: Wie viele Stunden war ich heute auf der Driving Range?

EP: Keine.

Pro: Stimmt. Na gut, das war einfach. (blättert nebenher) Aber: wie heißt der erste Satz im dritten Absatz des Buches Jenseits der Scores?

EP: Du meinst auf Seite auf Seite 57? „Der Weg des Meisters erfordert Offenheit um die eigenen Grenzen zu überschreiten, und den Mut, Misserfolge zu riskieren“. Meinst Du das?

Pro: (erstaunt) Tatsächlich!  Na gut – jetzt: Ken Wilber „Ganzheitlich handeln“ Seite 91 letzter Satz…

EP: „Tiefe Spiritualität beinhaltet eine weite Wissenschaft von den höheren Ebenen menschlicher Entwicklung.“

Pro: Hmpffff (sprachlos).

EP: Also los: Frag mich mal was richtig Schweres!

Pro: OK, OK, mir fällt schon noch was ein… denkt … Also: Ein Mann, 42 Jahre, war 7 Jahre bei der Telekom und wurde dann zu T-Systems strafversetzt. Er sitzt mit seinem fünfjährigen Sohn und seiner Frau, (die eine Schwester in Dortmund hat,) in einem Intercity-Express nach Berlin. Auf der Gegenstrecke bewegt sich ein Güterzug mit halber Geschwindigkeit Richtung Kassel. Dieser Mann, 42 Jahre, mit einem Muttermal am Kinn, steht beim Golfschwung leicht gebeugt, zuckelt von Bein zu Bein, hat eine hohe Anspannung, fasst den Schläger zu fest, holt viel zu schnell aus, kreuzt, dreht sich aber im Durchschwung kaum, verschiebt seine Mittelachse enorm und hat kein Finish. Wie ist sein Ballflug und wann erreicht der Intercity Berlin?

EP: Ballflug kerzengerade und Ankunft 13 Uhr 08!

Pro: Stimmt. Sagenhaft. Diese Pfeife hat gestern jeden Ball kerzengerade getroffen. Ich fragte ihn, warum er zu mir kommt …

EP: … und er sagte, er könne immer nur gerade aus spielen, aber seine Kumpels können auch rechts und links rum und er möchte lernen, wie man einen Slice spielt. Außerdem, sagte er, seine Frau wollte mal einen Tag in Berlin rumbummeln und sein Sohn die Eisbären sehen.

Pro: Donnerwetter. Genau das waren seine Worte.

EP: Tja, ich kann es nicht ändern. Bin halt erleuchtet. Noch ´ne Frage?

Pro: Noch eine: Wer ist der beste Golflehrer der Welt?

EP:  ……….

Pro: Na?

EP: ……….

Pro: Was ist los? Keine Antwort?

EP: Das ist das Schweigen der Buddhas. Es gibt Fragen, die werden mit Schweigen beantwortet. Steht alles in meinem ZEN-Buch.

Pro: Tja, das kann sein. Dabei hätte mich gerade diese Antwort interessiert.

EP: Du musst die Antwort in DIR finden.

Pro: Ja, danke für den Hinweis. Und was hast du jetzt vor?

EP: Da denk ich nicht dran. Lebe ja total im JETZT.

Pro: Klar, hatte ich vergessen. Und  … äh … wie ist es so, wenn man erleuchtet ist.

EP: Nicht schlecht. Lässt sich mit Leben … tja  … also … wollte es dir nur mal erzählt haben.

Pro: Das ist nett. Es war schön mit dir zu reden…

EP: Man sieht sich …

Pro: Klar und erleuchtet …

EP: HA! Guter Zen-Witz. Klar und erleuchtet! Bis denne … ich segne dich, mein Sohn

Pro: Danke. Tschüss.

„Tut Tuut“.

Pros Frau: Wer war das? Wieder dieser Spinner? Wir hatten wegen dem doch extra die Telefonnummer gewechselt.

Pro: Ja, schon wieder dieser Spinner … (murmelt): Aber woher hat er die neue Nummer?

