Seniorenclubmeister Dagobert Seicht

Dagobert Seicht, der Mann mit dem tulpenförmigen Oberdeckbiss und dem unglaublichen Gedächtnis taucht in manchen meiner Geschichten auf, z.B. in der Illuminaten-Hommage ‚Die 23‘ (siehe GolfGaga, der Fluch der weißen Kugel).

Von einem breiten weißen Schirm vor der Sonne geschützt, saß der amtierende Seniorenclubmeister Dagobert Seicht in seinem Lehnstuhl aus angeblich nachhaltig erwirtschaftetem Tropenholz.
Dicke Hummeln labten sich an den Blüten des weißen Flieders, der seitlich der Clubhausterrasse wuchs. Der Tag hatte sich trotz der Gewitterwarnung eines geschwätzigen Wetteronkels prächtig entwickelt. Die liebe Sonne lächelte freundlich auf Seicht herab, der mit dämmrigem Blick zwei Spieler beobachtete, die ihre Annäherungsschläge zum Grün mit traumhafter Sicherheit im Teich versenkt hatten. Der amtierende Seniorenclubmeister lächelte, als er daran dachte, wie er dieses gefräßige Wasserloch am Finaltag großräumig umspielt hatte. Sein Spielplan sah ein Doppelbogey vor, was ihm lieber war, eine grässliche 8 zu stümpern, die aus der Gier geboren alle seine Träume zunichte gemacht hätte. Ein Doppelbogey auf der 18 reichte ihm zum Sieg.
Benebelt von warmem Fliederduft glitten Seichts Gedanken zurück zu jenem Tag, als er, sozusagen als Einäugiger unter Blinden, die Seniorenclubmeisterschaft gewann und in euphorischer Stimmung den gläsernen Humpen küsste, den man ihm überreicht hatte. Dass der verkappte Club-Chronist mit dem Überraschung-Schwung die begehrte Trophäe ergattern würde, hatte allgemeines Erstaunen hervorgerufen. Auch Seicht wusste, dass dieser Sieg keinesfalls seinem Spielvermögen zuzuschreiben war, (der Score, mit dem er gewann, war mehr als lausig), sondern vielmehr der Tatsache, dass die besseren Spieler seiner Altersgruppe die reguläre Clubmeisterschaft mitgespielt hatten oder noch in den Ferien weilten. Doch das focht ihn nicht an. Nach der Clubmeisterschaft trug er eine selbstgebastelte Krone aus Goldpappe, bis diese in einem Regenschauer aufweichte. Da ohnehin niemand bereit war, ihn in seiner Königs-Rolle zu hofieren, setze er die nasse Krone ab und beschloss, in aller Stille zu regieren.
Gewöhnlich saß Seicht auf der Clubhausterrasse, träumte vor sich hin und gedachte der guten, alten Zeiten. Wenn sich ein unbedarfter Golf-Rabbit näherte, versuchte Seicht, dem jungen Eleven die gesammelten Weisheiten aus Tausendundeinem Spiel zu erzählen, was jedoch nicht immer auf Interesse stieß.
„Übrigens, hatte ich dir schon erzählt…“
„Ja, Herr Seicht, mehrfach…danke.“.
Dennoch genoss Seicht die Einsamkeit, die er für den natürlichen Aggregatszustand jener Menschen hielt, die Außerordentliches geleistet hatten. Von der hohen Warte der Selbstbetrachtung ging sein Blick zu den Hummeln, die im Flieder ihrer Arbeit nachgingen. Er wartete auf Etbin, der ihm seine Zitronenlimonade bringen würde. Die junge Aushilfe ignorierte er, da sie sich standhaft weigerte, beim Bedienen einen Knicks zu machen, um ihn dann mit Herr Seniorenclubmeister anzusprechen.

