Der Phänomenbereich

Es ist reichlich Zeit ins Land gegangen, die ich mit endlosen Telefonaten zur O2 Hotline verbrachte, die (besser als ihr Ruf) zumindest in meinem Fall gut erreichbar war.

Es ging um häufige Leitungsabbrüche und eines Tages war schließlich alles inkl. Telefon mausetot. Für 24 Stunden erlebte ich ein wunderbares, fast vergessenes Gefühl von Freiheit. Es war, als wäre ich der Blase einer Doktrin, einem Gulag oder einer Entführung entkommen. Es war belebend. Aber anstatt mein neues Leben zu genießen (um weiter in Cal Newports Buch „Digitaler Minimalismus“ zu lesen), schlüpfte ich zurück in meinen digitalen Käfig und kaufte eine neue Fritzbox. Prompt stand die Leitung und ich begann, weiter auf meiner Web-Seite zu basteln.
Langsam bekomme ich eine Idee, wie die Seite aussehen könnte, die derzeit noch von meiner dunklen Golf-Vergangenheit dominiert wird. Dass ich mittlerweile drei Besucher habe (wovon ich bisher nicht ausgegangen war) wurde mir bewusst, nachdem ich zwei Mails erhielt.
Die erste Mail kam von Tina vom Golf Blog Berlin, mit der ich schon zu Cybergolf-Zeiten Kontakt hatte. Es war das erste Lebenszeichen, dass mich noch irgendwer aus der Golf-Szene auf dem Schirm hat. Und dann schrieb mir jener Leser, den ich im Beitrag vom 23.10.2022 erwähnt hatte und fragte nach den angekündigten Links zur Nordstream-Sprengung.

Dank meiner kaputten Fritzbox hatte ich diese Links zum Glück nicht veröffentlicht, denn wie ich via Youtube erfuhr, war es dem Bundesamt für Verfassungsschutz im Mai 2021 relativ unbeachtet gelungen, einen Phänomenbereich (wie sie es nennen) zu installieren, eine Art Ermächtigungsgesetz, nach dem die „Verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates“ unter Strafe gestellt wird.
Laut Google entstand dieses Gesetz weil, „verschiedene Akteure das Protestgeschehen gegen Corona-Schutzmaßnahmen instrumentalisieren, um losgelöst von jeder sachbezogener Kritik eine tatsächlich verfassungsfeindliche Agenda zu verfolgen“.
Nach meinem laienhaften Verständnis sind die Verfassungsschützer mit diesem Phänomenbereich jedoch über das Ziel hinaus geschossen, was Autor Till Müller-Heidelberg in seinem Artikel Querdenker und Co.: Rettet uns mal wieder der „Verfassungsschutz“? auf heise.de eine „gesetzwidrige Aufgabenerweiterung“ nennt:
Denn nun kann jeder zum Extremisten erklärt werden, der das aktuelle Staats-Narrativ in Frage stellt. Wer sich öffentlich gegen Aufrüstung, Ausplünderung unserer Wirtschaft, Armut und Frieren im Winter äußert, könnte die Aufmerksamkeit der Verfassungsschützer erregen, die sich (seit Corona) eigentlich um die derzeit von der Politik malträtierte Verfassung kümmern sollten. Müller-Heidelberg: „…es ist völlig unklar, wo die Grenze zwischen der auch vom Geheimdienst theoretisch akzeptierten Kritik an staatlichen Corona-Maßnahmen und der auf Verschwörungstheorien gegründeten Kritik zur Delegitimierung des Staates liegen soll. Eine klare rechtsstaatliche Abgrenzung ist nicht möglich und wohl auch nicht gewollt.“ 

Bisher trifft es nur Schwurbler, Corona-informierte Ärzte und Putin-Versteher, aber wer weiß, wann die Rasterfahndung auch meine kleine Website am Rande des digitalen Universums erreicht? Schließlich war ich einer der ersten radikalen Querdenker im deutschen Golfsport. Unwahrscheinlich, dass der Deutsche Golfverband nachtreten wird, aber ein Risiko besteht, oder?