© by Eugen Pletsch, 2008 Aus: Notizen eines Barfußgolfers

Mein Waterloo

„Sein Waterloo erleben“ gilt als Synonym für eine totale Niederlage. Die Schlacht am Little Big Horn kommt mir aber auch in den Sinn, wenn ich an meine Fronleichnams-Runde mit Frau Oelmann denke….

Dank der mir angeborenen Bescheidenheit hielt ich mich im Zaum. Meine damalige Berichterstattung anlässlich der drei Runden Matchplay gegen Frau Oelmann ließ kaum erkennen, dass sie gegen mein Spiel keine Chance gehabt hatte. Diskret, wie es meine Art ist, vermied ich es, meine emotionalen Ausbrüche und meine „Sieger! Sieger!“- Schreie ausführlich zu beschreiben. Auch meine Freudentänze hinter dem 18. Grün in Winnerod (um nach dem Sprung in den Teich wieder trocken zu werden) erwähnte ich mit keinem Wort.

Nein – meine Berichterstattung war ein Musterbeispiel sportlicher Fairness und voller Respekt gegenüber einer Frau Oelmann, der es in etlichen Jahren nur einmal gelungen war, ein Spiel gegen mich zu gewinnen.

Es ist nun keinesfalls so, dass ich mir nur Leute einlade, bei denen ich sicher sein kann, dass ich sie im Matchplay besiege – aber es stimmt schon, dass ich mir Gäste von extern einladen muss, da ich in meinem Club wegen meinem mürrischen Dauergesabbel – und noch schlimmer – wegen meiner Schwungtipps – ziemlich unbeliebt bin.
An Matchplay-Serien und Turnieren nehme ich längst nicht mehr teil, da ich nicht nur den Mangel an Etikette, sondern auch die allgemeine Verwahrlosung der Sitten verabscheue, insbesondere was die Bekleidung der Spieler/Innen angeht. (Leggins Damengröße 50 und verschwitzte Senioren mit Hemd über der Dreiviertel-Kargo-Hose – mehr sage ich nicht!)

Kurz und gut: Ich bin einer der Korinthenkacker geworden, über die ich zwei Jahrzehnte gelästert habe und werde auch optisch den Karikaturen immer ähnlicher, mit denen Peter Ruge Golfer in meinen Büchern so treffend überzeichnet hat.

Aber wenn sich eine Spielerin wie Frau Oelmann beknien lässt, unsere jährliche Matchplayserie auch in 2018 fortzusetzen, dann kann ich sie natürlich nicht öffentlich mit Häme und dem Spott überschütten. Nein, natürlich nicht. Ergo genoss ich meinen Triumph in Stille … wenn man mal davon absieht, dass ich JEDEM, der nicht schnell genug davon laufen konnte, erzählen musste, wie ich Frau Oelmann an diesen drei Tagen vorgeführt habe.

Schnee von gestern, könnte man meinen, aber dann kam kürzlich – wie alle Jahre wieder – die Idee auf, Frau Oelmann endlich in ihrem Heimatclub zu besuchen. Vor Jahren war ich schon einmal auf Durchreise in ihrem Revier gewesen, damals aber so krank, dass ich sie und ihren fluchenden Spielpartner (Lehrer!) nur über ein paar Bahnen begleiten konnte, ohne selbst zu spielen. Damals hatte ich in meinem Fieberwahn einen 9-Loch-Kurzplatz als Tatort abgespeichert.

Ein Feiertag wird erst dann zu einem echten Feiertag, wenn man sich den Lorbeer auch auf einem fremden Platz auf das schüttere Haupthaar setzen darf und ich hatte keinerlei Bedenken, Frau Oelmann‘s Einladung zu folgen. Gewittergefahr bestand angeblich nicht. Eine Startzeit war auch nicht nötig. Die Sonne prangte am Himmel, es war heiß, aber die Bäume spendeten Schatten. Ja. die Bäume. Der Platz hat Bäume. Meist gewaltige Eichen, aber auch andere Bäume und hinter den Bäumen sind Biotope, was mich aber nicht abschreckt, da ich für meine kerzengerade Spielweise bekannt bin.