Seicht ist ein Mann der Zahlen. Sein unglaubliches Gedächtnis ermöglicht ihm, die Handicaps aller aktiven Spieler im Club aus dem Kopf abzurufen und obwohl der Club die Turnierergebnisse mittlerweile per Computer ermittelte, war Seicht stets auf dem Laufenden. Seine Auswertungen im Kopf galten als schnell und sicher, seine CSA-Vorhersagen hatten eine Trefferquote von 100 %. Seichts Hang zur Mathematik beinhaltete aber auch ein, gelinde gesagt, überspanntes Interesse an der Zahlenmystik der Kabbala und dem Geheimwissen verschworener Bruderschaften, das nicht mehr so ganz geheim war, seit man alle Geheimnisse der Welt im Internet nachlesen konnte. Seichts Hang zu Verschwörungstheorien wurde nur von seinem Interesse an Weltuntergangsszenarien übertroffen.
An meinem Spind in der Umkleidekabine (der zufällig die Nr. 23 trug), hatte ich einen gelben Zettel gefunden.

Heute 15 Uhr. Clubhausterrasse. DS.

Das DS stand offensichtlich für Dagobert Seicht, denn es war von einer stilisierten Pyramide ummalt, über der ein winziges Auge schwebte.
Seicht, dessen Fähigkeit zur obskuren Weltbetrachtungen bereits an anderer Stelle geschildert habe, ist eine jener Gestalten, die einem Golfclub diesen Flair von Einzigartigkeit verleihen können, der nur dann entsteht, wenn sich eine kritische Masse an Spielern von der Weisheit zum Wahnsinn bewegt hat.

Als er mich erblickte, nickte mir Seicht leutselig zu und mit einem schwachen Wedeln der königlichen Rechten wies er auf den Stuhl, der ihm den Blick auf den Flieder und die 18. Bahn frei lassen würde.
„Lange nicht gesehen“.
„Ja, schön mal wieder hier zu sein.“
„Lieber Dagobert, darf Ihnen, wenngleich mit sechs Monaten Verspätung, zur Seniorenclubmeisterschaft gratulieren?“
„Oh, hat man davon gehört. Dabei ist das doch nichts Besonderes“.
Seicht wand sich in dem Versuch bescheiden zu wirken, dabei strahlte er vor Glück und ergriff meine Hand, die ich ihm hingestreckt hatte.
„Ja, das war der größte Moment in meiner Karriere als Golfer,“ platzte es aus ihm hervor. „An 4287 Trainingstagen habe ich mich auf diesen Moment vorbereitet. In 720 Wochen habe ich 2861 Runden gespielt und mein Handicap auf 16,2 reduziert.“
„Donnerwetter!“
„In dieser Zeit habe ich übrigens 861 Bälle verloren, und  917 Bälle gefunden, womit ich auch hier eine positive Bilanz vorzuweisen habe. Alles in allem kann ich sagen, dass der Golfsport gut zu mir war, und ich die verbleibende Zeit genießen werde.“
„Die verbleibende Zeit?“
„Na ja…“. Verdrehte die Augen und schaute verschwörerisch.
„Aber nun mal zu Ihnen. Sie sind hier, um diese GTP-Leute zu unterstützen?“
Seine Hasenschnute zuckte nervös. Janzen, Schunk und diese ganze Truppe vom Golftherapeutischen Pflegedienst waren ihm suspekt.
„Ja, aber auch, um an meinem neuen Buch zu arbeiten.“
„Davon habe ich gehört. Wie interessant! Wann soll es erscheinen?“
„Im Frühjahr 2013.“
„Ob das noch Sinn macht?“
„Wie meinen?“
„Allen alten Überlieferungen und Weissagungen zur Folge wird dieser Planet am 23.12.2012 mindestens einen Polsprung, wenn nicht Ärgeres erleben. Die Welt wird nie mehr sein, wie sie war – wenn es sie dann überhaupt noch gibt.“