Charles Bukowski meinte (sinngemäß), dass ein Knastaufenthalt für einen Autor wichtig wäre, um das System, in dem er lebt, zu begreifen. Für mich käme das jedoch zu spät. Erstens weiß ich bereits, dass wir nach Strich und Faden belogen werden und unsere schöne neue Welt vom militärisch-industriell-digitalen Komplex und seinen willfährigen Medien bestimmt wird, deren Lobbyisten längst nicht mehr Politiker-Klinken putzen, sondern (wie hierzulande) bereits Regierungen stellen.
Außerdem habe ich wegen meiner Polyneuropathie ohnehin ständig kalte Füße und ob ich im Gefängnis (wie derzeit nötig) fünfmal pro Nacht mein verschwitztes T-Shirt wechseln kann, ist unwahrscheinlich.
Fraglos ist das Rentner-Dasein ein heißer Ritt, der oft tödlich endet. Aber dass mich eine Staatschutz-Sondereinheit überfällt, wie es Corona-kritischen Ärzten geschah, möchte ich wirklich nicht erleben. Dass ich auf die Bild-Talk Sendung ‚Viertel nach Acht‘ verweise, fällt mir wirklich schwer, aber da wird von drei Gesprächsteilnehmern berichtet, inwiefern die Meinungsfreiheit außer Kraft gesetzt wird.

Also keine Links zum Thema Nordstream! Ich bin staatstreu im Rahmen der offiziell freigegebenen Meinungsvielfalt und warne dringend vor dem Netzwerk vermeintlicher Nachrichtenportale (mit russischer Propaganda) die Netzpolitik.org hat in Zusammenarbeit mit der WELT – Gott sei Dank! –  enttarnt hat.
Leider sind diese Recherchen von 2020. Broeckers.com (Putin-Versteher), die ‚Nachdenkseiten‘, der ‚Anti-Spiegel‘, sowie ‚Redacted‘ und ‚Russel Brand‘ (alle auf youtube), vor denen man ausdrücklich warnen muss, werden noch nicht erwähnt.

Ansonsten halte mich aus der Politik komplett raus, denn davon verstehe ich noch weniger als vom Golfspiel.

Lebt lang und in  Frieden

(ep)

Worum es beim Golfspiel geht

Im Herbst, wenn nur noch die wetterfesten Spieler im letzten Büchsenlicht unterwegs sind um ihre Bälle aus dem Schlamm zu pulen, kommt bisweilen der eine oder andere Clubmanager auf die Idee, die Schnuppergolfer der letzten Saison zu einem Informationsabend einzuladen.
Wer bisher noch nicht angebissen hat, lässt sich bei einer solchen Geselligkeit vielleicht an den Haken nehmen und auch der Clubgastronom freut sich, besonders nach einem nassen Sommer wie diesem.
Manchmal werde ich gebeten, diese Informationsabende zu begleiten, wie kürzlich im Golfclub Bauernburg. Nach einem Prosecco zum Empfang begrüßte Präsident Fahrenbach die Gäste und übergab das Wort dann an Vize Prof. Klausthaler. Der bekam rote Backen vor Freude, bei seiner Schilderung wie schön das Golfer-Leben ist, insbesondere im Golfclub Bauernburg! Gemeinschaft, Freunde, frische Luft, herrliche Aussicht…!

