Eigentlich sollte das Buch ein ziemlicher Schinken mit endlos langen Sätzen und einem Schuss Wahnsinn werden, fast wie ‚Dantes Inferno‘, aber mein Redakteur meinte, dass das niemand kaufen würde, weil kein Mensch heutzutage mehr als eine SMS-Textlänge verarbeiten kann.
Das Gespräch mit einem Redakteur verlief etwas so:

Sonst noch was?“ fragte ich.
„Es soll ein heiteres Buch werden“, sagte er, was mir sofort die Laune vermieste.
„Das Golfspiel ist nicht immer heiter!“ knurrte ich.
„Das mag sein“, erwiderte er, „aber Sie können manchmal richtig fies werden, so dass man meint, Sie wollten Ihren Lesern das Golfspiel vermiesen.“
„Wie bitte? Ich? Ich bin der einzige in der Branche, der diesen Traumtänzern reinen Wein einschenkt, der ihnen schonungslos sagt, was ihnen bevorsteht, wenn sie …ich habe doch täglich mit den Opfern dieses Spiels zu tun. Ich bin doch selbst eins!“
So ging das hin und her. Eigentlich plante ich einen anarchistischen Golfroman zu verfassen. Meine These: Golf ist Anarchie. Mein Beweis: Wo immer sich Golflehrer einmischen, herrscht danach das reine Chaos.
„Wir brauchen kurze Episoden, leicht wie Knäckebrot, die flach unter dem Wind segeln“, forderte er, was mich erboste.
„Soll ich irgendwelche niveaulosen Sottisen und peinlichen Anekdötchen zu einem Amalgam der Geschmacklosigkeit zusammenrühren, das bei jedem intelligenten Menschen Übelkeit verursacht?“ fragte ich.
„Das leichte Genre ist ein Trend, den wir nicht verschlafen sollten!“
„Ich soll meine Leser in den Hades grobschlächtiger Satire stürzen? Aber das ist doch überhaupt nicht mein Stil! Außerdem kann ich mich nicht kurz fassen.“
„Dann müssen Sie es lernen. Viele Bücher, die ihre Leser nicht mit Inhalt überfordern, sind Bestseller geworden.“
„Solche Bücher werden Bestseller?“
Es folgte ein Moment der Stille. Der Redakteur am anderen Ende der Leitung schien zu nicken. Im tiefsten Gedärm meines Wesens, da wo in jedem Künstler die Angst vor der Einsamkeit in Altersarmut wohnt, schrie plötzlich ein hungriger Esel auf, der GOLDESEL: „ÖÖÖnk, ÖÖÖnk, ÖÖÖnk!“
„Vielleicht sollte auch ich diesen schweren Zeiten der Niveaulosigkeit meinen Tribut zollen?“
„Die Verlagsleitung würde das sehr zu schätzen wissen.“
„Und das Thema?“
„Geschichten über Golfer, sozusagen Schlägertypen in Wald und Flur. Auf wen lässt man sich ein, wenn man mit dem Golfen beginnt?
„Ich könnte vielleicht etwas über unsere Therapiegruppe schreiben“, überlegte ich laut.
„Gut zu wissen, dass Sie noch in Therapie sind, aber ist das lustig?“
„Ich bin nicht in Therapie, ich bin der Therapeut!“
„Oh! Wie schön. Dann ist es für Ihre Klienten bestimmt lustig.“
„Für die Betroffenen vielleicht weniger, aber für die Leser könnte manche Episode ein Anlass zum Schmunzeln sein.“
„Na, dann haben wir doch etwas gefunden“, beendete mein Redakteur das Gespräch.
Dann kam die Einladung, einen Sommer in meinem früheren Golfclub Bauernburg als Mitarbeiter des Golftherapeutischen Pflegedienstes auszuhelfen. Grötschmann und Mulligan, die meine Leser aus dem WEG und Golf Gaga kennen, waren verreist und Karl Janzen suchte Verstärkung für sein Team. Für einen Golfethnologen, der Feldstudien betreiben wollte, war das also eigentlich eine ideale Situation um der Frage nachzugehen, ob sich Schlägertypen nach einem System ordnen lassen. Ich begann, die Artenvielfalt von Golfern zu studieren und etliche „Golfer-Typen“ in Gruppen zu erfassen.