„Der Verlag, der meine Werke veröffentlicht, ist ein Traditionshaus, das schon manchen Polsprung überlebt hat. Wären ernstzunehmende Veränderungen von kosmischer Dimension zu erwarten, dann hätte die Abteilung Astronomie für das Herbstprogramm entsprechende Titel angekündigt. Da das nicht der Fall war, gehe ich davon aus, dass sich der Planet auch im Jahr 2013 drehen wird.“

„Die Frage ist nur, in welcher Richtung. Aber gut, wir werden sehen. Worum geht es in Ihrem neuen Buch, oder ist das noch geheim?“
„Nein, Dagobert, das ist kein Geheimnis. Ich will verschiedene Golfer-Typen vorstellen, Menschen, die sich für dieses hübsche Hobby entschieden haben. Freundliche, sympathische Gestalten voller Lebensfreude und Humor, die ihre Geschichte erzählen.“
„Na, das hat uns noch gefehlt“, murmelte Seicht.
Sein Blick streifte die wogenden Formen einer Spielerin auf dem 18. Grün, die ihrer Lebensfreude gerade freien Lauf ließ, nachdem ihr 4. Putt endlich gefallen war. Der amtierende Seniorenclubmeister räusperte sich:
“Das Golfspiel ist ein Strategiespiel, das Ruhe und eine gewisse Intelligenz erfordert. Die geistigen Anforderungen machen Golf zu einem leisen Sport, bei dem man sich sowohl als Spieler als auch als Zuschauer ähnlich verhält, wie auf einem Schach-Turnier oder bei einem Piano-Konzert. Vielleicht könnten Sie Ihren Lesern das bei der Gelegenheit mitteilen?“
Kaum gesagt, erklang ein gellender Schrei. Frau Langer hatte wiedermal versucht, das 269 Meter entfernte Grün vom 18. Abschlag aus anzugreifen. Ihr Ball raste direkt auf die Clubhaus-Terrasse zu, worauf sich einige Gäste unter die Tische warfen.
„Golfer-Typen.. tz tz..“, sinnierte Seicht. „Dazu habe ich eine Theorie.“
Er nickte wohlwollend, als sich Etbin der Kellner mit einem Glas Zitronenlimonade näherte, während Frau Langers 2. Abschlag mit dem Eisen glucksend im Teich verschwand.
„Eine Theorie?“
Seicht nickte.
„Ich bin der Ansicht, dass jeder Golfer einem Archetypus angehört und sein Schwung genetisch vorprogrammiert ist. Wer C.G. Jung richtig interpretiert, kommt zu dem Schluss, dass Golfunterricht dem jeweiligen Archetypus entsprechen sollte und in einer Traumarbeit erfahren werden muss.“
„An welche Archetypen denken Sie da?“
„Nun, äh…“. Seicht schien überrascht zu sein, dass jemand freiwillig bereit war, seiner Archetypen-These Aufmerksamkeit zu schenken. Er schob ein paar lange graue Strähnen hinter das königliche Ohr, stülpte die Unterlippe vor, als schien er einen Moment nachdenke zu wollen und  schoss dann aus der Hüfte:

Meine Berechnungen haben ergeben, dass es 2179 verschiedene Golfer-Typen gibt, sozusagen die Basismodelle, was sich aus den Sternzeichen, genetischen, psychologsichen, physiologischen und 43 andern Komponenten leicht errechnen lässt. Ich denke, das Sie Ihre Überlegungen zu einem ähnlichen Ergebnis geführt haben.“
„Äh“, ich schluckte.
„Wenn wir diese 2179 Typen unter golferischen, gesellschaftlichen und charakterlichen Gesichtspunkten betrachten, kommen wir zu einer solchen Vielzahl von Typen, dass es einfacher ist zu sagen: der Golfer läßt sich nicht in einem sinnvollen System einordnen.“
Ich atmete auf.
„Das deckt sich mit meinen Beobachtungen.“
Aha! Aber was bleibt uns dann?
Archetypen, die charakterlichen Kriterien in Verbindnung mit dem Totemtier  …
„Sehr interessant. Inwieweit wurde Ihr Gedanke von Golflehrern aufgegriffen?“
„Null Resonanz. Kann sein, dass einige Golflehrer die Worte ‚Archetypus‘ und ‚Traumarbeit‘ nachgeschlagen haben, aber eine Diskussion fand nicht statt. Warum auch? Ärzte leben davon, dass wir krank sind Golflehrer davon, dass wir das Spiel nicht lernen.“
„Ja, die fachliche Diskussion ist hierzulande ein Problem. Ich hatte ein holistisches Golfmandala vorgestellt und meine These war, das jedwede Anleitung zum Golfspiel auf einem Quantenzufall beruht. Deshalb würde es auch ausreichen, wenn man Wurfpfeile auf eine Scheibe wirft, die mit Schwunggedanken vollgeschrieben ist..ich dachte, das würde ein Revolution in der Golfdidaktik auslösen…aber … Pustekuchen.“
„Ich habe Ihre Mandala-Theorie gründlich studiert. Ein sehr interessanter Ansatz, aber der Punkt ist doch der: Selbst wenn Golflehrer mit ihren Anweisungen im Trüben fischen, umgibt sie dennoch ein Mythos der Unfehlbarkeit, der durch Ihre Methode verloren ginge. Das wäre für Golflehrer ein Schuss ins Knie. Andererseits: Welcher Golfer sucht wirklich Lösungen? Wenn ich einen Mitspieler nach mehreren Schlägen ins Wasser eindeutig als „Frosch-Archetyp“ bestimmen konnte, der bei entsprechendem  Hüpf-Training selbst einen Polsprung überleben würde, fand das wenig Interesse …aber … ach, was solls.“
Der amtierende Seniorenclubmeister versuchte zu lächeln, was bei seinem tulpenförmig vorgewölbten Hasenzähnen etwas komisch aussah. In der würdevollsten Haltung, die ihm sein Lehnstuhl aus angeblich nachhaltig erwirtschaftetem Tropenholz einzunehmen gestattete, beschied er:
„Es ist, wie es ist. Eine Golfsaison haben wir noch vor uns und ich werde versuchen, meinen Titel zu verteidigen.  Dem gilt meine Konzentration!“
„Ich werde Ihre Archetypen im Auge behalten“, versprach ich ihm.
Seicht winkte die Bedienung herbei, bat um die Rechnung und verabschiedete sich und Richtung Kurzplatz, um noch ein Stündchen an seinem kurzen Spiel zu feilen.
Ich blieb noch einen Moment sitzen und dachte nach. Das war wirklich interessant. Traumarbeit und Trance ist im Golfcoaching bisher kaum bekannt. Vielleicht sollte ich darüber mit Manni Mulligan sprechen. Gewöhnlich hockte er in seiner Teichhütte an der 14. Aber seit ich in Bauernburg war, hatte ich ihn noch nicht gesehen….
(weiterlesen in „Achtung Golfer! Schlägertypen in Wald und Flur“.

*HolistischesGolfmandala

Worum es beim Golfspiel geht

Im Herbst, wenn nur noch die wetterfesten Spieler im letzten Büchsenlicht unterwegs sind um ihre Bälle aus dem Schlamm zu pulen, kommt bisweilen der eine oder andere Clubmanager auf die Idee, die Schnuppergolfer der letzten Saison zu einem Informationsabend einzuladen.
Wer bisher noch nicht angebissen hat, lässt sich bei einer solchen Geselligkeit vielleicht an den Haken nehmen und auch der Clubgastronom freut sich, besonders nach einem nassen Sommer wie diesem.
Manchmal werde ich gebeten, diese Informationsabende zu begleiten, wie kürzlich im Golfclub Bauernburg. Nach einem Prosecco zum Empfang begrüßte Präsident Fahrenbach die Gäste und übergab das Wort dann an Vize Prof. Klausthaler. Der bekam rote Backen vor Freude, bei seiner Schilderung wie schön das Golfer-Leben ist, insbesondere im Golfclub Bauernburg! Gemeinschaft, Freunde, frische Luft, herrliche Aussicht…!