Wie üblich werde ich nicht die ganze Runde im Detail erzählen. Das halte ich so, weil meine verehrten Leser die Schilderungen meiner Zauber-Schläge, crispen Wedges und Monster-Putts für Aufschneiderei halten könnten. Auch heute werde ich es so halten, muss jedoch vorsichtig andeuten, dass es diesmal keine Zauber-Schläge, crispen Wedges und Monster-Putts gab.
Dafür gab es Bäume und Biotope und ein winziges Schwungproblem, das dazu führte, dass ich den Ball, so konzentriert ich ihn auch ansprach, grundsätzlich nach links verzog. Links stand gewöhnlich ein Baum, von dem aus der Ball abprallte und ins Biotop sprang.

Frau Oelmann, die ihre Bälle noch vor wenigen Tagen breit über die hessischen Savannen gestreut hatte, schlug dagegen kerzengerade Hammer-Drives, um mir dann bei der Ballsuche zu helfen.

Der beliebte Spruch „Den Zweiten kann jeder“ hatte für mich auf dieser Runde keine Gültigkeit, denn auch der 2. war weg. Nach einigen Bahnen schlug Frau Oelmann vor, dass wir doch auch etwas Golf spielen sollten, denn Bälle suchen könnten wir auch, ohne Greenfee zu zahlen.
Ich verstand den Hinweis und spielte fortan jeden Ball, den ich im Gras fand, darunter sogar Marken, die ich sonst wie die Pest meide (Nike und Vice).

Erst war ich eins down, dann zwei down, dann drei down, dann vier down, dann fünf down, dann sechs down, dann wurde es Frau Oelmann langweilig und sie winkte sich eine Freundin herbei, die gerade die 18 beendet hatte.

Ich kannte die Dame von einer Lesung. Also versuchte ich mich zusammenzureißen und ging prompt auf 7 down. Unsere Mitspielerin hatte am Vormittag bereits 18 Loch in einem anderen Club gespielt, stak dann auf ihrem Heimatplatz neun Loch hinter Anfängern fest und wollte mit uns noch ein paar flotte Bahnen spielen. So sind die Damen im Revier: Unermüdlich – und wetterfest, wie sich bald herausstellen sollte.

Auf dem Weg zum 10. Abschlag befindet sich die Toilette, die ich aufsuchte. Beim Händewaschen sah ich im Spiegel einen Mann mit verzweifelten Gesichtszügen, zerzaust, das durchgeschwitzte Hemd hing über der kurzen Hose aus der zwei dürre, weiße Beinchen ragten. Eine vollkommene Verwahrlosung der Sitten – ich überlegte kurz, ob ich mir selbst einen Platzverweis aussprechen sollte.

Da ich mich in meinem Hochmut darauf eingelassen hatte, von Gelb anstatt von blau zu spielen, hatte ich lange Wege zu rennen, um die Damen einzuholen, deren Abschläge meist 60-100 Meter vor dem Herrenabschlag befindet. Ich rannte so schnell, dass mir Insekten auf die Brillengläser klatschten, nur um dann zusehen, wie die Damen ihre Bälle gnadenlos zwischen den Bäumen hindurch auf die Bahn prügelten.

Frau Oelmann vom Damenabschlag – das ist so, als würde man Dartpfeile kaum aus einem Meter Entfernung auf die Scheibe werfen.

Nur zweimal konnte ich ein Loch gewinnen. Natürlich nicht aus eigener Kraft, sondern weil Frau Oelmann ihre Dartpfeile ins Biotop schoss, vermutlich um mir Hoffnung zu machen. Immerhin hatte ich nach dem Fiasko auf der ersten Neun meine Taktik geändert! Ich zielte direkt auf die Eichen, die gewöhnlich Mitte Fairway stehen, wodurch ich wenigstens zwei Drives auf die Bahn brachte. (Frau Oelmann merkt an, es gäbe nur auf der 14. eine Eiche Mitte Fairway, aber das ist natürlich selektive Wahrnehmung. Nach meiner Erinnerung standen auf jeder Bahn dicke Eichen…).