Um Euch eine kleine Vorstellung davon zu geben, möchte ich ein paar Typen aufzählen, die in jedem Club zu finden sind: Jeder kennt den latent depressiven Spaßvogel, den nörgelnden Bedenkenträger, den jovialen Besserwisser, den selbstherrlichen Vielredner, den implosionsgefährdeten Schweiger, den peinliche Witze-Erzähler, den verschreckten Jammerlappen, den total begeisterten Neuling, das Kreischhuhn, die schrille Quietschmaus, die abrupte Jodlerin, die Zeterzicke, Bassbrummler, eitle Schwallköpfe, die desorientierte Faslerin sowie die planlose Vollchaotin mit Schreianfällen.
Wir alle kennen aber auch die gestylten Businessgolfer, Verkäufer-Typen, Vereinsmeier, neugolfende Platzreifegeschwader, langjährig golfende Kampfgeschwader, standesbewusste Altgolferinnen, aufgeblasene Mannschaftsspieler, verzweifelte Mannschaftsspieler, selbstgefällige Sponsoren, handicap-geile Pleitiers, geschasste Geschäftsführer, Prominente, B-Prominente, die überwiegend weiblichen C-Cup-Prominenten, Unternehmer, Herr Dr. Bankbeaufsichtigt, neureiche IT-Fuzzies sowie schwarzgeldzockende Bauunternehmer. Obwohl ich viele Typen sammeln konnte, wurde es irgendwann problematisch. Ich versuchte, Golfer nach allen mir bekannten Systemen zu ordnen, aber schließlich wird klar, dass man sie nicht wie Blumen oder Vögel sortieren kann.
Als ich das dem Verlag gestand, änderte mein Redakteur den Auftrag:
„Wir möchten Menschen vorstellen, die sich bereits für dieses hübsche Hobby entschieden haben. Freundliche, sympathische Gestalten voller Lebensfreude und Humor.“
„Hübsches Hobby? Freundliche, sympathische Gestalten voller Lebensfreude? Sagen Sie, waren Sie schon mal auf einem Golfplatz?“ fragte ich.
„Nein, aber denken Sie über meinen Vorschlag nach.“
Außerdem wollte er ein paar „schräge Typen“, Geschichten mit Viechern, weil das gerade im Trend läge und möglichst noch eine Weihnachtgeschichte.
Also begann ich, Geschichten von besonders bizarren Typen zu sammeln, aber dabei fällt mir ein, was noch wichtig ist (es gibt so viele Handlungsstränge):
In dieser Zeit in Bauernburg lebte ich in einer kleinen Pension und auf der Weide hinter dem Haus, unter meinem Fenster, stand ein Pferd, wie sich herausstellte ein mongolisches Steppenpferd. Ich nannte es Ed, nach dieser Fernsehserie, und ich begann mit ihm zu reden, ihm von meinem Alltag erzählten, bis – ja, bis ich merkte, dass Ed mich wirklich verstand. Er begann, mir telepathisch zu antworten.
Spätestens jetzt wird „Achtung Golfer!“ ziemlich abgedreht, diesmal aber so, dass ich selbst nicht mehr ganz folgen konnte. Schließlich landete ich in der mongolischen Wüste, wo ich, wie in jedem meiner Bücher, Ho Lin Wan traf, meinen Kameraden aus einem früheren Leben in Tibet. Weil die ganze Geschichte immer absurder wird, fragt mein Redakteur am Ende des Buches:
„Was haben Sie mir denn da geschickt?“
„Das Buch, das Sie bestellt hatten! Gefällt es Ihnen nicht?“
„Ich bin kein Golfer, aber ich kann mir nur schwer vorstellen, dass irgendein Golfer etwas mit diesem mystischen Humbug anzufangen weiß.“
„Was soll ich machen. Ich bin Anhänger des spontanen Schreibens und weiß nie, wohin mich meine Feder führt.“
„Sie schreiben noch mit der Feder? Das sieht Ihnen ähnlich.“
„Nein, das war nur ein geflügeltes Wort.“
„Ach so. Und was jetzt?“
Die Pointe der Geschichte ist, dass der KOSMOS-Verlag dann doch bereit war, das Buch zu verlegen, und um mich zu ärgern haben sie auf der Website seit Jahren immernoch das falsche (blaue) Cover abgebildet.
Ich hoffe dennoch, dass es Leser gibt, die in dieser heutigen surrealen Welt ein bisschen mystischen Humbug zu schätzen wissen. (ep)