Dann wurde ich vorgestellt und schaute in die Runde. Da saßen sie nun, die Golfer von morgen mit ihren fragenden Gesichtern. Unschuldig wie Lämmer, nicht wissend, was auf sie zukommt, wie dieser Sport ihr Leben umkrempeln würde.
„Wer von Ihnen hat Kinder“, fragte ich.
Die meisten hoben die Hand.
„Und wissen Sie noch, wie das erste Kind Ihr Leben vollkommen auf den Kopf gestellt hat? Wie alles anders wurde?“
Viele nickten.
„So wird es auch werden, wenn Sie Ihr Leben dem ‚Spirit of Golf‘ weihen. Das Spiel verändert Ihr Leben. Komplett!“

Meine Stimme hatte gerade eine gewisse Dramatik angenommen, was einen älteren Herren in der ersten Reihe nicht davon abhielt, mein ausgefeiltes rhetorisches Konzept durch eine Frage aus dem Rhythmus zu bringen: „Bevor Sie uns hier Angst vor einem Golfgeist machen – wollen Sie uns nicht erstmal erzählen, worum es beim Golfspiel eigentlich geht?“

„Äh, ja natürlich…“, stotterte ich. „Also …äh… Golf ist ein Zielspiel über 9 oder 18 Spielbahnen verschiedener Länge. Sie und Ihre Mitspieler (Mitbewerber genannt und mit Ihnen maximal vier Personen) versuchen dabei einen kleinen Ball mit maximal 14 Schlägern von einer Abschlagsfläche (Tee genannt) über einen Rasen (Fairway genannt) zu einer kurz gemähten Fläche (Grün genannt) zu treiben, um den Ball dort in ein ca. zehn Zentimeter breites Loch einzulochen, das durch eine Fahne gekennzeichnet ist? Alles klar?“