Auf besagter 14 setzte Regen ein. „Nur eine kleine Wolke“, sagten die Damen und schlugen ab.

Der nachfolgende Guss war zwar nicht mit dem Wolkenbruch zu vergleichen, den ich vor ein paar Tagen in Gießen erlebt hatte, aber im Gegensatz zu früher, als ich das Spiel im Regen noch als eine besondere Kunst und Herausforderung genoss, macht es mir keinen Spaß mehr, mit glitschigen Händen nach einem Balls zu schlagen, der sich dann nur ein paar Meter durch das nasse Gras bewegt.

Frau Oelmann und ihre Freundin bewegten sich wie die Fische im Wasser. Als ich mir nach einem heftigen Regenschauer an der 15 eine Pause erbettelte, musste Frau Oelmann zugeben, dass unser Match längst beendet war. 7 auf 6!

An der 16. Bahn gab es gottlob eine Abkürzung zum Clubhaus. Die Damen wären gerne weitergeschwommen, aber dann sahen sie das hinkende Häufchen Elend, zeigten Erbarmen und führen mich auf dem kürzesten Weg zum Parkplatz, wo wir unsere Sachen verluden. Meine Tränen trockneten und der Regen wich der Abendsonne während Frau Oelmann mit ihrer Freundin besprach, wie man einen Skalp trocknet. (ep)

PS: Dass Frau Oelmann am 2.6. beim Monatsbecher der Damen das 1. Brutto erlegte, verwundert niemanden und sei nur der Vollständigkeit halber vermerkt.

Ho Lin Wan

Ho Lin Wan* begegnete mir in diesem Leben erstmals 1995 in einer Trance. Zu viel Blümchenkaffee und Doxycyclin. Ich war mit einer fortgeschrittenen Borellien-Infektion (Zeckenbiss) direkt von der Open in St. Andrews in die Hautklinik der Uni Gießen verfrachtet worden und die Ärzte rangen um meinen Verstand.

Ein Zimmer mit Blick ins Grüne. Neben dem alten Lederohrensessel stand ein kleiner Tisch. Während der zehn Tage am Doxycyclin-Tropf liebte ich es, hier zu sitzen. Schon seit Jahren hatte ich mir Notizen über meine Erfahrungen beim Golfen gemacht. War es nicht endlich an der Zeit, diesen seltsamen Sport aus der Sicht eines Laien zu betrachten? Während ich von Zeit zu Zeit von meinem Ohrensessel aus in den Park schaute, sah ich vor meinem inneren Auge immer wieder diese Bilder von hohen Bergen unter einem dunklen Himmel. Tibet?
Ein eigenartiger Geruch von Yakdung zog mir in die Nase, als plötzlich eine Gestalt in meinem Bewusstsein auftauchte, die sich mit Ho Lin Wan vorstellte. Er meinte, ich sei Lobsang Dzong, und fragte mich ziemlich unverblümt, warum ich unser Match vermasselt hätte. Ahnungslos, was die Details meiner früheren Inkarnation angeht, war ich reichlich verwirrt.

Es ist signifikant für Golfer, wenn zwei Stimmen um die Herrschaft im Bewusstsein kämpfen. Tim Gallwey beschreibt dieses Phänomen ausführlich in seinem Buch »Inner Game Golf«. Für einen einigermaßen normalen Menschen, der von diesem ganzen übersinnlichen Kram keine Ahnung hat, ist es jedoch nicht leicht zu akzeptieren, wenn plötzlich ein schlecht gelaunter Tibeter im eigenen Kopf auftaucht. Ich schloss also die Augen, zählte eins, zwei, aber Ho Lin Wan war nicht weg. Er stellte sich breitbeinig in meine Aura, meinte, er sei mein alter Golfkumpel aus Tibet, und begann, mir meine Geschichte zu erzählen:

Wir waren beide Mönche in einem Kloster der medizinischen Fakultät von Lhasa und ziemlich auf Golf abgefahren, das wir von den Engländern kannten, die vor den Toren unserer Stadt spielten. Wir hatten noch einen Gefährten, Lobsang Rampa, der Jahre später nach England flüchtete, dort Apotheker wurde und darüber ein paar Bestseller schrieb*. Es gab nur uns drei Golfmönche in Lhasa und wir waren ein gutes Team. Mit der Zeit galten wir als die Nationalmannschaft von Tibet, denn es gab sonst niemanden.

Bei einem Spiel gegen einige Mönche eines chinesischen Klosters der »Tao Yin«-Tradition, zu dem wir uns an unserer nördlichen Grenze trafen, habe ich, wie mir Ho Lin erzählte, gewisse Regeln missachtet. Ich schlug meinen Ball, ohne die vorgeschriebenen Gebete und Verneigungen zu verrichten und zudem noch out of bounds über die Grenze nach China hinein. Ich traf den chinesischen Offizier mit meinem Yakdungball mitten in die Gosch. Die Schande war groß. Wir verloren das Match, der Offizier sein Gesicht und der Dalai Lama war blamiert, womit seine Position gegenüber Peking zu wackeln begann. Diese Provokation einer »imperialistischen Mönchsnomenklatura« konnte von den Chinesen natürlich nicht hingenommen werden und Scharmützel an der Grenze begannen, bei denen ich übrigens bald darauf erschossen wurde. Der Rest ist Geschichte.

Es ist nachträglich gesehen ein saudummes Gefühl, dass das eigene Land überrannt und geknechtet wird, nur weil man einen Ball nach rechts verzogen hat. Wirklich dumm. Tut mir Leid, Leute. Aber die Chinesen lauerten schon seit Jahren hinter der Grenze und haben nur darauf gewartet, dass ein Ball rüberfliegt, damit sie endlich einmarschieren können. Also, was soll’s.

In vielen vergangenen Leben hatte ich (so glaubte ich zumindest) genügend gutes Karma angesammelt, um im buddhistischen Sinne einem letzten Anhaften gemäß, als zukünftiger OPEN-Sieger in Schottland wiedergeboren zu werden.

Stattdessen bekam ich die karmische Höchststrafe: Ich wurde als Deutscher wiedergeboren und musste für Jahre als clubfreier Golfer mit mittlerem Handicap in der Hölle schmoren – bis mich die Zecke biss!

Während die Ärzte ihre Geschütze gegen die Borrellien auffuhren, begann ich dieses Buch zu schreiben. Ho Lin Wan half mir immer wieder, mich beim Schreiben auf die frei schwingende Zentrifugalebene zu transponieren. Dafür sei ihm herzlich gedankt.

Die Golfderwische von Tao Yin

Wenn ich an Ho Lin Wan denke, überfluten mich Erinnerungen an meine alte Heimat, lebhafte Bilder aus einem vergangenen Leben, eindringliche Farben, der leuchtende Himmel Tibets. Die Linghorstraße raus, Richtung Dechen Dzongnen Dzong, stand das Haus meiner Eltern. Wir liefen als Kinder durch halb Lhasa Richtung Norbu Linga. Wir hatten einen Platz im Juwelenpark, wo wir mit kaputten Schlägern übten, die uns einige Langnasen überlassen hatten. Der Blick von dort zum Potala war atemberaubend.

Cartoon: Peter Ruge

Der Golfplatz Lhasa wurde, wie alles andere auch, während der chinesischen Kulturrevolution zertrampelt, aber einige Golf-Mystiker besuchen diesen Platz nach wie vor. Anhand der alten Lagepläne kann man sehen, dass unser 9. Loch gerade dort lag, wo jetzt die Kassen einer chinesischen Supermarktkette stehen. Hier wird kein Golf mehr gespielt, aber nachts im freien Feld ziehen immer noch stumme Gestalten auf der endlosen Suche nach ihrem Yakdung-Ball über die imaginären Fairways zwischen Nomadenzelten und Stupas. Sie murmeln:

Gate, Gate,

Ball weg,

Rechts raus

Irgendwo im Fluss.