Dann wurde ich vorgestellt und schaute in die Runde. Da saßen sie nun, die Golfer von morgen mit ihren fragenden Gesichtern. Unschuldig wie Lämmer, nicht wissend, was auf sie zukommt, wie dieser Sport ihr Leben umkrempeln würde.
„Wer von Ihnen hat Kinder“, fragte ich.
Die meisten hoben die Hand.
„Und wissen Sie noch, wie das erste Kind Ihr Leben vollkommen auf den Kopf gestellt hat? Wie alles anders wurde?“
Viele nickten.
„So wird es auch werden, wenn Sie Ihr Leben dem ‚Spirit of Golf‘ weihen. Das Spiel verändert Ihr Leben. Komplett!“

Meine Stimme hatte gerade eine gewisse Dramatik angenommen, was einen älteren Herren in der ersten Reihe nicht davon abhielt, mein ausgefeiltes rhetorisches Konzept durch eine Frage aus dem Rhythmus zu bringen: „Bevor Sie uns hier Angst vor einem Golfgeist machen – wollen Sie uns nicht erstmal erzählen, worum es beim Golfspiel eigentlich geht?“

„Äh, ja natürlich…“, stotterte ich. „Also …äh… Golf ist ein Zielspiel über 9 oder 18 Spielbahnen verschiedener Länge. Sie und Ihre Mitspieler (Mitbewerber genannt und mit Ihnen maximal vier Personen) versuchen dabei einen kleinen Ball mit maximal 14 Schlägern von einer Abschlagsfläche (Tee genannt) über einen Rasen (Fairway genannt) zu einer kurz gemähten Fläche (Grün genannt) zu treiben, um den Ball dort in ein ca. zehn Zentimeter breites Loch einzulochen, das durch eine Fahne gekennzeichnet ist? Alles klar?“

Manche Zuhörer nickten bereits, während andere noch versuchten, den Satz zu verdauen. Eine Dame hob die Hand.
„Und warum maximal 14 Schläger?“ „Das hat man in Schottland irgendwann so festgelegt. 14 Schläger, weil der Caddie sonst zu schnell müde wird. Und 18 Bahnen, denn dann ist die Whisky-Flasche leer.“
„Und was unterscheidet diese Schläger?“
„Von einer Whisky-Flasche?“
„Nein, untereinander!“
„Die Schlagflächen haben verschiedene Winkel, auch Loft genannt, um – theoretisch mit dem gleichen, um Ihre Körperachse verlaufenden Schwung – den Ball auf verschieden hohe Flugbahnen schicken, um damit unterschiedliche Entfernungen zu erzielen.“
„Aha. Und wer vom Abschlag auf der ersten Bahn bis zum letzten Einlochen auf der 18. Bahn die wenigsten Schläge braucht, hat gewonnen?“ hakte die Dame nach.
„Genauso ist es! Es handelt sich beim Golfen also um ein Geschicklichkeitsspiel mit Schläger und Ball, bei dem der Ball oft – meist unfreiwillig – angeschnitten wird….“, versuchte ich auszuführen.
„Also ähnlich wie Tischtennis?“ fiel mir der ältere Herr ins Wort. „Nun ja, ein Golfball ist viel schwerer als ein Tischtennisball, fliegt also über längere Distanzen. Angeschnitten landet er deshalb oft jenseits der gemähten Fläche im hohen Gras (Rough).“
„Und die Abenteuer, die man auf dem Weg durch die Wildnis bis zum 18. Loch erlebt, darf man dann jedem, der sich nicht schnell genug aus dem Staub macht, an Bar der Clubhauses erzählen! Ha, Ha!“
Der Senior lachte. Er schien meine Bücher zu kennen. Die Zuhörer schmunzelten.
„Ja, so ähnlich“, bestätigte ich. „So ähnlich“.
Eine Dame meldet sich: 
„Das klingt alles recht einfach, ist es aber nicht. Ich habe es nämlich probiert.“
Stille. Ich gab dem Wirt ein Zeichen noch mal nachzuschenken.
„Der Haken ist nämlich“, fuhr der ältere Herr in meinem Vortrag fort, „Erstens kommt beim Golf alles anders und zweitens als man denkt!“
Er holte Luft – ich grätsche ihm in den Satz:
Golf ist der unlösbare Konflikt zwischen Wollen und Können!
Aber gerade das macht das Spiel so spannend. Ein guter Golfer kann den Ball nicht nur fast punktgenau in exakten Distanzen schlagen, sondern auch angeschnitten mit Rechts- oder Linksdrall um eine hundert Meter entfernte Baumgruppe lenken. Dabei trifft das Schlägerblatt mit über hundert Stundenkilometern Schlägerkopfgeschwindigkeit auf eine runde Balloberfläche von ein paar Quadratmillimetern! Gute Golfer spielen den Ball mit wenigen Schlägen an die Fahne, damit der Ball möglichst mit einem Schlag eingelocht werden kann. Auf diesem spielerischen Niveau ist Golf ein Strategiespiel, das dem Schach ähnlich ist. Man überlegt sich, welche Landezone den Ball in eine gute Lage für den übernächsten Schlag bringt…“.
„Und weniger gute Golfer?“ fragte ein Herr aus der 2. Reihe, der aufmerksam zugehört hatte. „Was gute Golfer machen, dürfte uns in den nächsten Jahren erstmal egal sein, oder?“
„Na, so lange wird’s je nach Talent nicht dauern“, beschwichtigte ich.
„Nach meinen Erfahrungen“, sagte der Herr aus der 2. Reihe, „erreichen wir Amateure – egal mit welchem Schläger – nur zwei verschiedene Ballfluglängen: zu lang oder zu kurz. Der Ball bleibt selten in der Nähe der Fahne liegen, und wenn doch, dann rollt er immer noch nicht mit einem Putt ins Loch.“
Er blickte resigniert in die Runde. „Und je mehr man sich bemüht, umso weniger klappt es.“