Manche Zuhörer nickten bereits, während andere noch versuchten, den Satz zu verdauen. Eine Dame hob die Hand.
„Und warum maximal 14 Schläger?“ „Das hat man in Schottland irgendwann so festgelegt. 14 Schläger, weil der Caddie sonst zu schnell müde wird. Und 18 Bahnen, denn dann ist die Whisky-Flasche leer.“
„Und was unterscheidet diese Schläger?“
„Von einer Whisky-Flasche?“
„Nein, untereinander!“
„Die Schlagflächen haben verschiedene Winkel, auch Loft genannt, um – theoretisch mit dem gleichen, um Ihre Körperachse verlaufenden Schwung – den Ball auf verschieden hohe Flugbahnen schicken, um damit unterschiedliche Entfernungen zu erzielen.“
„Aha. Und wer vom Abschlag auf der ersten Bahn bis zum letzten Einlochen auf der 18. Bahn die wenigsten Schläge braucht, hat gewonnen?“ hakte die Dame nach.
„Genauso ist es! Es handelt sich beim Golfen also um ein Geschicklichkeitsspiel mit Schläger und Ball, bei dem der Ball oft – meist unfreiwillig – angeschnitten wird….“, versuchte ich auszuführen.
„Also ähnlich wie Tischtennis?“ fiel mir der ältere Herr ins Wort. „Nun ja, ein Golfball ist viel schwerer als ein Tischtennisball, fliegt also über längere Distanzen. Angeschnitten landet er deshalb oft jenseits der gemähten Fläche im hohen Gras (Rough).“
„Und die Abenteuer, die man auf dem Weg durch die Wildnis bis zum 18. Loch erlebt, darf man dann jedem, der sich nicht schnell genug aus dem Staub macht, an Bar der Clubhauses erzählen! Ha, Ha!“
Der Senior lachte. Er schien meine Bücher zu kennen. Die Zuhörer schmunzelten.
„Ja, so ähnlich“, bestätigte ich. „So ähnlich“.
Eine Dame meldet sich: 
„Das klingt alles recht einfach, ist es aber nicht. Ich habe es nämlich probiert.“
Stille. Ich gab dem Wirt ein Zeichen noch mal nachzuschenken.
„Der Haken ist nämlich“, fuhr der ältere Herr in meinem Vortrag fort, „Erstens kommt beim Golf alles anders und zweitens als man denkt!“
Er holte Luft – ich grätsche ihm in den Satz:
Golf ist der unlösbare Konflikt zwischen Wollen und Können!
Aber gerade das macht das Spiel so spannend. Ein guter Golfer kann den Ball nicht nur fast punktgenau in exakten Distanzen schlagen, sondern auch angeschnitten mit Rechts- oder Linksdrall um eine hundert Meter entfernte Baumgruppe lenken. Dabei trifft das Schlägerblatt mit über hundert Stundenkilometern Schlägerkopfgeschwindigkeit auf eine runde Balloberfläche von ein paar Quadratmillimetern! Gute Golfer spielen den Ball mit wenigen Schlägen an die Fahne, damit der Ball möglichst mit einem Schlag eingelocht werden kann. Auf diesem spielerischen Niveau ist Golf ein Strategiespiel, das dem Schach ähnlich ist. Man überlegt sich, welche Landezone den Ball in eine gute Lage für den übernächsten Schlag bringt…“.
„Und weniger gute Golfer?“ fragte ein Herr aus der 2. Reihe, der aufmerksam zugehört hatte. „Was gute Golfer machen, dürfte uns in den nächsten Jahren erstmal egal sein, oder?“
„Na, so lange wird’s je nach Talent nicht dauern“, beschwichtigte ich.
„Nach meinen Erfahrungen“, sagte der Herr aus der 2. Reihe, „erreichen wir Amateure – egal mit welchem Schläger – nur zwei verschiedene Ballfluglängen: zu lang oder zu kurz. Der Ball bleibt selten in der Nähe der Fahne liegen, und wenn doch, dann rollt er immer noch nicht mit einem Putt ins Loch.“
Er blickte resigniert in die Runde. „Und je mehr man sich bemüht, umso weniger klappt es.“

Ich sah, wie der Clubmanager zuckte. Der Abend lief in die falsche Richtung. Wir wollten doch Begeisterung erzeugen und keine Depression!
„Das kann nur am falschen Material liegen!“ warf ich ein. „Dann wird Golf zum Glücksspiel. Oder Sie nahmen keine Golfstunden mehr, nachdem Sie die Platzreife erlangt haben. Auch das rächt sich.“
Der Herr schwieg, worauf ich fortfuhr, Golf als ein interessantes Hobby mit Frischluftcharakter und gesellschaftlicher Komponente zu beschreiben. Ich erzählte ein paar Schnurren, die Leute lachten, die Stimmung lockerte sich. Noch Fragen? Die Zuhörer unterhielten sich angeregt. Allgemeine Aufregung bei dem Gedanken, es doch mal zu versuchen. Im nächsten Frühjahr! „Jetzt ernsthaft, machst du mit?“ fragte eine Dame ihre Freundin.

Zeit für Prof. Klausthaler, noch einmal das Wort zu ergreifen: „Unser Club bietet Ihnen zum Einstig eine Jahresmitgliedschaft zu sehr interessanten Konditionen an. Auf diese Weise können Sie feststellen, ob das Spiel zu Ihnen passt und ob die Chemie im Club für Sie stimmt. Ich stelle Ihnen das mal kurz im Detail vor.“
‚Klausi‘ öffnete seinen Laptop und warf einige Grafiken mit Angeboten an die Wand. Die Zuhörer lauschten aufmerksam. Manche machten sich Notizen.