Seinen Weg gehen, den Weg gehen (Sanskrit: Gate) ist eine uralte Metapher aus dem Buddhismus und esoterischen Taoismus. Der historische Gautama Buddha wurde auch als der Tathagata (Sanskrit: der So-Gegangene) bezeichnet.
Der, der diesen Weg ging – der nicht zu benennen ist, wie Laotsesagt. Das Abschreiten eines Golfplatzes, das ständige Kreisen über die gleichen 18 Bahnen ist ein Ritual fernöstlicher Tradition, wobei der Wechsel der Natur in den Jahreszeiten die Wandlung der Dinge symbolisiert. Der Buddha sieht die Ursache allen Leidens im Anhaften. Dies führt zu endlosen Wiederverkörperungen.
Wir sehen die Ursache allen Leidens darin, dass wir den Kopf nicht unten lassen und nicht genügend durchschwingen. Das führt zu endlosen neuen Runden des Leidens. Das Loslassen, das Nichtanhaften im buddhistischen Sinne, gelingt im Golfsport nur mit Hilfe einer Gemeinde (Sangha), die ich bei den Anonymen Golfern fand.

Die Zehn, in der kabbalistischen Mystik die Zahl der Unendlichkeit, wird mit der Acht, der heiligen Zahl der Buddhisten, vereinigt. Der achtfache Pfad und die Unendlichkeit. Die Vision der Vereinigung des euroarabischen Kulturraumes mit der Weisheit des Ostens ist in exoterischen Fragmenten heutzutage in der European Tour erkennbar, die im Fernen Osten beginnt und über Arabien und Nordafrika nach Europa kommt. Das Kreisen der 18 Pfade in die Unendlichkeit drückt auch den Reinkarnationsgedanken deutlich aus.
Das Instant-Karma im Golf gibt unerbittlich sofortiges Feedback auf Handlung und Gedanken. Das ständige Bedürfnis, zum Club zu fahren, um wieder und wieder die »Runde« zu gehen, erinnert an die Seele des Menschen, die sich immer wieder neu verkörpern muss. In der Bergwelt des Himalaja umschreitet der Gläubige die Stupa, eine runde Felsansammlung oder einen Turm, der mit Fahnen und Symbolen des Glaubens geschmückt ist – OM MANI PADME HUM murmelnd – den Blick zu Boden gerichtet, was aus der Zeit stammt, als dabei tatsächlich noch Bälle gesucht wurden. Diese spärlich erhaltenen Fragmente früher golferischer Tradition des Buddhismus sind noch um Lhasa, aber auch in Kathmandu und an manchen Orten in Sikkim und in Bhutan zu beobachten.

»Gate, Gate

so gegangen

findet der Weise

seinen Weg.«

Der Hintergrund fernöstlicher Golflegenden sind die in esoterischen Kreisen bekannten Geschichten von den wirbelnden Golfderwischen von Tao Yin. Sie lebten vor über tausend Jahren nördlich der Provinz Kham in einem verborgenen Seitental des tibetischen Hochlandes, das Shambhala genannt wurde.

Von dort gelangte der »Weg der weißen Kugel«*, der dem Buddha Amitaba geweiht ist, in das heutige Sikkim und Bhutan und dann nach Boulder, Colorado. Das Spiel ist in diesen Hochgebirgsregionen, wo der Ball unglaublich weit fliegt, sehr schwierig. Deshalb wurde mit einem Leichtball aus gepresstem Yakdung gespielt. Es ist vermutlich vollkommen müßig, ungläubigen Langnasen zu erzählen, dass wir damals Yetis als Caddys hatten, die allein durch ihren feinen Geruchssinn in der Lage waren, die Yakdungbälle wiederzufinden. Das Golfspiel war ein Akt der Meditation und der Reinigung. Eine Runde zog sich über Monate hinweshalb es sinnvoll war, in diesen klimatisch extremen Bedingungen mit Zelten, Yaks, Köchen und allem zu reisen, was man in der Einsamkeit der Bergtäler brauchte.