Ich sah, wie der Clubmanager zuckte. Der Abend lief in die falsche Richtung. Wir wollten doch Begeisterung erzeugen und keine Depression!
„Das kann nur am falschen Material liegen!“ warf ich ein. „Dann wird Golf zum Glücksspiel. Oder Sie nahmen keine Golfstunden mehr, nachdem Sie die Platzreife erlangt haben. Auch das rächt sich.“
Der Herr schwieg, worauf ich fortfuhr, Golf als ein interessantes Hobby mit Frischluftcharakter und gesellschaftlicher Komponente zu beschreiben. Ich erzählte ein paar Schnurren, die Leute lachten, die Stimmung lockerte sich. Noch Fragen? Die Zuhörer unterhielten sich angeregt. Allgemeine Aufregung bei dem Gedanken, es doch mal zu versuchen. Im nächsten Frühjahr! „Jetzt ernsthaft, machst du mit?“ fragte eine Dame ihre Freundin.

Zeit für Prof. Klausthaler, noch einmal das Wort zu ergreifen: „Unser Club bietet Ihnen zum Einstig eine Jahresmitgliedschaft zu sehr interessanten Konditionen an. Auf diese Weise können Sie feststellen, ob das Spiel zu Ihnen passt und ob die Chemie im Club für Sie stimmt. Ich stelle Ihnen das mal kurz im Detail vor.“
‚Klausi‘ öffnete seinen Laptop und warf einige Grafiken mit Angeboten an die Wand. Die Zuhörer lauschten aufmerksam. Manche machten sich Notizen.

Ich hatte mich gesetzt. Das Summen der Stimmen machte mich schläfrig. Vage erinnerte ich mich daran, wie es bei mir damals war, als mir mein schottischer Schwiegervater erstmals einen Schläger in die Hand drückte und ich meine ersten Versuche unternahm, einen Ball in die gewünschte Richtung zu schlagen. 30 Jahre später versuche ich das immer noch. Manchmal klappt es, manchmal nicht. Golf ist ein Geschicklichkeitsspiel, mit Schläger und Ball. Ein Spiel, das wir heute lieben und morgen verfluchen, von dem wir aber nicht mehr lassen werden. Aber darum geht es ja, beim Golfspiel. Oder?