Ich hatte mich gesetzt. Das Summen der Stimmen machte mich schläfrig. Vage erinnerte ich mich daran, wie es bei mir damals war, als mir mein schottischer Schwiegervater erstmals einen Schläger in die Hand drückte und ich meine ersten Versuche unternahm, einen Ball in die gewünschte Richtung zu schlagen. 30 Jahre später versuche ich das immer noch. Manchmal klappt es, manchmal nicht. Golf ist ein Geschicklichkeitsspiel, mit Schläger und Ball. Ein Spiel, das wir heute lieben und morgen verfluchen, von dem wir aber nicht mehr lassen werden. Aber darum geht es ja, beim Golfspiel. Oder?

(c) by Eugen Pletsch 2015

Endlich erleuchtet!

Erstellt: 21. Juni 2019

Aus unserer Serie „Oldies but Goodies“ heute: Ein kleines Telefonhörspiel aus der Zeit als ich einem bekannten Golfprofessional (Pro) noch regelmäßig mit meinen Anrufen auf die Nüsse ging…

„Tut Tuut“„Tut Tuut“

Pro: Ja bitte?

EP: „Hi, ich bin´s…“

Pro: unterdrückter Seufzer: Oh, prima, na, was kann ich für Dich tun?

EP: Och, wollte mich nur mal melden …

Pro: Das ist nett. Es war schön mit Dir zu reden…

EP: Hey!

Pro: Ja?

EP: Ich bin jetzt endlich erleuchtet!

Pro: (Pause, dann atmet er wieder): Gute Nachricht! Großartig!  Also – es war schön mit Dir zu reden…

EP: Nein, ich meine es Ernst!

Pro: Na prima, endlich. Und seit wann bist du …äh … erleuchtet?

EP: Es fing an, als mir das Eisen 5 auf den nackten Zeh knallte. Das war eine sehr intensive Erfahrung und ich spürte, dass jetzt etwas passieren wird. In der ZEN- Literatur ist das exakt so beschrieben: Es gibt Vorzeichen der Erleuchtung …

Pro: (plötzlich interessiert) Und was passierte dann?

EP: Dann trank ich den Wodka, den ich bei einem Turnier gewonnen hatte. Ich wachte nachts auf, musste kotzen, wurde auf dem Weg zum Klo ohnmächtig, schlug mit dem Kopf an den Schrank und die nächsten Tage war ich vollkommen platt.

Pro: Vom Wodka?

EP: Nein, vom Orangensaft im Wodka. Meine Bioresonanz-Expertin meint, da wäre ein Schimmelpilz drin gewesen …. und weil mein Magenmeridian durch die Verletzung am 2. Zeh ohnehin schon geschwächt war…

Pro: …wurdest Du erleuchtet!

EP: Nein, nicht deswegen. In den folgenden Tagen machte ich eine sehr schwere Zeit durch, so, wie es auch von Eckart Tolle erzählt wird. Ich hatte dermaßen die Scheißerei – schlimm! Nach drei Tagen war ich vollkommen leer, wie Buddha, und dann ERWACHTE ich und merkte, dass ich erleuchtet bin.

Pro: (langsam genervt) Ach ja? Und woran merktest du das?

EP: Schwer zu sagen. Diese selige Leichtigkeit in mir. Dieses Nichtverlangen, zum Beispiel nach Wodka. Und dann natürlich die Allwissenheit.

Pro: Du bist jetzt allwissend?

EP: Tja, scheint so. Kann es selber kaum glauben.

Pro: Ich glaub´ es nicht!

EP: Kannst Du ja testen.

Pro: Wie?

EP: Na, frag mich irgendwas.

Pro: Wie viele Stunden war ich heute auf der Driving Range?

EP: Keine.

Pro: Stimmt. Na gut, das war einfach. (blättert nebenher) Aber: wie heißt der erste Satz im dritten Absatz des Buches Jenseits der Scores?