Die Yetis hielten sich fern, tauchten aber immer auf, wenn sie gebraucht wurden, und fanden den Yakdungball auch in irgendeinem Seitental in 5000 Meter Höhe. Dafür ließen sie sich gerne abends Lieder vorsingen, weil sie selbst nicht singen konnten. Sie liebten Weihnachtslieder. »Stille Nacht« und »Ihr Kinderlein kommet«, Gassenhauer in Lhasa und jedem Mönch bekannt, waren besonders beliebt. Die Yetis wurden nach einem Weihnachtslied bisweilen etwas melancholisch, ansonsten waren sie friedlich und verfilzt wie wir. Aber sie spielten selbst kein Golf.

Die wirbelnden Schwungtechniken der Meister von Tao Yin,
die auf der zentrifugalen Bewusstseinsebene entwickelt wurden,
beeinflussen bis heute den Golfsport.

Tai-Chi- und Chi-Gong-Übungen fördern die Balance der inneren Achse, um die der Schwung rotiert. Ich hatte in meiner Jugend die Gelegenheit, unter Anleitung des Tai-Chi-Meisters Gia Fu Feng einige Formen zu üben, die mir halfen, mein Gefühl für meine Mitte zu entwickeln. Diese Übungen sind gut für Körper und Geist. Eine Tanzvorführung des Meisters Al Huang zeigt Balance, Harmonie und Konzentration in höchster Formvollendung.

Die Fähigkeit zur Entwicklung der Konzentration sowie meditative Erfahrungen, wie sie in westlichen Yogaschulen gelehrt werden, haben Golfer von jeher angezogen. Gia Fu Feng – wie auch später Al Huang – arbeiteten Jahre in dem berühmten Esalen Institute, Big Sur, in Kalifornien.
Tim Gallwey erwähnt diesen Ort im Zusammenhang damit, dass er einen der Gründer dieses Institutes, Michael Murphy, zum Golfspiel trifft. Murphy, der Verfasser von Golf und Psyche, erzählte ihm, dass die Konzentration von Nicklaus oder Hogan ihn an die Fähigkeiten großer Yogis erinnere: »Ich habe Hogan oft beobachtet und kann sagen, dass er eine starke Aura hatte, die von vielen im Publikum gespürt wurde. Ich erinnere mich, wie jemand erzählte, dass während der US Open 1955 fast jeder, der ihm (Hogan) zuschaute, das Gefühl hatte, hypnotisiert zu sein. Die Luft um ihn herum konnte man mit dem Messer schneiden. Ohne es zu wissen, war er für die fünftausend Zuschauer, die mit ihm liefen, wie eine Art Meditationslehrer.“

Wo war ich? Ach ja! Tao ist die traditionelle Bezeichnung für den Weg im Laotse’schen Sinne. Der chinesische Philosoph Laotse hat unter dem Titel Tao Te King (übersetzt: Weg des Kings), die erste Elvis-Presley-Biographie schon vor fast 3000 Jahren geschrieben.

Yin ist in seiner Urbedeutung das Wolkige, Trübe. Es bezeichnet die zentrifugale Kraft im Universum, der Gegenpart Yang die zentripetale Kraft. Zusammen symbolisieren sie das duale Prinzip. Himmel und Erde, männlich und weiblich, Plus und Minus, Ball und Schläger, in ihrem ewigen Wandel. Die Erkenntnis vom Lauf der Dinge (was Laotse als Sinn, Weg, oder Tao bezeichnet) führt uns zu unserer inneren Mitte, jenem Dreh- und Angelpunkt, um den sich das Golfspiel dreht. Diese Erkenntnis vom ewigen Gesetz der Wandlung hilft uns das anzunehmen, was uns im Spiel wie im Leben begegnen wird.