(c) by Eugen Pletsch 2015

Grötschmanns Katze

An einem windigen, regennassen Tag trug Grötschmann seine Katze zu Grabe.
Grötschmann – Ihr erinnert Euch? In den ersten Jahren waren wir keine engen Freunde gewesen, höchstens Fairway-Gefährten. Heinz Grötschmann hatte damals eine besondere Stellung inne. Er war der einzige offiziell bestallte Zuhörer in einem deutschen Golfclub. Lange bevor wir mit ihm im GC Bauernburg den „Golftherapeutischen Pflegedienst“ gründeten, sammelte er bereits Erfahrungen in der Kunst des Zuhörens.

Golfer-Geschwätz ertragen ist die höchste Form der Vipassana-Meditation. Kaum einer weiß, was Heinz Grötschmann in seiner Zeit als aktiver Zuhörer für seinen Club – und die Menschheit – geleistet hat.

Jesus mag für unsere Sünden gestorben sein, aber Heinz Grötschmann hat alle unsere Sünden mit uns erlitten, egal ob verschlagene Drives oder 15 cm-Putts, die unaufmerksam und leichtfertig am Loch vorbeigeschoben der Mannschaft den Klassenerhalt kosteten. Selbst die lautstarken Siegertypen und Brüllochsen mit Bierschaum vor dem Mund ertrug er gelassen.

Üblicherweise ist es doch so:  Kommt jemand nach einem Turnier und fragt, wie man gespielt hat, will der das doch gar nicht wissen. Sie wollen doch nur selbst erzählen, wie toll oder grauslig sie gespielt haben. Hören kaum einen Moment zu, nicken kurz und fallen dir dann ins Wort. Hat jemand grottenschlecht gespielt, hebt das vielleicht noch die eigene Stimmung, aber sonst – wozu dieses endlose Gesülze? – nein danke. Könnte man sagen.

Aber Grötschmann hat sich alles angehört, hat die Leidenden aufgerichtet und mit einem Wort der Aufmunterung gestreichelt, hat die wirre Verzweiflung der Schwung-Gläubigen zum Weg der Erkenntnis geführt und war stets bereit, auch Gästen zuzuhören, die im Club niemanden kannten, der bereit gewesen wäre, ihren Tragödien und Triumphen zu lauschen.
Zum Ausgleich für diese unsägliche Geduld erhielt Heinz, der es nach seiner Scheidung nicht mehr so Dicke hatte, die Möglichkeit, seinem geliebten Golfsport in diesem Club kostenfrei nachzugehen, so wie dann später bei uns in Bauernburg. Wie ich bereits in ‚Golf Gaga‘ schrieb:

„Für den herzensguten Grötschmann war Golf eine kultische Handlung und er selbst sah sich als Diener einer launischen Göttin, die ohne Unterschied auf Rang und Ansehen belohnte und strafte, was seinem Verständnis von Gerechtigkeit entsprach.“

Ein Geheimnis, das kaum jemand kennt (und das ich auch in den Geschichten vom Golfclub Bauernburg in Achtung Golfer! geflissentlich zu erzählen vermied, betrifft die Existenz von Grötschmanns Katze. Die Katze hieß ‚Semikolon‘, er rief sie Sem. (Nicht Sam!)

Wer länger Golf spielt weiß, dass unser Spiel ein Paradoxon ist.

So wie Schrödingers Katze. Das Paradoxon von Schrödingers Katze besteht darin, „dass dem Gedankenexperiment nach eine Katze mit den Regeln der Quantenmechanik in einen Zustand gebracht werden könnte, in dem sie gleichzeitig „lebendig“ und „tot“ ist, und in diesem Zustand verbleibt, bis die Experimentieranordnung untersucht wird. Die gleichzeitig tote und lebendige Katze würde erst dann eindeutig auf „lebendig“ oder „tot“ festgelegt, wenn man sie beobachtete, also eine Messung durchführte. Das widerspricht der Anschauung und Alltagserfahrung mit makroskopischen Systemen.“ (Wiki)