EP: Du meinst auf Seite auf Seite 57? „Der Weg des Meisters erfordert Offenheit um die eigenen Grenzen zu überschreiten, und den Mut, Misserfolge zu riskieren“. Meinst Du das?

Pro: (erstaunt) Tatsächlich!  Na gut – jetzt: Ken Wilber „Ganzheitlich handeln“ Seite 91 letzter Satz…

EP: „Tiefe Spiritualität beinhaltet eine weite Wissenschaft von den höheren Ebenen menschlicher Entwicklung.“

Pro: Hmpffff (sprachlos).

EP: Also los: Frag mich mal was richtig Schweres!

Pro: OK, OK, mir fällt schon noch was ein… denkt … Also: Ein Mann, 42 Jahre, war 7 Jahre bei der Telekom und wurde dann zu T-Systems strafversetzt. Er sitzt mit seinem fünfjährigen Sohn und seiner Frau, (die eine Schwester in Dortmund hat,) in einem Intercity-Express nach Berlin. Auf der Gegenstrecke bewegt sich ein Güterzug mit halber Geschwindigkeit Richtung Kassel. Dieser Mann, 42 Jahre, mit einem Muttermal am Kinn, steht beim Golfschwung leicht gebeugt, zuckelt von Bein zu Bein, hat eine hohe Anspannung, fasst den Schläger zu fest, holt viel zu schnell aus, kreuzt, dreht sich aber im Durchschwung kaum, verschiebt seine Mittelachse enorm und hat kein Finish. Wie ist sein Ballflug und wann erreicht der Intercity Berlin?

EP: Ballflug kerzengerade und Ankunft 13 Uhr 08!

Pro: Stimmt. Sagenhaft. Diese Pfeife hat gestern jeden Ball kerzengerade getroffen. Ich fragte ihn, warum er zu mir kommt …

EP: … und er sagte, er könne immer nur gerade aus spielen, aber seine Kumpels können auch rechts und links rum und er möchte lernen, wie man einen Slice spielt. Außerdem, sagte er, seine Frau wollte mal einen Tag in Berlin rumbummeln und sein Sohn die Eisbären sehen.

Pro: Donnerwetter. Genau das waren seine Worte.

EP: Tja, ich kann es nicht ändern. Bin halt erleuchtet. Noch ´ne Frage?

Pro: Noch eine: Wer ist der beste Golflehrer der Welt?

EP:  ……….

Pro: Na?

EP: ……….

Pro: Was ist los? Keine Antwort?

EP: Das ist das Schweigen der Buddhas. Es gibt Fragen, die werden mit Schweigen beantwortet. Steht alles in meinem ZEN-Buch.

Pro: Tja, das kann sein. Dabei hätte mich gerade diese Antwort interessiert.

EP: Du musst die Antwort in DIR finden.

Pro: Ja, danke für den Hinweis. Und was hast du jetzt vor?

EP: Da denk ich nicht dran. Lebe ja total im JETZT.

Pro: Klar, hatte ich vergessen. Und  … äh … wie ist es so, wenn man erleuchtet ist.

EP: Nicht schlecht. Lässt sich mit Leben … tja  … also … wollte es dir nur mal erzählt haben.

Pro: Das ist nett. Es war schön mit dir zu reden…

EP: Man sieht sich …

Pro: Klar und erleuchtet …

EP: HA! Guter Zen-Witz. Klar und erleuchtet! Bis denne … ich segne dich, mein Sohn

Pro: Danke. Tschüss.

„Tut Tuut“.

Pros Frau: Wer war das? Wieder dieser Spinner? Wir hatten wegen dem doch extra die Telefonnummer gewechselt.

Pro: Ja, schon wieder dieser Spinner … (murmelt): Aber woher hat er die neue Nummer?

© by Eugen Pletsch, 2008 Aus: Notizen eines Barfußgolfers