Vermutlich wird es den Leser besonders interessieren, dass es schon in den Wendezeiten der Tsin- und Han-Dynastien eine ganze Schule der Yin-Yang-Lehre gab, die »damals viel Aufsehen erregte«. Der Grundgedanke ist die Wandlung.

Wie soll Meister Kung gesagt haben, als man ihm von den Einnahmen des Proshops im Kloster Tao Yin berichtete:

»Alles fließt dahin,

wie dieser Fluss,

Tag und Nacht.«

Tao Yin bezeichnet den Weg der Zentrifugalkraft. »Swing the Clubhead«, wie der Golflehrer Ernest Jones sein Lehrbuch nannte. Die wirbelnden Golfderwische kannten diesen in drei Disziplinen: im Tanzen, der Steinschleuder und in der oben beschriebenen Form des Golfens. Den Begriff Derwisch, der aus dem islamischen Kulturraum stammt, habe ich der Einfachheit halber übernommen. Wie Derwische erleben auch siegreiche Ryder-Cup-Spieler ekstatische Bewusstseinsstufen der Verzückung durch ununterbrochenes Drehen und Tanzen auf dem Grün. (Olazabal!)

Der Geist der Derwische wirkt aber auch in jenen Golfern, die den Ball rechts ins Rough schlagen und dann links im Semirough suchen, weil das Gras dort kürzer und der Ball somit leichter zu finden ist. Ihr Verhalten wird von archetypischen Erinnerungen des kollektiven Unterbewusstseins gesteuert (vgl. C. G. Jung) und erinnert an den berühmten Derwisch Nasruddin, der trunken vom Tanze heimkommt und seinen Schlüssel nicht findet. Er sucht aber nicht im Dunkel, dort wo er seinen Schlüssel verloren hat, sondern da, wo der Mond hinleuchtet … weil er da besser sieht.

(ep)

Fußnote
Im Frühjahr 1998 bestellte ich mir mehrere Bücher über die spirituellen Aspekte des Golfsports, darunter auch Michael Murphys »Golf in the Kingdom«. Wochen später erfuhr ich von einem Bekannten, dass dieses Buch unter dem Titel »Golf und Psyche« erschienen war. Zu dieser Zeit schenkte mir der Maler und Dichter Theo Köppen aus Göttingen den Mitschnitt eines Vortrags, den der amerikanische Zen-Meister Richard Baker Roshi in der Nähe von Kassel gehalten hatte. Zufällig, in einer Lesepause von Murphys Buch, stellte ich den Kassettenrekorder an, und das Band begann exakt an der Stelle, an der Baker Roshi (in einem ansonsten vollkommen golffreien Vortrag) erzählt, wie er von Michael Murphy eingeladen war, um der Präsentation von Murphys neuem Golfbuch »Shivas Irons« beizuwohnen. Murphy hatte einige Aspekte und Gedanken seines mystischen Golfgurus Shivas Irons im Gespräch mit Baker Roshi entwickelt und wollte ihm mit dieser Einladung seinen Respekt erweisen. Nach der gelungenen Präsentation saß die Gesellschaft beim Dinner zusammen und Baker Roshi lernte Scott McCarron kennen. Dieser (damalige) Spitzenspieler der US-PGA-Tour erzählte ihm, dass er aufgehört hat, irgendwelche Technik zu üben. Die Stille des Geistes in seiner Pre-Shot-Routine sei seine Methode, um den perfekten Rhythmus im Schwung zu realisieren, um »in the zone« zu kommen, wie Profigolfer diesen frei schwingenden Zustand von Körper und Geist bezeichnen. Er erzählte von Übungen, die Baker Roshi sofort als klassische Zen-Übungen erkannte, von denen der Pro wiederum bis dato nie gehört hatte. Interessant, nicht?

Auszug aus Der Weg der weißen Kugel (c) by Eugen Pletsch, 1995