Meines Wissens wurde das Paradoxon von ‚Schrödingers Katze‘ wissenschaftlich nie geklärt, aber Grötschmanns Katze hat dieses Paradoxon auf wundersame Weise gelebt. ‚Semikolon‘ war da und war nicht da, weshalb sie in „Achtung Golfer!“ auch nicht erwähnt wird – obwohl sie da war. ‚Semikolon‘ hatte eine rotbraune Farbe. Im Film „Inside Llewyn Davis“ spielt sie in einer Nebenrolle die zweite (falsche) Katze, die der Protagonist des Films, gespielt durch Oscar Isaac, irrtümlich eingefangen hatte, um sie den Besitzern zurückzugeben.

(Die erste Katze im Film war eine Katze, die zweite ein Kater, den ‚Semikolon‘ so überzeugend darstellte, dass alle am Set klatschten. ‚Semikolon‘ wurde übrigens zum Casting zusammen mit Marcus Mumford über London eingeflogen, was gewisse Komplikationen mit sich brachte, weil Mumford eine Katzenallergie hat.

Gitarren-Freaks sollten den Film allein schon wegen der 1925er Gibson L1, einer ‚Robert Johnson-Gitarre‘ unbedingt anschauen, die die Coen-Brüder (Produzenten) in ‚Norman’s Rare Guitar‘ gekauft hatten. Für Golfer ist der Film weniger interessant, es sei denn, sie sehen im Golfsport einen Weg der Bewusstseinserweiterung an. Dann könnten sie (Stichwort Ballverluste vermeiden durch ‚Vipassana‘) lernen, wie man Fenster und Türen bewusst im Auge behält, um Katzen am Davonlaufen zu hindern.

Grötschmann hielt es jedoch anders mit ‚Semikolon‘. Sie war eine freie Katze. Sie kam und ging. Man wusste nie, ob sie da war oder nicht. Golfplatzbetreiber erlauben Hunde auf ihrem Platz, aber einen Hinweis, dass Katzen willkommen wären, habe ich noch nie gesehen. Habe ich überhaupt jemals eine Katze auf einem Golfplatz gesehen? Ich kann mich nicht erinnern. Vielleicht sah ich einst eine Katze auf Mäusejagd, da wo sich das Fairway an einem Dorfrand entlang schlängelt, zum Beispiel auf der 12. Bahn des Golfclubs Attighof. Da könnte ich einer Katze begegnet sein, aber der Fuchs, der auf einem Nordhessischen Platz wohnt oder die Waschbären in Lich sind mit präsenter.

Von ‚Semikolon‘ wusste ich, dass sie oft mit Grötschmann auf dem Platz unterwegs war. Oder auch nicht, denn ‚Semikolon‘ war da und nicht da. Kaum eine Sekunde zu sehen, höchstens ein sandbraunes Huschen im Augenwinkel, wenn man sich sicher war, dass sie diesmal NICHT mitgegangen war. Aber habe ich ‚Semikolon‘ jemals gesehen?

„Da oder nicht da, wer soll das wissen?“ antwortete Grötschmann irgendwann auf meine Frage nach der Katze.

„Ist nicht alles, was wir wahrnehmen ohnehin nur ein Gedankenexperiment?“

Und nun ist sie tot. Grötschmann weigerte sich, Semikolon‘ dem Abdecker zu überlassen. Er grub ein Loch, dort auf dem Platz, wo ihr Grab keinen Golfer stören würde. ‚Schrödingers Katze‘ mochte tot oder nicht tot sein, Grötschmanns Katze verstarb an einem windigen, regennassen Tag. Eindeutig, sie war mausetot.

Am Abend saß Heinz Grötschmann im Clubhaus am Kaminfeuer und trauerte. Dann stand er auf um sein Leben zu verändern. Ich ging mit ihm, keine Ahnung wohin.

 (c) by Eugen Pletsch